Schwindel bei der Küchenarbeit

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Transkript:

Schwindel bei der Küchenarbeit Nachdem Sie sich im Urlaub als Arzt geoutet haben, klagt die Wirtin der familiären südspanischen Pension über starken Schwindel. Zielgruppe Allgemeinmediziner, Internisten, kardiologisch interessierte Ärzte aller Fachrichtungen Lernziele Elektrophysiologische Grundlagen von atrioventrikulären Blockierungen Diagnostik und Therapie der AV-Blockierungen und SA-Blockierungen Sick-Sinus-Syndrom Synkopen, Adam-Stokes-Anfall Autoren Maimilian v. Karais Albertinen-Herzzentrum Hamburg

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 2 1. Anamnese Nachdem Sie sich im Urlaub als Arzt geoutet haben, klagt die Wirtin der familiären südspanischen Pension über starken Schwindel. Besonders heftig werde der Schwindel bei der Küchenarbeit. Die Beschwerden seien in den letzten Tagen noch viel schlimmer geworden: Schon bei der kleinsten Anstrengung könne sich die umtriebige Wirtin kaum noch auf den Füßen halten, möchte aber jetzt dringend weiter die Gäste versorgen. Nach viel Überzeugungsarbeit bringen Sie ihre neugewonnene Patientin in die nächste Klinik. Ruhig im Bett liegend fühlt sie sich dort beschwerdefrei. Die spanischen Kollegen zeigen Ihnen das abgeleitete EKG und sind sich nicht ganz sicher, wie weiter verfahren werden soll. Die Meinungen zum Prozedere bewegen sich zwischen Entlassung und Intensivstation. 2. Untersuchungsbefund Bei der orientierenden Untersuchung noch in der Pension erheben Sie bei der 85-jährigen, rüstigen Patientin folgende Befunde: Allgemeinzustand gut, psychisch unauffällig. Keine Dyspnoe. Herz: Herzaktion bradykard, rhythmisch. Lungen perkutorisch unauffällig. Abdomen weich und unauffällig. Keine Ödeme. Die weitere körperliche Untersuchung wird von den Kollegen der Notaufnahme vorgenommen. Die Laborwerte erweisen sich schließlich als vollständig unauffällig. 3. Fragen 1. Welchen EKG-Befund erheben Sie (hier sehen Sie ausschließlich die Etremitätenableitungen)? 2. Geben Sie einen Überblick über die Formen und die Elektrophysiologie atrioventrikulärer Blockierungen. 3. Wie würden Sie bei AV-Blockierungen vorgehen, je nachdem, ob symptomatisch oder asymptomatisch? Welches Prozedere schlagen Sie bei unserer Patientin vor? 4. Mit welchen Methoden ließe sich die Variante des vorliegenden AV-Blocks bestätigen, wenn die Patientin beschwerdefrei wäre? 5. Adam-Stokes-Anfälle und Synkopen: Gehen Sie auf Definition, Ätiologie und Diagnostik ein. 6. Was ist ein SA-Block? Welche Formen gibt es? 7. Stichwort Sick-Sinus-Syndrom : Bitte finden Sie einige Worte zur Unterteilung, Ätiologie, Diagnostik und Therapie!

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 3 4. EKG-Befund Überdrehter Linkslagetyp, Herzfrequenz 45/min, AV-Block II. Grades ( Mobitz-Block ) mit 2:1-Überleitung. Hier wurde ein langer Streifen ausschließlich mit Brustwandableitungen angefertigt, da bei Bradykardie und Schwindel zunächst die Detektion einer Rhythmusstörung von Interesse ist. Nach jeder T-Welle erkennt man kurz darauf eine P-Welle, die jedoch keinen QRS- Komple folgen lässt. Erst die nächste Vorhofaktion leitet wieder auf die Ventrikel über. Daher spricht man von einer 2:1-Überleitung. I I II II III III avr avr avl avl avf avf Abb. 1: EKG 5. Formen der AV-Blockierungen Der AV-Block I. Grades ist lediglich durch die Verlängerung der PQ-Zeit auf über 200 ms definiert. Hier besteht also eine Verzögerung zwischen Beginn der Vorhof erregung und Beginn der Kammererregung. Diese Latenz kann prinzipiell auf der Ebene des Vorhofs, des AV-Knotens und des His-Bündels vorliegen. Beim AV Block II. Grades Typ Mobitz 1 ( Wenckebach-Block ), der meist im AV-Knoten lokalisiert ist, besteht eine typische Periodik von länger werdenden PQ-Zeiten bis zum Ausfall eines Kammerkomplees. Zwischen normaler Überleitung und kompletter atrioventrikulärer Blockierung sind hier in fließenden Übergängen alle Zwischenstufen der PQ-Zeit-Verlängerung möglich. Der AV-Block II. Grades Typ Mobitz 2 ( Mobitz-Block ) hingegen, der in den meisten Fällen distaler im Erregungsausbreitungssystem lokalisiert ist, folgt dem Alles-odernichts-Prinzip: Bei konstant bleibender PQ-Zeit wird das Vorhofsignal ent weder übergeleitet oder nicht. Die AV-Überleitungszeit bleibt also prinzipiell gleich, bei komplettem Fehlen mancher Überleitungen. Im EKG zeigt sich meist ein 2:1- oder 3:1-Überleitungsmuster (Die Relation kann jedoch auch fluktuieren und ist niemals als starr anzusehen).

