Entzündliche Muskelkrankheiten

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Transkript:

Link zum Titel: Dieter Pongratz/Stephan Zierz, Neuromuskuläre Erkrankungen, Deutscher Ärzte-Verlag 2003 Entzündliche Muskelkrankheiten D. Pongratz, M. Späth Grundlagen Entzündungen der Muskulatur sind, verglichen mit anderen Organen, selten. Myositiden zählen zu den wenigen therapierbaren Muskelerkrankungen. Ätiologisch sind die Myositiden aufzugliedern in nicht erregerbedingte Myositiden im Rahmen von Autoimmunopathien (Autoaggressionskrankheiten), nicht erregerbedingte Krankheitsbilder, deren Ätiologie noch nicht geklärt ist und erregerbedingte Muskelentzündungen (s. insbesondere Abschnitt Therapie ). Schwerpunkt dieser Betrachtung sind die immunogenen entzündlichen Muskelkrankheiten. Definition Die entzündlichen Muskelkrankheiten gehören zu den Autoimmunerkrankungen. Die Assoziation mit bestimmten Autoantikörpern ist das Kriterium für die Unterteilung in Untergruppen. Die immunogenen Myositiden sind charakterisiert durch den Befall der quergestreiften Muskulatur, manchmal auch der Haut und fakultativ innerer Organe. Klassifikation Die Zuordnung einer Myositis zu einer der drei Hauptgruppen Polymyositis (PM) Dermatomyositis (DM) Einschlusskörpermyositis (IBM inclusion body myositis) erfolgt nach den diagnostischen Kriterien für immunogene entzündliche Muskelkrankheiten der Tabelle 1.

Grundlagen 141 Tab. 1: Muskelbiopsiebefunde bei PM, DM, IBM [6] PM DM IBM Nekrose von Kapillaren Ø + Ø Muskelinfarkte Ø + Ø Tubulovesikuläre Endothelzelleinschlüsse Ø + Ø C5b9-Komplementablagerung in kleinen Muskelgefäßen Ø + Ø Perimysiale Infiltrate + ++ + Endomysiale Infiltrate ++ + ++ B-Lymphozyten Ø ++ Ø CD4-Lymphozyten + ++ + CD8-Lymphozyten ++ + ++ Invasion von CD8-Lymphozyten in noch nicht nekrotische Muskelfasern ++ Ø + Rimmed vacuoles mit eosinophilen Einschlüssen Ø Ø + Filamentäre Einschlüsse in Kern und Zytoplasma Ø Ø + Pathologie Den morphologischen Befunden folgt die Unterteilung in rein interstitielle Myositiden ohne begleitende Parenchymzerstörung, interstitielle Myositiden mit herdförmigem Parenchymuntergang (Herdmyositiden) und gemischte interstitiell-parenchymatöse Myositiden (Polymyositiden) Im Einzelfall können fließende Übergänge vorliegen. Bei der Polymyositis (PM) ist eine T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion gegen quergestreifte Muskelfasern gesichert. Das Eindringen von T8- Lymphozyten in nicht nekrotische Muskelfasern ist der charakteristische immunhistologische Befund. Die Dermatomyositis (DM) ist durch humorale Reaktionen sowie vaskulitische Prozesse gekennzeichnet. Bei der Einschlusskörpermyositis (IBM) finden sich als pathognomonischer Befund im Zellkern filamentäre Einschlüsse neben ebenfalls endomysialen Infiltraten mit vorwiegend CD8-positiven Lymphozyten. Fachgebiete Immunogene entzündliche Muskelkrankheiten bieten einen interdisziplinären Aspekt. Sie gehören nosologisch in das Fachgebiet der Rheumatologie, das diagnostische und differenzialdiagnostische Vorgehen wird durch neurologische Methoden bestimmt.

