Quasikristalle. Goldener Schnitt Fibonacci Folge Pflasterungen der Ebene

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Transkript:

Quasikristalle Goldener Schnitt Fibonacci Folge Pflasterungen der Ebene D C A S B

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 Der Goldene Schnitt 4.1 Geometrische Konstruktion............................ Zur Historie.................................... 6 3 Pflasterungen der Ebene 7 3.1 Das Pentagramm................................. 7 3. Penrose Dreiecke................................. 8 3.3 Inflationen..................................... 8 3.4 Dreiecke Romben............................... 9 3. Ecksterne..................................... 9 4 Alexanderplatz 10 4.1 Markierte Romben................................ 10 4. Erzeugte Pflasterung............................... 11 Fibonacci Folge Leonardo von Pisa 13 6 Eindimensionale quasiperiodische Ketten 0 6.1 Die Fibonacci Kette............................... 0 6. Die Oktanacci Kette............................... 1 7 Platonische Körper 7.1 Besonderheiten und Gemeinsamkeiten...................... 7. Polare Beziehungen................................ 3 7.3 Durchdringung platonischer Körper....................... 4 7.4 Symmetrien der platonischen Körper...................... 8 Kontakt von

1 Einleitung Die Entdeckung der Quasikristalle (Festkörper mit einer Struktur, die es eigentlich gar nicht geben dürfte) im Jahre 1984 hat seither in der Mathematik und Physik für großes Aufsehen gesorgt. Es stellte sich heraus, dass erst wenige Jahre zuvor die Mathematiker, ihrem fachtypischen Spieltrieb folgend, die ersten Grundlagen für das Verständnis der Quasikristalle bereitgestellt hatten: die nichtperiodischen Parkettierungen und die Penrose Muster. Ein Beispiel für eine Penrose Pflasterung (benannt nach dem Physiker und Mathematiker Sir Roger Penrose) ist im Foyer des Audimax zu sehen. Das (vielleicht zunächst) Auffälligste an den Quasikristallen ist ihre zählige Symmetrie. Eine solche kann in natürlich vorkommenden Kristallen wie z.b. NaCl: Kochsalz; Al O 3 : Rubin, Saphir gar nicht auftreten. Es gibt Quasikristalle mit acht- und zwölfzähliger, vor allem aber mit fünfzähliger Symmetrie. Deshalb wenden wir uns in einem eigenen Kapitel (Kapitel ) der Zahl τ zu, die im regelmäßigen Fünfeck allenthalben vorkommt. Sie ist ausgesprochen schön und irrational. Wie kann man sich nun Quasikristalle vorstellen? Eine erste einfachere Sichtweise sind die dimensionalen Pflasterungen der Ebene (Kapitel 3). Einen Überblick über diese lassen sich im wesentlichen mit Symmetriegruppen gewinnen. Über das Pentagramm bewegen wir uns weiter zu den Penrose Pflasterungen (Kapitel 3. bis 3.4) und zum Alexanderplatz in Berlin (Kapitel 4). Die Zahl τ spielt auch eine bedeutende Rolle in der Folge des Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci. Dieser hatte seine Fibonacci Folge (Kapitel ) mit der Vermehrung der Kaninchen motiviert zwar ziemlich unbiologisch, aber das störte den abstrakten Denker nicht weiter. Einen schönen Zugang zu dieser Folge liefert Hans Magnus Enzensberger in seinem Buch Der Zahlenteufel. 3 von

Der Goldene Schnitt In der Mathematik bezeichnet der Goldene Schnitt eine geometrische Proportion, also ein Verhältnis. Definition und Satz.1 (Goldene Schnitt) Sei AB die Strecke zwischen den Punkten A und B. Ein Punkt S von AB teilt AB im Goldenen Schnitt, falls sich die größere Teilstrecke M (Major) zur kleinern Teilstrecke m (minor) so verhält wie die Gesamtstrecke a := AB zum größeren Teil M. In Formeln: M m = a M. Das Verhältnis M m hat den Wert 1+ 1, 618 033 989 und wird im Allgemeinen mit τ (griechisch: tau) bezeichnet. Beweis: a M = M m mm am = M setze ein: a = (m + M) m + mm = M : m 1 + M m = ( M m ) Daraus ergibt sich die quadratische Gleichung ( ) M M m m 1 = 0, welche für M m die Lösungen 1 hat, die positive Lösung ist gleich τ. und 1 + q.e.d. Daraus ergeben sich zwei wichtige Formeln für τ, die wir später immer wieder brauchen werden: τ 1 = τ + 1 und = τ + 1. τ 4 von