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 4 Der totale AV-Block, auch AV-Block III. Grades genannt, ist durch die vollständige AV-Dissoziation charakterisiert: Vorhoferregung (P-Wellen) und Kammererregung (QRS-Komplee) treten völlig unabhängig voneinander auf. Gut zu erkennen ist meist das Phänomen der wie losgelöst durch das EKG wandernden P-Wellen. Meist springt dann ein Kammerersatzrhythmus mit sehr niedriger Ventrikelfrequenz ein. Die QRS- Komplee können abhängig davon, wo sich das autonom depolarisierende ektope Ersatzzentrum befindet breit oder schmal konfiguriert sein: Unterhalb des His-Bündels sieht man schenkelblockartig deformierte QRS-Komplee. Ein junktionales (d.h. im AV-Knoten arbeitendes) Ersatzzentrum zieht hingegen schmale Kammerkomplee nach sich. 0,24 0,24 0,24 0,20 0,28 0,20 0,28 0,20 0,28 3:2 Wenckebach-Periode 3:2 Wenckebach-Periode 3:2 Wenckebach-Periode 2:1-Blockierung 0,20 0,20 0,20 0,20 0,20 3:1-Blockierung, bei vorbestehendem Schenkelblock 0,20 0,20 0,20 0,20 mit schlankem Kammerkomple: AV-Knotenersatzrhythmus (Fr. 43/min) mit breitem Kammerkomple: Kammerersatzrhythmus (Fr. 34/min) P-Wellen maskiert gleiche Abstände Abb. 2: AV-Blockierungen. a. AV-Block I. Grades, b. AV-Block II. Grades (Wenckebach-Typ), c. AV-Block II. Grades (Mobitz-Typ), d. AV-Block III. Grades. Quelle: Ohly A: EKG endlich verständlich: Alles, was man wissen muss, 1. Auflage, Elsevier-Verlag München (2008).

