Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM

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Transkript:

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 Oldenbourg Verlag 52 Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM Klaus-Dieter Sommer, Landesamt für Mess- und Eichwesen Thüringen, Ilmenau, Bernd R.L. Siebert, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig Manuskripteingang: 19. November 2003; zur Veröffentlichung angenommen: 24. November 2003; Der von der ISO im Auftrag mehrerer internationaler Organisationen herausgegebene Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement, kurz GUM genannt, ist in den letzten Jahren ein weltweit akzeptierter Standard für die Bewertung und Angabe der Messunsicherheit geworden. Die entscheidenden Aufgaben der Messunsicherheitsbewertung nach GUM sind die Beschreibung der Messaufgabe, die Einschätzung der beteiligten Größen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen und das Aufstellen der Modellgleichung. Alle weiteren Verfahrensschritte folgen festen mathematischen Regeln und lassen sich daher rechnergestützt ausführen. Das Hauptproblem für den Praktiker ist das Aufstellen der Modellgleichung. Dafür wird im Beitrag ein GUM-konsistentes Verfahren gezeigt, das leicht an konkrete Messaufgaben angepasst werden kann. Damit lässt sich das GUM-Verfahren durchgängig als praxisgerechte, schrittweise abarbeitbare Prozedur darstellen und anwenden. Schlagwörter: Messunsicherheit, Wahrscheinlichkeits-Dichteverteilung, Modellgleichung, Unsicherheitsfortpflanzung, GUM Practical Determination of the Measurement Uncertainty under GUM During the last ten years, the Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement (GUM) has been recognized worldwide as the standard for the evaluation and expression of measurement uncertainty. The key points of the GUM procedure are the knowledge based description of the measurement, the evaluation of the input quantities involved by means of probability distributions, and the modelling of the measurement. All subsequent steps of the procedure can be carried out in accordance with specific mathematical rules using computers. For practitioners the modelling of the measurement is the most difficult problem of uncertainty evaluation. This paper presents a practical and versatile modelling concept which easily is applicable to most measurements performed. Uncertainty evaluation can therefore be completely described and carried out as a practical step-by-step procedure. Keywords: Measurement uncertainty, probability density function, uncertainty propagation, GUM

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 53 1 Einführung Die Messunsicherheit charakterisiert die Güte von Messergebnissen. Ihre Kenntnis ist Voraussetzung sowohl für die Vergleichbarkeit und Akzeptanz von Messergebnissen als auch für Entscheidungen, die auf der Grundlage von Messergebnissen zu treffen sind [1; 2]. Mess- und Kalibrierergebnisse können daher nur dann als vollständig und akzeptabel angesehen werden, wenn sie eine Angabe der Messunsicherheit enthalten. Für die Bewertung und Angabe der Messunsicherheit hat sich in den letzten Jahren der von der internationalen Standardisierungsorganisation ISO im Auftrag mehrerer internationaler Organisationen herausgegebene Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement, kurz GUM [3], als international akzeptierter Standard durchgesetzt. In deutscher Sprache ist der GUM als Vornorm DIN V ENV 13005 Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen [4] erschienen. Aus der Sicht der klassischen Fehlerrechnung kommt das Verfahren der Messunsicherheitsbewertung nach GUM einem Paradigmenwechsel gleich: Die wichtigsten Teilaufgaben der Messunsicherheitsberechnung, basierend auf den vorhandenen Kenntnissen über