Manuskript Beitrag: Finanztrickserei bei der FDP Geschönte Bilanz Sendung vom 14. Juli 2015 von Christian Esser, Birte Meier, Mathew D. Rose und Joe Sperling Anmoderation: In unserem nächsten Beitrag geht es um Schulden, um Gläubiger, die Druck machen, und um Sparzwang. Nein, nicht Griechenland ist unser Thema. Es geht um die FDP. Die Partei steckt in Finanznöten, seit sie aus dem Bundestag geflogen ist und deshalb weniger Geld aus der Staatskasse bekommt. Unsere Autoren haben den Rechenschaftsbericht untersucht und darin Verdächtiges entdeckt. Offenbar schönt die FDP Zahlen, um nicht kreditunwürdig dazu stehen. Peinlich für Parteichef Christian Lindner, der doch gerade die Kreditunwürdigkeit Griechenlands beklagte. Hier das Armutszeugnis für die FDP, ausgestellt von Birte Meier, Mathew D. Rose und Joe Sperling. Text: O-Ton Rainer Brüderle, FDP, am Abend der Bundestagswahl 2013: Meine Damen und Herren, heute ist ein schwieriger Abend. Bundestagswahl 2013. Die FDP verliert nicht nur alle Mandate, sondern auch noch Geld aus der staatlichen Parteifinanzierung: drei Millionen Euro weniger, Jahr für Jahr. Mai 2014. Europawahl: Minus 1,3 Millionen Euro jährlich. Dabei hatte der FDP-Bundesvorstand bereits hohe Schulden. Die Banken machen Druck. Die Geldnot auch Thema für den Bundesschatzmeister beim diesjährigen FDP-Parteitag. O-Ton Hermann Otto Solms, Bundesschatzmeister FDP, am 15.05.2015: Zusätzlich ist aufgrund zwingender Tilgungsvorgaben unserer Kreditpartner ein Überschuss zu erwirtschaften, um einen zügigen Abbau der Bankverbindlichkeiten in Höhe von mindestens eine Million Euro für jedes Jahr zu
gewährleisten. Im aktuellen Rechenschaftsbericht für den Bundestag scheint die Lage nicht ganz so dramatisch. Zwar war der FDP- Bundesverband 2013 bilanziell überschuldet - mit rund 8,6 Millionen Euro. Gleichzeitig listet die FDP reichlich Unternehmensbeteiligungen auf: Firmen, die sehr viel wert sein sollen. Zum Beispiel die LO Lehrer Online GmbH : gut 1,4 Millionen Euro. Das angeblich millionenschwere FDP-Unternehmen sitzt in Wiesbaden, hinter diesem eher unscheinbaren Klingelschild. Es ist ein Service-Portal für Lehrer, das 2013 überschuldet war: mit rund 270.000 Euro. Wieso soll ausgerechnet diese Firma 1,4 Millionen Euro wert gewesen sein? Wir fragen bei der FDP nach. Kein Interview. Schriftlich heißt es, Zitat: Das Unternehmen wurde 2014 zu diesem Preis veräußert. Die renommierte Bilanz-Expertin Regine Buchheim hat sich den Rechenschaftsbericht der Liberalen für 2013 genau angeschaut. Ein Verkauf aus dem Jahr 2014 heranzuziehen, ist nach dem Bewertungsgesetz ausgeschlossen. Es sagt ganz eindeutig bis zum Bewertungsstichtag. Das heißt, es können nur Verkäufe aus dem Jahr 2013 herangezogen werden. Die Gesellschaft hat seit ihrer Gründung, sieben Jahre vorher, keinen einzigen Cent Gewinn gemacht, sondern im Gegenteil in der Summe über eine Million Verlust und war entsprechend am Bewertungsstichtag bilanziell überschuldet. Wir fragen den Bundesschatzmeister der FDP, Hermann Otto Solms. Guten Tag, Herr Solms. Sperling, ZDF-Redaktion Frontal 21. Warum haben Sie im FDP-Rechenschaftsbericht 2013 falsche Angaben gemacht? Haben wir nicht. Wir haben nur richtige Angaben gemacht! Sie haben, die Bewertung von Lehrer Online
Deswegen bin ich nicht hier. Lehrer Online war 2013 mit 270.000 Euro überschuldet. Wie kann die Firma 1,4 Millionen wert sein? Wir haben nur richtige Angaben gemacht. Aber Sie haben gesagt, dass Lehrer Online 1,4 Millionen wert ist, wie kann das sein? 2013 unterhielten die Liberalen insgesamt mindestens 16 Firmen. Zum Beispiel die ProLogo. Sie ist laut Rechenschaftsbericht - mit 2,4 Millionen Euro viel wert. Warum eigentlich? Die ProLogo organisiert zum Beispiel Stände von Sponsoren bei FDP-Parteitagen. Im Berichtsjahr machte sie gerade mal rund 11.000 Euro Gewinn und verfügte auch nicht über mehr Eigenkapital. Ihr Sitz: im Thomas-Dehler-Haus in Berlin, zusammen mit der FDP. Hallo, Hallo? ProLogo teilt uns mit: Hier arbeite nur eine Person, nämlich die Geschäftsführerin. Und die sei leider gerade nicht da. Wie kann ein solches