Modeling Kugel-Stäbchen-Modelle am Computer Auf der Basis einer Lewis-Strichformel kann man mit seinem Molekülbaukasten ein 3D-Modell erstellen. Der Computer kann das auch. Vorteil: Schnell, speicherbar, keine Schwerkraft. Anhand abgespeicherter Bindungslängen wird jedem Atom eine x,y,z-koordinate in einem 3D Koordinatensystem zugeordnet. Atome und Bindungen werden dabei als digitales Kugel-Stäbchen-Modell behandelt und mit Newton scher Mechanik sucht man dessen energieärmste Konformation. Dabei berechnet das Unterprogramm Energieminimierung entlang des Potentials einen Gradienten und lässt die Atome, Bindungen und Winkel und nicht-kovalente Wechselwirkungen zum nächsten Potentialminimum hin relaxieren. Die Festlegung einer geeigneten Startstruktur wird umso schwieriger, je größer das Molekül ist. Modeling muss immer mit einer experimentell verifizierbaren Fragestellung verknüpft sein. Hier das Beispiel eines kleinen scheinbar einfachen Moleküls. Energieminimierung organischer Moleküle mit Vorzugskonformation (z.b.: Sessel) Beispiel: all-cis-hexafluorcyclohexan Wie kommt man von der Lewis-Formel zum attraktiven Molekülbild? Lewis-Formel + chemisches Wissen + NMR-Analytik als Grundlage eines realistischen Computermodells. 19 F-NMR: 2 Signale! Welche Info kann man daraus ziehen? Starker gauche-effekt der F-Atome
Strukturdatei z Die Strukturdatei von C 6 H 6 F 6 enthält 18 Koordinaten HETATM 1 C 1-0.846-1.356-0.428 HETATM 2 C 2-0.902 0.183-0.410 HETATM 3 F 3-0.327 0.656-1.590 HETATM 4 C 4-0.113 0.729 0.800 HETATM 5 F 5-0.150 2.126 0.810 HETATM 6 C 6 1.349 0.232 0.867 HETATM 7 F 7 2.029 0.683-0.266 HETATM 8 C 8 1.334-1.314 0.855 HETATM 9 F 9 2.638-1.810 0.914 HETATM 10 C 10 0.586-1.919-0.354 HETATM 11 F 11 1.252-1.573-1.530 HETATM 12 H 12-1.964 0.520-0.360 HETATM 13 H 13-0.632 0.382 1.725 HETATM 14 H 14 1.853 0.614 1.787 HETATM 15 H 15 0.812-1.657 1.780 HETATM 16 H 16 0.550-3.031-0.267 HETATM 17 F 17-1.518-1.865-1.662 HETATM 18 H 18-1.408-1.731 0.433 CONECT 1 2 10 17 18 CONECT 2 3 1 4 12 CONECT 3 2 CONECT 4 5 2 6 13 CONECT 5 4 CONECT 6 7 4 8 14 CONECT 7 6 CONECT 8 9 6 10 15 CONECT 9 8 CONECT 10 11 8 1 16 CONECT 11 10 CONECT 12 2 CONECT 13 4 CONECT 14 6 CONECT 15 8 CONECT 16 10 CONECT 17 1 CONECT 18 1 END y Atom(x,y,z) x z Mit Programmen wie HyperChem kann man Strukturen erzeugen und modellieren, d.h. Atompositionen verändern, die Gesamtenergie minimieren und Moleküldynamik- Simulationen durchführen. Mit Simulationsprogrammen werden x,y,z-koordinaten optimiert. Diese Programme sind nur bedingt geeignet, um Abbildungen zu erstellen. PyMol ist ein Programm, das die Koordinaten einliest, um daraus eine schöne Abbildung (Pixelgrafik) zu erstellen. Mit diesen Programmen werden Blickwinkel, Perspektiven optimiert, Sekundärstruktur angezeigt etc. Diese Programme sind nur bedingt geeignet, um Verknüpfungen und Koordinaten zu verändern. y x
