Vier-Farben-Vermutung (1)

Ähnliche Dokumente
Planare Graphen und Färbungen. Kapitel 7. Peter Becker (H-BRS) Graphentheorie Wintersemester 2018/ / 296

6. Planare Graphen und Färbungen

WS 2015/16 Diskrete Strukturen Kapitel 4: Graphen (Planare Graphen, Färbung)

durch Einfügen von Knoten konstruiert werden kann.

Der Fünffarbensatz Proseminar: Graphentheorie Sommersemester 2006 Isa Topac, Markus Kunder, Tim Hahn

Achilles und die Schildkröte Sommersemester 2008

4 Färbungen Begriffe Komplexität Greedy-Algorithmus Knotenreihenfolgen Das 4-Farben-Problem...

Vollständiger Graph. Definition 1.5. Sei G =(V,E) ein Graph. Gilt {v, w} E für alle v, w V,v w, dann heißt G vollständig (complete).

A Berlin, 10. April 2017

4. Kreis- und Wegeprobleme

Graphentheorie. Färbungen. Knoten- und Kantenfärbungen. Knoten- und Kantenfärbungen. Rainer Schrader. 28. Januar 2008

Zusammenfassung zu Graphentheorie

5. Bäume und Minimalgerüste

Übung zur Vorlesung Diskrete Strukturen I

1. Einführung. Grundbegriffe und Bezeichnungen. Beispiele. gerichtete Graphen. 1. Einführung Kapitelübersicht

Alexandra Kuhls Proseminar Das Buch der Beweise

2. Repräsentationen von Graphen in Computern

Knotenfärbung. Def.: Eine Knotenfärbung eines Graphen G=(V,E) mit k Farben ist eine Abbildung c:v {1,...,k}, so dass c(u) c(v) für alle {u,v} E.

Diskrete Mathematik Graphentheorie (Übersicht)

Kap. IV: Färbungen von Graphen

Hamiltonsche Graphen

Graphen und Algorithmen

16. Flächenfärbungen

Argumentationen zu ermöglichen, verlangen wir, dass diese Eigenschaft auch für induzierte Teilgraphen

Fünf-Farben-Satz. Seminar aus reiner Mathematik, WS 13/14. Schweighofer Lukas, November Seite 1

Nachbarschaft, Grad, regulär, Inzidenz

Trennender Schnitt. Wie groß kann der Fluss in dem folgenden Flussnetzwerk höchstens sein?

WS 2009/10. Diskrete Strukturen

Listenfärbung von Graphen

Diskrete Strukturen. Hausaufgabe 1 (5 Punkte) Hausaufgabe 2 (5 Punkte) Wintersemester 2007/08 Lösungsblatt Januar 2008

3-Färbbarkeit. Korollar: Zu Entscheiden, ob ein Graph k-färbbar ist mit k 3, ist NP-vollständig.

Eulerweg, Eulerkreis. Das Königsberger Brückenproblem. Definition 3.1. Ein Weg, der jede Kante von G genau einmal

Färbungen auf Graphen

Ferienkurs zum Propädeutikum Diskrete Mathematik. Technische Universität München

Übung zur Vorlesung Diskrete Mathematik (MAT.107) Blatt Beispiellösungen Abgabefrist:

Der Fünf-Farben-Satz. Lukas Schweighofer. Feb.2014

Naiver Algorithmus für Hamiltonkreis

Grundlagen der Graphentheorie. Thomas Kamps 6. Oktober 2008

Kapitel 3. Kapitel 3 Graphentheorie

Übung zur Vorlesung Diskrete Strukturen I

6 Flüsse und Matchings

Durchschnitte und Sichtbarkeit

6. Flüsse und Zuordnungen

Statistik und Graphentheorie

Technische Universität München Zentrum Mathematik Propädeutikum Diskrete Mathematik - WS 11/12. Klausurvorbereitung

Graphentheorie. Perfekte Graphen. Perfekte Graphen. Perfekte Graphen. Rainer Schrader. 22. Januar 2008

Das Art Gallery Problem

Diskrete Strukturen Kapitel 4: Graphentheorie (Bäume)

