Probestudium der Physik 2011/12
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- Bertold Rosenberg
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1 Probestudium der Physik 2011/12 Karsten Kruse 2. Mechanische Schwingungen und Wellen - Theoretische Betrachtungen 2.1 Der harmonische Oszillator Wir betrachten eine lineare Feder mit der Ruhelänge l 0. Hierbei bedeutet linear, dass die durch die Feder erzeugte Kraft proportional zu ihrer Auslenkung ist. Wird also die Feder um eine Strecke x aus ihrer Ruhelage gestreckt, erzeugt sie eine Kraft mit dem Betrag k x, wobei k die Federkonstante ist. Die Feder sei an einem Ende fixiert, am anderen befinde sich eine Punktmasse m, die sich nur entlang der x-achse bewegen kann, siehe Abb k m -ku 0 l 0 l 0 +u x Abbildung 2.1: Illustration eines harmonisches Oszillators mit Federkonstante k und Punktmasse m. Die Ruhelänge der Feder ist l 0, Auslenkungen aus der Ruhelage um u führen auf eine Kraft ku. Die Bewegungsgleichung. auf sie die Kraft Befindet sich die Masse m am Ort x, so wirkt F = k(x l 0 ) (Hookesches Gesetz). Nach dem 2. Newtonschen Axiom ist mẍ = F = k(x l 0 ),
2 wobei ẋ dx/dt und ẍ d 2 x/dt 2 die erste und zweite Ableitung von x nach der Zeit bezeichnen. Dimensionsanalyse. Bevor wir die Bewegungsgleichung lösen, wollen wir zunächst die Parameter des Systems analysieren. Die Ruhelänge l 0 hat die Dimension einer Länge, die Masse m die einer Masse und die Federkonstante k die Dimension einer Kraft pro Länge. Formal gilt also [l 0 ] = L [m] = M [k] = M L T 2 1 L = M T 2. Wir erwarten bzw. wissen, dass der harmonische Oszillator schwingen wird. Oszillationen sind durch ihre Frequenz und ihre Amplitude gekennzeichnet. Aus den Systemparametern lässt sich eine Zeitskala τ bestimmen: τ = m/k. Es gibt keine weitere Möglichkeit aus den Systemparametern eine Zeitskala abzuleiten, so dass wir erwarten können, dass die Oszillationsperiode bis vielleicht auf einen Zahlenfaktor durch τ gegeben ist. Können wir auch die Amplitude aus den Systemparametern ableiten? Die einzige Länge, die in dem Problem auftritt ist die Ruhelänge l 0. Unsere Erfahrung legt nahe, dass diese nicht die Amplitude der Oszillationen bestimmen wird. Stattdessen wird sie durch die gewählten Anfangsbedingungen festgelegt. Lösung der Bewegungsgleichung. Um die Bewegungsgleichung zu lösen, führen wir zunächst eine Koordinatentransformation ein. In der Tat sollte das Verhalten des Systems nicht von der Ruhelänge l 0 abhängen. Also setzen wir u := x l 0. Damit gilt ü = ẍ und wir erhalten für die Bewegungsgleichung mü = ku ü ω 2 u = 0, wobei ω k m. Die allgemeine Lösung der Gleichung lautet (siehe Vorlesung 1): u(t) = A sin(ωt + ϕ), wobei die Konstanten A und ϕ durch die Anfangsbedingungen gegeben sind. Die Masse schwingt mit der Frequenz ω, die unabhängig von der Amplitude ist. Wählen wir z.b. die Anfangsbedingungen u(0) = u 0 und u(0) = 0, so erhalten wir durch Einsetzen der allgemeinen Lösung in diese Gleichungen u(0) = A sin(ϕ)! = u 0 u(0) = Aω cos(ϕ)! = 0.