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 5 Kommt es nach einer Phase mit 1:1-Überleitung plötzlich zu einer 2:1-Überleitung, ohne dass sich die PQ-Zeiten verändern, sind die Kriterien für einen Mobitz-Block erfüllt. Sind jedoch im EKG zwischenzeitlich verlängerte PQ-Zeiten zu sehen, bis eine Vorhoferregung völlig ausfällt, ist ein Wenckebach-Block anzunehmen. Der Mobitz-Block mit 2:1-Überleitung ist ein Sonderfall, weil sich bei einer durchgehenden 2:1-Überleitung im EKG der Wenckebach vom Mobitz nicht immer zweifelsfrei unterscheiden lässt denn: Hier kann neben dem Mobitz-Block auch eine rasche Wenckebach-Periodik vorliegen, die schon bei jedem zweiten Schlag zum Ausfall führt. Aus diesen Gründen wird der AV-Block II. Grades mit 2:1-Überleitung in der englischsprachigen Literatur sicherheitshalber als High-grade-AV-Block bezeichnet. Der reine Wenckebach-Block hingegen gilt prinzipiell als benigne und geht nur in Ausnahmefällen mit Schwindel und Synkopen einher. Der echte Mobitz-Block aber besitzt eine deutlich schlechtere Prognose, weil er leicht in einen totalen AV-Block degenerieren kann. Auch wenn die rettenden Mechanismen ektoper Ersatzrhythmen im Hinblick auf den Erhalt der vitalen Herzfunktion erstaunliche Pufferkraft besitzen, muss jeder totale AV- Block als potentiell lebensbedrohlich angesehen werden. 6. Vorgehen bei AV-Blockierung I. Grades Der AV-Block I. Grades erfordert keine spezifische Therapie; er besitzt im Gegensatz zu manchen höhergradigen AV-Blockierungen bei fehlender Symptomatik eine sehr gute Prognose. Allerdings sollte er stets erkannt und dokumentiert werden, um für spätere Diagnosestellungen einen Ausgangsstatus zu besitzen. Bei Patienten mit AV-Block I. Grades, die über Schwindel oder sogar Synkopen klagen, sollte immer ein intermittierender höhergradiger AV-Block ausgeschlossen werden, ein Langzeit-EKG, eine Ergometrie und eine Echokardiographie wären dann zu empfehlen. Eine harmlose PQ-Zeit-Verlängerung findet sich übrigens gehäuft bei Jugendlichen, vagotonen Zuständen und sportlich sehr aktiven Menschen. Ein erhöhter Trainingszustand steigert die Vagotonie und wirkt unter anderem dadurch kardioprotektiv. Es gibt die besondere Konstellation des drohenden trifaszikulären Blocks : Dabei besteht neben einem AV-Block I. Grades ein bisfaszikulärer Schenkelblock, letzterer zumeist in der Kombination aus Rechtsschenkelblock und linksanteriorem Hemiblock. Als einziges Faszikel leitet hier also nur noch der linksposteriore Tawaraschenkel mit hinreichender Zuverlässigkeit über. Bei zusätzlichem AV-Block I. Grades ist die Indikation zur Schrittmacher-Therapie gegeben. Bei reinem bifaszikulärem Block, der übrigens wiederum eine häufige Komplikation einer AV-Blockierung ist, muß insbesondere bei wegweisender klinischer Symptomatik eine antibradykarde Schrittmacher-Therapie dringend erwogen werden. 7. Vorgehen bei AV-Blockierung II. und III. Grades Bei einem asymptomatischen AV-Block mit typischer Wenckebach-Periodik ist eine Schrittmacherimplantation zunächst nicht zwingend erforderlich. Zur Sicherheit sollten Betablocker und andere bradykardisierende Medikamente pausiert werden und in der Folge regelmäßig ein Langzeit-EKG zum Ausschluss von intermittierenden oder per-

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 6 sistierenden Bradykardien durchgeführt werden, da bisweilen eine sogenannte binodale Erkrankung vorliegt, bei der neben dem AV-Knoten auch der Sinusknoten betroffen ist. In einem solchen Fall würde die Indikation zur Schrittmachertherapie näherrücken. Generell ist vor einer Schrittmachertherapie zwischen einer symptomatischen und einer prognostischen Indikation zu unterscheiden. Bei Patienten mit Leistungsknick, Schwindel und wiederholten Kollaps oder sogar Synkopen muss letztlich nach Ausschluss anderer Ursachen bei jeder Form des AV-Blocks eine Schrittmacherimplantation erwogen werden. Eine ungünstige Prognose und damit eine strenge Indikation zur Schrittmacher-Therapie besitzen der AV-Block II. Grades Typ Mobitz 2 und der AV-Block III. Grades (totaler AV- Block). Dies hängt mit der anatomischen Lokalisation zusammen: Die beiden letzten Formen sind meist im Bereich des His-Bündels oder gar weiter distal lokalisiert. Dann können nur noch langsam arbeitende und hämodynamisch ungünstigere tertiäre Ersatzzentren im Ventrikel einspringen, wodurch die Gefahr einer funktionellen oder echten Asystolie stark wächst. 8. Was bedeutet das für Ihre Patientin? Die Patientin des vorliegenden Falls hat ab Diagnosestellung strenge Bettruhe einzuhalten und sollte stationär per Monitor überwacht werden. Das Katecholamin Orciprenalin kann in vielen Fällen den Rhythmus vorübergehend stabilisieren, sollte jedoch nur unter intensivmedizinischen Bedingungen eingesetzt werden. Im Notfall muss eine provisorische Schrittmacherelektrode über einen transvenösen Zugang (meist Vena subclavia oder Vena iugularis) gelegt werden, bevor eine endgültige operative Versorgung mit einem Zwei-Kammer-Schrittmacher erfolgen kann. 9. Wenckebach und Mobitz: Differenzierung und klinische Relevanz Eine Karotissinusmassage stimuliert den Vagus und bremst die Überleitung im AV-Knoten. Bei einem Wenckebach-Block kommt es so zu einer Verlangsamung der Kammerfrequenz, da der AV-Knoten unter Vaguseinfluss noch geringer überleitet. Der Mobitz-Block jedoch kann aufgrund des vagal verlangsamten Sinusknotenrhythmus in eine passagere 1:1-Überleitung übergehen, was zur Zunahme der Kammerfrequenz unter der abnehmenden Blockierung führt. Atropin wirkt parasympatholytisch, wodurch sich sekundär die Überleitungsqualität am AV-Knoten verbessert: Der Wenckebach-Block verringert sich (die Herzfrequenz steigt). Der Mobitz-Block hingegen kann unter angehobener Sinusknotenfrequenz von einem 2:1- in einen 3:1-Block übergehen, wodurch die Herzfrequenz sinkt. Atropin kann bei einem Mobitz-Block also sogar kontraproduktiv und gefährlich sein. Belastungs-EKG: Durch die Vagolyse unter körperlicher Belastung kommt es ähnlich wie bei der Gabe von Atropin zu einer verringerten Blockierung beim Wenckebach-Typ. Bei Patienten mit einem Mobitz-Block kann unter Belastung analog zur Atropingabe die zunehmende Herzfrequenz noch schlechter übergeleitet werden, so dass eine 3:1- oder 4:1-Überleitung entstehen kann. Die Ventrikelfrequenz wird dem hämodynamischen Bedarf dann nicht mehr gerecht, und der AV-Block dadurch erst symptomatisch.