1 Pfade in azyklischen Graphen

Ein Turnierplan mit fünf Runden

OR für Wirtschaftsingenieure. Übungsserie 7: Färbungen von Graphen

Diskrete Mathematik. Sebastian Iwanowski FH Wedel. Kap. 6: Graphentheorie

Übungsaufgaben Graphentheorie, Wintersemester 2011/12

5 Graphen. Repräsentationen endlicher Graphen. 5.1 Gerichtete Graphen. 5.2 Ungerichtete Graphen. Ordnung von Graphen

Die Vermutungen von Hadwiger und

WS 2013/14. Diskrete Strukturen

Freie Bäume und Wälder

Technische Universität München Zentrum Mathematik Propädeutikum Diskrete Mathematik. Klausurvorbereitung

Algorithmische Graphentheorie

Definition : Diechromatische Zahl eines Graphen G ist die kleinste Anzahl chromatische Zahl von Farben für eine zulässige Färbung.

Wiederholung aus Diskreter Mathematik I: I: Graphentheorie

1. Einige Begriffe aus der Graphentheorie

Graphentheorie. Zufallsgraphen. Zufallsgraphen. Zufallsgraphen. Rainer Schrader. 23. Januar 2008

Vorlesung 1: Graphentheorie. Markus Püschel David Steurer. Algorithmen und Datenstrukturen, Herbstsemester 2018, ETH Zürich

Von den Kanten von Gewicht 4 wird nur noch eine ausgewählt, die zu dem letzten nicht ausgewählten Knoten führt: 1. Juni

Lineare Differenzengleichungen

Diskrete Mathematik 1 WS 2008/09

Graphen. Bernhard Ganter. Institut für Algebra TU Dresden D Dresden

William Rowan Hamilton,

Diskrete Strukturen. wissen leben WWU Münster

Der Vier-Farben-Satz

Für die Anzahl der Kanten in einem vollständigen Graphen (und damit für die maximale Anzahl von Kanten in einem einfachen Graphen) gilt:

Abbildung 1: Reduktion: CLIQUE zu VERTEX-COVER. links: Clique V = {u, v, x, y}. rechts:der Graph Ḡ mit VC V \ V = {w, z}

Zentralübung zur Vorlesung Diskrete Strukturen (Prof. Mayr)

Zentralübung zur Vorlesung Diskrete Strukturen (Prof. Esparza)

Algorithmische Graphentheorie

Zugeordneter bipartiter Graph

Bemerkung: Der vollständige Graph K n hat n(n 1)

Färbungen von Graphen: Die chromatische Zahl und der Satz von Brooks

Graphen. Graphen und ihre Darstellungen

Es sei P ein einfaches Polygon in der Ebene; P habe n Ecken. Hilfssatz: Zu jedem einfachen Polygon mit mehr als 3 Ecken existiert eine Diagonale.

Berechnung von Abständen

Bäume und Wälder. Definition 1

Was bisher geschah. gerichtete / ungerichtete Graphen G = (V, E) Darstellungen von Graphen

Ferienkurs Propädeutikum Diskrete Mathematik

Dieser Graph hat 3 Zusammenhangskomponenten

Bäume und Wälder. Definition 1

EINFÜHRUNG IN DIETHEORIE DER ENDLICHEN GRAPHEN

Zentralübung zur Vorlesung Diskrete Strukturen

Anwendungen von Graphen

Elementare Definitionen. Anwendungen von Graphen. Formalisierung von Graphen. Formalisierung von Digraphen. Strassen- und Verkehrsnetze

Zweiter Zirkelbrief: Graphentheorie

WS 2009/10. Diskrete Strukturen

Formale Grundlagen. bis , Lösungen. 1. Beweisen Sie, daß die Summe aller Grade der Knoten stets gerade ist.

Kombinatorische Optimierung

Algorithmische Graphentheorie

1. Einleitung wichtige Begriffe

Eigenwerte und Eigenvektoren

Vorlesung Diskrete Strukturen Graphen: Wieviele Bäume?

