2.2 Leitfaden zum Arbeitsmaterial Lernsituationen entwickeln

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Transkript:

2.2 Leitfaden zum Arbeitsmaterial Lernsituationen entwickeln Es handelt sich bei dem Arbeitsmaterial um eine Lerneinheit. Der Gegenstand ist der Aufbau von Lernsituationen für Auszubildende auf der Basis handlungsorientierter Ausbildungsmethodik. Ziel Voraussetzungen - Der Ausbilder muss bereit sein, handlungsorientierte Methoden einzusetzen. - Um die Anleitung zu verstehen, sollte der Ausbilder grundlegende Kenntnis über Geschäftsprozesse im Allgemeinen und auch in Bezug auf sein eigenes Arbeitsgebiet haben. - Er muss die Lernziele kennen, die seine Auszubildenden zu erreichen haben. Ergebnis Das Arbeitsmaterial befähigt Ausbilder, Lernsituationen zu konzipieren. Es ist auch möglich, anhand der Anleitung bereits existierende Lernsituationen zu überprüfen, um zu klären, ob alle relevanten Faktoren berücksichtigt wurden. Dadurch wird eine Verbesserung bereits verwendeter Lernsituationen möglich. Wird die Methode wie beschrieben angewandt, wird die Problemlösungsund Entscheidungskompetenz der Auszubildenden gefördert. Hinweise zur Anwendung des Arbeitsmaterials Das Arbeitsmaterial legt folgendes Vorgehen nahe: 1. Identifikation des Geschäftsprozesses. 2. Einbeziehung der Vorgaben aus dem Ausbildungsplan (basierend auf der Ausbildungsverordnung bzw. dem Rahmenlehrplan) 3. Beschreibung der Lernsituation. Es handelt sich um ein Selbstlernarbeitsmaterial. Ein grundsätzliches Verständnis der Arbeitsweise eines Ausbilders wird jedoch vorausgesetzt. Seite 1 / 10

Entwicklung und Gestaltung von Lernsituationen 1.1 Einführung Der vorliegende Text ist eine knappe Erklärung, wie man Lernsituationen für den Einsatz in einer handlungsorientierten Ausbildung entwickelt und gestaltet. Dabei wird zunächst beschrieben, wie man aus einem Geschäftsprozess und seinen zugehörigen Handlungsfeldern Lernfelder ableitet (die in modernen Curricula oft schon definiert sind) und daraus eine Lernsituation schafft. Im Anschluss werden eine Reihe von Leitfragen erläutert, die bei der konkreten Ausarbeitung einer Lernsituation behilflich sind. Um die Erläuterung trotz ihrer Kürze handhabbar zu machen, wurde ein Musterbeispiel für eine Lernsituation samt der Beschreibung des Geschäftsprozesses, auf dem sie basiert, beigefügt. 1.2 Geschäftsprozess Ein Geschäftsprozess ist eine Folge von Aktivitäten oder Schritten, um ein bestimmtes Geschäftsergebnis oder Produkt zu erhalten. Der Prozess wird öfter durchlaufen und stellt eine Routinetätigkeit dar. Ein Geschäftsprozess kann Teil eines anderen Geschäftsprozesses sein oder andere Geschäftsprozesse enthalten bzw. diese anstoßen. Geschäftsprozesse gehen oft über Abteilungen und Betriebsgrenzen hinweg und gehören zur Ablauforganisation eines Betriebs. Ein möglicher Beispielprozess ist die Bearbeitung von Reklamationen. In einem Großhandelsunternehmen könnten etwa der Kunde, das Call Center, das die Beschwerde aufnimmt, der zuständige Verkäufer, der Buchhalter sowie der zuständige Einkäufer sowie der Lieferant am Prozess beteiligt sein. Um die Beschreibung eines Geschäftsprozesses einfacher handhabbar zu machen, kann er in Teilprozesse aufgeteilt werden. In unserem Beispiel könnte das die kundenseitige Kommunikation, die interne Behandlung der Reklamation sowie die lieferantenseitige Kommunikation sein. Das Beispiel soll hier lediglich das Konzept verdeutlichen. In modernen Ausbildungsordnungen bzw. Curricula ist das Stoffgebiet in aller Regel bereits nach typischen Geschäftsprozessen der entsprechenden Branche gestaltet. Um das Konzept weiter zu veranschaulichen, ist dieser Erläuterung ein Muster für eine Lernsituation zusammen mit einem Mustergeschäftsprozess beigefügt. 1.3 Handlungsfelder Handlungsfelder werden aus den Geschäftsprozessen abgeleitet und sind zusammengehörige Aufgabenkomplexe mit beruflichen sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen, zu deren Bewältigung befähigt werden soll. Wie man auf eine Kundenbeschwerde am Telefon reagieren kann, ist beispielsweise ein Handlungsfeld. Handlungsfelder haben mehrere Aspekte: berufliche (z.b. den Erwartungen des Unternehmens entsprechen), gesellschaftliche (z.b. den Regeln der Höflichkeit entsprechen) und individuelle (z.b. adäquat auf die anrufende Person und ihre Persönlichkeit eingehen) Problemstellungen sind miteinander verknüpft. Die Gewichtung der einzelnen Aspekte kann dabei variieren, ihre Trennung der drei Dimensionen hat nur analytischen Charakter. 1.4 Lernfelder sind didaktisch begründete und für die Ausbildung aufbereitete Handlungsfelder. Sie fassen komplexe Aufgabenstellungen zusammen, deren Bearbeitung in handlungsorientierten Lernsituationen erfolgt. Lernfelder sind durch Zielformulierungen im Sinne von Kompetenzbeschreibungen und durch Inhaltsangaben ausgelegt. Die Inhalte moderner Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrpläne sind üblicherweise in Lernfelder aufgeteilt. Seite 2 / 10

