Gebrauchtwagenkauf Student S verkauft seinen alten Wagen an Privatmann P. Bei Vertragsschluss unterschreibt P einen von S mitgebrachten Formularvertrag, in den zuvor die für den Verkauf nötigen Angaben ergänzt wurden. S hatte den Text auf der Suche nach einem möglichst verkäuferfreundlichen Vertragsmuster auf dem Autoportal des A aus dem Internet heruntergeladen. Einige Tage nach Vertragsschluss und Übergabe des Wagens lässt P diesen wegen merkwürdiger Geräusche, die ihm schon bei der Rückfahrt von S aufgefallen waren, in der Werkstatt untersuchen. Es stellt sich heraus, dass sich im Inneren des Motors die Schleifringmanschette von ihrem Rückholgestänge gelöst und so die Spannschnallen zerfasert hat. Eine Instandsetzung kostet 6.400. P ist erbost und verlangt von S, dem nie etwas aufgefallen war, die Reparatur des Autos. S studiert daraufhin nochmals den Kaufvertrag und findet folgende Klausel: 3. Der Verkauf des Fahrzeugs erfolgt wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung, soweit nicht eine besondere Zusicherung erfolgt ist. S möchte wissen, ob etwaige Ansprüche des P damit wirksam ausgeschlossen wurden.
2 Lösungsvorschlag: Fraglich ist, ob 3 des Kaufvertrages wirksam ist. Dazu muss die Klausel in den Vertrag einbezogen und auch inhaltlich wirksam sein. Dem könnten die 305 ff. BGB entgegenstehen. I. Anwendbarkeit des AGB-Rechts Es müsste sich bei der fraglichen Klausel um eine AGB gem. 305 I 1 BGB handeln. Zudem dürfte keine Individualvereinbarung gem. 305 I 3 BGB vorliegen. - Bei der Regelung müsste es sich um eine Vertragsbedingung handeln. o Die Klausel soll den Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen S und P bestimmen und ist somit eine Vertragsbestimmung. - Diese müsste vorformuliert sein. o S hat den Mustervertrag vor Vertragsschluss aus dem Internet heruntergeladen. Die Klausel ist auch (schriftlich) fixiert und damit vorformuliert. 1 - Die Klausel müsste für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt worden sein. o S selbst beabsichtigt nur den Verkauf eines einzigen PKW und damit auch nur die einmalige Verwendung des Mustervertrags. o Für die Mehrfachverwendung 2 bzw. deren Absicht gem. 305 I 1 BGB ist es jedoch ausreichend, dass der Ersteller die Klauseln für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert hat, auch wenn der Verwender sie nur einmal verwendet. 3 o Der von S herangezogene Musterkaufvertrag ist von A zur mehrfachen Verwendung erstellt worden. *Der Fall ist an eine Entscheidung des LG Oldenburg angelehnt, Urteil vom 1.2.2012-6 O 2527/11, MMR 2012, 457). 1 Beachte: Die Vorformulierung i.s.d. 305 I 1 BGB erfordert nicht, dass der Verwender die AGB selbst entworfen hat. Auch eine schriftliche Fixierung der vorformulierten Bedingungen ist nicht zwingend erforderlich. So reicht es z.b. aus, wenn der Verwender bestimmte Regelungen für zukünftige Verträge lediglich im Kopf gespeichert hat bzw. seine Mitarbeiter diese auswendig lernen lässt. 2 Die untere Grenze liegt bei 3 Verwendungen; es reicht wenn diese ggü. demselben Vertragspartner geschehen, Palandt/Grüneberg, 305, Rn. 9. 3 Basedow, in MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, 305, Rn. 19.