die Messung, sind: das Modellieren der Messung zum Aufstellen des mathematischen Zusammenhangs zwischen der Messgröße und den relevanten Eingangsgrößen, sowie das Einschätzen dieser Eingangsgrößen mithilfe von Wahrscheinlichkeits-Dichteverteilungen. Das sind aber auch die Teilaufgaben, die ohne weitere Aufbereitung dem Praktiker gelegentlich Probleme bereiten und damit einer breiteren Anwendung des GUM entgegenstehen. Insbesondere betrifft diese Feststellung die Modellbildung, d.h. das Aufstellen des Modells der Auswertung. Der vorliegende Beitrag geht zunächst auf die der Messunsicherheitsbewertung und -fortpflanzung zugrunde liegenden mathematischen Zusammenhänge ein und zeigt dann, dass sich das Verfahren der Messunsicherheitsbestimmung nach GUM vollständig und konsistent, d.h. einschließlich der Modellbildung, als praxisgerechte, schrittweise abarbeitbare Prozedur darstellen und anwenden lässt. 2 Grundlegende mathematische und messtechnische Zusammenhänge 2.1 Ursache und Wirkung bei einer Messung Die Anzeige eines Messgerätes ist in der Regel nicht nur abhängig von der an seinem Eingang wirkenden Größe, für deren Messung es konzipiert und gebaut wurde, sondern auch von einer Reihe weiterer (äußerer) Einflussgrößen, z.b. der Umgebungstemperatur, und (innerer) Geräteparameter, z.b. dem Alterungszustand. Bild 1 verdeutlicht an einem ursprünglich von Kessel [5] entwickelten (vereinfachten) Beispiel einer direkten Wägung diese Ursache-Wirkung- Betrachtungsweise: Die Anzeige wird sowohl von der zu messenden Größe W X als auch von der Unvollkommenheit ihrer Einkopplung in das Messgerät (symbolisiert durch die Abweichung δw CPL (H, t a, p a,...)) z.b. infolge des Einflusses magnetischer Felder oder des Luftauftriebes sowie den realen Messgeräteeigenschaften (symbolisiert durch die Messabweichung des Messgerätes W INSTR ) bestimmt. Mathematisch kann der in den Bildern 1(a) und (b) dargestellte Ursache-Wirkung-Zusammenhang durch die funktionale Abhängigkeit X 1 = h (Y, X 2, X 3 ) ausgedrückt werden. Invertieren dieser Gleichung führt zum Zusammenhang Y = f (X 1, X 2, X 3 ), der üblicherweise als Modell der Auswertung bezeichnet wird. In allgemeiner Form wird das Modell Y = f (X 1, X 2,...,X N ) (1) geschrieben. Es repräsentiert die Kenntnisse über das Messverfahren und insbesondere das,,wirken der Größen X 1, X 2,...,X N auf die Messgröße Y. Aus dieser Sicht heraus werden die Größen X 1, X 2,...,X N auch als Eingangsgrößen bezeichnet. Ziel der Messunsicherheitsbewertung ist es nun, die (stets unvollständigen) Kenntnisse über die Eingangsgrößen X i in geeigneter Weise mathematisch einzuschätzen, um dann über den als Modellgleichung (1) aufzustellenden Zusammenhang von Eingangsgrößen und Messgröße zu einer vernünftigen quantitativen Aussage über die Messgröße und die ihr beizuordnende Messunsicherheit zu gelangen.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 54 Wahrscheinlichkeitsdichte-Verteilungsfunktion (PDF) g Xi (ξ i ) beschrieben, wobei ξ i die möglichen Werte sind, die die Größe X i annehmen kann. Der Erwartungswert der PDF wird als bester Schätzwert für den Wert der Größe verwendet (siehe Gleichung (2)), und seine Standardabweichung ist die dem Erwartungswert beigeordnete Standardunsicherheit u xi (siehe Gleichung (3)): x i = E [X i ] = + g Xi (ξ i )ξ i dξ i (2) Bild 1: (a) Vereinfachtes Beispiel einer direkten Bestimmung eines unbekannten Wägewertes, (b) Darstellung des zugehörigen Ursache-Wirkung- Zusammenhangs als Graph, (c) Mathematisch dargestellter Ursache-Wirkung-Zusammenhang. Symbole: W X Messgröße (Wägewert des Gewichts); δw CPL Abweichung aufgrund der unvollkommenen Kopplung der Messgröße mit dem Messgerät, W INDX angezeigte Größe; W INSTR Messabweichung der Waage; W S Normalgewicht; H magnetische Feldstärke; t a Lufttemperatur; p a Luftdruck. Figure 1: (a) Simplified example of a direct determination of an unknown weighing value, (b) Graph of the respective cause-and-effect relationship, (c) Cause-and-effect relationship in mathematical terms. Symbols: W X measurand (weighing value of the unknown weight); δw CPL deviation due to the incomplete coupling of the measurand with the scale; W INDX indicated quantity; W INSTR instrumental error of the scale; W S standard weight; H magnetic field strength; t a air temperature; p a air pressure. 