Harmonischer Oszillator Kovalente und nicht-kovalente Wechselwirkungen lassen sich vereinfacht als unterschiedlich tiefe und weite Potentiale beschreiben: Kugel-Feder-Modell Die Summe dieser fünf Terme liefert eine potentielle Energie. Die ersten drei Terme beschreiben kovalente Wechselwirkungen, die anderen nichtbindende Ww. Bond Length V V 1 2 ( r1, r2,, rn ) K [ ] 2 b b bo bonds Bond Angle 1 2 ( r1, r2,, r N ) K [ ] 2 o angles Dihedral Angle V ( r, r2,, r V ( r 1, r2,, rn ) V ( r, r 1 2,, r N ) ) pairs( i, j) pairs( i, j) [1 cos( n )] 1 N o Lennard-Jones Coulomb K dihedrals C rij 12 12 q q i 4 r o C r j r 6 6 ij ij
Aus experimentellen Daten werden Potentiale für die Moleküldynamik-Simulation (MD) NOE penalty function L = lower limit = 2 Å bei intensivem Kreuzsignal im NOESY U = upper limit = 4 Å bei schwachem Kreuzsignal im NOESY 3 J coupling constants penalty function E J = ½ K J ( J exp J calc ) 2
Experimentelle Restriktionen Die 3 J NH,Ha -Kopplung als zusätzliches Potential E Restriktion E Beispiel: Die -Torsion einer peptidischen α-helix -60 ist die gesuchte Größe. Das Minimum des Kraftfeldes liegt aber davon abweichend bei -70. Die Restriktion ist das aus der Karplus-Beiehung und der 3 J NH,Ha -Kopplung berechnete Potential. Kraftfeld Kraftfeld Restriktion Restriktion -Δ Optimalwert +Δ Kraftfeld Entspricht die Restriktion (Torsion oder Abstand) dem Optimalwert des Kraftfeldes, so verstärkt die Restriktion den Einfluss des Kraftfeldes, der Potentialtopf wird schmaler und tiefer. Realistischstes Potential -60-65 -70-75 Φ-Torsion [ ] Das grüne Potential korrigiert den Fehler des schwarzen Kraftfeldes. Das rote Potential verstärkt den Fehler. Viele kleine systematische Abweichungen eines Kraftfeldes addieren sich zu einer riesigen Gesamtabweichung von der realen Gesamtkonformation.
Die Potentialhyperfläche: Das Molekül als Kugel-Feder-Modell Das systematische Durchsuchen des gesamten Konformationsraums eines Proteins ist nicht möglich, da es zu viele einzelne Potentialterme sind. Vgl. Levinthal s Paradox Wie findet man die Struktur mit der niedrigsten potentiellen Energie? Jedem Atom wird eine kinetische Energie zugewiesen. Die Bewegungsgleichungen wandeln diese in potentielle Energie um, wodurch Energiebarrieren überschritten werden. Nur mit Hilfe von NOE-Daten als zusätzliche Potentiale findet man das globale Energieminimum des Moleküls.