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 7 Aufgrund der markanten Klinik mit eindeutiger Verschlechterung der Symptomatik unter Belastung muss man im vorliegenden Fall also von einem AV-Block II. Grades Typ Mobitz 2 ( Mobitz-Block bzw. High-grade-AV-Block ) ausgehen. 10. Adam-Stokes-Anfall: Definition und Ätiologie Ein sogenannter Adam-Stokes-Anfall ist eine kardiogene Synkope im engeren Sinne: Es kommt dabei zu einer schlagartig eintretenden Bewusstlosigkeit, die infolge einer Asystolie entsteht. Zugrunde liegen hier in den meisten Fällen AV-Blockierungen, SA-Blockierungen oder Pausen beim Sick-Sinus-Syndrom. Typischerweise tritt die Bewusstlosigkeit ohne Prodromi plötzlich aus dem Wohlbefinden heraus auf, es kommt dann oft zu Stürzen mit Verletzungen am Kopf, weil die Patienten innerhalb des plötzlichen Bewusstseinsverlusts nicht mehr die Gelegenheit haben, schutzreflektorisch die Arme einzusetzen. 11. Synkopen: Definition und Ätiologie Synkopen im Allgemeinen kennzeichnet eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit mit Verlust des muskulären Tonus. Dabei kann der Betroffene in sich zusammensacken oder auch stürzen. Ausgelöst werden Synkopen durch eine relevante zerebrale Minderperfusion, entweder neuronal vermittelt (vasovagal), kreislaufbedingt (orthostatisch), direkt vom Herzen ausgehend (kardiogen) oder aufgrund mangelhafter Hirndurchblutung (zerebrovaskulär); außerdem gibt es psychogene Synkopen, die allerdings keine echten Synkopen sind. Zu einer Synkope gehört stets das Korrelat einer passageren zerebralen Minderperfusion. Auch ein zerebraler Krampfanfall oder klinisch relevante Hypoglykämie können ebenfalls synkopal imponieren. In der diagnostischen Klärung von Synkopen kommt der genauen Anamnese aufgrund der vielfältigen ätiologischen Faktoren eine zentrale Bedeutung zu. Dabei spielen Begleitumstände (Stehen, Lagewechsel und Prodromi (Schwindel, Schweißausbrüche, Übelkeit, Augenflimmern) eine wichtige Rolle. Lediglich fremdanamnestisch sind Angaben über die Dauer der Bewusstlosigkeit, tonisch-klonische Entäußerungen oder eine längere Verwirrtheit nach dem Wiederlangen des Bewusstseins zu erfragen. Zur grundlegenden apparativen Diagnostik gehören Blutdruckmessungen im Liegen und Stehen, ein Kipptisch-Test (alternativ ein Schellong-Test), Ruhe-, Langzeit- und Belastungs-EKG, sowie eine Echokardiografie. Im Labor sollten Stoffwechselentgleisungen oder Anämien ausgeschlossen werden. Eine Duple-Untersuchung der hirnzuführenden Arterien ist bei Verdacht auf ein Karotissinus-Syndrom ratsam. Nur bei Verdacht auf eine struktu relle Herzerkrankung durch die vorangegangenen Untersuchungen ist eine Herzkatheteruntersuchung indiziert. Nicht-synkopale Störungen können durch ein EEG und Schichtaufnahmen des Neurokraniums (CCT, MRT) detektiert werden.