142 Entzündliche Muskelkrankheiten Geschichte Das Krankheitsbild der Dermatomyositis wurde von dem Leipziger Pathologen E. L. Wagner 1863 und 1887 erstmals publiziert. Die Abgrenzung der isolierten Polymyositis von der Dermatomyositis geschah durch den amerikanischen Neurologen L. M. Eaton. Die Einschlusskörpermyositis (inclusion body myositis) wurde erstmals 1965 von Adams und Mitarbeitern in Einzelfällen beschrieben. Erst 1971 wurde sie von Yunis und Samaha aufgrund der morphologischen Besonderheiten begrifflich von den übrigen Polymyositiden abgetrennt. Epidemiologie Die immunogenen entzündlichen Muskelkrankheiten sind selten, mit einer Inzidenz von etwa 0,2 bis 1 Neuerkrankungen zu 100.000 Einwohnern im Jahr. Frauen erkranken in der Regel etwa 2,5mal so häufig wie Männer. Die Dermatomyositis (DM) ist am häufigsten, gefolgt von der Einschlusskörpermyositis (IBM) und dann der Polymyositis (PM). Dabei finden sich ein Altersgipfel in der Kindheit (hauptsächlich DM) und ein weiterer im mittleren bis höheren Erwachsenenalter (hier vor allem IBM). Im Kindesalter sowie bei Assoziation mit einem Malignom liegt das Geschlechterverhältnis bei nahezu 1 zu 1, im Rahmen einer anderen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung ( Overlap-Syndrom ) ist der Frauenanteil mit 10 zu 1 jedoch deutlich höher. Die IBM tritt überwiegend bei Männern im mittleren Lebensalter auf. Sie macht nach heutiger Kenntnis bis zu 30% der immunogen entzündlichen Erkrankungen des Erwachsenenalters aus. Für alle Myositiden sind geographische Häufungen nicht bekannt. Ätiologie und Pathogenese Die Ätiologie der immunogenen entzündlichen Muskelkrankheiten ist noch unklar. Assoziationen mit bestimmten HLA-Konstellationen sind schwach. Gelegentlich, vor allem bei den Fällen im Kindesalter, werden häufiger vorausgehende virale Infektionen berichtet. Wesentliche Aussagen zu Pathogenese, Pathologie und zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung liefern morphologische Untersuchungen. Bei der Dermatomyositis (DM) finden sich entzündliche Infiltrate vorwiegend im perivaskulären und perifaszikulären Bereich. Sie bedingen das typische Bild einer Polymyositis vom perifaszikulären Typ. Im Muskelparenchym entsteht eine so genannte perifaszikuläre Atrophie. Zusätzlich finden sich entzündliche Veränderungen der kleinen Muskelgefäße mit Endothelzellproliferation und elektronenmikroskopisch nachweisbaren tubulovesikulären Einschlüssen. Besonders bei der

Grundlagen 143 Abb. 1: Polymyositis vom perifaszikulären Typ. Perimysial und perivaskulär betonte Infiltrate mit Parenchymreaktion im Bereich der Faszikelperipherie. Darstellung von B-Lymphozyten. AP-A-AP- Methode, Vergrößerung 100fach Tab. 2: Diagnostische Kriterien für immunogene entzündliche Muskelkrankheiten [5] Polymyositis Dermatomyositis Einschlusskörpermyositis Kriterium definitiv möglich a) definitiv leichte oder be- definitiv ginnende Form Muskel- Paresen der Paresen der Paresen der fast normale Paresen der prox. kraft prox. Extremitä- prox. Extremi- prox. Extremi- Kraft c) und dist. Extremitätenmuskulatur b) tätenmus- tätenmus- tenmuskulatur b) kulatur b) kulatur EMG myopathisch myopathisch myopathisch myopathisch myopathisch mit oder unspe- möglicher neurozifisch gener Komponente Muskel- erhöht erhöht erhöht erhöht (bis 10fach) erhöht (bis 10fach) enzyme (bis 50fach) (bis 50fach) (bis 50fach) oder normal oder normal Muskel- diagnostisch unspezifisch oder diagnostisch diagnostisch diagnostisch biopsie d) ohne entzünd- oder unspeziliche Reaktion fisch a) Ein Therapieversuch (3 bis max. 6 Monate) mit einer adäquaten Kortikoiddosis ist zu empfehlen. Sollte kein Ansprechen erfolgen, ist eine weitere Muskelbiopsie zu empfehlen, um insbesondere eine sich möglicherweise entwickelnde IBM nicht zu übersehen. b) Progrediente Paresen der prox. Extremitätenmuskulatur ohne Hinweis auf eine erbliche Myopathie (auszuschließen auf der Basis der Muskelbiopsiebefunde) und ohne anamnestische Hinweise auf eine toxische Myopathie c) Obwohl die Kraft fast normal ist, klagen die Patienten oft über eine neu aufgetretene muskuläre Ermüdbarkeit, über Myalgien oder Belastungsintoleranz. Sorgfältige Kraft- und Ausdauermessungen objektivieren eine leichte Muskelschwäche. d) Vgl. Tab. 1

144 Entzündliche Muskelkrankheiten Dermatomyositis (DM) im Kindesalter finden sich als Zeichen einer floriden Vaskulitis gelegentlich Mikroinfarkte. Immunhistologisch bestehen die zellulären Infiltrate überwiegend aus B-Lymphozyten sowie CD4-positiven Zellen. CD8-positive Zellen stehen zahlenmäßig ganz im Hintergrund. Charakteristisch sind C5b9-Komplementablagerungen im Bereich der kleinen Arteriolen und Kapillaren. Abb. 2: Darstellung von C5b9-Komplementablagerungen in der Gefäßwand einer kleinen Arteriole. Vergrößerung 400fach Bei der Polymyositis (PM) finden sich zelluläre Infiltrate vorwiegend endomysial und bedingen das histologische Bild einer diffusen PM (s.a. Tab. 2). Eine perifaszikuläre Atrophie bzw. eine Mikroangiopathie wird nicht beobachtet. Immunhistologisch dominieren zytotoxische CD8-positive Lymphozyten endomysial. Abb. 3: Diffuse Polymyositis. Darstellung CD8-positiver Lymphozyten im Endomysium. AP-A-AP-Methode. Vergrößerung 100fach

