2.9 Die komplexen Zahlen

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Transkript:

LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau 121 2.9 Die komplexen Zahlen Die komplexen Zahlen sind unverzichtbar für nahezu jede Art von höherer Mathematik. Systematisch gehören sie zum einen in die Analysis: viele bekannte Funktionen sind in natürlicher Weise auf der Menge C der komplexen Zahlen definiert; genannt seien für den Augenblick nur die Exponentialfunktion sowie die trigonometrischen Funktionen. Auch wenn man vorrangig an reellen Funktionen interessiert ist, werden die Eigenschaften oft transparenter, wenn man sie (auch) als komplexe Funktionen betrachtet. Auf der anderen Seite gehören die komplexen Zahlen genauso auch in die Algebra und Zahlentheorie: sie stellen eine natürliche Erweiterung der üblichen Zahlbereiche dar, auf die man beim Lösen algebraischer Gleichungen geführt wird. In der Linearen Algebra sind die komplexen Zahlen, selbst wenn man vorrangig an reellen Vektorräumen interessiert ist, eine unverzichtbares Hilfsmittel für die unten folgenden Behandlung von Eigenvektoren und Eigenwerten von Matrizen. Übrigens sind die komplexen Zahlen auch Standard in vielen Anwendungsbereichen der Mathematik. Z.B. ist die in der Physik, der Elektrotechnik oder der Informationstechnik verwendete Mathematik ohne komplexe Zahlen kaum denkbar. 2.9.1 Beschreibung der komplexen Zahlen 1. Auf der Menge C der komplexen Zahlen sind zwei Verknüpfungen + und definiert, d.h. C C (z, w) z + w C C C (z, w) z w C 2. Für + und gelten jeweils das Assoziativ- und Kommutativ-Gesetz sowie das Distributivgesetz z (w + w ) = z w + z w ; es gibt neutrale Elemente 0 für + und 1 für. 3. Es gilt R C; die Verknüpfungen eingeschränkt auf R sind die dort gegebene Addition und Multiplikation. 4. Es gibt ein Element i C mit i 2 := i i = 1. 5. Es ist C = {a + b i a, b, R}. Dabei ist a 1 + b 1 i = a 2 + b 2 i a 1 = a 2 b 1 = b 2 a =: Rez heißt Realteil und b =: Im z Imaginärteil von z = a+b i = a+bi.

122 LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau Beispiel 2 + 3i und 5 2i := 5 + ( 2)i sind komplexe Zahlen. (2 + 3i) + (5 2i) = (2 + 5) + (3i + ( 2)i) = (2 + 5) + (3 + ( 2))i = 7 + i (2 + 3i) (5 2i) = 2 5 + 2 ( 2) i + 3 i 5 + 3 i ( 2) i = 2 5 + 2 ( 2) i + 3 5 i + 3( 2) i i = 10 + ( 6)( 1) + ( 4 + 15) i = (10 + 6) + (15 4)i = 16 + 11i Allgemein kann man aus der obigen Beschreibung folgende Regeln herleiten: Satz 2.9.2 Gegeben sein zwei komplexe Zahlen z = a + bi und w = c + di, dabei a, b, c, d R. Dann gilt a) z + w = (a + c) + (b + d)i b) z w = (ac bd) + (ad + bc)i c) z besitzt ein Negatives z so, daß z+( z) = 0, nämlich z := ( a)+( b)i. d) Wenn z 0 ist. so besitzt z ein Inverses z 1 so, daß z z 1 = 1, nämlich z 1 := 1 a 2 + b2(a bi). Folgerung 2.9.3 (C, +, ) bildet einen Körper. Aus den obigen Regeln folgt noch nicht die Existenz von C (die Regeln könnten in sich widersprüchlich sein). Diese wird z.b. geliefert durch folgendes Resultat: 2.9.4 Konstruktion der komplexen Zahlen Betrachte auf der Menge C := R 2 = R R = {(a, b) a, b R} als Verknüpfung + die übliche Vektoraddition (a, b) + (c, d) = (a + c, b + d) sowie die folgende Multiplikation: (a, b) (c, d) := (ac bd, ad + bc). Dann gilt folgender Satz: a) Die Verknüpfungen erfüllen das Assoziativ-, Kommutativ- und Distributivgesetz.

LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau 123 b) 1 := (1, 0) ist neutrales Element für die Multiplikation. c) Mit Elementen (a, 0) wird wie in R gerechnet: (a, 0) + (b, 0) = (a + b, 0), (a, 0) (b, 0) = (a b, 0). d) Das Element i := (0, 1) erfüllt i 2 = 1. Insgesamt gelten bei Identifikation von R mit {(a, 0) a R} C = R 2 alle geforderten Eigenschaften. Folgerung Komplexe Zahlen können als Punkte oder Vektoren der Ebene interpretiert werden. Dabei entspricht die Addition der Vektoraddition. Definition 2.9.5 Für z = x + yi C heißt z := x 2 + y 2 der Betrag von z. Der Betrag einer komplexen Zahl ist also die übliche Länge des zugehörigen Vektors (siehe Definition 2.8.15), bzw. der Abstand des entsprechenden Punktes von Nullpunkt. Die Zahl z 2 = x 2 + y 2 kann man auch als (x + yi)(x yi) schreiben. Der zweite Faktor war uns schon beim Inversen einer komplexen Zahl begegnet. Für diese Zahl gibt es einen eigenen Namen. Definition 2.9.6 (Konjugiert-komplexe Zahl) Für eine gegebene komplexe Zahl z = x + yi, x, y R heißt z := x yi die zu z konjugierte oder konjugiertkomplexe Zahl. Für die komplexe Konjugation (also die Abbildung C C, z z) gelten die folgenden Rechenregeln: Bemerkung 2.9.7 z + w = z + w, z w = z w, z 2 = zz, z 1 = z/ z 2 falls z 0. Geometrisch entspricht der Übergang zur konjugiert-komplexen Zahl der Spiegelung an der reellen Achse (x-achse). Im b z a + ib = z a Re b a ib = z

124 LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau Die Betragsfunktion hat die folgenden Eigenschaften, von denen a), b) und d) schon aus der Vektorrechnung bekannt sind. Eigenschaft c) bezieht sich auf die Multiplikation und ist neu. Sie folgt sofort aus der entsprechenden Eigenschaft für die komplexe Konjugation, die wir gerade festgestellt haben. Satz 2.9.8 Für alle komplexen Zahlen z, w C gilt: a) z 0 b) z = 0 z = 0 c) zw = z w d) z + w z + w (Dreiecksungleichung) Man kann die komplexen Zahlen z = x + yi statt in kartesischen Koordinaten (x, y) auch in sog. Polarkoordinaten darstellen. Dazu betrachten wir den Winkel ϕ, den der Vektor (a, b) R 2 mit der x-achse einschließt. Er wird mit arg(z) bezeichnet (Argument von z). Im y ϕ z x + yi = z ϕ = arg(z) x Re Aus dem Bild liest man ab cos ϕ = x z, sin ϕ = y z. Satz 2.9.9 (Polarkoordinaten-Darstellung komplexer Zahlen) a) Jede komplexe Zahl z 0 kann eindeutig geschrieben werden als z = r (cosϕ + i sin ϕ) mit r R, ϕ [0, 2π[. Dabei ist r = z, und ϕ entspricht dem Winkel zwischen z und der reellen Achse. Die Zahlen (r, ϕ) heißen Polarkoordinaten von z. b) Für die Multiplikation komplexer Zahlen gilt z z = rr (cos(ϕ + ϕ ) + i sin(ϕ + ϕ ) D.h. die Beträge der beiden komplexen Zahlen werden multipliziert und die Winkel addiert.

LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau 125 Im z z ϕ + ϕ ϕ z z ϕ Re Die Formel unter b) für das Produkt beweist man durch einfaches Nachrechnen mittels der Additionstheoreme für Cosinus und Sinus. Beispiel. Wir betrachten die komplexe Zahl ω = 1 + 1 2 2 3 = 1 + 1 2 2 3 i. Mit etwas Rechnung zeigt man ω 3 = 1, ω 6 = 1. Mit Polarkoordinaten geht dieses ohne Rechnung: es ist ω = 1 und 1 = 2 cos(π), 3 = 3 2 sin(π ), also 3 ω = cos π 3 + i sin π 3. Also ist ω 3 = cosπ + i sin π = 1, ω 6 = cos(2π) + i sin(2π) = 1. Im ω = 1 2 + i 3 2 1 π 3 π 3 Re ω = 1 2 i 3 2

