DIE RENATENENTE Das Weihnachtsmärchen von Katharina Schlender Der Gast im Hause ist Zeuge gegen dich. (Sprichwort) 1
henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2001 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2
familie klein: ida hans SOHN heinz die RENATENENTE eine STUDENTIN 3
VORSCHLAG HEINZ Ich steh morgens auf und kuck. Schau. Eß zwischendurch. Leg mich wieder hin. Daß ich auch trink muß ich nicht sagen. Auf jeden Fall leb ich. Hab viel vor. Meine Mutti wurde eine Mutti weil sie mich geboren hat wurde Vati auch Vati. Jetzt sind wir eine Familie. Heute eine Weihnachtsfamilie. Mit einer Ente zu Mittag und später zu Gast. Einem Engel als Weihnachtsmann der eigentlich Studentin ist. Ich bin das Kind. Der Heinz. Ich könnt auch jemand anderes sein. Aber ich bin ein Heinzkind geworden. Ein Junge. Fünf Jahre. Bald sechs. Hätte Ida nicht den Hans getroffen wär ich vielleicht auch ein Heinzkind geworden und hätt die Ida zur Mutti oder den Hans als Vati. Würd aber völlig anders aussehen. Das wär niemandem aufgefallen daß ich anders wär. Nicht mal mir. Es würd mich nicht geben wie ich hier bin. Ich bin froh daß Mutti und Vati sich getroffen haben. Ich so ausseh und bin wie ich bin. Vielleicht wär ich auch froh wenn sie sich nicht getroffen hätten. Wenn ich ein anderer geworden wär wär ich jetzt vielleicht auch froh. Das sind nur Überlegungen. Ich bin da. Ein Ergebnis. Ein Heinz. 5
I ein wohnzimmer wie es sich zu weihnachten gehört kerzen plätzchen tannengrün ein weihnachtsbaum zusammengeschnürt in seiner ecke die tür knallt auf familie KLEIN betritt andächtig ihr wohnzimmer kaum im zimmer angekommen beginnt hektisches weihnachtstreiben SOHN heinz reißt schranktüren und schubladen auf kramt und sucht darin nach geschenken findet jedoch kein einziges ida ordnet plätzchen und süßigkeiten auf diverse teller schlägt schranktüren und schubladen zu die heinz bereits durchsucht hat hans findet einen geeigneten platz für den baum er stellt ihn auf betrachtet ihn aus einigen metern entfernung verschiebt ihn wieder um zentimeter und so fort jeder tut seine sache gewissenhaft wie es von ihm erwartet wird nachdem jeder seine arbeit getan hat sacken sie in sich zusammen und es ist auf einmal sehr still im zimmer nach einer weile Weihnachten. Wieder mal. (SOHN lacht böse er beginnt einen turm aus bauklötzen zu bauen heinz erfreut sich nicht am bauen sondern am zusammenstürzen des turmes) 6
Was ist das für ein Baum? Unser Weihnachtsbaum. So ein verkrüppelter Ast? Stattlich. Er ist stattlich. Höchstens ein Meter und zwei Zentimeter. Ein Meter und vier Zentimeter. Welchen Zollstock hattest du? Dreißig Zentimeter. Ein dreißiger Zollstock? Ich hatte ein Lineal. Ein dreißig Zentimeter Lineal. Hans? Das grüne? Das aus Holz. Das grüne aus Holz? Das von Heinz. Das grüne aus Holz von Heinz. Hans? Das aus Holz von Heinz. Hans? Heinz hat eins aus Holz? Eins mit dreißig Zentimeter! Wo sind die Kugeln? Wo sie immer sind. Wo sind sie immer. Ida. Bei den Zeitungen. Wo sind die Zeitungen. Ida. 7
Bei den Kugeln. Hans. Heinz soll sie holen. Heinz spielt. Heinz baut. Er spielt bauen. Hans. Er ist so froh. Heinz lacht zu viel. Heinz ist so glücklich. Er lacht zu viel. Heute ist Weihnachten. Er ist zu laut! Wo sind die Zeitungen? Wo sie immer sind. Wo sind sie immer. Beim Karton mit der Blumenerde. Heinz soll sie holen. Heinz spielt! Heinz lacht zu laut! Heute ist Weihnachten! Heute lacht Heinz zu viel! 8
Heute gibt es Ente. Braten? Ente. Entenbraten. Heinz! Heute gibt es Ente! Heinz! Heute gibt es Entenbraten! (SOHN steht von seinem turm auf und verläßt das zimmer) Laß Heinz und den Braten. Heinz mag Ente. Ida. Er ißt zu wenig. (singt) Stille Nacht. (stimmt ein) Heilige. Still! (unbeirrt weiter) Heilige Nacht. (laut) Stille Nacht! (lauter) Heilige Nacht! (SOHN zieht einen riesigen karton in das zimmer und schüttet blumenerde vor die beiden) 9