Aus dem Institut für Hygiene und Produktsicherheit der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel - Standort Kiel Qualitätsmanagement in Milcherzeugerbetrieben - Bedeutung von Hemmstofftests in Milch am Ende der Wartezeit Karin Knappstein und Gertraud Suhren 1. Einführung Im Rahmen von Qualitätsmanagement-Systemen wird empfohlen, die Milch von mit Antibiotika behandelten Kühen am Ende der Wartezeit mit Hemmstofftests auf "Rückstandsfreiheit" zu überprüfen, bevor die Milch wieder als Lebensmittel in den Verkehr gebracht wird. Diese Untersuchungen sollen gewährleisten, dass in Einzeltiergemelken maximale Rückstandskonzentrationen (Maximum Residue Limits l MRLs), die gemäß Verordnung 2377/90 EWG festgelegt sind, nicht überschritten werden. So wird auch nach Inkrafttreten der Verordnung 853/2004 EG vom Milcherzeuger als Lebensmittelproduzenten ausdrücklich gefordert werden, mit geeigneten Verfahren sicherzustellen, Rohmilch mit Rückständen oberhalb festgelegter Höchstmengen nicht in den Verkehr zu bringen. Zur Erzielung der vollen Punktzahl im deutschen Qualitätsmanagement Milch, dem bundeseinheitlichen Leitfaden zur Milcherzeugung (QM-Milch) wird gefordert, dass die Milch behandelter Kühe erst nach Ablauf der Wartezeit abgeliefert und zusätzlich noch mit einem Hemmstofftest untersucht wird. Grundlage dieser Forderung ist die Annahme, dass bei Einzeltieren nach Behandlung eine über die Wartezeit hinausgehende Ausscheidung von Antibiotika-Rückständen in der Milch auftreten kann. Zur Bewertung der Eignung eines Hemmstofftests auf Einzeltierbasis als Werkzeug in einem Qualitätsmanagementsystem sind jedoch verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die nachfolgend auf der Grundlage von Literaturdaten und eigenen Untersuchungsergebnissen diskutiert werden sollen. 2. Ursachen für Hemmstoffe in Milch In Tabelle 1 sind die wichtigsten Ursachen für positive Hemmstoffbefunde in Tankmilch zusammengefasst. Der überwiegende Anteil von Hemmstoffnachweisen tritt generell im Zusammenhang mit Mastitisbehandlungen auf. In etwa 3 % der Fälle konnte bei Verfolgsuntersuchungen die Ursache für Hemmstoffe in der Milch nicht ermittelt werden. Nur in diesen Fällen kann - neben anderen Ursachen - eine verlängerte Ausscheidung von Rückständen in der Milch vermutet werden. -140-
Ursachen für Hemmstoffe in Tankmilch* Management Nicht-Beachtung der Wartezeit unzureichender Informationsfluss Behandlungsfehler Melken behandelter Kühe Falsche Melkreihenfolge Technik Unzureichende Reinigung nach dem Melken behandelter Kühe Unbekannt *modifiziert nach Schällibaurn, 1990, Fabre et al., 1995 Anteil an positiven Hemmstoffbefunden 68% 29% 3% 3. Ausscheidungsdauer von Antibiotika-Rückständen in der Milch Um zu überpüfen, wie lang die Ausscheidungsdauer von Rückständen in der Milch, auch im Verhältnis zur angegebenen Wartezeit zu erwarten ist, wurden auf dem Versuchsgut Schädtbek der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Standort Kiel Kühe mit klinischen Mastitiden mit verschiedenen kommer-. ziel! erhältlichen Präparaten intramammär behandelt. Folgende Präparate wurden eingesetzt: Cobactan LC, (lntervet Deutschland GmbH, Unterschleißheim, DE), 88 mg Cefquinom pro Injektor, Wartezeit für Milch: 5 Tage, MRL: 20 µg/kg, Behandlung an drei aufeinanderfolgenden Melkzeiten Procain-Pencillin G 3 Mio - Euterinjektor (WDT, Garbsen, DE), 3 g Procainbenzylpenicillin, entsprechend 1898 mg Penicillin G, Wartezeit für Milch: 5 Tage, MRL: 4 µg/kg, Behandlung dreimal im Abstand von 24 Stunden Peracet (Pfizer GmbH, Karlsruhe, DE), 100 mg Cefoperazon, Wartezeit für Milch: 4 Tage, MRL: 50 µg/kg, Behandlung zweimal im Abstand von 24 Stunden Die