Algorithmische Graphentheorie (WS2014/15)

Transkript:

Vier-Farben-Vermutung (1) Landkarten möchte man so färben, dass keine benachbarten Länder die gleiche Farbe erhalten. Wie viele Farben braucht man zur Färbung einer Landkarte? Vier-Farben-Vermutung: Jede Landkarte kann so mit vier Farben gefärbt werden, dass benachbarte Länder stets verschiedene Farben haben. B C D E A Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 256

Vier-Farben-Vermutung (2) Eine Landkarte kann als planarer Graph dargestellt werden. B Hierzu werden die Länder durch Knoten repräsentiert und benachbarte Länder werden durch eine Kante miteinander verbunden. D Die Knoten zu einer Kante müssen dann verschiedene Farben haben. A E C Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 257

Färbungen (1) Definition 6.5. Ein Graph G = (V,E) heißt k-färbbar gdw. f : V {1,...,k} mit {v,w} E f(v) f(w) d.h. den Knoten können k Farben zugeordnet werden, so dass adjazente Knoten stets verschiedene Farben haben. Die Zahl heißt chromatische Zahl von G. χ(g) := min{k G ist k färbbar } Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 258

Färbungen (2) Bemerkung 6.4. Die chromatische Zahl χ(g) ist die kleinste Anzahl an Farben, die für eine Färbung von G benötigt werden. Besteht G aus den ZHKs G 1,...,G n, dann gilt χ(g) = max n i=1χ(g i ) Für eine anschauliche Präsentation verwende ich üblicherweise Farben statt natürlicher Zahlen. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 259

Einfache Aussagen zu Färbungen Lemma 6.8. Ein Graph G ist genau dann 1-färbbar, wenn G nur aus isolierten Knoten besteht. Lemma 6.9. Bäume sind 2-färbbar. Lemma 6.10. Ein Graph G = (V,E) ist genau dann 2-färbbar, wenn G bipartit ist. Lemma 6.11. Es sei G ein Untergraph von G. Dann gilt χ(g ) χ(g) Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 260

Das Haus vom Nikolaus ist 4-färbbar. Ist es auch 3-färbbar? Lemma 6.12. Es sei G ein Graph. Dann gilt χ(g) ω(g) Damit kann das Haus vom Nikolaus nicht 3-färbbar sein. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 261

Der Fünf-Farben-Satz Satz 6.13. Jeder planare Graph G = (V,E) ist 5-färbbar. Beweis. Es sei n := V. Beweis erfolgt mit Induktion über n. Für n 5 ist der Satz richtig. n n+1: G sei ein planarer Graph mit n+1 Knoten. Nach Korollar 6.7 hat G einen Knoten v mit deg(v) 5. Gilt deg(v) < 5: fertig. Gilt deg(v) = 5 und die fünf adjazenten Knoten benutzen weniger als fünf Farben: fertig. Rest: Tafel. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 262

Der Vier-Farben-Satz Satz 6.14. Jeder planare Graph G = (V,E) ist 4-färbbar. Damit ist die Vier-Farben-Vermutung wahr. Beweis 1976 durch Kenneth Appel und Wolfgang Haken. Der Beweis von Appel und Haken enthielt eine so hohe Zahl von Fallunterscheidungen, dass diese nicht manuell sondern nur mit Hilfe eines Computers überprüft werden konnten. Zunächst Akzeptanzprobleme, der Satz gilt heute aber (auch durch weitere Forschung) als bewiesen. Erstes bedeutendes mathematisches Theorem, das mit Hilfe von Computern bewiesen wurde. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 263

Chromatisches Polynom Definition 6.6. Es sei G = (V,E) ein Graph. Die Anzahl der Möglichkeiten G mit x Farben zu färben wird mit f(g,x) bezeichnet. Hierbei müssen nicht alle x Farben verwendet werden. Die Funktion f(g,x) heißt chromatisches Polynom von G. Beispiel 6.2. Der Graph kann auf 12 veschiedene Arten mit 3 Farben gefärbt werden. Sein chromatische Polynom lautet f(g,x) = x(x 1) 2 = x 3 2x 2 +x Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 264

Chromatische Polynome verschiedener Graphen Für den vollständigen Graphen K n gilt: f(k n,x) = x(x 1) (x n+1) Für das Komplement (n isolierte Knoten) gilt: f( K n,x) = x n. Es sei G ein Baum mit n Knoten. Dann gilt f(g,x) = x(x 1) n 1 Besteht G aus den ZHKs G 1,...,G n, dann gilt f(g,x) = n f(g i,x) i=1 Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 265