3 Beschränkt man den Definitionsbereich der Funnktionen sin und cos auf das Intervall [0, 2π], so haben diese Gleichungen zwei Lösungen A = u 0 ϕ = π 2 und A = u 0 ϕ = 3π 2. Die Lösung der Bewegungsgleichung ist in beiden Fällen u(t) = u 0 cos(ωt) und somit für die gewählten Anfangsbedingungen eindeutig. 2.2 Zur Bedeutung des harmonischen Oszillators Der harmonische Oszillator tritt immer dann in Erscheinung, wenn man das Verhalten eines Systems in der Nähe eines stabilen stationären Punktes untersucht. Um das zu sehen, bemerken wir zuerst, dass sich die Federkraft F in der folgenden Form schreiben läßt: wobei F = d dx V (x), V (x) = k 2 (x l 0) 2. V nennt man das Potential zu der Kraft F. Sehr häufig - allerdings nicht immer - lassen sich Kräfte aus einem Potential ableiten. Betrachten wir nun ein allgemeines Potential V (x) mit einem Minimum bei x 0. Dann gilt d/dxv (x 0 ) = 0 und der Punkt ist stationär, denn F = d dx V = 0 für x = x 0, siehe Abb Betrachten wir die Taylor-Entwicklung von V um x 0. Es gilt V (x) = V (x 0 ) + V (x 0 )(x x 0 ) + 1 2! V (x 0 )(x x 0 ) 2 + = V (x 0 ) k(x x 0) 2 +,
4 V x 0 x Abbildung 2.2: Illustration eines allgemeinen Potentials mit mehreren Minima. Im Punkt x 0 hat das System einen stabilen stationären Punkt. da V (x 0 ) = 0 und für k V (x 0 ). Bei kleinen Auslenkungen aus der Position x = x 0 können Terme der Ordnung (x x 0 ) 3 und höher vernachlässigt werden. Da die Konstante V (x 0 ) für die Kraft F = d dxv keine Rolle spielt, hat das Potential in der Nähe des stationären Punkts also gerade die Form des harmonischen Oszillators. Allgemein gilt: Mechanische Systeme, deren Kraft sich aus einem Potential ableiten läßt, verhalten sich in der Nähe eines stabilen Fixpunkts wie ein harmonischer Oszillator. 2.3 Schallwellen in einem Festkörper Betrachten wir ein einfaches Modell für einen Festkörper. Es bestehe aus identischen Atomen, die in einer Kristallstruktur angeordnet seien. Im einfachsten Fall, auf den wir uns beschränken wollen, bilden sie eine eindimensionale Kette, siehe Abb Wir betrachten nur Auslenkungen entlang der x-achse. Alle Atome haben die Masse m und die Position des i-ten Atoms sei x i. Die Integrität des Festkörpers wird durch Wechselwirkungen zwischen den Atoa (i-1)a ia (i+1)a u i Abbildung 2.3: Illustration des Modells eines eindimensionalen Festköpers. Die Atome sind harmonisch an ihre nächsten Nachbarn gekoppelt. Die Ruhelänge beträgt a, die Ausenkung von Atom i aus seiner Ruhelage ist u i.
5 men gesichert. Nehmen wir an, dass Atom i über ein Potential V i mit den anderen Atomen wechselwirkt, wobei V i V i (..., x i 1, x i, x i+1,...). Die Wechselwirkung sei kurzreichweitig, so dass nur nächste Nachbarn betrachtet werden müssen: V i V i (x i 1, x i, x i+1 ). Da alle Atome identisch sind und die Wechselwirkung nur vom Abstand zweier Atome, nicht aber deren absoluter Position abhängen soll, schreiben wir V i V (x i 1 x i ) + V (x i x i+1 ). Die Bewegungsgleichung für Atom i lautet dann mẍ i = x i (V (x i 1 x i ) + V (x i x i+1 )). Die Gleichgewichtsposition von Atom i sei x i0 = ia, wobei a den Gleichgewichtsabstand zweier Atome angibt. Durch Entwicklung des Potentials um den Gleichgewichtszustand kann die Dynamik auf die Form mü i = K(u i 1 2u i u i+1 ) gebracht werden, wobei u i x i ia die Auslenkung von Atom i aus seiner Ruheposition ist. ( Der Kontinuumslimes. ) In einem echten Festkörper gibt es viele Atome 10 23, so dass eine Lösung aller Bewegungsgleichungen nicht sinnvoll erscheint. Stattdessen gehen wir in den sogenannten Kontinuumslimes. Dort wird angenommen, dass benachbarte Atome nicht mehr als diskrete Einheiten voneinander unterschieden werden können. Stattdessen gibt es ein kontinuierliches Material. Bisher wurden die Atome durch den diskreten Index i identifiziert. Nun führen wir einen kontinuierlichen Index x ein, wobei das ehemals durch den Index i bezeichnete Atome nun durch x = ia bezeichnet wird. Wichtig ist, dass jedem Punkt entlang der x-achse ein Atom zugeordnet wird. Seine Auslenkung zum Zeitpunkt t aus der Ruheposition ist dann u i (t) u(ia, t). Im Kontinuumslimes wird also die Auslenkung u eine Funtion vom Ort x. Dieser ist keine dynamische Variable (hat keine Zeitentwicklung) sondern gibt die Ruheposition des Teilchens an, dessen Auslenkung u(x, t) ist.