Untersuchung 145 Dabei wird immer wieder eine Invasion dieser Zellen in nicht-nekrotische Muskelfasern beobachtet. Die Muskelfasern exprimieren das Major- Histokompatibilitätskomplex-Klasse-1-Antigen (MHC-1-Antigen), das im normalen Muskel nicht vorhanden ist. Die Einschlusskörpermyositis (IBM) ist ebenfalls charakterisiert durch endomysiale Infiltrate mit vorwiegend CD8-positiven Lymphozyten. Zusätzlich finden sich rimmed vacuoles mit eosinophilen zytoplasmatischen Einschlüssen. Elektronenmikroskopisch handelt es sich dabei um autophagische Vakuolen. In ihnen sowie im Zellkern ist der Nachweis filamentärer Einschlüsse pathognomonisch. Abb. 4: Einschlusskörpermyositis. Elektronenmikroskopischer Nachweis filamentärer Einschlüsse innerhalb von Zellkern und Cytoplasma (Zusammenarbeit mit Prof. Müller- Höcker, Pathologisches Institut der Universität München) Untersuchung Anamnese und klinische Diagnostik Gemeinsame klinische Kardinalsymptome Muskelschwäche und Muskelatrophie sind allen drei Krankheitsbildern gemeinsam, die sich bei der Dermatomyositis (DM) typischerweise akut, bei der Polymyositis (PM) subakut und bei der Einschlusskörpermyositis (IBM) immer chronisch entwickeln. In der Regel sind die proximalen Muskeln von Armen und Beinen betroffen. Nur bei der IBM ist von Anfang an eine deutliche Mitbeteiligung distaler Muskeln charakteristisch. Die Pharynx- und Kopfhebermuskulatur ist häufig mitbetroffen, was zu Dysphagien und Haltungsschwierigkeiten des Kopfes führen kann.

146 Entzündliche Muskelkrankheiten Muskelatrophien entwickeln sich erst im Verlauf der Erkrankung. Sie sind besonders bei der IBM und der chronischen Polymyositis am ausgeprägtesten und häufig auch asymmetrisch. Bei der IBM betreffen sie vor allem einzelne Muskeln (z.b. M. quadriceps femoris, M. tibialis ant., Fingerbeuger). Muskelschmerzen, insbesondere in Form eines überstarken und inadäquaten Muskelkaters mit bevorzugter Lokalisation in der Tiefe der Extremitätenmuskeln, finden sich am häufigsten bei der akuten DM, bei der PM als fakultatives Symptom, bei der IBM fehlen sie fast immer. Die Sensorik ist ungestört. Faszikulationen kommen nicht vor. Die Muskeleigenreflexe sind meist erhalten, aber abgeschwächt. Nur bei ausgeprägten Muskelatrophien, besonders bei der IBM können sie fehlen. Tab. 3: Klinische Kardinalsymptome der DM, PM und IBM Klinische Befunde Dermatomyositis Polymyositis Einschlusskörpermyositis Beginn der Symptome Kindheit und > 18 Jahre > 50 Jahre Erwachsenenalter Progredienz der akut subakut langsam muskulären Symptome Verteilung der proximale proximale proximale und distale Muskelschwäche Muskulatur Muskulatur Muskulatur Muskelatrophien gering v.a. bei chronischen nahezu immer ausgeprägt in Formen bestimmten Muskeln Myalgien oft (speziell im akuten manchmal nie Stadium) Hauteffloreszenzen oder vorhanden fehlend fehlend Kalzinose Besonderheiten der Dermatomyositis (DM) Charakteristisch sind zusätzlich Hauterscheinungen, die neben den Muskelsymptomen auftreten oder diesen sogar vorangehen. Besonders typisch für das akute Stadium ist das heliotropfarbene Erythem (lilac disease) mit Schwerpunkt im Bereich der Augenlider, der Wangen und des vorderen Halsdreiecks, das sich auf andere Körperabschnitte (Streckseiten der Extremitäten, Nacken, Brust) ausdehnen kann.

Untersuchung 147 Abb. 5: Juvenile Dermatomyositis. Heliotropfarbene Erytheme im Bereich der Augenlider, der Wangen sowie des vorderen Halsdreiecks Lange Verläufe zeigen De- und Hyperpigmentierungen. Im Bereich der Haut über den Knöcheln bilden sich so genannte Kollodiumflecke (Gottron- Zeichen). Am Nagelfalz zeigen sich schmerzhafte erweiterte Kapillaren (Keinig-Zeichen). In einigen Fällen bilden sich aufgeraute, aufgesprungene Hautpartien an Handflächen und Fingern ( Mechanikerhände ), im weiteren Verlauf treten häufig subkutane Kalzifikationen auf, besonders bei der DM im Kindes- und Jugendendalter. Besonderheiten der Einschlusskörpermyositis (IBM) Klinische Kennzeichen sind der extrem chronische Verlauf der IBM, starke Asymmetrien des Muskelbefalls, die oft schon von Anfang an deutliche Mitbeteiligung distaler Muskeln sowie selektive ausgeprägte Atrophien. Bei einem häufig zu beobachtenden Reflexverlust muss differenzialdiagnostisch eine Neuropathie abgeklärt werden. Anamnese und klinische Diagnostik müssen auch den möglichen Befall innerer Organe einbeziehen, der bei der DM häufig, bei der PM gelegentlich und bei der IBM selten vorkommt. Mit mindestens 50% der Fälle sind der Pharynx und der untere Ösophagus am häufigsten betroffen, in bis zu 40% finden sich kardiale Symptome (Herzrhythmusstörungen, aber auch dilatative Kardiomyopathie).

