Philosophische Fakultät Institut für Philosophie, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Dr. Holm Bräuer. Proseminar. Paradoxien WS 2009/2010

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Transkript:

Di (5) [14:50 16:20] BZW A151 Philosophische Fakultät Institut für Philosophie, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Dr. Holm Bräuer Proseminar Paradoxien WS 2009/2010 Büro: BZW A 416 Sprechstunde: Mi 15:00 16:00 Fon: 0351-463-32257 Email: Holm.Braeuer@mailbox.tu-dresden.de http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophische_fakultaet/iph/thph/braeuer/index_html Hinweise zum Erwerb von Leistungspunkten (Credits) Aufbaumodul Theoretische Philosophie (Phil-AM1) Aufbaumodul Philosophie der Wissenschaft und Technik (Phil-AM3) Studienordnung: Voraussetzungen für die Vergabe von Credits Die Credits werden erworben, wenn die Modulprüfung bestanden ist. Die Modulprüfung besteht aus einer Seminararbeit und einer mündlichen Prüfungsleistung in zwei verschiedenen Proseminaren. Die mündliche Prüfungsleistung umfasst Themen des jeweiligen Proseminars. Als Studienleistungen (Prüfungsvorleistungen) sind ein Protokoll, ein Essay, ein Thesenpapier oder ein Referat erforderlich. In jedem gewählten Proseminar ist mindestens eine Studienleistung zu erbringen. Seminararbeit (4 Credits) oder kleine mündliche Prüfung (2 Credits) oder kleinere Leistung = Referat (1 Credit) WS 2009-2010 PS Paradoxien 2 1

Hinweise zum Erwerb von Leistungspunkten (Credits) Referat Präsentieren Sie Ihr Referat unter Verwendung eines Handouts oder einer Folie. Setzen Sie den Schwerpunkt auf die Struktur des Textes; verwenden sie dazu Zwischenüberschriften, Diagramme und andere Hilfsmittel! (Keine Nacherzählungen!) Versuchen Sie Ihren Vortrag so klar als möglich zu strukturieren. Das Referat sollte nicht mehr als 15 min dauern. Gehen Sie am Ende auf die Fragen Ihrer Kommilitonen ein. Hausarbeit Sprechen Sie das Thema und die Fragestellungen der Arbeit vorher mit mir ab. Sammeln und ordnen Sie das Material, welches Sie zur Beantwortung der entsprechenden Fragestellung benötigen. Machen Sie sich einen Plan, in welcher Reihenfolge Sie die einzelnen Argumente, Thesen und Beispiele vorstellen und diskutieren möchten. Geben Sie zum Schluss eine kurze Zusammenfassung ihres Ergebnisses. Eine Hausarbeit sollte 10 bis maximal 15 Seiten umfassen. Letzter Abgabetermin: 31.03.2010 (Danach werden keine Arbeiten mehr angenommen!) Mündliche Prüfung Sprechen Sie das Thema und die Fragestellungen der Prüfung vorher mit mir ab. Benutzen Sie zur Vorbereitung einschlägige und zugängliche Sekundärliteratur (gerne auch Lexika und Übersichtsdarstellungen). WS 2009-2010 PS Paradoxien 3 Seminarplan 13.10.2009 Einführung & Organisatorisches (Bräuer) 20.10.2009 Philosophieren = Argumentieren 27.10.2009 Paradoxie der Veränderung/ Identität (Theseus Schiff) 03.11.2009 Paradoxie des Raums 10.11.2009 Paradoxie der Zeit/ Bewegung 17.11.2009 Sorites-Paradoxie I (Vagheit) 24.11.2009 Sorites-Paradoxie II (Vagheit) 01.12.2009 Newcombs Paradoxie 08.12.2009 Gefangenendilemma 15.12.2009 Rabenparadoxie 05.01.2010 Grue 12.01.2010 Wissensparadoxie 19.01.2010 Russells Paradoxie 26.01.2010 Lügnerparadoxie 02.02.2010 Abschlussdiskussion WS 2009-2010 PS Paradoxien 4 2

Gültige Argumente WS 2009-2010 PS Paradoxien 5 Was ist überhaupt ein Argument? Ein Argument ist die Stützung einer Überzeugung (Aussage, These, Annahme etc.) durch Gründe. Ein Argument besteht selbst aus einer Reihe von Aussagen. Eine der Aussagen ist das, wofür argumentiert wird: technisch gesprochen die Konklusion. Die anderen Aussagen bestehen in der Angabe dessen, worauf sich diese Konklusion als Voraussetzung stützt (die Gründe): technisch gesprochen die Prämissen. Prämisse 1: Prämisse 2: Prämisse 3: Konklusion: Mord ist moralisch unzulässig. Wenn Abtreibung Mord ist, dann ist auch Abtreibung moralisch unzulässig. Abtreibung ist Mord. Abtreibung ist moralisch unzulässig. Ein Argument lässt sich auf zweierlei Weise bestreiten: 1) Nachweis, dass es kein formal gültiges Argument ist. (Formfrage) 2) Nachweis, dass eine oder mehrere Prämissen falsch oder unzulässig sind. (Tatsachenfrage) WS 2009-2010 PS Paradoxien 6 3

