Alterspezifische Reaktionen von Kindern und Jugendlichen bei Trennung/Scheidung der Eltern
Workshop-Übersicht 1. Skizzieren der Ausgangslage 2. Bewältigungsaufgaben für Kinder und Jugendliche 3. kindliches Bewältigungsverhalten 4. Resilienz- und Schutzfaktoren 5. Alterspezifische Reaktionen von Kindern und Jugendlichen - Entwicklungsmerkmale - mögliche Reaktionen - Hilfestellungen 6. institutionelle Hilfsangebote 7. Was können SIE tun? 8. Zeit für Fragen
Bewältigung der Situation Zu bewältigende Aufgaben: Anerkennen und verstehen, dass die Ehe der Eltern gescheitert ist und das Familienmodell nicht mehr besteht Mit Gefühlen wie Zorn, Wut, Trauer und Ohnmacht umgehen lernen Den Umgang mit den eigenen Schuldgefühlen, dem gefühlten oder realen Verlust des anderen Elternteils, der empfunden Ablehnung und des Verlassenwerdens erlernen Dem Elternteil, das die Trennung herbeigeführt hat, verzeihen lernen Die Dauerhaftigkeit der Scheidung akzeptieren Zum eigenen Lebensstil und zu alten Gewohnheiten zurückfinden und eine positive Zukunftsperspektive entwickeln
Bewältigung der Situation Besondere Aspekte des kindlichen Bewältigungsverhaltens: Kinder sind in größerem Maße als Erwachsene von ihrem gewohnten Lebensraum abhängig und daher auf mehr Unterstützung angewiesen Kinder unterliegen mehr entwicklungsbedingten Veränderungen Kindliche Stressoren beziehen sich vermehrt auf den familiären und sozioökonomischen Bereich, weil diese Lebensbereiche für sie nur schwer kontrollierbar sind Kindern gelingt es nicht so gut, ihre persönlichen Ressourcen einzuschätzen und zu kontrollieren
Resilienzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen Widerstandsfähigkeit gegen Stressfaktoren immer auch abhängig vom Alter, der Persönlichkeit und den Vorerfahrungen sichere Bindung und andere konstante Beziehungen Positive Selbstzuschreibung/ Selbstwertgefühl Selbstwirksamkeitsempfinden und realistische Kontrollüberzeugung Gesichertes Selbstkonzept Annäherung an neue Situationen und nicht Rückzug Abstand von den Familienkonflikten gewinnen und eigene Bedürfnisse in den Vordergrund stellen können (Hobbys, eigene Interessen) überdurchschnittlich hohe soziale Kompetenzen kognitive Kompetenzen, die erhöhte Flexibilität zur Neuorientierung möglich machen Bewältigungsorientierung Leistungsmotivation Körperliche Gesundheitsressourcen
1. Entwicklungsmerkmale kognitiver und emotionaler Entwicklungsstand 2. Reaktionen auf Trennung/ Scheidung 3. Hilfestellungen
Kleinkinder von 0 3 Jahren Entwicklungsmerkmale: - Bindung und Beziehung als zentrales Entwicklungsmerkmal - engste Bezugsperson/en als sichere Basis - Entwicklungsaufgabe: Loslösung aus der Symbiose, Öffnung für anderen Beziehungen, weitere Bezugspersonen - Entwicklungsziel: Sich zunehmend selbst als getrennt von den wichtigsten Bezugspersonen und als eigenständige Persönlichkeit wahrzunehmen
Reaktionen auf Trennung/Scheidung - Zentrale Gefährdung: Entzug und Erschütterung der sicheren Basis - erhöhte Irritierbarkeit und weinerliches Verhalten - Erhöhte Ängstlichkeit bis zu Angstzuständen - Anklammern an vertraute Personen, Fremdenangst - Schlafstörungen - Aggressivität - Trotzverhalten - Rückschritte in der Entwicklung - erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten - im Extremfall Apathie und Resignation
Hilfestellungen - Wichtigste Hilfestellung: trotz veränderter Rahmenbedingungen möglichst stabiles Beziehungsgefüge aufrechterhalten - Kürzere, dafür häufigere Kontakte - 2 3 jährige Kinder haben eventuell konkrete Ängste und Fragen zu ihrer Situation kindgerechte Erklärungen zum Weggang eines Elternteils geben - Kinder reagieren stark auf atmosphärische Veränderungen Spannungen/ Streitigkeiten bei den Übergabesituationen vermeiden - Feste Rituale geben Sicherheit