1.5 Lernsituationen Lernsituationen konkretisieren Lernfelder und strukturieren sie für Schulungszwecke. Sie beschreiben Aktivitäten, die zu einem bestimmten Lernfeld gehören zusammen mit den Kompetenzen, die zu ihrer Bearbeitung erforderlich sind und wenden dies auf eine konkrete Aufgabenstellung an. Lernsituationen - basieren auf komplexen Aufgabenstellungen, - sind ganzheitlich und handlungsorientiert (folgen dem Prinzip der vollständigen und abgeschlossenen Handlung 1 als Kennzeichen der beruflichen Handlungskompetenz), - berücksichtigen die Zielvorgaben des Lehrplans und - bieten lernfördernde Rahmenbedingungen (z.b. Räume, Medien, neue Informations- und Kommunikationstechnik, Selbstlernorte, Lernortkooperationen) Gestaltungsprinzipien von Lernsituationen sind: - offene Situation bezüglich der Problembearbeitung und Lösung - Individualisierung in Bezug auf die Lernenden bzw. sonstige Rahmenbedingungen - Reflexion des Problemlösungsansatzes und des Endergebnisses sowie Entwicklung von Lernstrategien - Kooperation zwischen Lernenden, Lernbegleitern und Betrieben Die genannten Gestaltungsprinzipien sind in Abbildung 2 veranschaulicht. Lernsituationen dürfen nicht verwechselt werden mit Fallbearbeitungen oder Fallbeispielen, da sie wesentlich offener gehalten sind in der Problembearbeitung und der Lösung. Folgende Fragen helfen dabei, eine Lernsituation zu entwickeln: - Welche Lernziele sollen erreicht werden? In den meisten Fällen sind Curricula vorhanden, an denen sich orientiert werden muss. Die Lernsituation muss der Erreichung von Lernzielen aus dem jeweiligen Curriculum dienen. - Welche Aufgaben eignen sich dazu, Lernende bei der Lernzielerreichung zu unterstützen? Lernziele lassen sich über Aktivitäten erreichen. Der Ausbilder überlegt nun, welche Aktivitäten zur Erreichung eines Lernziels geeignet sind und in welcher typischen Arbeitssituation Aktivitäten, die mit den Lernzielen korrespondieren, ausgeführt werden. Die entsprechende Arbeitssituation bildet die Grundlage für eine Lernsituation. - Was ist der Inhalt der Lernsituation? Um aus einer Arbeitssituation eine Lernsituation zu machen, verdeutlicht sich der Ausbilder die Schritte, die zur Bearbeitung der Situation nötig sind. Das Geschäftsprozessdiagramm für die als Beispiel gewählte Lernsituation zeigt ein Muster für eine solche Beschreibung. 1 Das Prinzip der abgeschlossenen, vollständigen Handlung verlangt, dass seine Lernsituation dem Auszubildenden oder Praktikanten erlauben soll, die folgenden, aufeinander aufbauenden Schritte durchlaufen zu können: 1. Informationsbeschaffung (Arbeitsmaterial, Arbeitsfeld, Kunden etc.) 2. Planung der Arbeitsschritte 3. Entscheiden 4. Die Arbeitsaufgaben ausführen 5. Das Ergebnis kontrollieren (Zielerreichung) 6. Bewertung des Arbeitsergebnisses (Entspricht das Ergebnis den Erwartungen (Qualitätsmanagement)? Was lässt sich verbessern?) Seite 3 / 10

