Übung 1: Leichtbaukonstruktionen Aufgabe 1 Lösungsvorschlag Abb. 1 und 2 zeigen zwei typische Anwendungsbeispiele des Leichtbaus. Identizieren Sie jeweils die typischen Lastfälle der gesamten Komponente und nennen Sie zusätzliche Anforderungen und die daraus resultierende Notwendigkeit für den Einsatz von Leichtbau. Welche für den Leichtbau typischen Strukturelemente und Bauweisen können Sie erkennen? Diskutieren Sie die Vorteile der präsentierten Lösung anhand der Belastungen auf einzelne Strukturelemente. Abbildung 1: Rumpfsegment eines Airbus A380. ETH Zürich, IDMF-CMAS 1 C. Karl, C. Schneeberger
Abbildung 2: Rennrad Rahmen und Gabel. ETH Zürich, IDMF-CMAS 2 C. Karl, C. Schneeberger
Flugzeugrumpf Lastfälle Anforderungen Notw. für Leichtbau Strukturelemente Werkstoe Bauweise Flug: Biegung (mitting aufgehängter Zylinder unter Eigengewicht), Innendruck. Stand/Taxi: Biegung (vorne und mittig abgestützter Zylinder unter Eigengewicht und mittig angreifende Gewichtslast der Tragächen). Integration der Tragächen, geringes Gewicht, hohe Steigkeit und Festigkeit, Resistenz gegen Instabilitäten (Beulen), Lebensdauer, Ermüdungsfestigkeit (Take-o/Landung, Manöver, Druckschwankungen), Reduktion des Aussenlärms (Triebwerke), Reduktion des Luftwiderstands, Wartbarkeit, Fertigbarkeit für kleine bis mittlere Seriengrössen, Standhaftigkeit ggü. Lasten infolge des Kabinendrucks. Einsparung von Treibsto bzw. Erhöhung der Nutzlastkapazität pro 100 kg weniger Strukturgewicht kann ein Passagier mehr transportiert werden. Versteifte Schalenstruktur: Zylinderschale, versteift in Längs- und Umfangsrichtung durch Stringer und Spanten (Erhöhung der Steigkeit, Vermeidung von Instabilitäten (Beulen) durch Druckspannungen infolge Biegebeanspruchung, zudem Funktion als Lasteinleitungen). Balken: Trägerstruktur für Passagier-/Cargodeck, zusätzliche Versteifung des Rumpfs. Verbindungselemente zur Lasteinleitung. Aluminium, Faserverbundwerkstoe (CFK, GFK), Hybride Verbundwerkstoe (GLARE), Titan. Rumpf: Dierentialbauweise (Fertigbarkeit). Einzelne Strukturelemente: Integralbauweise. ETH Zürich, IDMF-CMAS 3 C. Karl, C. Schneeberger
Bemerkung 1 Fahrzeug- und Rumpf/Flugzeugstrukturen werden dierentiell gefertigt, also die Komponenten zu Baugruppen und letztendlich zur Gesamtstruktur zusammengefügt. Das strukturmechanische Verhalten ist jedoch integral. Es handelt sich um versteifte Schalenstrukturen beim Rumpf, oder wie bei der Karosserie um Rahmenstrukturen in Verbindung mit der Karosseriehaut als Schale, die ggf. wiederum lokal versteift ist. Dabei kann im Globalverhalten der Karosserie die Rahmenstruktur strukturmechanisch in ihrer Wirkung dominieren wie z.b. beim sog. Spaceframe-Konzept. Rennrad Rahmen und Gabel Lastfälle Anforderungen Notw. für Leichtbau Strukturelemente Werkstoe Bauweise Rahmen und Gabel unter Biegung: Auager hinten/vorne (Räder), mittig verteilte Gewichts- und Tretkräfte. Dynamische Verlagerung des Fahrergewichts und Vibrationen von der Strasse. Sturz: Hochdynamische Schläge. Minimales Gewicht für geforderte Steigkeit und Festigkeit, Reduktion des Luftwiderstands, Impactresistenz, Schlagzähigkeit. Steigerung der Performance des Systems Athlet/Fahrrad durch Reduktion der zu beschleunigenden Masse. Rahmenkonstruktion aus Balken unter Zug/Druck und Biegung, Knoten als wesentliches konstruktives Element (Übertragung von Momenten, insbesondere beim Lenklager). Balken als Hohlstruktur mit zunehmend grösserem Seitenverhältnis (Höhe zu Breite) im Querschnitt. Alu-Legierungen, CFK. Rahmen oder Gabel separat: Integralbauweise (Wartbarkeit unnötig). ETH Zürich, IDMF-CMAS 4 C. Karl, C. Schneeberger