148 Entzündliche Muskelkrankheiten Pulmonale Symptome haben eine unterschiedliche Genese. Aufgrund von Schluckstörungen kommt es zu Aspirationspneumonien. Eine Schwäche der Atemhilfsmuskulatur entwickelt sich selten. Eine fibrosierende Alveolitis findet sich bevorzugt bei Patienten mit Jo-1-Syndrom. Vaskulitische Komplikationen in vielen Organen finden sich praktisch nur bei der infantilen und juvenilen DM. Apparative Diagnostik Labor Blut Bestimmung der Kreatinkinase(CK)-Aktivität im Serum serologischer Nachweis anderer entzündlicher Bindegewebserkrankungen serologischer Nachweis von Myositis-assoziierten Autoantikörpern Üblicherweise korreliert die Erhöhung der Kreatinkinase (CK) mit der Krankheitsaktivität. Die Werte können im akuten Stadium bis auf das 50fache der Norm ansteigen. Selten gibt es auch eine aktive Polymyositis (PM) bzw. Dermatomyositis (DM) mit normaler CK-Aktivität. Bei der Einschlusskörpermyositis (IBM) ist die CK meist geringer (maximal auf das 10fache der Norm erhöht), kann aber auch normal sein. Der Nachweis Myositis-assoziierter Autoantikörper gelingt nur in einem Teil der Fälle. Eine ausführliche Darstellung erfolgt in Tabelle 4. Tab. 4: Mögliche Klassifikation Myositis-assoziierter Erkrankungen Myositis-assoziierte Syndrome Mischkollagenosen Poly- oder Dermatomyositis mit Antisynthetase-Syndrom SRP-Antikörpern Anti-PM-Scl-Syndrom Mi-2-Antikörpern Anti-Ku-Syndrom (anderen Myositis-assoziierten Antikörpern) Anti-U1-nRNP-Syndrom / MCTD Autoantikörpernegative Poly- oder Dermatomyositis Elektrophysiologische Untersuchungen Die Elektromyographie zeigt in der Regel in zahlreichen Muskeln ein Myopathiemuster, charakterisiert durch kurze Dauer, niedrige Amplitude und polyphasische Konfiguration der Muskelaktionspotenziale. Zusätzlich findet sich bei allen floriden Stadien vermehrt pathologische Spontanaktivität in Ruhe in Form von Fibrillationspotenzialen, positiven

Untersuchung 149 scharfen Wellen bzw. komplexen repetitiven Entladungen. Diese Veränderungen kommen jedoch auch bei anderen aktiven myopathischen Prozessen vor und sind nicht beweisend für eine entzündliche Muskelkrankheit. Ein Mischbild aus einem Myopathiemuster und Neuropathiemuster kommt bei chronischen Formen mit Regeneration vor. Bei einigen Patienten mit IBM finden sich zusätzlich neurophysiologische Hinweise auf eine sensorische axonale Neuropathie. Bildgebende Verfahren Bei der Kernspintomographie ist in den T1-betonten Sequenzen eine nur sehr geringe, in den T2-betonten Sequenzen eine deutliche Signalintensitätssteigerung zu beobachten. Abb. 6 und 7: Akute Dermatomyositis. Kernspintomographie der Unterschenkel. Abb. 6: Im T1-betonten Bild nur mäßige Signalintensitätssteigerungen im Bereich des anterioren Unterschenkelkompartments Abb. 7: Im T2-betonten Bild deutliche Signalintensitätssteigerungen im anterioren Unterschenkelkompartment als Hinweis auf ein Ödem (Zusammenarbeit mit der Radiologischen Klinik der Universität München)

