Verkehrslärm eine Herausforderung für die Umwelt- und Verkehrspolitik BDL-Forum: Lärmschutz im Luftverkehr Ministerialdirektor Hubert Steinkemper Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 5. März 2013 1
Konfliktfeld Verkehrslärm Umweltlärm als gravierendes, lange unterschätztes Problem Hauptquellen sind Straße, Schiene und Luftfahrt, aber auch Nachbarschaft, Industrie, Lärm schränkt Lebensqualität vieler Menschen stark ein Gesundheit: Verkehrslärm gefährdet laut WHO die Gesundheit von fast jeder/m dritten Europäer/in Lärmminderung: Mobilitätsbedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft beachten, verträgliche Entwicklung sichern, Akzeptanz von Mobilität wahren Ziele: Koalitionsvereinbarung, Nationales Verkehrslärmschutzpakt II, WHO-Empfehlungen, 2
Lärmminderung BMU setzt sich nachdrücklich für Verbesserungen des Lärmschutzes ein Bei den meisten Regelungen zum Schutz gegen Verkehrslärm ist BMU allerdings nicht federführend zuständig, sondern BMVBS Verkehrsrecht: Straßenverkehr, Schienenverkehr, Luftverkehr BMU hat Federführung für die (sektorübergreifende) Umgebungslärmrichtlinie und das Fluglärmgesetz Fluglärmgesetz: baulicher (passiver) Lärmschutz, nicht aber betriebliche Regelungen aus Lärmschutzgründen EU-Umgebungslärmrichtlinie: Lärmkartierung und Aktionsplanung, aber keine neuen Ermächtigungen 3
Belästigungsreaktionen - Belastetenzahlen Belästigung: Stichprobe in 2010 mit 5-stufiger Skala, davon 2 oberste Stufen: highly annoyed Straßenverkehr: 9 Mio. Flugverkehr: 3 Mio. Schienenverkehr: 2 Mio. Anzahl der Belasteten: 1. Stufe Strategische Lärmkartierung nach EU-Umgebungslärmrichtlinie 2007 (9 Flughäfen, 17.000 km Straßen, 4.400 km Schienenstrecken) Lden > 55 db Lnight > 50 db Straße 6,7 Mio. 4,3 Mio. Schiene 4,6 Mio. 3,7 Mio. Flug 0,8 Mio. 0,3 Mio. Besonderheiten Fluglärm: keine ruhige Hausseite, zusammenhängende Gebiete betroffen, kurzfristige Änderungen (Wind, Routen), Maximalpegel 4
EG-Umgebungslärmrichtlinie Ziele: Durch Lärmkarten Belastung darstellen, Lärmaktionsplanung für die Realisierung von Lärmminderungsmaßnahmen einsetzen Lärmkarten für große Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnen, Großflughäfen und große Ballungsräume (1. Stufe 2007, 2. Stufe 2012, ) In diesen Bereichen (1. Stufe) knapp eine Million Menschen mit Lärmpegeln über 70 Dezibel tags und 60 Dezibel nachts belastet Lärmaktionspläne: Gemeinden stellen auf, technische und planerische Minderungsmaßnahmen (kurz- und langfristig), Zusammenarbeit mit anderen Planungsträgern Wo Lärm unvermeidbar: Schallschutzwände oder Schallschutzfenster, Lärmsanierungsprogramme 5
Straßenverkehrslärm Kfz-Lärm: Hauptquelle der Verkehrslärmbelastung Vorrang hat Lärmminderung an der Quelle EU: Verschärfung der Kfz-Geräuschgrenzwerte entsprechend dem Stand der Technik ist notwendig Beratungen über KOM-Vorschlag sind im Gange Verringerung der Rollgeräusche (ab ca. 30 km/h) durch Fortschreibung der Geräuschgrenzwerte für Reifen (und Regeln zur Reifen-Geräuschkennzeichnung), lärmmindernde Fahrbahnbeläge (innerorts / außerorts) Verkehrsberuhigung (Tempo 30), Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung Schallschutz an Straßen: Lärmvorsorge / Lärmsanierung 6