Moleküldynamik MD Die Summe der Potentiale (Kraftfeld) ordnet jeder Atomposition eine potentielle Energie zu. V gesamt = V Bindung + V Winkel + V NOE + V Kopplungskonstanten +... Die Integration der Newtonschen Bewegungsgleichungen für ein Molekül bezeichnet man als Moleküldynamiksimulation. a = F/m = m -1 (dv/dr) v = a Dt r = v Dt Verschiedene Algorithmen finden Verwendung, um aus dem Potential eine Beschleunigung und damit eine neue Atomposition nach einem festgelegten Zeitschritt (Dt = 1 Femtosekunde) zu bestimmen. zb: leap-frog algorithm Dies ist die einfachste Form der Konformationssuche
MD-Simulation Jedem Atom wird eine Startposition (Koordinate r) zum Zeitpunkt 0 der Moleküldynamiksimulation zugewiesen. Danach wird numerisch die neue Position berechnet. Leap-frog-Algorithmus a i (t)= F (t ) i = 1 δv (r) m i m i( δr i ) 1 Im ersten Schritt erfolgt die Berechnung der Beschleunigung bzw. Kraft zum Zeitpunkt t mithilfe des Kraftfeldes. Die abgespeicherten Geschwindigkeiten gehen explizit in die Berechnung ein und sind gegenüber den Ortskoordinaten um einen halben Zeitschritt verschoben. r i r i (t+ Δ t)= r i (t)+ v i( t+ Δ t 2 ) Δ t 3 3 2 v i( t+ Δ t 2 ) i( = v t Δ t 3 2 ) = a i (t)δ t Der zweite und dritte Schritt dienen dem Überspringen der Geschwindigkeiten und Ortskoordinaten entsprechend der Gleichungen. v i 2 2 2 a i 1 1 1 t t+ Δ t t+ 2 Δt
Gemittelte Struktur aus einer MD-Simulation MD-Simulationsverlauf und -vergleich am Beispiel Cyclohexan Rechts: Cyclohexan der MD-Simulation mit 1, 2, 3 und 4 Atomen als Schwerpunkte (Kennzeichnung 1, 2, 3, 4) Links: Aus den Cyclohexan gemittelte Strukturen in Aufsicht und Seitenansicht (Kennzeichnung 1, 2, 3, 4) 1 CHx/011 2 CHx/020 2 CHx/020 1 2 3 4 3 CHx/030 4 CHx/040 1 2 3 4 Je unterschiedlicher die Einzelstrukturen der Collage, desto verzerrter sind Winkel und Bindungslängen der Mittelstruktur
10 Schnappschüsse aus einer 100 ps MD-Simulation. Die Fettsäure zeigt konformationelle Dynamik. Gemittelte Konformation Die Alkylkette stabilisiert eine Hauptkonformation des Tetrasaccharids und schließt weitere Nebenkonformationen aus.
Strukturaufklärung auf der Basis von NMR-Daten Connectivity Physical description of the molecule: bond lengths, angles, stereochemistry are potential energy terms Experimental restraints are further penalty terms, one for each observable. 2D-NOESY Structure must satisfy both the geometric constraints defined for the molecule (proper bond lengths, planar aromatic ring, etc.) as well as the restraints generated from the NMR data.
Die Startstruktur hat einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der MD-Simulation. Nur eine gleichmäßige Verteilung gemessener NOEs über die gesamte Peptidkette führt zu verlässlichen Ergebnissen. Funktionelle Dynamik komplexer Biomoleküle ist schwierig zu analysieren. Die Stabilität (Qualität) einer Proteinstruktur wird durch die Stabilität in während der Moleküldynamik charakterisiert. rmsd: root mean square deviation der Geometrie des Peptidrückgrates Warum können nur so kurze Zeiten (ns) simuliert werden?
Flussdiagramm Peptid-/Protein-Modelling NMR-Messwerte (NOE, J, etc.) Physikalische Constraints (Bdglängen und Winkel) Constraints (NOE und Torsion) Kraftfeld NMR- (Potentialkurven) Andere Strukturen werden verworfen Modeling erzeugt verbesserten Strukturvorschlag (x, y, z ) Gute Übereinstimmung (Constraints und erwartete Sekundärstrukturen) Startstruktur (x, y, z) Variation der Parameter oder neue Startstruktur Mittelung und Relaxation (Energieminimierung) im Kraftfeld (x, y,z )
MD-Simulation benötigen eine Fragestellung, die auch berechenbar ist. Gute Frage: Zeigen die beiden Aldole in Lösung unterschiedliche Ringkonformationen, so wie es im Kristall der Fall ist? Schlechte Frage fürs Modeling: Warum ist Pro ein guter Katalysator? Molekulare Flexibilität: Ein anelliertes Ringsystem ist keine Garantie für Starrheit. Die Aldole (rechts) liegen abhängig vom angularen Substituenten (Me oder Et) in invertierten Ringstrukturen im Kristall vor. Ein Packungseffekt im Kristall oder unterscheiden sich die Energieminima auch in Lösung?