.1 Geometrische Konstruktion Nach diesem theoretischen Einstieg folgen nun zwei einfache Konstruktionsmöglichkeiten zum Selbstausprobieren: 1) Sei AB eine Strecke mit Länge a. a) Errichte das Lot in B mit BC = a. b) Ziehe einen (Teil )Kreis um C mit Radius BC. Der Schnittpunkt mit der Geraden AC ist D. c) Zeichne einen (Teil )Kreis um A mit Radius AD. Der Schnittpunkt mit der Geraden AB ist S. D C A S B ) Sei AB eine Strecke mit Länge a. a) Errichte das Lot in A mit AC = a. b) Zeichne einen (Teil )Kreis um C mit Radius CB. c) Ziehe einen (Teil )Kreis um A mit Radius AD. Der Schnittpunkt mit der Geraden AB ist S. C A S B D von

. Zur Historie Es wird angenommen, dass die Anhänger der Schule des Pythagoras (die sogenannten Pythagoräer) im. Jahrhundert vor Christus als erste mit der Hilfe des Goldenen Schnittes inkommensurable Strecken entdeckten. Diese Strecken sind die geometrische Äquivalente der irrationalen Zahlen. Dabei hatte er in der antiken Welt noch keinen Namen. Erst später wurde er dann mit proportio habens medium et duo extrema, das heißt so viel wie Teilung im äußeren und mittleren Verhältnis beschrieben. Seit der Antike waren Künstler, Philosophen und Mathematiker vom Goldenen Schnitt fasziniert. Wegen des ästhetischen Eindrucks auf den Betrachter wird er in der Architektur, Kunst, Mathematik,... seit der Renaissance auch harmonische Teilung genannt. Hippasos, Sohn des Pythagoras, erforschte als einer der ersten den Zusammenhang zwischen τ und dem Fünfeck. Die Pythagoräer maßen ihm geheimnissvolle Kräfte und Eigenschaften zu. So wurde auch das Pentagramm, Symbol der Gesundheit und Zeichen der Bruderschaft. Die symbolische Kraft des Pentagramms wird besonders im Mittelalter sichtbar. Der Drudenfuß galt als Hexenschutzzeichen und wird sogar in Goethes Faust aufgegriffen. 6 von

3 Pflasterungen der Ebene 3.1 Das Pentagramm Am eindrucksvollsten tritt der Goldene Schnitt im regulären Fünfeck in Erscheinung: Im regelmäßigen Fünfeck sind alle Seiten gleich lang und alle Innenwinkel 108. Die Diagonalen sind ebenfalls gleich lang und teilen sich paarweise im Goldenen Verhältnis: Der längere Diagonalenabschnitt ist so lang wie eine Seite Diagonale und Seite stehen im Verhältnis τ. Verlängert man die Seiten bis sie sich schneiden, so entsteht das Sternfünfeck, auch Pentagramm genannt. Es ist (bis auf Spiegelung) die τ fache Vergrößerung des blauen Pentagramms, welches aus den Diagonalen des ursprünglichen Fünfecks besteht. Das gleichschenklige Dreieck, bei dem die Schenkel τ mal so lang sind wie die Basis, nennt man goldenes Dreieck. D.h. jede Sternspitze des Pentagramms ist ein goldenes Dreieck. D.h. jede Sternspitze des Pentagramms ist ein goldenes Dreieck. Zusammen mit dem zweiten vorkommenden Dreieck bilden sie die Grundlage für die Penrose Pflasterung. 1 1 1 1 1 τ τ Das Rechteck mit dem Seitenverhältnis τ zu 1 heißt goldenes Rechteck. Beim regulären Ikosaeder (vergleiche Kapitel 7) bilden zwei parallele Kanten jeweils die kurzen Seiten eines solchen Rechtecks. 7 von