Argumente und ihre Gültigkeit Formale Gültigkeit Wenn der Opponent alle Prämissen eines Arguments akzeptiert, dann ist er gezwungen, der Konklusion zuzustimmen, falls das Argument der Form nach gültig ist. In unserem Beispielfall handelt es sich um ein gültiges Argument. Es hat die folgende Form: Wenn p, dann q p Also: q Wenn Abtreibung Mord ist, dann ist Abtreibung moralisch unzulässig. Abtreibung ist Mord. Also: Abtreibung ist moralisch unzulässig. Diese Argumentform hat den lateinischen Namen Modus Ponens. WS 2009-2010 PS Paradoxien 7 Argumente Formale Gültigkeit Das Gegenstück zum Modus Ponens ist ein formal ungültiges Argument: Wenn p, dann q q Also: p Prämisse: Prämisse: Wenn Gott die Welt erschaffen hat, dann herrschen Ordnung und Gesetzmäßigkeit. In der Welt herrschen Ordnung und Gesetzmäßigkeit. Konklusion: Daher wurde die Welt von Gott erschaffen. WS 2009-2010 PS Paradoxien 8 4

Argumente Materiale Gültigkeit Die formale Gültigkeit eines Arguments reicht noch nicht aus, um von einem erfolgreichen Argument zu sprechen. Die meisten wenn auch nicht alle Argumente sind formal gültig und dennoch nicht akzeptabel. Was Sie jetzt noch tun können, ist die Wahrheit der Prämissen (der angegebenen Gründe) zu bezweifeln. Dieser Aspekt heißt materiale Gültigkeit. Prämisse: Wenn Abtreibung Mord ist, dann ist Abtreibung moralisch unzulässig. Prämisse: Abtreibung ist Mord.????? Konklusion: Abtreibung ist moralisch unzulässig.????? WS 2009-2010 PS Paradoxien 9 Indirekter Beweis reductio ad absurdum Bei einem indirekten Beweis wird eine Aussage argumentativ gestützt, indem gezeigt wird, dass aus ihrer Negation entweder ein logischer Widerspruch oder ein Widerspruch zu einer bereits anerkannten These folgt. Wir wollen zeigen, dass nicht alle Menschen Griechen sind. Annahme: Alle Menschen sind Griechen. (Negation unserer Aussage) Anerkannte Prämisse: Cicero ist ein Mensch. Konklusion: Cicero ist ein Grieche. Weitere anerkannte These: Cicero ist kein Grieche (sondern Römer). Widerspruch: Cicero ist ein Grieche und ist kein Grieche. (A und nicht-a.) Konklusion des indirekten Beweise: Nicht alle Menschen sind Griechen. WS 2009-2010 PS Paradoxien 10 5

Unzulässige Argumente WS 2009-2010 PS Paradoxien 11 Widersprüche und Antinomien Widerspruch: heißt eine Aussage der Form A und nicht A. Inkonsistenz: Eine Menge von Aussagen heißt inkonsistent, wenn sie einen Widerspruch enthält, also z.b. zu einer Aussage der Form A und nicht A führt. Antinomie: heißt eine spezielle Art des logischen Widerspruchs, bei der die zueinander in Widerspruch stehenden Aussagen gleichermaßen gut begründet (bzw. im Fall formaler Systeme: bewiesen) sind. Aus einem widersprüchlichen System von Aussagen (d.h. einem Argument oder einer Theorie) ist jede beliebige Aussage ableitbar. Es ist daher unbrauchbar. (ex falso quodlibet) WS 2009-2010 PS Paradoxien 12 6

Die vier Antinomien des reinen Verstandes (Immanuel Kant) Erste Antinomie: Kosmologisches Raum-Zeit-Problem These: Die Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen. Antithese: Die Welt hat keinen Anfang, und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit, als des Raumes, unendlich. Zweite Antinomie: Unteilbarkeit oder unendliche Teilbarkeit der Materie These: Eine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts als das Einfache, oder das, was aus diesem zusammengesetzt ist. Antithese: Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts Einfaches in derselben. (unendliche Teilbarkeit) WS 2009-2010 PS Paradoxien 13 Die vier Antinomien des reinen Verstandes (Immanuel Kant) Dritte Antinomie: Naturkausalität kontra Freiheit These: Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig. Antithese: Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur. Vierte Antinomie: Zufall vs. absolute Notwendigkeit These: Zu der Welt gehört etwas, das, entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache, ein schlechthin notwendiges Wesen ist. Antithese: Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache. WS 2009-2010 PS Paradoxien 14 7