Vorschulkinder von 3 6 Jahren Entwicklungsmerkmale: - Egozentrismus Ich-Zentriertheit: glauben Mittelpunkt der Welt und Verursacher von Ereignissen zu sein (Kinder glauben, sie können die Beziehung der Eltern untereinander beeinflussen) - Verstehen von Beziehungen erfolgt aufgrund äußerer, beobachtbarer Ereignisse - Kinder fühlen sich noch stark abhängig von den Eltern brauchen direkte Anwesenheit, um sich der Liebe sicher zu sein - Tragen Mutter und Vater in sich Auszug eines Elternteils wird auch als Trennung von einem Stück der eigenen Person interpretiert. - Familie wird als konkretes Zusammenleben unter einem Dach verstanden Auszug eines Elternteils = Auflösung der Familie
Reaktionen auf Trennung/Scheidung - Zentrale Gefährdung: Heftigste und unterschiedliche Gefühlsreaktionen - Ich-Bezogenheit und fehlende Informationen führen oft zu Schuldgefühlen - Kinder reagieren verstört - vermehrtes Weinen - erhöhte Ängstlichkeit - Trennungsängste Anklammerungstendenzen - Überangepasstes Verhalten - Symptome ähnlich wie in früheren Altersstufen, jedoch heftiger (Aggressives Verhalten, Wutanfälle, emotionaler Rückzug) - Psychosomatische Störungen wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen - Einnässen - Übernahme von Gefühlen und Einstellungen des Elternteils, bei dem sie gerade sind - Unvermögen die unterschiedlichen Lebenswelten von Mutter und Vater zu integrieren
Reaktionen auf Trennung/Scheidung - Bei Hochstrittigkeit: Solidarisierung mit einem Elternteil bis zur Kontaktverweigerung bzgl. des anderen Elternteils
Hilfestellungen Wichtigste Hilfestellungen: Altersgemäße Info über Trennung und Beziehungssicherheit durch regelmäßige Kontakte
Hilfestellungen - altersgemäße Informationen über die Gründe der Trennung - Beziehungssicherheit innerhalb der Familie und im äußeren Umfeld - Kontinuität im Alltag - Regelmäßige Kontakte zum außerhalb lebenden Elternteil ermöglichen - Gemeinsam Dinge tun, die vorher schon Spaß gemacht haben - Eltern sollten ihr ausdrückliches Einverständnis geben, dass die Kinder eine gute Beziehung zum anderen Elternteil haben dürfen - Wohlbefinden der Kinder hängt im starken Maße von der psychischen Stabilität der Eltern und deren emotionaler Steuerungsfähigkeit in Streitigkeiten ab.
Grundschulalter 6 10 Jahre Entwicklungsmerkmale - Wichtigste Entwicklungsaufgabe: Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Gefühlen und Motiven - Kinder sind zunehmend in der Lage sich in andere hineinzuversetzen und gleichzeitig Abstand zum Gegenüber zu gewinnen - Führen Trennung nicht mehr auf eigenes Handeln zurück - Entwicklung eines moralischen Urteilsvermögens - Verhalten wird noch stark nach Folgen, weniger nach Intention beurteilt
Grundschulalter 6 10 Jahre - Zeitbegriff entwickelt sich - Auseinandersetzung mit Tod und Sterben - Kinder sind zunehmend in der Lage ihre Bedürfnisse zu äußern
Reaktionen auf Trennung/Scheidung Zentrale Gefährdung: Loyalitätskonflikt - Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und Verständnis birgt besondere Gefahr sich als zwischen den Eltern stehend zu erleben - Überangepasstheit - wollen es beiden Eltern recht machen - Solidarisierung mit einem Elternteil - Entfremdung vom anderen Elternteil bis zur Kontaktverweigerung - Nicht wahrhaben wollen der Situation Erleben der Begrenztheit des eigenen Einflusses - Verleugnung, Hilflosigkeit, Trauer, Depression - innere Zerrissenheit - Loyalitätskonflikt
Reaktionen auf Trennung/Scheidung - aufgrund der emotionalen Belastungen kann es zu Leistungseinbrüchen in der Schule, Verhaltensauffälligkeiten und Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen kommen - Kinder werden sich zunehmend der Konsequenzen der Trennung bewusst - Schamgefühl - Kinder suchen aktiv nach neuer Form der Familienidentität, die beide Elternteile mit einschließt
Hilfestellungen Wichtigste Hilfestellung: Entlastung der Kinder durch verantwortungsvolle Elternebene!!!