Bestimmung von Rückstandskonzentrationen erfolgte quantitativ mittels HPLC-Methoden (Knappstein et al., 2003a) in Gesamtgemelksproben, die zu jeder Melkzeit während der Versuchsperiode entnommen wurden. Die Ausscheidungskurven der Einzelkühe sind in Abbildung 1 dargestellt. Bei je 11 bis 17 mit einem von drei verschiedenen Präparaten behandelten Kühen mit klinischen Mastitiden, wurden in keinem Fall nach Ende der Wartezeit Antibiotika Konzentrationen oberhalb der MRLs nachgewiesen. In allen Fällen waren die Konzentrationen in der Milch bereits zwei Tage vor Ende der Wartezeit unterhalb der MRLs, so dass eine ausreichende Sicherheitsspanne anzunehmen ist. Zudem nahmen die Konzentrationen von Melkzeit zu Melkzeit stark ab, so dass bei einer Überschreitung der Wartezeit allenfalls mit sehr geringen Antibiotika-Konzentrationen in der Milch zu rechnen wäre. -141-
~~~~~~~~~ 10000 µg Cefquinom/kg -V-1866. {.~ 1880 ->< 1908-0 1919 1956 :!:l~(2)... 1846 --0-1869 (2)' -+-1878 (1)...,...1890 - -1900 -A-1915(1) -24 0 24 48 72 96 120 144-24 0 24 48 72 96 120 144 Stunden nach letzter Applikation '-""'' Stunden nach letzter Applikation 3-001tl«._1 µg Cefoperazon/kg 10000... 1000 100 -<0-1718 (1) -0-1718 (2) ------1 -+-1723 1> 1765 ------l "- 1831 1'--1866-1<-1869-0-1888 -:C-1917 _,,,_1887-0-1929 (1) -4-1929 (2) I ~~~ MRL Wartezeit Abb. 1: -24 0 24 48 72 96 120 144 Stunden nach le!zter Applikation '-'"'"" Ausscheidungsdauer von Antibiotika-Rückständen in Milch nach intramammärer Behandlung klinischer Mastitiden mit drei verschiedenen kommerziell erhältlichen Präparaten 4. Heilungsverlauf Nach der Behandlung klinischer Mastitiden ist zwar meist eine klinische Heilung zu beobachten, in vielen Fällen bleibt der vollständige Heilungserfolg jedoch aus und die Erkrankung wird nur in den subklinischen Bereich verlagert. Abbildung 2 zeigt den Verlauf des Zellgehaltes in der Milch der vier Euterviertel und des Gesamtgemelks nach antibiotischer Behandlung von zwei Kühen, die an einer klinischen Mastitis durch Streptococcus uberis erkrankt waren, in Abhängigkeit vom Heilungsverlauf. Zu jeder Melkzeit wurden Proben zur zyto-bakteriologischen Untersuchung (DVG, 2000} entnommen. In einem Fall wurde der Erreger nicht eliminiert. Der Zellgehalt im erkrankten Viertel betrug auch am Ende der Wartezeit noch mehrere Millionen pro ml und bewirkte dadurch einen deutlich erhöhten Zellgehalt des Gesamtgemelks (Abb. 2 rechts). In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Milch in ihrer kompositionellen Beschaffenheit erheblich verändert und eine Ablieferung der Milch nicht wünschenswert war. Durch indirekte Bestimmung des Zellgehaltes mit Hilfe eines Schalm-Testes kann nach Ende der Wartezeit relativ einfach der Heilungserfolg einer Mastitis-Behandlung kontrolliert werden. Auf dieser Grundlage kann entschieden werden, ob die Milch gegebenenfalls über die Wartezeit hinaus von der Milchanlieferung ausgeschlossen werden sollte, um die Qualität der Tankmilch nicht zu beeinträchtigen. Weitere Maßnahmen für das erkrankte Viertel können auf der Grundlage von bakteriologischen Untersuchungen erfolgen. -142-
Z@lfgellafi[1000/mlJ +VR -111-VL +HR +HL -Gll8amtgemelk Ztllgohalt[1000/m1J+VR +VL +HR '~'HI. -Geeamtgomelk 1 j)l)oil ""~-.w.vwh.w~--~~ =-v~w-.w.w~ m w~w. wu.w ; 10000 ==~ =,-=~>= ~"W<~~""""=== ====-~»> =--»>»><= ~= 1818 3 1000 100 100 10 3_~_1 1 1 144.24 0 24 4S 72 Ge 120 144 11lS.24 0 stunden nach ribloilaohtr S.handung 3..0HOllU Abb. 2: 24 4S 72 Ge 120 144 1158 Stunden naoh entlblolltohtr Behandlung u11ds11.