150 Entzündliche Muskelkrankheiten Ein solcher Befund kann neben dem klinischen Bild und den Ergebnissen der Elektromyographie die Lokalisation der geeigneten Biopsiestelle erleichtern und somit eine Re-Biopsie erübrigen. Chronische Stadien von Myositiden zeigen zusätzliche intertitielle Umbauvorgänge, vor allem in Form von Fettgewebseinlagerungen, die sowohl in den T1-, als auch in den T2-betonten Sequenzen Signalintensitätssteigerungen bedingen. Die Differenzierung von Fett und Ödem (letzteres als Hinweis auf einen noch bestehenden akuten entzündlichen Prozess) gelingt allerdings mit bestimmten Fett unterdrückenden Sequenzen (z.b. so genannte STIR-Sequenzen). Muskelbiopsien Muskelbiopsiebefunde, wie man sie nur durch die kombinierte Anwendung histologischer, enzym- und immunhistochemischer und ggf. elektronenmikroskopischer Untersuchungen erstellen kann (s. Tab. 2), sichern die Diagnose der PM, DM oder IBM und dienen dem Ausschluss anderer neuromuskulärer Erkrankungen. Differenzialdiagnose Differenzialdiagnosen im weiteren Sinne stellen alle Erkrankungen dar, die von Muskelschmerzen, Muskelschwäche und/oder Muskelatrophie begleitet sind. Dabei ist der systemische Befall der Muskulatur (Myopathien im eigentlichen Sinne, entzündlich oder degenerativ) abzugrenzen von lokalen Muskelaffektionen, z.b. im Rahmen von Fehl- oder Überbelastung (myofasziales Schmerzsyndrom), sowie von Erkrankungen, die mit Myalgien einhergehen, ohne dass die Muskulatur ausreichende morphologische Veränderungen zeigt, um die Beschwerden zu erklären. Eine differenzialdiagnostische Abklärung ist vor allem erforderlich bei einer möglichen Polymyositis. Entweder kann die Diagnose myopathologisch nicht eindeutig untermauert werden oder das therapeutische Ansprechen entspricht nicht den Erwartungen. Hier ist ggf. eine Wiederholung der Muskelbiopsie anzuraten, bevor man sich zu einer längerfristigen immunsuppressiven Therapie entschließt. Die wichtigsten muskulären Differenzialdiagnosen einer möglichen Polymyositis sind: sporadische Fälle von progressiven Muskeldystrophien toxische Myopathien infektiöse Myopathien metabolische Myopathien (insbesondere Glykogenosen)

Therapie 151 Overlap-Syndrome Overlap-Syndrome werden überwiegend bei der DM beobachtet. Sie betreffen im Wesentlichen die progressive systemische Sklerose sowie das Sharp- Syndrom. Das Jo-1-Syndrom ist eine eigene klinische Entität mit den Leitbefunden Myositis, Synovitis und fibrosierende Alveolitis. Paraneoplastisches Syndrom Eine eindeutige Inzidenz mit malignen Tumoren besteht nur für die Dermatomyositis (DM) jenseits des 40. Lebensjahres. Für die Polymyositis (PM) und die Einschlusskörpermyositis (IBM) ist das gehäufte Auftreten eines paraneoplastischen Syndroms nicht bestätigt. (Unsicherheiten in der klinischen Differenzialdiagnose der einzelnen Formen müssen allerdings einschränkend bedacht werden.) Unter den Malignomen ist das kleinzellige Bronchialkarzinom die häufigste Tumorart, gefolgt von Entartungen im Bereich der Mamma, des Magens und des Ovars. In Einzelfällen ist das Vorkommen zahlreicher anderer neoplastischer Prozesse beschrieben. Therapie Therapie der Polymyositis/Dermatomyositis Medikamentöse Therapie Glukokortikoide sind wegen ihres antiphlogistischen und immunsuppressiven Effekts bei jeder akuten Form einer PM/DM die Therapie der Wahl. Bei primär chronischen Verlaufsformen des Krankheitsbildes ist ein Behandlungsversuch nach Sicherung der Diagnose ebenfalls angezeigt. Die Indikation zur Dauertherapie hängt vom individuellen Ansprechen ab. Bei der akuten PM/DM kann die anfänglich hohe Dosis (1,5 2 mg/kg/d) erst reduziert werden, wenn die erhöhte CK-Aktivität im Serum sowie die pathologische Spontanaktivität im Elektromyogramm deutlich rückläufig sind, in der Regel nach etwa einem Monat. Anzustreben ist eine vorsichtige Reduktion der Dosis in den folgenden Wochen unter die Cushing- Schwellendosis: zunächst eine alternierende Therapie mit ca. 20 mg Prednison oder Fluocortolon alle 48 Stunden, später in noch geringerer Dosis über mindestens zwei Jahre. Danach ist bei Beschwerdefreiheit ein Auslassversuch indiziert. Nach einigen Jahren muss mit einer Rezidivneigung gerechnet werden.

