Organisationskultur, Organisationaler Symbolismus und Organisationaler Diskurs

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Transkript:

Organisationstheorien 1 Organisationskultur, Organisationaler Symbolismus und Organisationaler Diskurs Jede Gruppe, Organisation oder Gesellschaft besitzt unterschiedliche Mechanismen, um die Handlungen ihrer Mitglieder aufeinander abzustimmen. Neben hierarchischen Koordinationsmechanismen und Herrschaftsformen sowie ökonomischen Zwängen und Sanktionen spielen für Organisationen soziale Mechanismen, die auf geteilten Denk-, Fühloder Handlungsmustern beruhen, eine wichtige Rolle. Es kann sich dabei um gemeinsame Grundannahmen, Werte, Weltbilder, Normen, Symbolsysteme, Interpretationen und/oder Kommunikationsregeln handeln. Den nachfolgend vorgestellten Strömungen der Organisationskultur, des Organisationalen Symbolismus und des Organisationalen Diskurses ist gemeinsam, daß sie die Integration und Koordination organisationaler Aktivitäten, die durch solche sozialen Mechanismen geleistet wird, in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen. Die Trennlinie zwischen ihnen verläuft nicht scharf (auch wenn wir versuchen werden, einige Anhaltspunkte für die Unterscheidung zu liefern), so daß viele Studien durchaus sowohl zur einen als auch zur anderen Richtung gezählt werden könnten. Für die Organisationstheorie kann man grob davon ausgehen, daß sich Organisationaler Symbolismus und Organisationaler Diskurs aus dem zeitlich vorgelagerten Organisationskulturansatz heraus differenziert haben und nun speziellere Fragestellungen untersuchen. Nachfolgend sollen die drei Strömungen zunächst kurz im einzelnen vorgestellt werden, bevor sie dann vergleichend betrachtet werden. Das theoretische Konzept der Organisations- bzw. Unternehmenskultur hat sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zu einem bedeutenden Ansatz im Rahmen der Organisationstheorie und -forschung entwickelt. Dabei ist ausgehend von den historischen Vorläufern des Konzeptes zunächst eine Beschäftigung mit einzelnen Aspekten von Kultur festzustellen. Dazu gehört die Untersuchung von visuellen und physischen Artefakten, die auch als symbolische Ressourcen Bedeutung erlangen. Hier sind Logos, Namen sowie die Architektur der Gebäude, die Größe, Raumanordnung und Ausstattung von Büros, oder Privatparkplätze zu nennen. Weiterhin sind die kollektiven, geistigen Bezugsrahmen und ihre Manifestationen, wie organisatorische Sagen, Legenden, Mythen und Geschichten zu erwähnen. Vor allem Sagen sind dabei mit Heldenfiguren in der Organisation verbunden, die erwünschte Normen oder Werte des Unternehmens symbolisieren sollen. Mythen werden, je nach theoretischem Konzept, recht unterschiedlich betrachtet, z.b. als nicht hinterfragter Glauben an Vorteile von Techniken und Verhaltensweisen oder als Ausdruck naturwüchsiger, tiefer, ideologischer, sozialer oder kognitiver Muster, die Organisationsstruktur und -strategie beeinflussen oder legitimieren. Zu den kollektiven, geistigen Bezugsrahmen gehören daneben auch noch Werte, Einstellungen und Normen.

