Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung medizinisch - diagnostischer Untersuchungen 1090 Wien, Hörlgasse 18/5; Tel: +43 1 319 88 95; Fax: +43 1 319 88 97 office@oequasta.at www.oequasta.at DVR-Nr.: 4012640 An die Teilnehmer des 144. Durchganges des Rundversuches Hämatologie Wien, am 23.03.2016 Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, im 144. Durchgang des Rundversuches Hämatologie wurden folgende Ergebnisse erzielt: Die Ergebnisse des kleinen Blutbildes entnehmen Sie bitte vorerst dem Dokument Gesamtauswertung. mikroskopisches Differentialblutbild Mikroskopisches Differentialblutbild (%) Ergebnisse im Akzeptanzbereich 198 Teilnehmer Ausstrich Probe A Stabkernige 3-13 178 Segmentkernige 35-55 179 Eosinophile 1-9 195 Basophile 4-12 154 Monozyten 1-5 186 Lymphozyten 8-21 185 Atyp. Lymphozyten 0-1 82 Blasten 0-2 156 Promyelozyten 1-7 176 Myelozyten 6-16 154 Metamyelozyten 1-10 191 Plasmazellen 0-1 86 Erythroblasten/100 Leukozyten 0-1 90 Sonstige Zellen/100 Leukozyten 0-1 73 Erythrozyten-Morphologie 180 Teilnehmer Ausstrich korrekt unauffällig X 120 Anisozytose X 54 Poikilozytose X 7 Polychromasie X 9 02_144 Bericht, Version 1 Freigegeben Seite 1 von 5
Leukozyten-Morphologie 148 Teilnehmer Probe A korrekt unauffällig X 59 toxische Granulation X 59 Thrombozyten-Morphologie 180 Teilnehmer Ausstrich korrekt Riesenthrombozyten X 138 Diagnosen V.a. chronisch myeloische Leukämie V.a. primäre Myelofibrose 1. Diagnose 2. Diagnose Ausstrich korrekt X 178 6 X 4 Beurteilung Ausstrich 194 Angaben Probe A gut beurteilbar 110 beurteilbar 72 schlecht beurteilbar 9 nicht beurteilbar 3 Als Kontrollproben wurden am 22.02.2016 von Diagon bzw. der Versuchsleitung hergestellte Kontrollproben verschickt. Ende der Rücksendefrist war 04.03.2016; danach einlangende Ergebnisse wurden für die Auswertung nicht berücksichtigt. TN = Anzahl der Teilnehmer im Kollektiv. wertermittlung für kleines Blutbild aus Konsenswert der Teilnehmer, für Differentialblutbild aus Vorgabe der Versuchsleitung. Die Zusammensetzung der Kollektive entnehmen Sie bitte dem Dokument Vergleichbarkeitsklassen. Der Blutausstrich stammte von einem 32-jährigen Patienten, bei dem im Zuge einer Durchuntersuchung wegen Müdigkeit und Abgeschlagenheit eine Leukozytose (40 G/l ) und eine Thrombozytose (726 G/l) festgestellt wurden. Die übrigen laborchemischen Parameter waren abgesehen von einem mit 429 U/l (Referenzbereich <250U/l) erhöhten LDH-Wert weitgehend unauffällig. Bei der physikalischen Krankenuntersuchung war die Milz ca. 1 Querfinger unterhalb des linken Rippenbogens palpabel, sonst fanden sich keine weiteren Auffälligkeiten. Wie die überwiegende Mehrheit (90%!) aller Teilnehmer richtig erkannt hat, lautet die Verdachtsdiagnose Nr.1 bei diesem Patienten: Chronisch myeloische Leukämie. Die hierfür typischen Veränderungen im Blutausstrich waren die Linksverschiebung, die ihren Gipfel in der Myelozytenpopulation hat, und die Basophilie. Die Linksverschiebung ging bis zum Blasten, diese waren allerdings nur vereinzelt zu sehen, sodass sie bei einer 100-Zellzählung nicht notwendigerweise auftauchen mussten. Promyelozyten waren jedenfalls ausreichend vorhanden und sollten daher bei jeder 100-Zellzählung zu finden gewesen sein. Auffällig war auch noch das vermehrte Vorkommen von Riesenthrombozyten. Ganz besonders möchte ich jenen Teilnehmern gratulieren, die Erythroblasten bzw. einen Mikromegakaryozytenkern gefunden haben. Da diese Zellen nur extrem vereinzelt zu finden waren, spricht die Tatsache, dass sie aufgefunden wurden, 02_144 Bericht, Version 1 Freigegeben Seite 2 von 5