152 Entzündliche Muskelkrankheiten Immunsuppressiva: Azathioprin verstärkt die immunsuppressive Wirkung der Glukokortikoide. Eine Indikation zum zusätzlichen Einsatz ist unter folgenden zwei Bedingungen gegeben: Bei allen schweren, insbesondere progredienten Verläufen kann wegen vitaler Bedrohung des Patienten nicht abgewartet werden, ob das Krankheitsbild mit Glukokortikoiden allein beherrscht werden kann. Bei Erkrankungen, in deren Verlauf entweder die Therapie mit Glukokortikoiden allein wirkungslos bleibt (sehr selten!) oder wenn die erforderliche Dosis trotz Reduktion über der Cushing-Schwellendosis bleibt. Die Dosierung von Azathioprin beträgt 2 mg/kg/d. Limitierend kann die Ausbildung einer Leukozytopenie (Thrombozytopenie) oder einer Cholestase sein. Die Induktion von Neoplasmen ist denkbar, jedoch statistisch nicht gesichert. Der Einsatz von Methotrexat anstelle von Azathioprin ist indiziert, wenn bei gesicherter Diagnose mit Azathioprin innerhalb eines halben Jahres kein befriedigendes Therapieresultat erzielt werden kann (vor allem häufig bei der schweren infantilen DM). Cyclophosphamid ist anstelle von Azathioprin insbesondere den Fällen vorbehalten, bei denen wegen schwerer internistischer (z.b. pulmonaler, renaler, kardialer) Organkomplikationen ein rascher Wirkungseintritt erforderlich ist. Nach kurzer initialer intravenöser Therapie (5 mg/kg/d für wenige Tage) werden oral 2 3 mg/kg/d, später 1 mg/kg/d (Erhaltungsdosis) gegeben. Hochdosierte intravenöse Immunglobulintherapie ist eine erfolgversprechende (sehr teure) neue Therapieform sowohl der PM als auch der DM. Der genaue Wirkungsmechanismus ist bisher nicht bekannt. Kontrollierte Studien bei der PM sind bisher noch nicht abgeschlossen. Bei der DM wurde eine gute Wirksamkeit belegt und nachgewiesen, dass sich die immunpathologischen Befunde in Kontrollmuskelbiopsien zurückbilden [5]. Derzeit wird die Immunglobulintherapie bei der DM bzw. PM des Erwachsenen nur als Therapieoption empfohlen, wenn die Standardtherapie mit Glukokortikoiden und Immunsuppressiva nicht zum gewünschten Erfolg führt (was selten ist). In diesen Fällen muss die primäre Diagnose überprüft werden, um eine z.b. paraneoplastische DM oder eine IBM auszuschließen. Nur bei der infantilen DM ist die intravenöse Immunglobulintherapie aufgrund der Nebenwirkungen der Standardbehandlung zusammen mit Glukokortikoiden das Vorgehen der ersten Wahl. Plasmapherese: Die Wirksamkeit von Plasmapheresen ist nicht belegt. Die Behandlung ist allenfalls besonders schweren Einzelfällen vorbehalten.

Therapie 153 Bettruhe, stationäre Behandlung: Bettruhe ist in floriden Stadien einer PM häufig erforderlich aufgrund der schweren Paresen und indiziert, um einen weiteren Zerfall des Muskelparenchyms durch Überlastung zu verhindern. In der Regel erfolgt die Behandlung einer schweren akuten PM stationär, um die anfänglich hochdosierte medikamentöse Therapie engmaschig überwachen zu können. Physikalische Therapie In jedem floriden Stadium einer PM ist aktive Krankengymnastik kontraindiziert. Wenn die entzündliche Aktivität des Prozesses medikamentös gestoppt ist, muss eine konsequente aktive Übungsbehandlung einsetzen und kontinuierlich fortgeführt werden. Jede PM und jeder Schub führen zu einem irreparablen Verlust an Muskelparenchym. In der Regel bleibt aber belastbare Muskulatur erhalten. Therapie der paraneoplastischen DM/PM Paraneoplastisch bedingte Myositiden sind mit Glukokortikoiden bzw. Azathioprin nur wenig zu beeinflussen. Dagegen führt die operative Entfernung des Tumors, sofern möglich, in der Regel zu einer Remission der Myositis. Therapie der Einschlusskörpermyositis Die Einschlusskörpermyositis (IBM) ist durch Glukokortikoide und Azathioprin nahezu nicht beeinflussbar. Im Einzelfall sind niedrig dosierte Steroide insbesondere in floriden Phasen (CK-Erhöhung) von Nutzen. Einzige therapeutische Option ist derzeit die intravenöse Immunglobulintherapie. In zwei abgeschlossenen placebokontrollierten Doppelblindstudien wurde ein Stillstand der Progredienz und in einigen Fällen eine moderate Funktionsverbesserung gezeigt [7]. Im Hinblick auf die Kosten der Behandlung sollte die Therapieindikation überdacht werden bei, zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, relativ jungen Patienten mit ausgeprägter entzündlicher Komponente in der Muskelbiopsie und so überschaubarem Spontanverlauf, dass eine raschere Progression wahrscheinlich ist. Therapie der erregerbedingten Myositiden Die Therapie richtet sich im Wesentlichen nach den Möglichkeiten der Behandlung der jeweiligen Infektion. Viren (Coxsackie u.a.) In Frage kommen lediglich symptomatische Behandlungsmaßnahmen. Bei Hinweisen auf einen stärkeren Parenchymzerfall ist Bettruhe erforderlich.