Hilfestellungen - Keine Koalitionsbildung - Absprachen/Konfliktlösung direkt, nicht über Kinder - gegenseitige Akzeptanz positives Selbstkonzept beim Kind - Regelmäßiger Umgang - Kinder benötigen angemessenes Verständnis und Unterstützung von beiden Elternteilen
Vorpubertät und Pubertät 11-16 Jahre Entwicklungsmerkmale: - Ablösung - Identitätsfindung - Große Umbruchphase im Leben eines jungen Menschen - Körperliche, hormonelle und hirnphysiologische Veränderungen - Eigene Sicht von Beziehungen - Entwicklung von Normen, Werten und Einstellungen - Außerfamiliäre Kontakte / Peergruppen gewinnen immer mehr an Bedeutung
Reaktionen auf Trennung/Scheidung Zentrale Gefährdung: Blockade oder überstürzte Ablösung - Selbstwertprobleme - Übernahme von zuviel Verantwortung (Parentifizierung) - Bei Koalitionsbildung: Ablehnung des anderen Elternteils - Widersprüchliche Gefühle auf ein Elternteil bezogen sind nicht integrierbar. Dies kann zu Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, Depression, psychosomatischen Beschwerden führen - Entstehung von Schamgefühlen - Überstürzte Ablösung Jugendliche sehr außenorientiert - Erhöhtes Risikoverhalten
Reaktionen auf Trennung/Scheidung - Leistungseinbrüche in der Schule - Zunehmende Fähigkeit zu abstrakterem Denken kann helfen größere Zusammenhänge zu begreifen - Familiensituation kann realistischer eingeschätzt werden - Bereitschaft Leben neu zu ordnen und eigene Lösungen zu finden zunehmend
Hilfestellungen Wichtigste Hilfestellung: Beide Eltern als Rückhalt und Ansprechpartner - Thematisierung von Gefühlen - Rahmenbedingungen für Umgang am Jugendlichen orientiert - Starkem Wunsch nach ehrlichen Antworten entgegenkommen - Unterstützung bei selbstständiger Problemlösung - Vater und Mutter als Ansprechpartner, Unterstützer und Orientierungshilfe
Entwicklungsstufen sind nicht immer klar abgegrenzt. Allgemeiner Entwicklungsstand des Kindes muss berücksichtigt werden.
Institutionelle Hilfsangebote Familienbildungsstätten/ Familien- und Mütterzentren Evang. Fachstelle für Alleinerziehende / Nürnberg KOKI Netzwerk frühe Hilfen (0-6 Jahre) Beratung und Vermittlung von Hilfen Familienhebammen, Kinderkrankenschwestern Familienpaten (Koop. mit Familienzentrum Zirndorf und Diakonie Fürth) Erziehungsberatungsstellen o Angebote für Eltern Einzelgespräche Gemeinsame Elterngespräche z.b. zur Umgangsgestaltung
Institutionelle Hilfsangebote Mediation bei konflikthaften Trennungen Familiengespräche Begleiteter/beschützter Umgang o Angebote für Kinder und Jugendliche Einzelgespräche Kindergruppen nach Kapazität Jugendämter Beratungsangebote für alle Familienmitglieder Hilfen zur Erziehung (SPFH, Erziehungsbeistand) niedergelassene Kinder- und Jugendtherapeuten niedergelassene Erwachsenentherapeuten
Was können SIE tun? Hilfen durch andere erwachsene Bezugspersonen wie: Großeltern, Paten, Tante, Onkel Erzieherinnen, Lehrkräfte, Jugendgruppenleiter, Trainer Hilfestellungen: SICHERHEIT GEBEN sich um eine neutrale Haltung bemühen weitgehend Alltag und Normalität leben begleiten unterstützen Bedürfnisse auszudrücken suchen was gut tut achtsam und hellhörig sein ansprechbar sein, ohne zu bedrängen ehrliche Antworten geben einfach nur Da-Sein unterschiedliche Gefühlsäußerungen der Kinder akzeptieren und verbalisieren helfen trösten und Mut machen von gefühlter Schuld entlasten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle der Diakonie für den Landkreis Fürth