> Entvvickh,mg des Zellgehaltes nach antibiotischer Behandlung klinim scher Mastitiden; t Nachweis von Streptococcus uberis, - - Wartezeit it 5. Nachweisempfindlichkeit von Hemmstofftests Für den Nachweis von Hemmstoffen in der Milch werden in der Regel mikrobiologische Hemmstofftests mit dem Testkeim Bacillus stearothermophi/us verwendet. Nachweisgrenzen 1 (µg/kg) von mikrobiologischen Hemmstoff- tests im Vergleich zu MRls 2 (µg/kg) für Milch h Tab. 2: ~- Wirkstoffg ru ppe/ MRL Nachweis- Wirkstoffgmppe/ MRL Nachweis- Substanz grenzen Substanz grenzen ß-lactame Makrolide Benzylpenicillin 4 1-3 Erythromycin 40 25-.250 Penethamat 4 1-3 Spiramycin 200 200 - >1 000 Ampicillin 4 2-6 Tylosin 50 20-100 Amoxicillin 4 2-5 Nafcillin 30 5-15 Aminoglyko~ide Cloxacillin 30 10-30 Gentamicin 100 100-500 Dicloxacillin 30 10-20 Kanamycin 150 >1 000 Oxacillin 30 5-20 Neomycin incl. Cefacetril 25 20-40 Framycetin 1 500 300-2 000 Cefalexin 100 20-100 Dihydro-/ Cefoperazon 50 20-100 Streptomycin 200 >1 000 Ceftiofur 3 100 50-100 4 Cefquinom 20 40 - >250 Sulfonamide 100 50-1 000 Cefapirin 60. 3-10 Cefazolin 50 5-25 Verschiedene Enrofloxacin 100 >1 000 Tetracycline Colistin 50 >1 000 Chlortetracyclin 100 80-600 Lincomycin 150 200-400 Oxytetracyclin 100 100-500 Trimethoprim 50 100-150 Tetracyclin 100 100-600 1 Diserens 2005; Knappstein et al., 2003b; 2 gemäß VO 2377 /90 EWG; 3 Muttersubstanz und Metabolite; 4 nur Muttersubstanz -143-
Die Nachweisgrenzen variieren je nach Testkitvariante und Antibiotikum erheblich. Für die in Deutschland zur Behandlung von Milchkühen zugelassenen Antibiotika sind in Tabelle 2 die Nachweisgrenzen von Testkits den für Milch festgelegten MRls gegenübergestellt. Es wird deutlich, dass nicht alle gängigen, in der Milchviehhaltung eingesetzten Substanzen mit ausreichender Empfindlichkeit nachgewiesen werden können. Die Durchführung eines solchen Tests bietet somit unter Umständen nur scheinbare Sicherheit und falsch-negative Ergebnisse sind nicht auszuschließen. Nicht immer werden vom Hersteller ausreichende Angaben über die entsprechende Eignung der Testkits gemacht. 6. "Falsch"-positive Befunde von Hemmstoff-Tests Bei einigen Hemmstofftests traten bei eigenen Untersuchungen in Abhängigkeit vom Eutergesundheitsstatus bzw. von der Laktationsdauer verdächtige bzw. positive Befunde auf, die nicht auf Antibiotika-Rückstände in der Milch zurückzuführen waren (Tabelle 3). Tab. 3: "Falsch" verdächtige/positive Ergebnisse von Einzelgemelksproben mit Bacillus stearothermophilus-tests Anteil verdächtiger/positiver Proben [%] Art der Proben Kühe Proben Delvo- BR-Test BR-Test BRT-Hemmn n test SP 1 AS 1 AS spezial 1 stofftest2 Gesunde Kühe Anamnese 80 225 0 1,3 0 0 nach Behandlung 3 80 282 0,7 1,1 1,1 0,7 Kühe mit klin. Mastitis Anamnese 18 18 22,2 5,6 5,6 33,3 nach Behandlung 3 18 89 3,4 3,4 1,1 21,3 Erstkalbinnen 11. Melkung p.p. 21 21 0 95,2 O 14,2 18. Melkung p.p. 18 18 0 78,9 0 0 1 DSM, Delft, NL, 2 AIM, München, DE, 3 Rückstandskonzentration (HPLC) unterhalb der Nachweisgrenze der Testverfahren Besonders bei Kühen mit klinischer Mastitis traten eine Reihe von positiven Ergebnissen auf, die vermutlich auf milchoriginäre Inhibitoren zurückzuführen sind. Bei positiven Befunden nach der Behandlung ist davon auszugehen, dass der Heilungserfolg nicht wie gewünscht eingetreten ist. Allerdings wurden mit einem Test auch bei Erstkalbinnen nach Ende der Kolostralphase von 5 Tagen noch 95 % positive Befunde erhoben, die nicht zu erklären waren. Selbst am 9. Tag nach der Kalbung traten noch positive oder verdächtige Befunde auf. 7. Fehlerquellen bei der Durchführung von Stalltests Zur Durchführung von Hemmstofftests gibt es neben den Angeboten von Molkereien oder Labors inzwischen auch eine Reihe von Stalltests für den Einsatz auf dem Milcherzeugerbetrieb. Untersuchungsergebnisse über die Nachweisgrenzen sind nicht publiziert. Auch ist eine Reihe von Fehlerquellen zu beachten, welche die Zuverlässigkeit der Tests beeinträchtigen und zu falsch negativen Ergebnissen führen können. So müssen Probenvolumen, Bebrütungstemperatur und -dauer exakt ein- -144-