Aufgabe 2 Musterlösung Ein Balkenprol mit quadratischem Querschnitt ist bei begrenztem Bauraum (Kantenlänge max. 100 mm) entsprechend einer geforderten Biegesteigkeit von E I = 3.667 10 8 GPamm 4 auszulegen. Zur Auswahl stehen die drei verschiedenen Werkstoffe Magnesium, Aluminium und Stahl mit den in Tabelle 1 aufgeführten Eigenschaften. Welcher der drei Werkstoe führt auf die geringste Masse pro Längeneinheit dieses Balkenprols und warum? I y = b h3 I y = B H3 b h 3 Tabelle 1 Werksto E-Modul [GPa] Dichte [g cm 3 ] Mg-Legierung 44 1.74 Al-Legierung 70 2.70 V2A-Stahl 191 7.90 Zunächst ist klar, dass zur Erzeugung eines hohen Flächenträgheitsmomentes I der Bauraum voll ausgenutzt wird, da dieser quadratisch in die Berechnung eingeht und daher eine verstärkte Reduktion der Wandstärken erlaubt. Unter Berücksichtigung, dass ein quadratischer Querschnitt verlangt wird, gilt somit H = B = 100 mm und h = b. Das Flächenträgheitsmoment berechnet sich somit als Mg-Legierung: I = EI E = BH3 bh 3 = H4 h 4 = (100 mm)4 h 4 ( m l I Mg = EI = 8.334 10 6 mm 4 E Mg ] h Mg = [(100 mm) 4 1 4 I Mg = [ 8000] 1 4 mm Vollprol erforderlich! ) = H 2 ρ Mg = (10 cm) 2 1.74 g cm 3 = 17.4 kg m 1 Mg ETH Zürich, IDMF-CMAS 5 C. Karl, C. Schneeberger
Al-Legierung: Stahl: I Al = EI = 5.239 10 6 mm 4 E Al ] h Al = [(100 mm) 4 1 4 I Al = 78.06 mm ( m ) = ( H 2 h 2 ) Al ρal =... = 10.55 kg m 1 l Al I St = EI = 1.920 10 6 mm 4 E St ] h St = [(100 mm) 4 1 4 I St = 93.66 mm ( m ) = ( H 2 h 2 ) St ρst =... = 9.69 kg m 1 l St Infolge der geringen Werkstosteigkeit (E-Modul) von Mg muss zur Erzeugung der geforderten Biegesteigkeit die gesamte Querschnittsäche genutzt werden (Vollprol). Bei Stahl mit seinem relativ hohen E-Modul hingegen genügt ein Hohlprol mit relativ dünnen Wandstärken. Grund hierfür ist die Tatsache, dass für das Flächenträgheitsmoment die Werkstoanhäufungen im Aussenbereich entscheidend sind aufgrund des quadratischen Einusses des Abstands (Steinerscher Satz). Bei Mg muss man also relativ viel unproduktive Masse in der Umgebung des Schwerpunkts mitschleppen. Der Werksto mit dem geringsten spezischen Gewicht führt daher nicht zwangsläug auf die beste Leichtbaulösung. Unter den gegebenen Anforderungen (hohe Biegesteigkeit) führt hier der schwere Stahl zur geringsten Masse pro Längeneinheit dieses Balkenpro- ls aufgrund des nichtlinearen geometrischen Einusses auf das Flächenträgheitsmoment. Take-home-message: ˆ Im Leichtbau muss stets die Gesamtheit der Anforderungen (Geometrie, Werksto, Beanspruchung etc.) berücksichtigt werden. ETH Zürich, IDMF-CMAS 6 C. Karl, C. Schneeberger
ˆ Neben den gewichtspezifschen Anforderungen interessieren gerade bei besonders hochbelasteten Bauteilen auch die Absolutwerte. Daher kann z.b. bei Anforderungen hinsichtlich hoher E-Moduli (Steigkeit, Beulwiderstand) durchaus Stahl die attraktivste Lösung sein, trotz des vergleichsweise hohen spezischen Gewichts. ETH Zürich, IDMF-CMAS 7 C. Karl, C. Schneeberger