2.2 Einschätzen der Eingangsgrößen Es ist eine jedem Messtechniker bekannte Tatsache, dass Messprozesse niemals vollkommen beherrscht werden und dass die Parameter (Arbeitspunkte, Einflussgrößen etc.) einer Messung niemals vollständig bekannt sind. Das ist sowohl in der physikalischen Natur der Sache als auch in den unvollkommenen Mitteln zur Beobachtung und Beschreibung begründet. Demzufolge kann eine messbare Größe niemals nur durch einen einzigen Wert charakterisiert werden. Gemäß dem GUM-Konzept [3; 4] werden die stets unvollständigen Kenntnisse über die Verteilung der Werte einer Eingangsgröße X i mittels Zuweisung einer u xi = { E [ (X i x i ) 2]} 1/2 + = g Xi (ξ i )(ξ i x i ) 2 dξ i 1/2 (3) Anmerkung: Die hier gewählte Schreibweise weicht von der des GUM ab, worin die dem Erwartungswert x i beigeordnete Messunsicherheit als u (x i ) geschrieben wird. Um nicht den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine funktionale Abhängigkeit, wird die Schreibweise u xi bevorzugt. Mit dem o.g. Ansatz werden die PDFs zu Trägern der Information über die Eingangsgrößen. Es erhebt sich nun die Frage, wie man die passenden PDFs auswählt, damit sie die vorhandenen (unvollständigen) Kenntnisse über die Größen vernünftig reflektieren. Die Antwort liegt in der Anwendung des Prinzips der maximalen Informationsentropie (PME) [6; 7]. Dieses Prinzip führt zum Beispiel zu einer rechteckförmigen PDF, wenn bekannt ist, dass die Werte ξ i der Größe X i in einem Intervall enthalten sind (Beispiele: vorgegebene Toleranzen, Fehlergrenzen, digitale Auflösung), oder zu einer Gauß schen Normalverteilung, wenn ein bester Schätzwert x j = E [ X j ] und eine beigeordnete Standardunsicherheit u xj bekannt sind (Beispiele: Angabe eines Kalibrierergebnisses, Ergebnis einer statistischen Analyse, ausgedrückt in Mittelwert und Standardabweichung). Wenn zu einer (meist vage) bekannten PDF über die zu messende Größe zusätzliche oder neue Kenntnisse zur Verfügung stehen, z. B. über die Häufigkeitsverteilung der von einem Messgerät angezeigten Werte, so wird die sich daraus ergebende Änderung der ursprünglichen PDF ( Prior PDF ) durch das Bayes sche Theorem [7; 8] beschrieben. In der praktischen Anwendung des GUM reduzieren sich die o. a. Zusammenhänge auf die Anwendung der Methoden Typ-A und Typ-B zur Einschätzung der Eingangsgrößen bzw. auf die Berücksichtigung von (weiteren) Einflüssen über die Regeln der Unsicherheitsfortpflanzung (siehe Abschnitte 2.3 und 3). Eine

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 55 direkte Anwendung des Bayes schen Theorems gibt es im GUM derzeit nicht. 2.3Erwartungswert und zugeordnete Unsicherheit zur Ausgangsgröße Nach den gleichen Regeln wie für die Eingangsgrößen lassen sich aus der PDF der Ausgangsgröße, d.h. der Messgröße, der Erwartungswert y = E [Y] und die ihm beigeordnete Messunsicherheit u y ableiten: y = + + u y = g Y (η) ηdη (4) g Y (η)(η y) 2 dη Dabei sind η die möglichen Werte, die die Ausgangsgröße Y annehmen kann. Allerdings führt das bekannte Standard-GUM- Verfahren [3; 4] nicht zur Kenntnis der PDF g Y (η) zur Ausgangsgröße. Wie diese mithilfe der Monte-Carlo- Technik ermittelt werden kann, zeigt der Beitrag von Siebert und Sommer in diesem Heft [9]. Das Standard-GUM-Verfahren [3; 4] geht einen anderen, den