2 Organisationstheorien Ein weiterer wichtiger Bereich der Kulturforschung bezüglich kultureller Phänomene in Organisationen konzentriert sich auf kollektive Handlungsmuster und ihre Analyse. Hier werden zunächst Riten und Rituale thematisiert. Riten werden häufig unterschieden in solche der Konfliktreduktion, der Integration und der Erneuerung sowie der Erstellung, der Beförderung, der Degradierung und der Entlassung. Rituale sollen vor allem die vorhandenen sozialen Handlungsmuster bestätigen und reproduzieren helfen. Als Beispiele kann man die vielfältigen Formen von Besprechungen (Beratung, Meeting etc.) ansehen. Weitere kollektive Handlungsmuster sind Zeremonien (Jubiläen u.ä.) sowie Feiern. Daneben werden auch noch Witze, Spiele u.ä. zu den kollektiven Handlungsmustern gerechnet. Organisationaler Symbolismus befaßt sich, kurz gesagt, mit Symbolen und deren Bedeutung in Organisationen. Ein Objekt oder eine Handlung werden ein Symbol, wenn sie eine bestimmte versteckte Bedeutung beinhalten. In Strukturen, bestimmtem Führungshandeln, Auszeichnungsreisen etc. steckt eine Art zusätzlicher Gehalt, welcher die anscheinende und offensichtliche Bedeutung organisatorischer Aspekte um eine Reihe zusätzlicher, versteckter Bedeutungsaspekte erweitert. Symbole können Objekte, Handlungen, Konzepte oder sprachliche Ausdrücke bzw. Strukturen sein. Sie helfen den Organisationsmitgliedern, die Organisation und ihre Rolle darin zu interpretieren und zu verstehen, indem sie Informationen über Status, Macht, Verbindlichkeiten, Motivation, Kontrolle etc. liefern sie schaffen also Ordnung. Symbole haben für die Akteure in Organisationen teilweise unterschiedliche Bedeutung, sie beinhalten neben geteilten Bedeutungen also auch immer eine gewisse subjektive Sinnzuweisung. Gleichwohl konstituieren die symbolischen Elemente die zentrale Art des Daseins einer Organisation, also wie Organisationsmitglieder ihre Ansprüche definieren, ihre kollektive Identität spezifizieren und die Art des Umgangs miteinander formulieren. Organisationen werden als symbolische Cluster bzw. Felder betrachtet, die das Resultat verschiedener, sich überlappender Symbolsysteme sind. So finden wir in Organisationen auch Symbole aus dem Privatleben, dem gesellschaftlichen Verhältnis von z.b. Frauen und Männern usw. In Organisationen fließen also verschiedene Symbolsysteme zusammen und werden zu einer Art organisationsspezifischem Bedeutungssystem (re-)kombiniert und (re-)konstruiert. Jede Organisation ist demnach ein Dschungel an Symbolen. Dem symbolischen Aspekt wird in diesem Ansatz ein übergeordneter Status gegeben, was heißt, daß sich letztlich die gesamte Gesellschaft aus Symbolen konstituiert. Um die Bedeutung eines Symbols zu verstehen, muß man am Diskurs der Organisationsmitglieder über dieses Symbol teilnehmen sowie den Umgang mit diesem beobachten. Das Bedeutungssystem Organisation ist also nur über Interpretationen zu erschließen. Die Forschungsrichtung des Organisationalen Diskurses befaßt sich mit Diskursen in Organisationen, aber auch mit Organisationen als Diskursen. Diskurs bezeichnet dabei als Untersuchungsgegenstand sprachliche Einheiten, die größer sind als Einzelsätze, also

Organisationstheorien 3 z.b. Reden oder Konversationen. Diese sprachlichen Einheiten werden jedoch nicht, wie dies im Alltagsverständnis üblich ist, in erster Linie hinsichtlich ihres Informationsgehaltes, also dem, was sie sagen untersucht, sondern hinsichtlich ihres Gebrauchs, also dem, wer, wie und warum jemand so spricht. Dies lenkt den Blick auf Sprache oder besser: Sprachgebrauch, der immer in einen sozialen und/oder kognitiven Kontext (je nach Forschungsrichtung) eingebettet ist, von diesem Kontext beeinflußt wird und im Gegenzug diesen Kontext beeinflußt. Zentral ist hierbei die Überlegung, daß Sprache und Sprachgebrauch die Umwelt ordnet bzw. strukturiert, ja sogar konstruiert. Die erste Perspektive korreliert mit dem Gegenstand Diskurse in Organisationen, wo es darum geht, wie und wozu Sprache von Organisationsmitgliedern gebraucht wird, die zweite Perspektive korreliert mit dem Gegenstand Organisationen als Diskurse, die untersucht, wie Organisationen durch Sprache konstruiert und reproduziert werden. Als Forschungsansatz ist der Organisationale Diskurs transdisziplinär ausgerichtet, wobei vor allem wenig verwunderlich linguistische Konzepte und Methoden eine wichtige Rolle spielen. Es werden jedoch auch individual- und sozialpsychologische, literaturwissenschaftliche sowie politologische Überlegungen (z.b bezüglich Macht und Ideologie) einbezogen. Aus dem Erbe der Diskurstheorie Foucaultscher Prägung (siehe auch Kapitel 2 im zweiten Band) hat sich außerdem eine stark kritisch orientierte Perspektive herausgebildet, die Diskurse primär hinsichtlich ihrer Macht- und Disziplinierungseffekte untersucht. Im Vergleich (siehe Abbildung 1) unterscheiden sich die drei Strömungen wesentlich durch ihren Untersuchungsgegenstand. Dieser ist beim Organisationskultur-Ansatz von der Extension her noch recht weit gefaßt, wenn sich auch sagen läßt, daß es meist um innere Erlebnisse, Kognitionen und Emotionen geht. Selbst wenn materielle Artefakte untersucht werden, werden sie meist als Zeichen für solche inneren Zustände behandelt. Auch Symbole im Organisationalen Symbolismus stehen für Unsichtbares, in diesem Fall Bedeutungen, jedoch ist hier die Verbindung zu einem denkenden/fühlenden Einzelsubjekt nicht mehr unbedingt gegeben, da es ein wesentliches Merkmal von Symbolen ist, daß ihre Bedeutungen relativ stabil bleiben und damit unabhängig vom Individuum sind. Im Organisationalen Diskurs schließlich tritt das Subjekt am weitesten in den Hintergrund; hier geht es häufig entweder um die autonomen Strukturen eines Textes oder um die Wirkungen von Texten auf Rezipienten, nicht jedoch um das, was der Sprecher mit dem Text von seinem Innenleben ausdrücken wollte. Bezüglich der sozialen Mechanismen, die in Organisationen wirksam werden, konzentrieren sich alle drei wenig verwunderlich bei dem Wort sozial auf Untersuchungsgegenstände, die von allen oder zumindest einigen Organisationsmitgliedern geteilt werden. Diese Gemeinsamkeiten (können) bewirken, daß man sich untereinander versteht, daß man sich bei der Arbeit implizit oder explizit abstimmen kann und daß individuelle und/oder soziale Bedürfnisse wie Motivation, Identität, Zugehörigkeit etc. erfüllt werden. Wenn auch wiederum in Abhängigkeit vom Untersuchungsgegenstand unterschiedliche Mechanismen in den Vordergrund gestellt werden, so ist ihnen doch gemeinsam, daß sie sich immer in einem Spannungsverhältnis von Überlieferung und Gestaltung prä-