ehalten werden. Von Herstellerfirmen werden dazu Heizblöcke (z.t. mit Zeitschalt ~hr) angeboten, die jedoch recht teuer sind. Auch sind bei jedem Testdurchlauf Kontrollproben mitzuführen, die z.t. separat bezogen werden müssen. Sauberes Arbeiten ist erforderlich, um Verschleppungen zu vermeiden. Zudem sind die korrekte Lagertemperatur für die Testkits und das Verfallsdatum zu beachten. Die zu beziehenden Packungsgrößen lassen erwarten, dass ein Aufbrauchen vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums nur in größeren Betrieben möglich ist. Letztlich ist unklar, ob der Test bereits in der letzten Melkzeit der Wartezeit oder in der ersten Melkzeit nach Ende der Wartezeit durchgeführt werden sollte, um Schwierigkeiten bei der Interpretation der Testergebnisse, aber auch unnötige Milchverluste zu vermeiden. s. Schlussfolgerungen Hemmstofftests besitzen im Rahmen von Qualitätssicherungssystemen nur eingeschränkten Wert, da eine über die Wartezeit hinaus verlängerte Ausscheidung von Antibiotika-Rückständen in der Milch nur selten vorkommt, wenn Behandlungsempfehlungen z.b. bezüglich Dosierung, Behandlungsintervall eingehalten werden. Andere Ursachen für Hemmstoffe in Milch sind von größerer Bedeutung, können jedoch nichtdurch einen Hemmstofftest am Ende der Wartezeit vermieden werden. Zudem werden mit den üblicherweise eingesetzten mikrobiologischen Hemmstofftests nicht alle in der Milchviehhaltung eingesetzten Antibiotika mit ausreichender Empfindlichkeit detektiert, so dass negative Testergebnisse fälschlicherweise Sicherheit für den Milcherzeuger und den Verbraucher vortäuschen. Werden Tests eingesetzt, sollten sie für die Anwendung bei Einzelgemelken sowie für den Nachweis des entsprechenden Antibiotikums validiert sein. Sinnvoller zur Qualitätssicherung der Milch wäre die Durchführung eines Schalm-Tests bevor die Milchablieferung nach Euterbehandlungen wieder aufgenommen wird, um sicherzustellen, dass die Behandlung erfolgreich war und die Milch in ihrer kompositionellen Beschaffenheit nicht mehr verändert ist. Bei Stalltests zum Rückstandsnachweis ergeben sich außerdem eine Reihe von Fehlerquellen, welche die Zuverlässigkeit der Ergebnisse in Frage stellen können. Auch ist nicht auszuschließen, dass Hemmstofftests missbräuchlich durchgeführt werden, um die Wartezeit zu verkürzen, was aus Gründen des Verbraucherschutzes zu vermeiden ist. 9. Literatur Diserens, J.M. (2005): Persönliche Mitteilung Fabre, J.M., Moretain, J.P., Ascher, F., Brouillet, P., Berthelot, X. (1995): Tagungsbericht IDF Symposium on Residues of Antimicrobial Drugs and other Inhibitors in Milk. Kiel, Germany, 28-31August,1995, S. 27-31 Knappstein, Suhren, G., Walte, H.-G. (2003a): Analytica Chimica Acta 483, 241-249 Knappstein, K. Suhren, G., Walte, H.-G. (2003b): Bericht EU. Projekt "Automatie milking" 011, http://www.automaticmilking.nlqualitätsmanagement Milch (QM Milch) - Bundeseinheitlicher Leitfaden zur Milcherzeugung. Stand 4. Dezember 2002 Verordnung EWG Nr. 2377/90 vom 26. Juni 1990. ABI. L 224 vom 18.08.1990, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vom 29: April 2004. ABI. L 226 vom 25.06.2004, S. 22 Schällibaum, M. (1990). Swiss Vet 7, 7-9 Anschrift der Verfasser Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel - Standort Kiel, Institut für Hygiene und Produktsicherheit, Hennann-Weigmann-Str. 1, 24103 Kiel, email: karin.knappstein@bfel.de -145-