154 Entzündliche Muskelkrankheiten HIV-Polymyositis: Diese primär durch das HI-Virus getriggerte, T-Zell-vermittelte zytotoxische Myositis stellt ein besonderes therapeutisches Dilemma dar, da auf der einen Seite Glukokortikoide im Hinblick auf den Immunstatus des Patienten gefährlich sind, auf der anderen Seite die antivirale Substanz Zidovudin eine mitochondriale Myopathie induzieren kann. Bakterien und Pilze Eine Beteiligung des Muskels im Rahmen bakterieller Infekte (Pyomyositis) ist selten. Die antibiotische Therapie richtet sich nach dem jeweiligen Erreger. Unter den Protozoen ist in unseren Breiten vor allem die Toxoplasma-Infektion von Bedeutung, eine Myositis stellt eine seltene Organmanifestation dar. Die Therapie erfolgt mit Antimalariamitteln und Sulfonamiden. Parasiten Bei einem Parasitenbefall der Muskulatur ist die chemotherapeutische Sanierung Therapie der Wahl. Bei der Trichinose ist Mebendazol therapeutisch wirksamer und nebenwirkungsärmer als Tiabendazol. Bei der Zystizerkose ist Albendazol dem bisher verwendeten Praziquantel überlegen. Prognose und Prävention Der Spontanverlauf der Polymyositis (PM) und Dermatomyositis (DM) ist nahezu unbekannt, da seit langem praktisch alle Patienten mit Glukokortikoiden behandelt werden. Die IBM ist bisher weitgehend therapieresistent. Placebokontrollierte Doppelblindstudien zum Effekt von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Einschlusskörpermyositis (IBM) verläuft langsam stetig progredient und führt meist 10 bis 15 Jahre nach Diagnosestellung zur Immobilisierung. Durch Glukokortikoide und Immunsuppressiva ist bei über 90% der Patienten mit PM bzw. DM eine Remission zu erzielen. Die Langzeiterhaltungstherapie dient der Stabilisierung des Behandlungseffektes und der Rezidivverhinderung. Rezidive treten vorwiegend innerhalb der ersten fünf Jahre auf. Bei schweren initialen Manifestationen oder verzögertem Eintritt der Therapie kann es zu Defektheilungen kommen.

Service 155 Service Forschung und Ausblick Durch die Entwicklung neuer Immunsuppressiva und monoklonaler Antikörper wird eine Therapieverbesserung der entzündlichen Muskelkrankheiten erwartet. Bisher sind erste placebokontrollierte Doppelblindestudien u.a. mit Tumornekrosefaktor alpha in der Planung, Ergebnisse sind jedoch noch nicht abzusehen. Ähnliches gilt für Nebenwirkungen der neuen Therapieverfahren, welche sich an der relativ nebenwirkungsarmen Standardmedikation messen lassen müssen. Gesundheitswesen Es ist unbekannt, wie oft die klinischen Kardinalsymptome aller neuromuskulären Erkrankungen (Muskelschwäche, Muskelatrophie sowie Muskelschmerzen) nicht richtig zugeordnet und die jeweils zugrunde liegende Krankheit rechtzeitig erkannt werden. Dies kann Ausdruck eines möglichen Versorgungsproblemes sein. Dessen vielschichtige Aspekte sind in Tabelle 5 skizziert. Die definitive Diagnose der neuromuskulären Erkrankung, die Festlegung einer Therapie sowie die Verlaufsbeobachtung sind spezifische Aufgaben der neuromuskulären Zentren, die zwar in der Bundesrepublik Deutschland in ausreichender Zahl existieren, jedoch nicht immer adäquat herangezogen werden. Sie sind organisatorisch verzahnt mit der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM). Es ist eine wichtige Aufgabe der neuromuskulären Zentren, auch diagnostische und therapeutische Methoden zu bewerten und daraus Leitlinien zu entwickeln, wie sie für die PM/DM für einen breiten Einsatz zu empfehlen wären.

156 Entzündliche Muskelkrankheiten Tab. 5: Beispiel: Polymyositis/Dermatomyositis Kommentar Beleg Versorgungs- Seltene, erworbene, immunogene entzündliche (1) Engel AG et al. in problem Muskelkrankheiten, z.t. als paraneoplastisches Engel AG, Franzini- Syndrom Armstrong C (Hrsg.): Inzidenz 1 9,3/1.000.000 Myology, Vol. 2. Diseases of Muscle. McGraw- Hill, New York (1994) Gute Versorgung Nur an neuromuskulären Zentren mit interdiszipli- (2) Pongratz D und nären Muskelsprechstunden und adäquater Dalakas MC in Brandt T Erfahrung im Einsatz diagnostischer Methoden et al (Hrsg.): Neurological (insbesondere Neurophysiologie, Muskel-/Nerven- Disorders. Academic biopsie, Bildgebung) gewährleistet Press, San Diego (1996) Koopertation mit Internisten (insbes. Rheumatologen (2), Tumorsuche) Kooperation mit Dermatologen (2) Unterversorgung Unzureichende primäre Diagnostik beim niedergelassenen Neurologen/Neuropädiater oder in nicht spezialisierten Kliniken Einleitung und Überwachung der Therapie der gut behandelbaren autoimmunologischen erworbenen Myopathien ohne enge Anbindung an ein neuromuskuläres Zentrum Psychosoziale Betreuung, Physik. Therapie, Ergotherapie, Hilfsmittelberatung Überversorgung Extensive Autoantikörperdiagnostik Fehlversorgung Alleinige Betreuung durch den Hausarzt Keine regelmäßige physikalische Therapie Inadäquate Hilfsmittel Konsequenzen Verbesserung der Kooperation zw. den niedergelassenen Ärzten und den Neuromuskulären Zentren Potenzial der Verbesserung der Überweisungsmodalität Versorgungs- Adäquate Honorierung amb. Leistungen an den optimierung Neuromuskulären Zentren (Beispiele) Verbesserung der amb. psychosoz. Beratung Verbesserung der Beratung auf den Gebieten Krankengymnastik und Ergotherapie Verbesserung der Hilfsmittelberatung Enge Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen (DGM) Qualifikation f. Leistungserbringer