3 o Die Klausel ist somit für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. - S müsste die Klausel dem P gestellt haben. o Erforderlich ist, dass die fraglichen Klauseln der Gegenseite einseitig auferlegt werden oder zumindest auf einseitiger Initiative beruhen, ohne dass eine Einigung auf ein bestimmtes Vertragsformular stattfindet. 4 o Vorliegend beruht die Verwendung des Vertragstextes auf der einseitigen Initiative des S. Die Bedingungen sind somit gestellt i.s.d. 305 I 1 BGB. - Es liegen keine Anhaltunkte für ein Aushandeln der Klausel gem. 305 I 3 BGB zwischen S und P vor, somit liegt keine Individualvereinbarung vor. Zwischenergebnis: Bei den von S verwendeten Vertragsbedingungen handelt es sich um AGB i.s.d. 305 I BGB. Die rechtliche Bewertung muss daher nach 305 ff. BGB erfolgen. II. Wirksame Einbeziehung der AGB, 305 II BGB 5 - Die AGB müssten auch Vertragsbestandteil geworden sein. o AGB werden gem. 305 II BGB Vertragsbestandteil, wenn ein ausdrücklicher Hinweis durch den Verwender (Nr. 1) und die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Kunden (Nr. 2) gegeben sind. o Ferner müsste P mit der Geltung der AGB gemäß 305 II Hs. 2 einverstanden gewesen sein. P hat von S den Mustervertrag zur Unterzeichnung vorgelegt bekommen und wurde somit gem. 305 II Nr. 1 BGB ausdrücklich auf die AGB hingewiesen. Da S dem P den Vertrag mit der fraglichen Bestimmung vorlegte, hatte dieser auch die Möglichkeit, in zumutbarer Weise von den AGB Kenntnis zu nehmen, 305 II 4 Hinweis: Bei Verbraucherverträgen gelten die AGB grundsätzlich als vom Unternehmer gestellt, 310 III Nr. 1 BGB. 5 Beachte: Gegenüber Unternehmern ist die Einbeziehung von AGB gem. 310 I BGB erleichtert.
4 Nr. 2 BGB. P war mit der Geltung der AGB einverstanden. - Die Klausel dürfte nicht überraschend i.s.d. 305c I BGB sein. Gewährleistungsausschlüsse sind bei Gebrauchtwagen üblich. Eine überraschende Klausel gem. 305c I BGB liegt nicht vor. - Es gibt keine Hinweise auf eine gem. 305b BGB vorrangige Individualabrede zu der fraglichen AGB-Klausel. Zwischenergebnis: Die Klausel ist Vertragsbestandteil geworden. III. Inhaltskontrolle Fraglich ist, ob die Klausel auch wirksam ist. Dazu müsste sie der richterlichen Inhaltskontrolle der 307 I, 308, 309 BGB standhalten. - Die Klausel weicht gem. 307 III 1 BGB von den dispositiven gesetzlichen Vorschriften ab und unterliegt damit als kontrollfähige Bestimmung der Inhaltskontrolle gem. 307 I, 308, 309 BGB. - Die Klausel könnte gem. 309 Nr. 8 b) lit. aa), 1. Alt BGB unwirksam sein. o Die Regelung soll Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels insgesamt ausschließen. o Allerdings gilt das Klauselverbot in 309 Nr. 8 b) lit. aa), 1. Alt. BGB nur für Verträge über Lieferung neu hergestellter Sachen und Werkleistungen. o Die Kaufsache ist vorliegend jedoch kein Neu-, sondern ein Gebrauchtwagen. o Die Klausel ist somit nicht unwirksam gem. 309 Nr. 8 b) lit. aa) 1. Alt. BGB. 6 - Die Unwirksamkeit könnte sich aus 309 Nr. 7 lit. a) BGB ergeben. 6 Beachte: Im Verhältnis Unternehmer-Verbraucher werden Gewährleistungsausschlüsse beim Kauf beweglicher Sachen bereits weitgehend von 475 BGB erfasst. Eine gesonderte AGB-Prüfung ist dann entbehrlich.
5 o Danach kann die Haftung für Schäden am Leben, Körper und an der Gesundheit nicht wirksam ausgeschlossen werden, soweit sie fahrlässig durch eine Pflichtverletzung des Verwenders verursacht wurden. o Der im Formularvertrag enthaltende Gewährleistungsausschluss soll sich auf jegliche Gewährleistung beziehen. Inhaltlich sind auch auf einem Sachmangel beruhende Körper- und Gesundheitsschäden umfasst, die der Verwender fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt hat. 7 o Die Klausel ist daher unwirksam gem. 309 Nr. 7 lit. a) BGB. [Hinweis: Da auch die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von der Klausel umfasst wird, verstößt diese zugleich auch gegen 309 Nr. 7 lit. b) BGB] Ergebnis: Die Klausel in 3 des Kaufvertrags ist unwirksam, etwaige Ansprüche des P werden durch die Regelung nicht ausgeschlossen. Gem. 306 BGB I, II bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, an Stelle der unwirksamen AGB treten die gesetzlichen Vorschriften. 7 Dass hier ein solcher Schaden erkennbar nicht vorliegt, ist nicht erheblich, entscheidend ist nur der Regelungsgehalt der Klausel.