4 Organisationstheorien sentieren, d.h., daß Kultur, Symbole und Diskurse für den einzelnen Menschen immer sowohl einen unveränderlichen Anteil an Regeln und Strukturen besitzen, die der Einzelne nicht eigenmächtig ändern kann (z.b. Gruppennormen, Wortbedeutungen, Grammatik), aber zugleich immer auch Freiräume für individuelle Gestaltung oder soziale Revolution bieten. Während ersteres die Stabilität der Organisation sichert, bietet letzteres Ansatzpunkte für organisatorische Gestaltung und damit für Veränderung. Methoden und Anwendungsfelder der einzelnen Strömungen sind vielfältiger Natur und meist nur durch den gemeinsamen Untersuchungsgegenstand für jede Strömung gebündelt. Sie sollen in den Unterkapiteln zur jeweiligen Theorie ausführlicher besprochen werden.

Organisationstheorien 5 Merkmal Organisationskultur Organisationaler Symbolismus Theoretischer Hintergrund Semiotik, Poststrukturalismus (v.a. Foucault), Theorie der Sprechakte, Konstruktivismus, Konversationsanalyse/ Ethnomethodologie Untersuchungsgegenstand Zentrale Begriffe Zentrale Thesen bzgl. sozialer Mechanismen Funktionalistische Kulturtheorie, Kognitionstheorie, Sozialer Konstruktivismus, Symbolischer Interaktionismus Grundannahmen, Weltbilder, ihre integrierende Wirkung und der Prozeß ihrer Entstehung Grundannahmen, Werte, Weltbilder, kognitive Landkarten, shared meanings, Subkulturen ( diversity ) In Organisationen e- xistiert eine bestimmte Anzahl historisch entstandener, gemeinsamer, kognitiver und/oder evaluativer Orientierungsmuster und Interpretationsschemata, die das Verhalten der Organisationsmitglieder beeinflussen und steuern. Sie sind begrenzt beeinflußbar und gestaltbar. Symbolischer Interaktionismus, Konstruktivismus Symbole, der Prozeß ihrer Deutung und Entstehung Symbol, Symbolsysteme, symbolische Felder, geteilte und subjektive Bedeutung Gemeinsame Interpretationsschemata von organisationalen Symbolen bzw. Symbolsystemen führen zu gemeinsamer Sinnzuschreibung und somit auch partiell zu gemeinsamen Handlungen. Organisationaler Diskurs Sprache und Sprachgebrauch Diskurs(e), Kommunikation, Text, Kontext, Metapher, Narrative, Macht, Ideologie, Prinzip der diskursiven Relativität (Teilweise) Integration und Koordination werden durch Kommunikation auf der Mikroebene erreicht, auch wenn sie nicht expliziter Inhalt sind. Im Rahmen dieser Kommunikation konstruieren/destruieren und bestätigen/bezweifeln die Mitglieder Annahmen, Rollen, Strukturen etc. Abbildung 1: Vergleich von Organisationskultur, Organisationalem Symbolismus und Organisationalem Diskurs