Paradoxien Ein Paradoxon oder Paradox ([alt]griechisch παράδοξον, von παρα~, para~ - gegen~ und δόξα, dóxa - Meinung, Ansicht), auch Paradoxie (παραδοξία) genannt, ist eine spezielle Art von Widerspruch. Als Paradoxie wird eine wohlbegründete Aussage bezeichnet, die einer landläufigen, weit verbreiteten Meinung widerspricht, woraus sich aber keine echten internen logischen Schwierigkeiten ergeben. Der Widerspruch besteht hier zwischen einer Aussage, die aus einer Theorie folgt, und einer Aussage, die einer weit verbreiteten Auffassung widerspricht. Theorie Landläufige Auffassung Widerspruch A nicht-a A und nicht-a Fazit: Die Theorie lässt ist nicht mit der landläufigen Auffassung vereinbar. Das heißt nicht, dass sie intern widersprüchlich ist. WS 2009-2010 PS Paradoxien 15 Paradoxien Das Rabenparadoxon (Bestätigungsparadoxon) Annahme 1: Ein Gesetz wird durch Beobachtung seiner Instanzen bestätigt. Annahme 2: Die Bestätigung eines Gesetzes hängt nicht von dessen Formulierung ab. Gesetz: Alle Raben sind schwarz. Kontraposition: Alle nicht-schwarzen Gegenstände sind keine Raben. Schlußfolgerung: Das Gesetz Alle Raben sind schwarz lässt sich auch durch die Sichtung von weißen Kreidestücken bestätigen, denn diese sind weder schwarz, noch Raben und damit Instanzen einer logisch äquivalenten Formulierung unseres Gesetzes. Landläufige Auffassung: Das Gesetz Alle Raben sind schwarz lässt sich nicht durch die Beobachtung von weißen Kreidestücken bestätigen. denn sonst könnten wir auch Vogelkunde betreiben, ohne in den Regen hinaus zu müssen... WS 2009-2010 PS Paradoxien 16 8

Performativer Widerspruch Einen performativen Widerspruch (Widersprüchlichkeit als Folge der Negation von Selbstbezüglichkeit) erhält man, wenn man eine auf sich selbst anwendbare Aussage negiert. Ein Beispiel für einen performativen Widerspruch ist das Paradox des Eubulides: Dieser Satz ist falsch. Wahr oder falsch? Ist dieser Satz nun wahr oder falsch? a) Er ist genau dann wahr, wenn er falsch ist. b) Er ist genau dann falsch, wenn er wahr ist. Die Annahme, dass jeder Satz wahr oder falsch ist, kann bei Sätzen, die selbst die Worte wahr oder falsch enthalten, zu Widersprüchen führen. Kann man diese Frage nur verneinen? Ein Kreter: Alle Kreter lügen. Ja oder nein? Lügt er oder nicht? WS 2009-2010 PS Paradoxien 17 Dilemma Ein Dilemma (griechisch δί-λημμα: zweigliedrige Annahme, Plural: Dilemmas oder Dilemmata), auch Zwickmühle, bezeichnet eine Situation, die zwei Wahlmöglichkeiten bietet, welche jedoch beide zu einem unerwünschten Resultat führen. Es wird durch seine Ausweglosigkeit als paradox empfunden. Auch der Zwang zu einer Auswahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten kann ein Dilemma sein. Gefangenendilemma Ein Staatsanwalt schlägt zwei getrennt voneinander einsitzenden Untersuchungshäftlingen einen Handel vor. Ihnen wurde bereits eine kleinere Straftat nachgewiesen, aber eine weitere wird ihnen vorgeworfen. Nun bestehen die folgenden Alternativen: a) Schweigen beide, werden sie nur für die nachgewiesene Straftat bestraft (z.b. ein Jahr). b) Gesteht aber einer die bislang nicht nachweisbare Haupttat, so geht er zur Belohnung straffrei aus, während der andere eine weitaus höhere Strafe erhält (z.b. 10 Jahre). c) Gestehen beide, dann erhalten beide eine hohe Strafe (z.b. fünf Jahre). WS 2009-2010 PS Paradoxien 18 9