3. Penrose Dreiecke Wenn wir mit diesen beiden Dreiecken weiterarbeiten wollen, müssen wir eine Markierung an die Dreiecke anbringen, um die Symmetrie zu brechen, so dass die Abbildung der Dreiecke eindeutig wird: π 3π B Sir Roger Penrose π A π π π 3.3 Inflationen Als Abbildung verwenden wir die Inflation, d.h. wir bauen die Dreiecke aus sich selbst nach. Die nullte Inflation ist dann gleich den Steinen selbst: infl 0 (A) = A und infl 0 (B) = B. Die ersten Inflationen (dies sind die Definierenden der Inflation) sind: infl 1 (A): infl 1 (B): Wir betrachten ab jetzt nur noch das Dreieck B. infl (B): infl 6 (B): 8 von

3.4 Dreiecke Romben Aus je zwei Dreiecken über der selben Basis wird jetzt durch Löschung der Basis ein Rombus: und Aus infl 6 (B) wird nun: Diese Penrose Pflasterung ist z.b. im Foyer des Audimax zu sehen. Ohne die Markierungen wären die Unterschiede bei den beiden rot markierten Rosen nicht zu erkennen. 3. Ecksterne In dieser Penrose Inflation haben wir die folgenden Ecksterne: 9 von

4 Alexanderplatz Herr Danzers Idee war nun, über die Ecksterne folgende 4 Steine zu legen: A B 1 B C Es gibt zwei Kantenlängen im Verhältnis 1 : ( cos 18 ) = 1 : + τ a b und drei Winkeln 108 16 144. 4.1 Markierte Romben Diese Überdeckung wird mittels zusätzlich markierter Romben vollzogen: und Also wird aus den Ecksternen: A tritt also in vier verschiedenen Rollen auf, C in zwei verschiedenen. 10 von

4. Erzeugte Pflasterung Und somit entsteht: 11 von

1 von

Fibonacci Folge Leonardo von Pisa Eine andere enge Verbundenheit mit dem Goldnen Schnitt zeigt auch die Fibonacci Folge. Der italienische Mathematiker Leonardo von Pisa (1170 140) genannt Fibonacci (der Namen leitet sich von Filius Bonacci Sohn des Bonacci ab), er wurde in Pisa geboren und erlernte in Algerien indische Zahlzeichen und arabische Berechnungsmethoden. Die Schaffung eines auf dem Positionssystem beruhenden dezimalen Stellensystems ist eine der bedeutendsten kulturellen Leistungen der indischen Völker. Das indische System ist in Baghdad im 8. Jahrhundert bekannt. Die Araber greifen dieses indische System auf und dadurch, dass der größte Teil Spaniens von Arabern beherrscht wird, gelangen die indischen Ideen auch nach Europa und wurden den italienischen Gelehrten bekannt. Den entscheidenden Durchbruch der indischen Rechenweise geschah durch das Buch Liber abbaci (10) von Fibonacci. Als Sohn eines italienischen Diplomaten in Nordafrika lernte er die arabische Wissenschaft bald kennen und er verwendete konsequent die indisch arabischen Ziffern und zeigt damit auch die Vorteile des dekadischen Stellensystems auf. In immer schnellerem Tempo beginnen jetzt die indischen Rechenverfahren in das Rechnungswesen der Kaufleute und damit der Schulstuben einzudringen. Die Practica geomatriae (10) verbreitete die arabischen Ziffern und die indischen Rechenverfahren in Europa. Die Annäherung an π wurden mit 864 1440 3, 141 818 18 und mit 3, 141 841 03 7 48,33 angegeben. Die in diesen Büchern behandelten zahlentheoretischen Probleme und die angegebenen Lösungsverfahren gingen erstmals über die Kenntnisse des arabischen (und auch des griechischen) Kulturkreises hinaus. Definition.1 (Folge) Eine Zuordnung f : oder f : heißt Folge. Die Werte a n := f (n) heißen Folgenglieder, und man schreibt f = (a n ). Definition. (Fibonacci Folge) Eine Fibonacci Folge ist eine Zahlenfolge, bei der jedes Glied gleich der Summe aus den zwei vorhergehenden Gliedern ist: f 1 = 1 f = 1. f n = f n + f n 1. Diese Definition ist rekursiv, weshalb die Voraussetzungen f 1 = 1 und f = 1 zur vollständigen Definition gehören. Die ersten Folgenglieder sind: 1, 1,, 3,, 8, 13, 1, 34,, 89, 144, 33, 377, 610, 987,... 13 von