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 8 12. Sinuatriale Blockierungen: Formen Bei sinuatrialen Blockierungen (SA-Block) ist die Erregungsleitung vom Sinusknoten zur Vorhofmuskulatur verzögert oder ganz unterbrochen. Man unterscheidet vier Formen: SA-Block I. Grades: Hier liegt lediglich eine verzögerte Leitung vor. Diese ist im Oberflächen-EKG nicht erkennbar und besitzt keine klinische Relevanz. SA-Block II. Grades: Wenckebach-Typ: Intermittierende Leitungsunterbrechung. Die PP-Intervalle werden zunehmend kürzer (im Gegensatz zum AV-Block Typ Wenckebach, bei dem sie länger werden!), bis keine P-Welle mehr erscheint und eine Pause der ventrikulären Erregung eintritt. Mobitz-Typ: Es treten ventrikuläre Pausen nach Wegfall der P-Welle auf, deren Dauer dem Doppelten oder Mehrfachen des normalen PP-Intervalls entspricht. Es ist zu beachten, dass sowohl beim Wenckebach- als auch beim Mobitz-Typ die PQ- Zeiten immer gleich lang sind (im Unterschied zu AV-Blockierungen). Im EKG zeigt sich meist das Bild einer Sinusbradykardie. SA-Block III. Grades: Hier besteht eine totale Leitungsunterbrechung. Es fällt plötzlich eine P-Welle aus, woraufhin ein meist schlanker AV-Knoten-Ersatzrhythmus einsetzt, bis wieder Vorhoferregungen entstehen. SA-Block 2. Grades Typ Wenckebach 0,88 0,80 0,72 1,16 0,88 0,80 0,72 Wenckebach-Periode Wenckebach-Periode Sinusknotenimpulse (im EKG nicht zu sehen) blockiert SA-Block 2. Grades Typ Mobitz RR RR 2 RR 2 RR RR RR Sinusknotenimpulse (im EKG nicht zu sehen) blockiert SA-Block 3. Grades AV-Knotenersatz Sinusknotenimpulse (im EKG nicht zu sehen) blockiert Abb. 3: SA-Blockierung. a. SA-Block II. Grades (Typ Wenckebach), b. SA-Block II. Grades (Typ Mobitz), c. SA-Block III. Grades. Quelle: Ohly A: EKG endlich verständlich: Alles, was man wissen muss, 1. Auflage, Elsevier-Verlag München (2008).