Petitio Principii und Circulus Vitiosus Bei der Petitio Principii [lateinisch: Forderung des Beweisgrundes ] handelt es sich um einen Beweis- bzw. Argumentationsfehler, der darin besteht, dass zum Beweis eine selbst erst beweisbedürftige Aussage verwendet wird. Annahme 1 Annahme 2... Annahme, die problematisch / begründungsbedürftig ist begründete These Ein Sonderfall der Petitio Principii ist der Circulus Vitiosus (Zirkelschluss), bei dem man in einem Argument die Konklusion (das, was bewiesen werden soll) schon in den Prämissen (den Beweisgründen) verwendet. Annahme 1 Annahme 2... Annahme, die (offensichtlich / verdeckt) identisch mit der begründeten These ist begründete These WS 2009-2010 PS Paradoxien 19 Petitio Principii Humes Induktionsproblem Das früher verzehrte Brot hat mich ernährt, d.h. ein Körper von diesen sinnlichen Eigenschaften war zu dieser Zeit mit dieser verborgenen Kraft ausgerüstet; folgt aber daraus, dass ein anderes Brot, zu anderer Zeit, mich ebenfalls ernähren muss und dass die gleichen sinnlichen Eigenschaften mit gleichen geheimen Kräften immer verbunden sind? Diese Folge ist durchaus nicht notwendig; wenigstens muss man anerkennen, dass hier eine... Schlussart besteht, die der Erklärung bedarf. (David Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand) 1. Annahme: In einigen Fällen habe ich die nahrhafte Wirkung von Brot erfahren. 2. Annahme: Gleichartige Gegenstände haben immer gleichartige Wirkungen. (Petitio Principii) begründete These: Jedes Brot hat eine nahrhafte Wirkung. Mit welchem Recht können wir davon ausgehen, dass gleiche Ursachen gleiche Wirkungen haben? Woher nehmen wir die Gewissheit, dass sich die Natur gleichförmig verhält? WS 2009-2010 PS Paradoxien 20 10

Infiniter Regress Eine unendliche Reihe ist eine Reihe, deren Endpunkt nie erreicht wird. Solche Reihen gibt es viele, z.b. die Reihe der positiven ganzen Zahlen: 1, 2, 3,... Hierbei handelt es sich um einen harmlosen Regress. Als einen infiniten Regress bezeichnet man in der Philosophie einen Beweis, bei dem es bei der Begründung der Beweisgründe zu einer immer wieder erneuten Anwendung desselben Beweises kommt, so dass eine unendliche Reihe der Beweisgründe entsteht. Zu einem schädlichen Regress kommt es dann, wenn: Die Reihe der Beweisgründe zu keinem Ende gelangen kann. Der Regress aus einer philosophisch interessanten These entsteht. Der Regress für die Position, aus der er abgeleitet wird, eine Inkohärenz darstellt. WS 2009-2010 PS Paradoxien 21 Infiniter Regress Was ist eine freie Handlung? 1. These: Eine Handlung ist frei, wenn der Handelnde die Handlung will. 2. These: Das Wollen besteht aus einem Willensakt (eine innere Handlung). 3. These: Ein Willensakt ist frei, wenn... Wenn das Wollen ein Willensakt und damit auch eine Handlung ist, dann stellt sich die Frage, inwiefern das Wollen (als Handeln) frei ist. Um von einer freien Handlung zu sprechen, muss diese nicht nur auf einem Willen als solchen, sondern auf einem freien Willen beruhen. Regress: Eine Handlung ist frei gemäß Definition, wenn der Handelnde sie will. Ein Willensakt aber ist frei, wenn er gemäß Definition vom Handelnden gewollt wird. Der Akt des Wollens eines Willensaktes wiederum ist frei, wenn... usw. usf. WS 2009-2010 PS Paradoxien 22 11

Scheinbehauptungen In meiner Armbanduhr sitzt ein Dämon.... Man kann ihn nicht sehen oder auf sonstige Weise sinnlich wahrnehmen. Seine Entfernung würde die Funktion der Uhr nicht beeinträchtigen. Es lässt sich kein Unterschied angeben zwischen einer Armbanduhr, in der ein Dämon sitzt, und einer solchen, in der keiner sitzt. Diese Behauptung lässt sich prinzipiell nicht verifizieren oder falsifizieren. ist nicht kritisierbar. ist weder kohärent noch inkohärent, da sie mit keinen weiteren Behauptungen in Beziehung steht. Es handelt sich um eine Scheinbehauptung! Sie ist leer und bedeutungslos. Sie besitzt weder positive noch negative Konsequenzen. Wir können sie ohne Verlust aufgeben. WS 2009-2010 PS Paradoxien 23 12