- Welche Aktivitäten soll der Lernende ausführen können? Der Ausbilder legt fest, welche Teile einer komplexen Arbeitssituation der Lernende ausführen soll. - Welche Kompetenzen erfordert die Situation? Der Ausbilder prüft, welche Kompetenzen für die Bearbeitung erforderlich sind. Neben Fachkompetenzen sind hier auch benötigte Schlüsselqualifikationen zu beachten. - Welche Akteure sind noch einbezogen? Sollten sie vorinformiert werden? Die Einbeziehung weiterer beteiligter Personen, mit denen der Lernende Berührung haben wird, ist sinnvoll, da dies auch die Möglichkeit für ein späteres Feedback eröffnet. - Wie kann der Lernende unterstützt werden? Es kann sein, dass der Lernende Unterstützung benötigt. Da er jedoch auch lernen muss, sich selbst zu helfen, sollte der Ausbilder Sorge tragen, dass der Lernende Ressourcen und Lernhilfen kennt und zu nutzen weiß. Lernende, die nicht auch lernen sich Hilfe und Unterstützung zu organisieren, werden langfristig weniger gut abschneiden. Für einen besseren Überblick sind die Fragen in Abbildung 1 übersichtlich dargestellt. Da sich einmal beschriebene Lernsituationen wiederverwenden lassen, sollten sie dokumentiert werden. Die beiliegende Musterlernsituation zeigt auch, wie eine solche Dokumentation aussehen kann. Zusammenfassung: Zur Gestaltung einer Lernsituation sollten folgende Punkte berücksichtigt bzw. reflektiert werden: - Die Lernziele des Curriculums. - Das organisatorische Umfeld des Betriebes. - Eine komplexe Arbeitsaufgabe. - Die Methode handlungsorientieren Lernens. Abbildung 3 fasst diese 4 Faktoren noch einmal zusammen. Seite 4 / 10

Abbildung 1 Überlegungen bezüglich der Lernsituationen: Welche Ziele gibt das Lernfeld vor? Welche Kompetenzen sind hier von Bedeutung? Welche Handlungen sollen die Auszubildenden können? Welche Inhalte werden verlangt? Wie kann ich die Auszubildenden unterstützen? Muss / kann ich mich mit Kollegen bzgl. der Inhalte abstimmen? Welche Aufgabe bzw. Problem führt zur Erreichung der Ziele? Seite 5 / 10

Abbildung 2 Gestaltungsprinzipien von Lernsituationen offene Situation bezüglich der Problembearbeitung und Lösung Individualisierung in Bezug auf Lernende bzw. sonstige Rahmenbedingungen vollständige, abgeschlossene Handlung (als Kennzeichen der beruflichen Handlungskompetenz) Reflexion des Problemlösungsansatzes und des Endergebnisses möglich Kooperation zwischen Auszubildenden, Ausbildern und anderen Akteuren Seite 6 / 10

Abbildung 3 Entwickeln einer Lernsituation - Checkliste Komplexe Aufgabenstellung - Sind die Aufgaben offen und teilnehmeradäquat und werden sie im Laufe des Lernprozesses komplexer? - Sind die Aufgaben in sinnvolle Kontexte integriert? - Verdeutlichen die Aufgaben die Vielschichtigkeit des beruflichen Handlungsfeldes? - Sind die Aufgaben für Differenzierungen (z.b. für Betriebsspezifika) offen? Handlungsorientierung - Können die Auszubildenden eine vollständige, abgeschlossene Handlung (d.h., Planung, Durchführung, Präsentation, Dokumentation) durchführen? - Wird von den Auszubildenden eine problemlösende Aktivität verlangt? - Eröffnet die Problemstellung den Auszubildenden Gestaltungsspielräume? - Spiegelt der Arbeitsauftrag die betriebliche Wirklichkeit ausreichend wieder? Zielvorgaben des Ausbildungsplans - Können die Auszubildenden sich die fachlichen Inhalte des Lehrplans erarbeiten? - Welche Kompetenzen können besonders entwickelt werden? - Werden die Zeitvorgaben des Ausbildungsplanes eingehalten? - Sind Phasen begrifflicher Reflexion vorgesehen? Organisatorische Rahmenbedingungen - Werden die individuellen Lernvoraussetzungen der Auszubildenden berücksichtigt? - Welche Räume und welche Medien werden benötigt? - Bietet sich eine Zusammenarbeit im Rahmen der Lernortkooperation an? - Können neue Informations- und Kommunikationstechniken eingesetzt werden und gibt es Selbstlernmöglichkeiten? Seite 7 / 10