Man veranschaulicht diese Folge besonders gern mit Kaninchenpopulationen. Man betrachtet dazu die Nachkommenschaft eines Kaninchenpaares unter folgenden Voraussetzungen: 1) Jedes Kaninchen wird im Alter von Monaten gebärfähig. ) Jedes Paar bringt jeden Monat ein neues Paar zur Welt. 3) Alle Kaninchen leben ewig. Damit lässt sich ausrechnen wie viele Nachkommen ein Kaninchenpaar nach einer bestimmten Anzahl von Monaten hat. Was hat das aber mit dem Goldenen Schnitt zu tun? Sehr viel, wie wir bald sehen werden. Berechnet man den Quotienten zweier aufeinanderfolgender Folgenglieder f n+1 f n, so merkt man, dass sich dieser immer mehr an τ = 1+ annähert. Wie beweist man, dass der Quotient f n+1 f n aufeinanderfolgender Glieder der Fibonacci Folge gegen τ strebt? Zuerst geben wir der Folge der Quotienten einen Namen: Und beweisen dann, dass q n gegen τ strebt: q n q n := f n+1 f n. n τ oder lim n q n = τ. Vorerst müssen wir die Folge (q n ) genauer untersuchen. Das einzige, was wir zur Verfügung haben, ist das Bildungsgesetz (die Rekursionsformel) der Fibonacci Folge. Damit folgt: q n = f n+1 f n = f n + f n 1 f n = 1 + f n 1 f n = 1 + 1 q n 1. (1) Zahlentheoretische Betrachtungsweise Also ist ab n = Wir betrachten 1 < q n. q n+1 q n = f n+ f n+1 f n+1 f n = f n+ f n f n+1 f n+1 f n =: z n f n+1 f n. Die ersten Werte von z n sind 1, 1, 1, 1, 1. Tatsächlich lässt sich z n auf z n 1 zurückführen, denn es ist z n + z n 1 = f n+ f n fn+1 + f n+1 f n 1 fn = (f n+1 + f n ) f n fn+1 + f n+1 f n 1 fn = f n+1 (f n f n+1 ) + f n+1 f n 1 = f n+1 (f n (f n + f n 1 )) + f n+1 f n 1 = f n+1 f n 1 + f n+1 f n 1 = 0. 14 von

Also ist für alle n z n = ( 1) n. Das bedeutet, dass die Folge q n abwechselnd steigt und fällt, und zwar um immer kleinere Beträge (nämlich um 1 f n+1 f n ); und diese gehen sogar gegen Null, da f n gegen unendlich strebt. Eine solche Folge hat stets einen Grenzwert. Er wird von den Folgen q n und q n+1 eingeschachtelt, d.h. er liegt zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Gliedern. Nennen wir ihn q. Aus (1) folgt dann q = 1 + 1 q und, weil q n > 0 ist q = τ (siehe Satz und Definition.1). q.e.d. Analytische Betrachtungsweise Definition.3 (Metrischer Raum) Eine Menge X, deren Elemente im folgenden Punkte genannt werden, heißt ein metrischer Raum, wenn je zwei beliebigen Punkten p und q von X eine reelle Zahl d (p, q) als Abstand von p und q bezeichnet zugeordnet ist, so dass gilt: a) Positive Definitheit: d (p, q) 0 und d (p, q) = 0 p = q; b) Symmetrie: c) Dreiecksungleichung: d (p, q) = d (q, p) ; d (p, q) d (p, r) + d (r, q) für alle r X. In unserem Fall ist der Raum (X, d) immer der (, ). 1 von