Service 157 Tab. 6: Leitlinien zur Diagnostik der Polymyositis/Dermatomyositis DiagnoseschrittMethoden Bewertung Labor CK im Serum in 95% aller floriden Formen stark erhöht BKS, CRP nur in 50 60% aller immunogenen Myositiden pathologisch (besonders bei akuten Formen) myositisspezif. Autoantikörper nur in 40 60% aller Fälle pathologisch; vor allem bei Dermatomyositis/Overlap-Syndromen sowie bei akuter Polymyositis; praktisch nie bei primär chron. Polymyositis und Einschlusskörpermyositis EMG path. Spontanaktivität in Ruhe Sehr typisch, aber nicht spezifisch. Allenfalls sog. Myopathiemuster bei Willkür- orientierende Untersuchung durch niedergelasinnervation sene Neurologen zur Diagnosefindung. Ausführliche Untersuchung im Muskelzentrum unmittelbar vor Durchführung der Biopsie (Cave: Artefakte im Stichkanal) Bildgebende Myosonographie wenig sensitiv, nur in der Hand des Erfahrenen Verfahren Computertomographie entbehrlich bis auf spezielle Fragen (z.b. Kalk); Strahlenbelastung! Kernspintomographie bei akuten Formen Nachweis eines Muskelödems in T2-betonten Sequenzen (häufig, wenn Klinik, CK und EMG richtungsweisend, für Auswahl der Biopsiestelle nicht nötig!) bei chronischen Formen zur Auswahl der Biopsiestelle immer empfehlenswert; Fett unterdrückende Sequenz (STIR)! Muskel- nur in speziellen Einrichtungen: Dermatomyositis: Polymyositis vom perifaszibiopsie Histologie kulären Typ (Histologie), Vasculitis (Histologie), Enzymhistologie (Gefrierschnitt) C5b9-Komplementablagerungen (Immunhisto- Immunhistologie (Gefrierschnitt) logie), tubulovesikulären Einschlüssen (Elektro- Elektronenmikroskopie nenmikroskopie), Infiltrate mit vorwiegend (Glutaraldehyd-Einbettung) B-Lymphozyten + CD4 -Lymphozyten (Immunhistologie) Polymyositis: Diffuse Polymyositis (Histologie), vorwiegend CD8 -Lymphozyten (Immunhistologie), Invasion von CD8 -Lymphozyten in noch nicht nekrotische Muskelfasern (Immunhistologie) Elektronenmikroskopie: Differentialdiagnose vakuolärer Degenerationen (DD Einschlusskörpermyositis)

158 Entzündliche Muskelkrankheiten Literatur [1] Engel A G, Hohlfeld R, Banker B Q (1994), The polymyositis and dermatomyositis syndromes. In: Engel A G, Franzini-Armstrong C (Hrsg.), Myology Vol. 2, Diseases of muscle, 1335 1383. McGraw-Hill, New York [2] Goebels N, Pongratz D (1998), Myositiden. In: Brandt T, Dichgans J, Diener H C (Hrsg.), Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen, 3. Aufl., 1120 1137. Kohlhammer, Stuttgart [3] Pongratz D (1999), Myositiden. In: Hopf H C, et al. (Hrsg.), Neurologie in Praxis und Klinik, 620 629. Thieme, Stuttgart [4] Pongratz D E (1999), Erkrankungen der Muskulatur. In: Kunze K (Hrsg.), Praxis der Neurologie, 3. Aufl., 123 167. Thieme, Stuttgart [5] Pongratz D, Dalakas M C (1996), Inflammatory Myopathies. In: Brandt T, et al. (Hrsg.), Neurological Disorders. Course and Treatment, 965 969. Academic Press, San Diego [6] Pongratz D, Späth M (2002), Myositiden. In: Berger M, el al. (Hrsg.), Therapiehandbuch. Urban & Fischer, München [7] Walter M C, et al., High-dose immunoglobulin therapy in sporadic inclusion body myositis: a double-blind, placebo-controlled study. J. Neurol. (2000), 247, 22 28