Manuel Schöbel STERNTALER Ein Großstadtmärchen nach den Brüdern Grimm 1
henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2000 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2
PERSONEN Sterntaler ihre Wolf, wahrscheinlich ein Junge Franz Bösemann Karl Halsband Paul Hans Koffer Carla Vielkind ihre Mutter und verschiedene Puppen 3
VORSPIEL Stimmen Schauspieler Schauspieler Sterntaler fallen nicht vom Himmel. Sie laufen durch die Stadt. Sterntaler kann nur der noch finden, der ein Herz wie hat. Kennst du das Märchen vom Sterntaler? Ja, meine hat es mir erzählt. Ich habe heute das Mädchen Sterntaler gesehen. Ich auch. Ich auch. Wo? Hier in der Stadt. Wie sah sie aus? So ungefähr wie dieses Mädchen. Aber die ist doch noch so klein. Sieben Jahre, das ist doch nicht klein. Das Mädchen in dem Märchen war auch sieben Jahre. Weißt du noch, wie das Märchen beginnt? Es beginnt wie alle Märchen. Es war einmal Da lebte ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es wohnte bei seiner. Wie sah die aus? Na, sie hatte eine Brille und einen dicken Mantel und diese Filzpantoffeln. Sie war sehr alt., wie alt bist du eigentlich? Wer? Ich. 5
Stimmen Ja, du, die. Und wer ist das Sterntaler-Mädchen? Ich. Ich. Ich. Woran soll ich Sterntaler erkennen? (Drei junge nen sagen nacheinander.) Ich teile gern. Ich helfe gern. Ich suche Freunde. Dann sind alle drei vielleicht Sterntaler? Wie soll ich mich entscheiden? Es muß ganz einfach sein. Es ist ein Märchen. Schwiddewupp, Schwiddewapp, und du bist ab. Eene meene muh, und raus bist du. Du spielst Sterntaler. 1. BILD Bei zu Hause. 1. SZENE Sterntaler spielt los, aber die muß bald gehen. Los, spielen,. Was denn,? Was denn,. Was denn,. Du bist eine richtige Was-denn--. Wir spielen Wörter erfinden. Langwörter erfinden. Bandwurmlangwörter erfinden. Du bist dran. Los spielen. Du bist eine Losspielen-. Zu kurz. 6
Doktor Du bist eine Immerzulosspielen-nie-wieder-warten-. Ich bin ein Spielerfinder. Du bist ein Spielerfinderwunderkind. Phantasiespielerfinderwunderkind. Dann bin ich eine Phantasiespielerfinderwunderkindoma. Und jetzt ist Schlafenszeit. Du bist eine Phantasiespielverderberin. Und du bist ein Nervensägenwunderkind. Willst du jetzt beleidigt spielen? Nein, das ist langweilig. Ich will lieber be be betrunken spielen. Los, wir spielen,. Was denn,? Geburtstag. Wir spielen Geburtstag. Du bist das Geburtstagskind, und ich bin die Gäste, alle. Erst kommt der Doktor. Na, das ist aber ein Wunder. So alt und noch so gut beieinander. Wie alt bist du eigentlich,? 87. Doktor Da gratuliere ich aber herzlich. Und als Geschenk hier einen Kräutertee. Jetzt muß ich leider weiter. Die Katze vom Lehrer hat Schnupfen. Dann klopft es Und du mußt fragen: Wer ist draußen? Wer ist draußen? Der Polizist. Den seh ich aber gar nicht gerne. Laß ihn rein, Oma, ja bitte. 7
Polizist Polizist Königssohn Königssohn Königssohn Also bitte, herein. Aber nur ganz kurz. Schließlich hab ich Geburtstag. Herein. Zu Befehl. Ganz kurz. Ich gratuliere. Herzlich. Und Entschuldigung. Wofür denn? Daß ich immer so rumschnauze. Will ich gewiß nicht wieder tun. Nie wieder. Versprochen. Wiedersehen. Weg ist er. Schön wärs. Plötzlich kommt ein junger Königssohn. Wo kommt der denn her? Über sieben Berge und durch sieben Seen. Ich will so gern Ihre Enkeltochter sehn. Man erzählt sich weit und breit, sie wär eine große Schönheit. Das ist sie auch. Aber, Königssohn, ich will dir im Vertrauen noch etwas sagen. Sie ist sehr widerspenstig. Davon hat man gar nichts erzählt. Zum Beispiel will sie nie ins Bett. Das ist allerdings ein Problem. Kann ich sie kurz sprechen? Natürlich., komm doch mal her. Keine Zeit. Besuch für dich. Soll morgen wiederkommen. So spricht man nicht mit einem Königssohn. Königssohn? Kann bleiben, wo der Pfeffer wächst. Brauchen wir hier nicht. 8
Königssohn Haben Sie gehört? Ja, ja. Muß weiter. Hab mich wohl in der Adresse geirrt. Und dann ist er weg. Und wir feiern diesen Geburtstag. Und spielen betrunken. Und tanzen. Los,, tanzen. (Mitten im Tanz bleibt die stehen und greift sich an ihr Herz.) Du kannst aber gut betrunken spielen. Hör auf jetzt. Hör auf zu spielen. Ich bin müde. Ach, so. Ja, ich will schlafen. Erzählst du noch ein Märchen? Ich denke, die sind langweilig? Es war einmal ein kleines Mädchen, der waren Vater und Mutter gestorben, und sie war so arm, daß sie kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, Du mußt langsamer erzählen. Das geht nicht. und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihr ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Sie war aber gut und fromm. Und weil sie so von aller Welt verlassen war, ging sie im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Deine Märchen reichen nie so lange, wie ich brauche, um einzuschlafen. Da begegnete ihr ein armer Mann, der sprach: Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig. Sie reichte ihm das ganze Stückchen Brot Du mußt dir Zeit nehmen. Ich hab keine mehr. und sagte: Gott segne dirs! und ging weiter. 9