Definition.4 (Grenzwert einer Folge) Eine Folge (a n ) in einem metrischen Raum X heißt konvergent gegen einen Grenzwert oder Limes a, falls für jedes ε > 0 eine natürliche Zahl N existiert, so dass aus n N stets d (a n, a) < ε folgt. ε > 0 N n N : d (a n, a) < ε Nehmen wir an, die Folge (q n ) habe einen Grenzwert (er ist immer eindeutig). Gehen wir auf beiden Seiten der Gleichung zum Grenzwert über, so erhalten wir die Gleichung q = 1 + 1 q also q q 1 = 0. Für diese Gleichung haben wir bereits in Satz und Definition.1 die Lösungen 1 und τ = 1+ bestimmt. Die erste negative Lösung scheidet aus, da die Folge nie negativ wird. Also, wenn die Folge (q n ) konvergiert, so hat sie den Grenzwert τ. Definition. (Cauchy Folge) Eine Folge (p n ) in einem metrischen Raum X heißt Cauchy Folge, wenn für jedes ε > 0 eine natürliche Zahl N existiert, so dass für jedes n N und jedes m N gilt: d (x n, x m ) < ε. ε > 0 N n, m N : d (x n, x m ) < ε Faktum.6 (Satz von Bolzano Weierstraß) Jede beschränkte Folge in oder besitzt eine konvergente Teilfolge. Satz.7 In einem metrischen Raum X (hier eine Cauchy Folge ist. ) ist eine Folge genau dann konvergent, wenn sie Beweis: : ε > 0 N n N : d (a n a) < ε. Seien n, m N. Nun gilt: d (a n a m ) d (a n a) + d (a a }{{} m ) < ε. }{{} < ε < ε Die Ungleichung folgt direkt aus der Dreiecksungleichung. Also ist jede konvergente Folge eine Cauchy Folge. : Sei (x n ) eine Cauchy Folge. 16 von

1) Jede Cauchy Folge ist beschränkt. Wählt man ε fest, etwa ε = 1, so gilt d (x n, x N ) < 1 für alle n N. Außerhalb dieser Umgebung von a N liegen nur endlich viele Werte der Folge, woraus sich die Beschränktheit von (a n ) ergibt. ) Also existiert nach dem Satz von Bolzano Weierstraß (Faktum.6) eine konvergente Teilfolge (a nk ) mit Grenzwert a. 3) Zu jedem ε > 0 gibt es wegen der Konvergenz der Teilfolge (a nk ) mit dem Grenzwert a ein N 1 der Art, dass für alle n N 1 gilt d (a nk, a) < ε, und nach der Cauchy Eigenschaft ein N so, dass gilt d (a n, a m ) < ε für alle m, n N. Daraus folgt für n max {N 1, N } wegen n k n d (a n, a) d (a n, a nk ) + d (a }{{} nk, a) < ε. }{{} < ε < ε Also ist (a n ) konvergent mit Grenzwert a. q.e.d. Wir zeigen jetzt, dass die Quotientenfolge eine Cauchy Folge ist: 1) Zeige mit vollständiger Induktion nach j, dass 3 q j für alle j 3: Induktionsanfang j = 3: 3 = f 4 f 3 = q 3. Induktionsschritt j j + 1: Nach Induktionsvoraussetzung ist 3 q j, also gilt für q j+1 = 1 + 1 q j 3 = 1 + 1 1 + 1 q j = q j+1 = 1 + 1 q j 1 + 3. ) Zeige q j+1 q j ( 4 9) qj q j 1 für alle j 4: Es ist q j+1 q j = 1 q j 1 q j 1 = q j q j 1 q j q j 1, also q j+1 q j = q j q j 1 q j q j 1 1) q j q j 1 ( 3 = ) ( ) 4 q j q j 1. 9 17 von

3) Zeige mit vollständiger Induktion q j+1 q j ( 4 9) j für alle j 4: Induktionsanfang j = 4: q q 4 = f 6 f f = 8 3 = 1 1 = 79 1093 960 1093 = 64 79 = f 4 Induktionsschritt j j + 1: q j+ q j+1 ) ( ) 4 q j+1 q j I.V. 9 ( ) j+1 4. 9 ( ) 3 4. 9 4) Zeige für alle k l 4 gilt q k q l 9 ( 4 9) l : k 1 q k q l j=1 q j+1 q j 3) k 1 j=1 ( ) ( j ( 4 ( ) 1 4 k = 9) 9 9 1 ( 4 9 9 ( (4 = 9 ) l 9 ) l ) ( ) ) k 4 9 9 ( ) l 4. 9 Zu ( ): Summenformel für die geometrische Reihe: n j=0 x j = 1 xn+1 1 x für x = 4 9. Also bekommen wir q k q l 9 ( ) l 4 9 9 beliebig klein, d.h. die Folge der q n ist eine Cauchy Folge. ( ) N 4 9 q.e.d. Bemerkung und Satz.8 (Binetsche Formel) Wenn man ein bestimmtes Glied f n der Fibonacci Folge ausrechnen will, kann man auch die Binetsche Formel anwenden: f n = 1 ( ( ) n ) 1 τ n. τ Beweis: ( 1 τ n ( ) n ) 1 τ (( = 1 1 + ) n ( 1 ) n ) Seien α = 1 + und β = 1 die beiden Lösungen der Gleichung x x 1 = 0 (vergleiche Kapitel ). 18 von