Schwindel bei der Küchenarbeit Seite 9 13. Sinuatriale Blockierungen: Therapie Eine antibradykarde Therapie mittels Herzschrittmacher ist nur bei wenigen SA- Blockierungen indiziert, d.h. in der Regel nur dann, wenn synkopale oder sonstige hämodynamische Symptome bestehen. Man sollte bei SA-Blockierungen wie bei allen rhythmogenen Störungen generell bradykardisierende Medikamenteneffekte ausschließen und andere Ursachen bedenken, so etwa die Elektrolytlage überprüfen. 14. Sick-Sinus-Syndrom (SSS) Das Sick-Sinus-Syndrom, auch Syndrom des kranken Sinusknoten genannt, wird gewöhnlich unterteilt in drei Entitäten: Persistierende symptomatische Sinusbradykardie nach Ausschluss anderer Ursachen. Sinusarrest (kompletter Sinusknotenausfall) oder höhergradiger SA-Block. Tachykardie-Bradykardie-Syndrom: Beim Tachy-Brady-Syndrom kommt es einerseits zu paroysmalen supraventrikulären Tachykardien (in diesen Fall sind es meist Vorhofflimmern oder Vorhofflattern). Nach spontaner Terminierung der Tachykardie folgt allerdings eine deutlich verlängerte Pause, bevor die Automatie des Sinusrhythmus erneut einsetzt. In dieser sogenannten präautomatischen Pause treten Symptome zerebraler Ischämie auf. Als magische Grenze für Pausen und überhaupt für wirk same Asystolien wird gemeinhin das Zeitintervall von drei Sekunden angesehen. Allerdings ist die hämodynamische Relevanz der Zeitdauer einer zunächst elektrokardio graphisch abgeleiteten Asystolie interindividuell in hohem Maße unterschiedlich und darf nur unter Berücksichtigung von Symptomatik und Risikofaktoren betrachtet werden. Das SSS entsteht meist auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung, einer Kardiomyopathie, einer Myokarditis, einer idiopathischen Degeneration des Leitungssystems oder auch durch konnatale Mutation von Ionenkanälen. Im Langzeit-EKG finden sich oftmals entscheidende Hinweise auf ein SSS. Auch ein fehlender Frequenzanstieg unter Belastung oder nach Atropingabe (sogenannte chronotrope Inkompetenz) und eine verlängerte Zeit der Sinusknotenerholung (nach Schrittmacher- Stimulation des Vorhofs) sind typische diagnostische Zeichen für ein SSS. 15. Therapie des SSS Die therapeutischen Optionen beim Vorliegen eines Sick-Sinus-Syndroms sind simpel: Bei symptomatischer Bradykardie im Rahmen eines SSS ist eine Schrittmachertherapie indiziert. Bei symptomatischem Tachykardie-Bradykardie-Syndrom muss eine gemeinsame Therapie mit antibradykardem Schrittmacher und antiarrhythmischer bzw. antitachykarder Medikation erfolgen.

16. Zusammenfassung Im Hinblick auf die therapeutische Konsequenzen ergibt sich eine Trennlinie innerhalb des AV-Blocks II. Grades: Während bei reiner Wenckebach-Periodik noch keine zwingende Schrittmacher-Indikation besteht, rückt sie spätestens beim Mobitz-Typ ins Zentrum. Im Falle eines AV-Blocks II. Grades vom Typ Mobitz 2 ( Mobitz-Block ) mit 2:1-Überleitung ( High-grade-AV-Block ) können sympathotone Vorgänge und Manöver zur Erniedrigung der Ventrikelfrequenz führen. Sinuatriale Blockierungen erfordern nur in Fällen hämodynamischer Relevanz bei vorliegender klinischer Symptomatik eine antibradykarde Schrittmachertherapie. Bei jeglichen bradykarden Rhythmusstörungen ist stets der Effekt bradykardisierender Medikamente zu berücksichtigen Therapieentscheidungen sollten erst nach hinreichend langem Aussetzen einer entsprechenden Medikation gefällt werden. Synkopen erfordern wegen ihrer vielfältigen ätiologischen Möglichkeiten eine differenzierte diagnostische Klärung, die hauptsächlich das kardiologische und neurologische Aufgabenfeld interdisziplinär herausfordert. Beim Tachykardie-Bradykardie-Syndrom im Rahmen eines Sick-Sinus-Syndroms muss eine gleichzeitige Therapie mittels antiarrhythmischer (d.h. immer auch bradykardisierender) Medikation und antibradykarder Schrittmacherversorgung erfolgen. 17. Literatur 1. Trautmann N, v. Karais M: Die 50 wichtigsten Fälle: EKG, 1. Auflage, Elsevier-Verlag München (2010). 2. Ohly A: EKG endlich verständlich: Alles, was man wissen muss, 1. Auflage, Elsevier- Verlag München (2008). 3. Kobza R, Cuculi F, Abächerli R, Toggweiler S, Suter Y, Frey F, Schmid JJ, Erne P.: Twelvelead electrocardiography in the young: Physiologic and pathologic abnormalities. Heart Rhythm. 2012 Aug. S1547-5271(12)00919-8. 4. Kumar P, Kusumoto FM, Goldschlager N: Bradyarrhythmias in the elderly. Clin Geriatr Med. 2012 Nov; 28(4):703-15. 5. Coumbe AG, Naksuk N, Newell MC, Somasundaram PE, Benditt DG, Adabag S: Longterm follow-up of older patients with Mobitz type I second degree atrioventricular block. Heart. 2012 Oct 19. ELSEVIER PROFESSIONAL SOLUTIONS Hackerbrücke 6 80335 München professional-solutions@elsevier.de