Beispiel einer Lernsituation Musterbeispiel einer Lernsituation 1. Die Lernsituation a. Hintergrund Lernsituation: Kundenanfrage bearbeiten 2 Szenario: Eine Kundenanfrage (E-Mail) wird ausgedruckt und dem/der Auszubildenden mit folgender Aufgabenstellung zur Bearbeitung übergeben: Prüfen Sie, ob dieser Auftrag von uns ausgeführt werden kann. Beschreiben Sie, wie Sie zu Ihrer Antwort kommen und begründen Sie diese. Wenn die Anfrage ausgeführt werden kann (sprechen Sie das zunächst mit Ihrem Ausbilder ab), schreiben Sie ein Angebot für den Kunden. Beteiligte Personen: Auszubildende/-r Ausbilder/-in, ggf. Kunde (falls Rückfragen notwendig sind) Problem: Die Anfrage muss beantwortet werden Information: Kundenanfrage, Zugang zur im Unternehmen eingesetzten Software zur Auftragsbearbeitung und Produktionsplanung b. Handlungsablauf (vollständige Handlung) Phase Was ist zu tun bzw. wird benötigt 1. Analysieren Kundenanfrage, Informationen aus Auftragsbearbeitungs- / Produktionsplanungssystem (laufende und geplante Aufträge, Kundendaten, Kapazität) 2. Planen Kapazitätsprüfung, Bonitätsprüfung, Komponentenverfügbarkeit prüfen, Zeitschiene der Anfrage / des Auftrags, geschätzte Ausführungsdauer 3. Entscheiden Entscheiden: Ausführung möglich oder nicht, Ergebnis mit Ausbilder besprechen 4. Ausführen Angebot an Kunde schreiben 5. Überwachen Kundenreaktion verfolgen 6. Bewerten Erfolgsbewertung, Lessons-Learned mit Auszubildendem/-r auswerten c. Ergebnis (Präsentation, Dokumentation, Kontrolle) - Angebot angenommen oder abgelehnt - Ergebnis dem Ausbilder präsentiert - Ergebnis besprechen und bewerten, Schlussfolgerungen ziehen 2 Das Beispiel bezieht sich auf ein Unternhemen, das PC s zusammenbaut und verkauft. Die einzelnen Komponenten werden von Lieferanten beschafft, die Firma baut die PC s zusammen und verkauft sie auftragsbezogen. 27.04.2009 Seite 8 / 10

Beispiel einer Lernsituation 2. Kompetenzen (Fachkompetenz / Schlüsselqualifikationen) Der/die Auszubildende soll - Informationen aus dem kaufmännischen Softwaresystem des Unternehmens sammeln, - kommunizieren (mit Kollegen, mit Kunde), - die Kompetenz erwerben entscheiden zu können, ob eine Kundeanfrage ausgeführt werden kann oder nicht und - praktische Kenntnis des zugrunde liegenden Geschäftsprozesses erwerben. 3. Abgedeckte Themen (Lernfelder des Ausbildungsplans) 1. Leistungserstellungsprozesse planen, steuern und kontrollieren (Lernfeld 5) a. Kapazitätsplanung b. Produktionsplanung (Zeit) 2. Beschaffungsprozesse planen, steuern und kontrollieren (Lernfeld 6) a. Auswahl von Komponenten b. Verfügbarkeit prüfen (Zeit, Menge, Preis) 3. Absatzprozesse planen, steuern und und kontrollieren (Lernfeld 10) a. Anfrage und Angebot b. Kundenbonität 4. Hinweise An dieser Stelle werden Informationen zu folgenden Aspekten gegeben: - Ansprechpartner im Unternehmen - Zeitschiene - Ressourcen - Bewertungsmethode Anhang Abbildung 4 auf der folgenden Seite zeigt den Mustergeschäftsprozess, der der dargestellten Lernsituation zugrunde liegt. 27.04.2009 Seite 9 / 10

Abbildung 4 Arbeitsmaterial 3 Entwicklung von Lernsituationen 1 2 3 4 5 6 7 Zahlungsbedingungen prüfen Kreditwürdigkeit prüfen Verfügbarkeit montierte PC s prüfen Kapazität in Montage prüfen Lager auf Teileverfügbarkeit prüfen Einkaufsoptionen prüfen Angebot oder Ablehnung 4 5+6 3 2 1 7 Verkäufer Buchhalter Einkäufer PC-Montage Geschäftsprozess Kundenanfrage 12.05.2009 Seite 10