Wir zeigen mit vollständiger Induktion nach n, dass f n = 1 (α n β n ): Induktionsanfang (n = 0) n = 1 und n = : n = 1: n = : ( f 1 = 1 ( α 1 β 1) = 1 1 + 1 ) ( = 1 ) = 1; f = 1 ( α β ) = 1 ( 1 + 1 + ( 1 + 1 Induktionsschritt von n und n + 1 auf n + : Sei die Formel für n und n + 1 mit n 1 gezeigt. Dann gilt: f n+ = f n+1 + f n = 1 ( α n+1 β n+1) + 1 (α n β n ) = 1 ( α n+1 + α n β n+1 β n) = 1 (α n (α + 1) β n (β + 1)) = 1 ( α n α β n β ) = 1 ( α n+ β n+) )) ( = 1 ) = 1. q.e.d. Ziemlich verrückt eigentlich: Die Formel verknüpft lauter irrationale Größen wie τ und und heraus kommt für jedes n etwas ganzzahliges. 19 von

6 Eindimensionale quasiperiodische Ketten 6.1 Die Fibonacci Kette Die Fibonacci Kette ist ein Beispiel für eine eindimensionale Kette, sie besteht aus zwei verschiedenen Elementen (z.b. L und S). Gestartet wird mit einem Baustein S. Die Kette wird dann nach folgender Substitutionsregel aufgebaut: S L und L LS. Die Gesamtzahl aller Bausteine im n ten Schritt ist die Fibonaccizahl f n. Ein Aufbau der Kette sieht wie folgt aus: S f 1 = 1 S L L f = 1 L LS LS f 3 = S L & L LS LSL f 4 = 3 S L & L LS LSLLS f = S L & L LS LSLLSLSL f 6 = 8 S L & L LS LSLLSLSLLSLLS f 7 = 13 S L & L LS LSLLSLSLLSLLSLSLLSLSL f 8 = 1 S L & L LS LSLLSLSLLSLLSLSLLSLSLLSLLSLSLLSLLS f 9 = 34 An diesem Muster sieht man nochmal die Rekursionsformel: f n = a f n 1 + b f n, mit a = b = 1. Diese Rekursion stellt eine andere Möglichkeit dar, die Fibonacci Kette zu erzeugen. Dabei wird an jede bisherige Kette deren Vorgänger angehängt und so eine neue Kette gebildet. Bei der Fibonacci Kette laufen beide Erzeugungsverfahren auf dasselbe hinaus. Dies ist nicht bei allen so! Mit diesem Vorwissen lässt sich nun die relative Häufigkeit der Anzahl der L im Verhältnis zur Anzahl der S für n berechnen. Dazu betrachen wir zuerst wie sich #L und #S rekursiv berechnen lassen (# steht für Anzahl): # (L) n+ = f n + f n 1 = f n+1 # (S) n+ = f n 1 + f n = f n. Die relative Häufigkeit ist also im Grenzwert: # (L) # (S) = lim # (L) n+ f n+1 Kap. = lim = τ = 1 +. n # (S) n n+ f n Da # (L) und # (S) sich wie τ zueinander verhalten, also im irrationalen Verhältnis zueinander stehen, kann die Fibonacci Kette nicht periodisch werden. 0 von

6. Die Oktanacci Kette Eine andere eindimensionale quasiperiodische Kette ist die Octanacci Kette, in der oktagonale Muster auftauchen. Für sie gilt folgende Substitutionsregel: Daraus folgt dann dieser Aufbau: S L und L LLS. S f 1 = 1 S L L f = 1 L LS LLS f 3 = 3 S L & L LS LLSLLSL f 4 = 7 S L & L LS LLSLLSLLLSLLSLLLS f = 17 S L & L LS LLSLLSLLLSLLSLLLSLLSLLSLLLSLLSLLLSLLSLLSL f 6 = 41 Auch diese Kette kann durch die Rekursionsformel: aufgebaut werden. f n = a f n 1 + b f n, mit a =, b = 1 Das Verhältnis der Bausteine #(L) #(S) geht für n gegen λ = 1 +. Diese Zahl wird auch als Silberne Zahl oder Octonacci Zahl bezeichent. 1 von