Berechnung des chromatischen Polynoms Es sei G = (V,E) ein Graph und a,b V seien nicht adjazent. Dann sei G {a,b} = (V,E {a,b}) Weiterhin bezeichne G a=b den Graphen, der entsteht, wenn in G die Knoten a und b entfernt und durch einen neuen Knoten c ersetzt werden. Dabei ist {v,c} für v V \{a,b} genau dann eine Kante von G a=b, wenn {v,a} oder {v,b} eine Kante von G war. Beispiel zu G {a,b} und G a=b : Tafel. Satz 6.15. Sind a und b zwei nicht adjazente Knoten eines Graphen G, dann gilt f(g,x) = f(g {a,b},x)+f(g a=b,x) Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 266

Beweis. Es seien a und b zwei nicht adjazente Knoten eines Graphen G. a und b sind entweder verschieden oder gleich gefärbt. Die Anzahl der Färbungen, bei denen a und b verschiedene Farben haben, ist identisch mit der Anzahl der Färbungen von G {a,b}. Die Anzahl der Färbungen, bei denen a und b die gleiche Farbe haben, ist identisch mit der Anzahl der Färbungen von G a=b. Die Anzahl aller Färbungen ergibt sich somit aus der Summe. Bemerkung 6.5. Satz 6.15 gibt einem die Möglichkeit, das chromatische Polynom rekursiv zu berechnen. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 267

Beispiel 6.3. Der Graph hat das chromatische Polynom (Tafel ) f(g,x) = f(k 5,x)+3f(K 4,x)+2f(K 3,x) = x 5 7x 4 +19x 3 23x 2 +10x Wegen f(g,2) = 0 und f(g,3) = 12 folgt χ(g) = 3. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 268

Anwendungen Stundenplanprobleme: Die Vorlesungen werden als Knoten betrachtet. Zwei Knoten sind durch eine Kante verbunden, wenn die Vorlesungen nicht gleichzeitig stattfinden sollen (gleicher Professor, gleiche Studenten, etc.). Die Farben entsprechen möglichen Vorlesungszeiten. Eine Färbung des Graphen stellt dann einen möglichen Stundenplan dar. Das chromatische Polynom gibt an, wieviele mögliche Stundenpläne es gibt, die chromatische Zahl die Anzahl der benötigten Zeitslots. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 269

Wir wollen ein Sportfest planen, für das sich Sportler in unterschiedlichen Disziplinen angemeldet haben. Disziplin Klaus Heinz Jupp Peter Toni Ralf Karl 100 Meter Lauf x x x x Weitsprung x x x Kugelstoßen x x x Speerwerfen x x 5000 Meter Lauf x x Hochsprung x x x x x Für jede Disziplin wird genau ein Zeitabschnitt benötigt. Die Sportler sollen an allen Disziplinen, zu denen sie sich angemeldet haben, auch teilnehmen können. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 270

Wieviele Zeitabschnitte werden mindestens zur Planung des Sportfestes benötigt? Welche Disziplinen sollten zu welchen Zeitabschnitten stattfinden? Die Knoten des Graphen stellen die zu planenden Disziplinen dar. Die Farben entsprechen den Zeitabschnitten, die den Disziplinen zuzuordnen sind. Zwei Disziplinen d 1 und d 2 werden genau dann durch eine Kante verbunden, wenn es einen Sportler gibt, der sich zu beiden Disziplinen angemeldet hat. Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 271

100 m Weit Hoch Kugel 5000 m Speer Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 272

Da beispielsweise der induzierte Untergraph zu den Knoten Hoch, 100 m und 5000 m vollständig ist, benötigen wir mindestens drei Farben für die Färbung des gesamten Graphen. Das Diagramm des Graphen zeigt, dass wir tatsächlich mit drei Farben (schwarz, grau, weiß) auskommen. Zeitabschnitt Farbe Disziplinen 1 schwarz Hoch, Speer 2 grau 100 m, Weit 3 weiß 5000 m, Kugel Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 273

Zusammenfassung Planare Graphen: Eulersche Polyederformel und Schranken für die Anzahl von Kanten Färbungen, chromatische Zahl und chromatisches Polynom Planare Graphen sind 4-färbbar. Berechnung des chromatischen Polynoms durch Zerlegung in vollständige Graphen Anwendungen: Planungsprobleme mit konkurrierenden Ressourcen Graphentheorie HS Bonn-Rhein-Sieg, WS 2013/14 274