6 Dieses Vorgehen ist nur sinnvoll, falls der Abstand a zwischen zwei Atomen im Gleichgewichtszustand klein ist gegenüber allen anderen Längenskalen, die uns interessieren. Deshalb ist es wieder angemessen, eine Taylor-Entwicklung durchzuführen und nur die Terme niedrigster Ordnung zu behalten: u i+1 (t) u(x + a, t) u(x, t) + x u(x, t)a + 1 2! x 2 u(x, t)a2. Setzen wir diesen Ausdruck in die Bewegungsgleichung ein, so erhalten wir [ m 2 t 2 u = K u a x u + a2 2 2 x 2 u 2u + u a x u + a2 2 ] 2 x 2 u = E 2 x 2 u, wobei E = a 2 K/2. Insgesamt erhalten wir also die Wellengleichung: 2 2 u = v2 t2 x 2 u, wobei v 2 E m. Aus Vorlesung 1 wissen Sie, dass die Lösungen der Wellengleichen Überlagerungen von Wellen sind, die sich mit Geschwindigkeit v nach links und rechts bewegen: u(x, t) = f(x vt) + g(x + vt). Diese Lösungen beschreiben Schallwellen in unserem eindimensionalen Festkörper. 2 Aufgaben 1. Drücken Sie die Integrationskonstanten A und ϕ in der allgemeinen Lösung des harmonischen Oszillators durch allgemeine Anfangsbedingungen u(0) = u 0 und u(0) = v 0 aus. Ist die Lösung eindeutig? Sie können die zwei Integrationskonstanten im Prinzip auch dadurch festlegen, dass Sie anstelle der Auslenkung und der Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t = 0, die Auslenkung zu den Zeitpunkten t = 0 und t = t 1 festlegen? Ist die Lösung dann eindeutig bestimmt? 2. Betrachten Sie den gedämpften harmonischen Oszillator. Zustzlich zu der Federkraft wirkt dann noch eine Reibungskraft auf die Masse. Wir nehmen an, dass die Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit u der Masse ist. Die Bewegungsgleichung lautet dann mü ξ u + ku = 0. a) Welches Vorzeichen muss ξ haben, damit die Bewegung durch den Reibungsterm gedämpft wird?
7 b) Führen Sie eine Dimensionsanalyse durch. Wir interpretieren Sie die zusätzlich auftretende Zeitkonstante? c) Lösen Sie die Bewegungsgleichung. Verwenden Sie dazu den Ansatz u(t) e λt und bestimmen Sie die möglichen Werte von λ. Die allgemeine Lösung ist dann eine lineare Überlagerung der Lösungen für die verschiedenen Werte von λ (wieso?). d) Diskutieren Sie die Lösungen. Wieviele Fälle qualitativ unterschiedlicher Dynamik lassen sich unterscheiden? 3. Betrachten Sie die Dynamik einer Punktmasse in der Nähe eines instabilen stationären Punkts. Was können Sie über das Verhalten für t aussagen?
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