7 Platonische Körper 7.1 Besonderheiten und Gemeinsamkeiten Platonische Körper sind vollkommen regelmäßige Körper. Ihre Oberflächen bestehen aus gleich großen, gleichseitigen und gleichwinkligen Vielecken. In jeder Ecke eines platonischen Körpers stoßen genau gleich viele Flächen aneinander. Zu jedem platonischen Körper gehören drei spezielle Kugeln. Die erste (die Kantenkugel) berührt alle Kanten ihres platonischen Körpers genau in der Mitte. Eine zweite, kleinere Kugel, die sogenannte Inkugel, ist so in den Körper einbeschrieben, dass sie alle Flächenmittelpunkte des platonischen Körpers berührt. Eine dritte Kugel, die Umkugel, umhüllt den platonischen Körper so, dass sie alle Ecken des Körpers berührt. Es gibt genau fünf platonische Körper: Tetraeder Würfel Oktaeder Ikosaeder Dodekaeder Eigenschaften der fünf platonischen Körper: Körper Tetraeder Würfel Oktaeder Ikosaeder Dodekaeder Oberflächenzahl 4 6 8 0 1 Oberflächenform gleichseitiges Quadrat gleichseitiges gleichseitiges regelmäßiges Dreieck Dreieck Dreieck Fünfeck Eckenzahl 4 8 6 1 0 Kantenzahl 6 1 1 30 30 Flächenwinkel ca. 7 90 ca. 110 ca. 140 ca. 118 Es kann nur genau fünf vollkommen symmetrische Polyeder geben, da eine Ecke im Raum mindestens drei Flächen verlangt und deren Winkelsumme in den Ecken des Körpers nicht größer oder gleich 360 sein darf. Beim Tetraeder stoßen jeweils drei gleichseitige Dreiecke aneinander. Da deren Winkelsumme von 180 noch deutlich unter 360 liegt, existiert auch die Eckenkonfiguration des Oktaeders, bei dem vier gleichseitige Dreiecke in den Ecken zusammenstoßen, und die des Ikosaeders, bei dem fünf gleichseitige Dreiecke zusammentreffen. Eine Ecke, die aus sechs gleichseitigen Dreiecken bestünde, kann es nicht als Ecke eines platonischen Körpers geben, da deren Winkelsumme 360 betrüge. Genauso verhält es sich bei den Ecken der anderen platonischen Körper: Die drei Quadrate, die zusammen ein Würfeleck bilden, sind bereits die höchstmögliche Anzahl. Die Winkelsumme einer räumlichen Ecke, die aus vier oder mehr Quadraten bestünde, würde 360 oder mehr betragen. Das ist jedoch nicht möglich. Die maximal mögliche Anzahl von Fünfecksflächen, die Ecken im Raum bilden können, ist ebenfalls drei. Also ist das Dodekaeder der einzige vollkommen symmetrische Körper, dessen Ecken durch regelmäßige Fünfecke gebildet werden können. von

7. Polare Beziehungen Alle platonischen Körper lassen sich so ineinander einbeschreiben, dass es irgendwie hübsch aussieht. Zum Beispiel: Ecke auf Flächenmittelpunkt oder Kantenmittelpunkt. Die Körper können jedoch nicht in sich selbst einbeschrieben werden, außer dem Tetraeder. Bei manchen Paaren platonischer Körper ist das besonders hübsch. Die Beziehung zwischen ihnen heißt polare Beziehung oder auch Dualität. Bei einem Paar dualer Körper muss der eine genau so viele Ecken besitzen wie der andere Flächen. Die Ecken des einen Körpers liegen genau auf den Flächenmittelpunkten des anderen, und die Kanten der beiden Körper laufen immer rechtwinklig übereinander. Es gibt fünf polare Beziehungen, wobei das Tetraeder eine Ausnahme darstellt. Es ist zu sich selbst polar, da es genau so viele Flächen besitzt wie Ecken. Würfel Oktaeder Beziehung Würfel Oktaeder 6 Flächen 8 Flächen 8 Ecken 6 Ecken 1 Kanten 1 Kanten Tetrader Gegentetrader Beziehung Tetraeder 4 Flächen 4 Ecken 6 Kanten Ikosaeder Dodekaeder Beziehung Ikosaeder Dodekaeder 0 Flächen 1 Flächen 1 Ecken 0 Ecken 30 Kanten 30 Kanten 3 von