126 LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau 2.9.10 (Die Formel von Euler - de Moivre) Die Darstellung in den Polarkoordinaten ϕ = arg(z) und z lässt sich einprägsamer schreiben mit Hilfe der komplexen Exponentialfunktion. Die Herleitung der entsprechenden Formel wollen wir im folgenden kurz skizzieren. Aus der Analysis sind die Reihenentwicklungen der Exponentialfunktion, des Sinus und des Cosinus bekannt: für beliebige reelle x gilt e x = cosx = sin x = n=0 n=0 n=0 1 n! xn ( 1) n (2n)! x2n ( 1) n (2n + 1)! x2n+1 Diese Reihen kann man sich übrigens leicht als Taylorreihen herleiten. Lassen wir in der Reihenentwicklung für die Exponentialfunktion statt x R auch x = iϕ zu, dann entsteht formal die Reihe e iϕ = = + = i n ϕ n n=0 k=0 k=0 n! i 2k ϕ 2k (2k)! i 2k+1 ϕ 2k+1 (2k + 1)! ( 1) k ϕ 2k k=0 + i k=0 (2k)! ( 1) k ϕ 2k+1 (2k + 1)! (n ist gerade, n = 2k,... oder ungerade, n = 2k + 1) (weil i 2k = (i 2 ) k = ( 1) k ) (weil i 2k+1 = i i 2k = i( 1) k ) = cos ϕ + i sin ϕ (cos- und sin-reihe von oben) Für zwei beliebige komplexe Zahlen z, w C kann man aufgrund der in Satz 2.9.8 festgestellten Eigenschaften die Zahl z w sinnvoll als den Abstand der Elemente z und w in C interpretieren (siehe auch 2.8.15); hiermit kann man die Konvergenz von Folgen und den Grenzwert-Begriff für Funktionen (und weiter auch Stetigkeit und Differenzierbarkeit) wie im Reellen definieren. Man kann dann zeigen, daß Reihen für die Exponentialfunktion, für Cosinus und für Sinus auch für

LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau 127 komplexe Argumente konvergieren und man die eben gemachten Umformungen durchführen darf. Es ergibt sich also die einprägsame Formel von Euler - de Moivre: e iϕ = cos ϕ + i sin ϕ. Die Polarkoordinaten-Darstellung z = r (cos ϕ + i sin ϕ) kann man daher auch kürzer schreiben als z = r e iϕ = z e i arg(z) für beliebiges z C. Die Formel für das Produkt z z = rr e i(ϕ+ϕ ) benötigt nun nicht mehr die Additionstheoreme für Cosinus und Sinus, sondern einfach die Funktionalgleichung e u+v = e u e v der Exponentialfunktion, die für beliebiges u, v C gilt. In der Tat kann man die Additionstheoreme, wenn man sie einmal vergessen hat, jederzeit aus der Funktionalgleichung e i(ϕ+ϕ ) = e iϕ e iϕ und der Formel von Euler - de Moivre wieder herleiten. Eine sehr wichtige Folgerung der Polarkoordinaten-Darstellung ist der folgende Satz. Satz 2.9.11 a) Jede komplexe Zahl a = r (cos ϕ + i sin ϕ) besitzt eine Quadratwurzel, nämlich a := r (cos ϕ + i sin ϕ ). 2 2 b) Allgemeiner besitzt a für jedes n N n-te Wurzeln, also Zahlen c C mit c n = a. Dieses sind die Zahlen c k := n r (cos ϕ n + i sin ϕ ( n ) cos 2kπ ) 2kπ + i sin, k = 0, 1,..., n 1. n n Die Zahlen ω k n := cos 2kπ n 2kπ + i sin n = 2kπ ei n, k = 0, 1,..., n 1 heißen auch n-te Einheitswurzeln. Sie sind die Lösungen der Gleichung z n = 1. In der Tat gilt mit ω n := ω 1 n, daß ω k n wirklich die k-te Potenz (ω n ) k ist. In Wirklichkeit gilt in C noch viel mehr als nur die Existenz wun Wurzeln: jede Gleichung n-ten Grades a n x n + a n 1 x n 1 +... + a 1 x + a 0 = 0 mit a k C, a n 0 besitzt in C wenigstens eine Lösung. Wenn man die Lösungen mit geeigneten Vielfachheiten versieht, so besitzt die Gleichung sogar n Lösungen. Die genaue Formulierung des Sachverhaltes geben wir im folgenden Satz.

128 LinAlg II Version 1 3. April 2006 c Rudolf Scharlau Theorem 2.9.12 (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes Polynom f(z) = a n z n + a n 1 z n 1 +... + a 1 z + a 0 mit komplexen Koeffizienten a j und a n 0 besitzt eine Darstellung mit n komplexen Zahlen c 1,...,c n. f(z) = a n (z c 1 )(z c 2 ) (z c n ) Für diesen Satz gibt es unterschiedliche Beweise, die aber alle recht kompliziert und voraussetzungsreich sind und den Rahmen dieser Vorlesung sprengen würden. Der Satz 2.9.11 b) ist in dem Theorem natürlich enthalten: Durch Lösen von z n a = 0 kann man die n-ten Wurzeln einer beliebigen komplexen Zahl a finden.