dafür, dass der Ausstrich mit äußerster Sorgfalt durchgemustert wurde. Die myeloischen Zellen waren zum Teil leicht toxisch granuliert, die Erythrozytenmorphologie war abgesehen von einer leichten Aniso- und Poikilozytose weitgehend unauffällig. Die Lymphozytenmorphologie zeigte keine nennenswerten Auffälligkeiten. Als Differentialdiagnose kommt bei der Konstellation Leukozytose, Thrombozytose, Linksverschiebung bis zum Blasten, Basophilie, Riesenthrombozyten noch eine andere myeloproliferative Erkrankung, die primäre Myelofibrose, in Betracht. Nicht ganz typisch dafür ist die Art der Linksverschiebung mit dem deutlichen Myelozytengipfel, darüber hinaus würde man sich mehr erythrozytopoetische Vorstufen, sowie eine deutlicher pathologisch veränderte Erythrozyten- und Thrombozytenmorphologie (+ Megakaryozytenkerne) erwarten. Die weiterführende diagnostische Untersuchung, die am einfachsten und raschesten die Verdachtsdiagnose Nr.1 bestätigt, ist eine molekulargenetische BCR-ABL Bestimmung aus dem Blut. Diese zeigte bei unserem Patienten eine klassische BCR-ABL Translokation (Major Breakpoint) und bestätigte somit die Diagnose Chronisch myeloische Leukämie (CML). An weiteren Untersuchungen sollten bei Diagnose einer CML zur Beurteilung des Krankheitsstadiums immer auch eine Knochenmarksuntersuchung inklusive Histologie und Karyogramm durchgeführt werden. Bei unserem Patienten zeigte sich in der Knochenmarkshistologie das typische Bild einer CML in chronischer Phase ohne Faservermehrung. Die zytogenetische Untersuchung zeigte eine t(9;22)(q34;q11)(= Philadelphia-Chromosom ) ohne weitere Anomalien. Somit liegt bei dem Patienten in Zusammenschau aller erhobenen Befunde eine CML in chronischer Phase vor. Es wurde eine Behandlung mit Glivec eingeleitet, worauf sich das periphere Blut- und Differentialblutbild bereits innerhalb der ersten 4 Wochen normalisierten. 02_144 Bericht, Version 1 Freigegeben Seite 3 von 5
Abschließend möchte ich noch auf die anderen geäußerten Verdachtsdiagnosen eingehen: Reaktive Linksverschiebung: eine reaktive Linksverschiebung geht fast nie bis zum Blasten und verjüngt sich typischerweise kontinuierlich in Richtung unreifere Zellen (unser Patient hat hingegen einen Myelozytengipfel ), außerdem spricht die ausgeprägte Basophilie gegen ein reaktives Geschehen und für eine myeloproliferative Neoplasie. Essentielle Thrombozytose: bei der essentiellen Thrombozytose besteht meist gar keine Leukozytose und wenn, dann ist diese - ebenso wie eine allfällige Linksverschiebung - nur leicht ausgeprägt. Auch die deutliche Basophilie spricht dagegen. Chronische Neutrophilenleukämie: diese ist u.a. dadurch definiert, dass Segmentkernige + Stabkernige mehr als 80% und Promyelozyten + Myelozyten + Metamyelozyten weniger als 10% aller Leukozyten ausmachen. Bei unserem Patienten ist die Linksverschiebung wesentlich deutlicher ausgeprägt. Chronische myelomonozytäre Leukämie: es fehlt die Vermehrung monozytärer Zellen. Der Monozytenanteil im peripheren Blut beträgt bei der chronisch myelomonozytären Leukämie fast immer > 10%, bei unserem Patienten beträgt der Monozytenanteil <5%. 02_144 Bericht, Version 1 Freigegeben Seite 4 von 5
Myelodysplastisches Syndrom: Leitsymptom des myelodysplastischen Syndroms ist die ineffektive Hämatopoese, die typischerweise in einer peripheren Zytopenie resultiert. Morphologisch sind die betroffenen Zelllinien typisch dysplastisch verändert. Unser Patient hat keine Zytopenie, vielmehr eine ausgeprägte Leuko- und Thrombozytose, zudem zeigen die myeloischen Zellen keine nennenswerte Dysplasie. Akute Leukämie: das Differentialblutbild bei akuter Leukämie zeigt typischerweise einen Hiatus leukämicus (Blasten und reife Granulozyten nebeneinander, daneben keine oder nur wenige Zwischenstufen). Bei unserem Patienten dominieren die Zwischenstufen, Blasten finden sich nur vereinzelt. Infektiöse Mononukleose: diese ist charakterisiert durch eine Proliferation aktivierter Lymphozyten (Viruzyten). Unser Patient zeigt eine Myeloproliferation, der Lymphozytenanteil liegt <20%, die Lymphozyten zeigen keine morphologischen Auffälligkeiten. Wir empfehlen allen Teilnehmern, die die Akzeptanzbereiche nicht erreicht haben, die Durchführung einer Ursachenanalyse und anschließende Einleitung von Korrektur- bzw. Vorbeugemaßnahmen. Mit besten Grüßen Dr. Christoph Buchta, MBA Technische Leitung a. o. Univ.-Prof. Dr. Ilse Schwarzinger Versuchsleitung 02_144 Bericht, Version 1 Freigegeben Seite 5 von 5