Unternehmen so viel wert sein? 2,4 Millionen Euro? Der FDP.Bundesverband verweist uns abermals auf die Details des Bewertungsgesetzes: Zitat: Der gemeine Wert konnte anhand eines Verkaufs unter fremden Dritten ermittelt und musste deshalb so hoch ausgewiesen werden. Fremde Dritte - das hieße: Ein von der FDP unabhängiger Käufer hätte Anteile von ProLogo zum Marktpreis erworben. Tatsächlich aber besaß die FDP-Tochter Liberal Vermögensverwaltungsgesellschaft schon die Mehrheit an ProLogo und kaufte einfach den Rest dazu - also kein fremder Dritter. Und auch der Verkäufer der Anteile gehörte zu den Freunden der FDP. Es war der Glücksspiel-Unternehmer und FDP-Großspender Paul Gauselmann als ProLogo- Gesellschafter auch kein fremder Dritter, der die hohe Firmen- Bewertung erklären würde. Nochmalige Nachfrage:
Herr Solms, Pro Logo Hören Sie bitte auf! steht im Rechenschaftsbericht mit 2,4 Millionen Euro. Ist alles rechtlich sauber abgeklärt, ist alles in Ordnung. ProLogo hat 11.000 Euro Eigenkapital, wie kann die Firma 2,4 Millionen Euro wert sein, Herr Solms? Schriftlich teilt uns die FDP mit: Der unabhängige Mitgesellschafter verfolge ausschließlich seine eigenen wirtschaftlichen Interessen und agiere somit wie ein fremder Dritter. Meiner Meinung nach entspricht diese Bewertung nicht dem Bewertungsgesetz, denn das schreibt einen Verkauf unter fremden Dritten vor. Und das ist hier nicht gegeben, denn hier haben zwei Gesellschafter untereinander gehandelt. Ist die dann 2,4 Millionen wert? Das ist schwer vorstellbar, denn das Gesetz stellt auf die Gewinne der letzten drei Jahre ab und da waren es bei ProLogo nur Verluste, im Schnitt. Sie könnten natürlich kurz vor einem Durchbruch gestanden haben, aber bei einer Veranstaltungsagentur fehlt mir da die Phantasie. Und was bedeutet das für die FDP-Finanzen? Zwei Beteiligungen sind in ihren Marktwerten sehr zweifelhaft und das sind zwei Beteiligungen, die zusammen über drei Millionen Euro Angabe im Erläuterungsteil ausmachen. Das ist fast die Hälfte der Beteiligungen. Dem FDP-Bundesverband geht es offenbar schlechter als bekannt. Kontrolliert wurde sein Rechenschaftsbericht von zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die müssen unabhängig
prüfen. Doch hinter den Firmen stehen FDP-nahe Gesellschafter und Partner - hier mit Hermann-Otto Solms in Zermatt, schon 1988: Heinz-Wilhelm Bühler und Hans-Georg Conrad. Jahrzehntelang testierten die beiden die Finanzen der Bundespartei. Eine zweifelhafte Nähe, zu der sich die Unternehmen nicht äußern wollen. O-Ton Ulrich Müller, LobbyControl: Wenn die Parteien sehr lange mit den gleichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammenarbeiten, kann das natürlich die Unabhängigkeit gefährden. Die FDP macht das schon wirklich sehr lange mit den gleichen Gesellschaften. Der Europarat fordert von Deutschland tatsächlich, diese unabhängige Prüfung zu stärken. Und auch hier hätte der Rechenschaftsbericht geprüft werden sollen zuständig: Bundestagspräsident Norbert Lammert. Schriftlich erklärt er, Zitat: Die angesprochenen Sachverhalte und hierzu vorliegenden Erkenntnisse bieten derzeit keine Veranlassung für ein Tätigwerden der Kontrollbehörde. O-Ton Michael Koß, Ludwig-Maximilians-Universität München: Wenn die Behauptungen stimmen, dann läge ein Anfangsverdacht auf ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vor. Und so ein Anfangsverdacht sollte auf jeden Fall Ermittlungen der Bundestagsverwaltung nach sich ziehen, die dann, wenn der Verdacht sich erhärtet, zu Sanktionen führen sollten. Doch bisher glaubt der Bundestagspräsident dem Rechenschaftsbericht und den zweifelhaften Zahlen der FDP. Abmoderation: Seit 1948 schrieb die FDP mit an der Geschichte der Bundesrepublik. Theodor Heuss war der erste Bundespräsident, Hans-Dietrich Genscher stand 1989 als legendärer Außenminister auf dem Balkon von Prag. Die FDP regierte mit Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Angela Merkel. Und jetzt trickst sie beim Rechenschaftsbericht? Die FDP macht sich klein und kleiner. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.