Schienenverkehrslärm Belastungsschwerpunkt: nächtlicher Güterverkehr Bahn muss Lärmproblem entschieden angehen, Fortschreibung Geräuschgrenzwerte für Loks / Wagen Technisches Lärmminderungspotenzial für Güterwagen des Bestandes ist mit K- und LL-Sohlen vorhanden Einführung lärmabhängiger Trassenpreise als Anreiz zur lärmmindernden Umrüstung alter und lauter Güterwagen im Gange Ermächtigung für Einführung von Betriebsbeschränkungen für nicht TSI-konforme (laute) Fahrzeuge, sofern Umrüstung nicht umfassend Abschaffung des Schienenbonus von 5 Dezibel soll zeitnah erfolgen (für Lärmvorsorge und Lärmsanierung) 7
Fluglärm Balanced Approach der ICAO nennt 4 Minderungsmaßnahmen: Einsatz leiserer Flugzeuge lärmoptimierte Betriebsabwicklung vorbeugende Siedlungsplanung im Flugplatzumland lärmbedingte Betriebsbeschränkungen an Flughäfen mit Lärmproblemen ( not as a first resort ) CAEP: 7 Dezibel strengere Grenzwerte ab 2018 (bzw. 2021) für neue Typen: Schritt in die richtige Richtung, aber: Summe von 3 Messpunkten Lärmabhängige Landeentgelte: bei ausreichender Differenzierung ökonomische Anreize für Umrüstung 8
Fluglärm Novelliertes Fluglärmgesetz (2007) mit Absenkung Schutzzonen-Grenzwerte, Werte auch für Planfeststellung, Nacht-Schutzzone, Maximalpegel-Kriterium Nacht, Modernisierung Verfahren etc.: 1. FlugLSV: Datenerhebung und Berechnung 2. FlugLSV: Schallschutzmaßnahmen-Verordnung, zusammen mit Höchstkostenregelung 3. FlugLSV: Außenwohnbereichsentschädigung: Derzeit in Länder- und Verbändebeteiligung Festsetzung neuer Lärmschutzbereiche durch Länder weiter im Gange: bisher ca. 25 Neufestsetzungen Erfahrungen umfassend bewerten, Fluglärmbericht an Deutschen Bundestag bis 2017 9
Fluglärm Planung neuer Flugrouten: Lärmschutzaspekte frühzeitig und fundiert berücksichtigen Benehmensregelung UBA ( 32 Abs. 4c Satz 2 LuftVG) Prüfung im Gange, wie bessere Verknüpfung mit Planfeststellung erreicht wird Bundesrat berät derzeit Anträge RP, HE und BB: stärkere Gewichtung der Lärmschutzaspekte, Einbindung der Betroffenen bei Flugroutenfestlegung Zielkonflikte bei relevanten Umwegen, Kapazitäten Naturschutzbelange geraten zunehmend in den Blick Luftverkehrswirtschaft arbeitet an Weiterentwicklung lärmoptimierter An- und Abflugverfahren 10
Fluglärm Lärm nächtlicher Starts und Landungen stellt ein bedeutendes Problem für Umwelt und Gesundheit dar Rechtsprechung zum Nachtflug: BER, Frankfurt, aber auch Leipzig / Halle und Köln-Bonn Vorschlag für EU-Betriebsbeschränkungsverordnung Kritik an Vetorecht KOM und an einseitiger Ausrichtung auf Kostenaspekt Ziele für weitere Beratungen: Entscheidungskompetenz bei den nationalen Behörden Bewertung der relevanten Vor- und Nachteile von Maßnahmen 11
Fazit Spürbare Fortschritte beim Lärmschutz sind unerlässlich Jeder Verkehrsträger Straße, Bahn, Flugverkehr muss Beiträge leisten Luftverkehr: spezifische Fortschritte durch Fluglärmgesetz, aber Lärmprobleme verbleiben, die nicht ausgeblendet werden können Konsequente Umsetzung des Balanced Approach in Richtung auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes Es geht auch um Akzeptanz für eine nachhaltige Mobilität und um künftige Entwicklungsmöglichkeiten Bereitschaft, Konflikte zu benennen aber auch, sich der Probleme anzunehmen Ermutigung zum weiteren Dialog - Vielen Dank - 12