7.3 Durchdringung platonischer Körper Zwei polar zueinander stehende Körper können sich durchdringen. Dadurch entstehen neue Körper. Drei verschiedene Durchdringungen platonischer Körper können entstehen: Den Raum, der von beiden sich durchdringenden Körpern gemeinsam beansprucht wird, nennt man Kern. Man muss sich vorstellen, dass auf allen Flächen des Kerns Pyramidenhütchen sitzen, abwechselnd von jedem der beteiligten Körper. Der Kern, der bei einer Würfel Oktaeder Durchdringung entsteht, heißt Kuboktaeder. Er besitzt zwei unterschiedliche Flächenarten, sechs Quadrate und acht Dreiecke. Den Kern einer Dodekaeder Ikosaeder Durchdringung nennt man Ikosidodekaeder. Er besteht aus 1 regelmäßigen Fünfecken und 0 gleichseitigen Dreiecken. Bei einer Tetraeder Gegentetraeder Durchdringung entsteht als Kern ein Oktaeder. Wieder drei neue Körper entstehen, wenn man die Durchdringungen mit einer neuen Oberfläche umhüllt. Das heißt, auf jede Kantenschnittstelle wird eine Fläche gelegt, so dass die Kanten der Durchdringung zu den Diagonalen der Hüllenoberflächen werden. Das Rhombendodekaeder ist der Körper, der durch Umhüllen der Würfel Oktaeder Durchdringung entsteht. Seine Oberfläche besteht aus 1 Rhomben, und seine Flächendiagonalen verhalten sich wie 1 :. Die Hülle der Dodekaeder Ikosaeder Durchdringung bildet das Rhombentriakontaeder. Es hat eine Oberfläche aus 30 Rhomben und ein Flächendiagonalenverhältnis von τ : 1. Bei der Tetraeder Gegentetraeder Durchdringung entsteht ein Würfel als Hüllkörper. 4 von

7.4 Symmetrien der platonischen Körper In unserem Zusammenhang interessieren uns an den platonischen Körpern vor allem ihre Symmetrien, genauer: ihre Symmetriegruppen. Dass sie so schön regelmäßig sind, äußert sich darin, dass es viele Kongruenzabbildungen gibt, die den jeweiligen Körper mit sich selbst zur Deckung bringen. Darunter können offensichtlich keine Translationen oder Gleitspiegelungen sein; der Mittelpunkt muss immer auf den Mittelpunkt kommen. Eine Gruppe aus Abbildungen, die sämtlich einen Punkt unverändert lassen, heißt Punktgruppe. Die Symmetriegruppen der platonischen Körper sind also Punktgruppen. Nehmen wir als Beispiel die Symmetriegruppe des Dodekaeders (oder des Ikosaeders, das ist nämlich dieselbe, wegen der Dualität). Man steche eine Achse durch den Mittelpunkt einer Fläche und den der gegenüberliegenden Fläche. Dann kann man um diese Achse um ein, zwei, drei... Fünftel des Vollwinkels rotieren (fünfzählige Drehachse). Eine Achse, durch zwei gegenüberliegende Eckpunkte gestochen, ist dreizählig, und eine durch zwei gegenüberliegende Kantenmittelpunkte ist zweizählig. Man wähle eine Fläche aus, halbiere sie durch eine Gerade von Ecke zum Mittelpunkt der gegenüberliegenden Kante und nehme die Ebene, die durch diese Gerade und den Mittelpunkt des Körpers liegt. Spiegelung an dieser Ebene ist eine Symmetrie des Körpers. Von diesen Ebenen gibt es 1 Stück. (Diese Abbildungen und ihre Verknüpfungen bilden die Symmetriegruppe des Dodekaeders.) 8 Kontakt Dr. Ludwig Danzer Prof. emer. Universität Dortmund Fachbereich 1 Lehrstuhl II Vogelpothsweg 87 441 Dortmund email: Danzer @ math.uni-dortmund.de Stefan Kühling Universität Dortmund Fachbereich 1 Lehrstuhl VI Vogelpothsweg 87 441 Dortmund email: Stefan.Kuehling @ uni-dortmund.de von