klassischen Weg. Es verwendet die Methode der Gauß schen Messunsicherheitsfortpflanzung: Die Modellgleichung (1) bildet die Grundlage für die Berechnung des Erwartungswertes der Ausgangsgröße y = E [Y], indem die Erwartungswerte der Eingangsgrößen in die Modellgleichung eingesetzt werden: 1/2 (5) y = f (x 1, x 2,...,x N ) (6) mit x 1 = E [X 1 ], x 2 = E [X 2 ] und x N = E [X N ]. Die Messunsicherheitsfortpflanzung beruht auf den Regeln der klassischen Gauß schen Fehlerfortpflanzung. Dabei werden die Abhängigkeiten der Ausgangsgröße von den Eingangsgrößen mittels einer linearen Taylor- Reihenentwicklung erfasst. Es wird vorausgesetzt, dass zumindest in schmalen Bereichen um die Erwartungswerte der Größen, d.h. um ihre Arbeitspunkte, die Zusammenhänge von Ausgangs- und Eingangsgrößen durch ein lineares Modell beschrieben werden können. Diese Zusammenhänge entsprechen den ersten partiellen Ableitungen f/ x i = f/ X i xi, die im GUM auch als Empfindlichkeitskoeffizienten c i bezeichnet werden. Die der Ausgangsgröße beizuordnende Standard- Messunsicherheit ergibt sich damit zu ( N f u y = x i=1 i N = i=1 ) 2 N 1 u 2 xi + 2 N 1 c 2 i u2 xi + 2 i=1 j=i+1 N f f x i u xix j x i=1 j=i+1 j 1/2 N c i c j u xix j mit u xix j = u xi u xj r ( x i ; x j ) als geschätzte Kovarianz der Größen X i und X j und r ( x i ; x j ) als Korrelationskoeffizient. Es ist aber stets zu beachten, dass aufgrund der Beschränkung der Taylor-Reihenentwicklung auf die linearen Glieder das Standard-GUM-Verfahren nur auf lineare oder quasi-lineare Modelle bzw. auf den jeweiligen Arbeitspunkt fokussierte Modelle anwendbar ist. Im Falle nichtlinearer Zusammenhänge kann der Weg der Monte-Carlo-Integration beschritten werden (siehe dazu den Beitrag von Siebert und Sommer in diesem Heft [9]). Bild 2 illustriert das Konzept des Standard- GUM-Verfahrens auf der Grundlage der Gauß schen 1/2 (7) Bild 2: Konzept des Standard-GUM-Verfahrens auf der Basis der Gauß schen Unsicherheitsfortpflanzung. Figure 2: Concept of the Standard-GUM procedure based on Gaussian uncertainty propagation.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 56 Unsicherheitsfortpflanzung. Dabei wird ein zweiter Schwachpunkt dieses Konzepts neben der Beschränkung auf weitgehend lineare Modellzusammenhänge deutlich: Die Berechnung der erweiterten Messunsicherheit U y (P) (siehe Abschnitt 3) setzt eigentlich die Kenntnisse der PDF der Ausgangsgröße g Y (η) voraus. Da diese beim Verfahren der Gauß schen Unsicherheitsfortpflanzung nicht ermittelt wird, behilft sich der GUM mit der Vermutung einer weitreichenden Anwendbarkeit des zentralen Grenzwertsatzes und berücksichtigt die Auswertung von Wiederholungsmessungen (Ermittlungsmethode Typ-A) mit niedrigen Freiheitsgraden durch Anwendung der Student-Verteilung [3; 4]. In der Mehrzahl der Anwendungsfälle hat sich diese Vorgehensweise als ausreichend praktikabel erwiesen. Im Beitrag von Siebert und Sommer in diesem Heft [9] wird gezeigt, wie mithilfe der Anwendung von Monte- Carlo-Techniken die o.g. Probleme besser angegangen werden können. Das Standard-GUM-Verfahren und seine Grundlagen wurden in der deutschsprachigen Fachliteratur bereits mehrfach beschrieben. Besonders erwähnt seien hier die Beiträge von Wöger [6; 7] und von Kessel [10; 11]. 3Standard-GUM- Verfahren Für die Praxis zeichnet sich das Standard-GUM- Verfahren vor allem durch folgende Vorteile aus: Es liefert ein konsistentes, schrittweise abarbeitbares Verfahren zur Bewertung und Angabe der Messunsicherheit. Das Verfahren schließt die systematische Behandlung von nichtstatistischer Information ein. Es eröffnet die Möglichkeit zu einer relativ einfachen computergestützten Messunsicherheitsberechnung und -budgetierung. Bild 3 zeigt das hier in sieben Teilaufgaben gegliederte Verfahren des GUM in einer Übersicht. Die Teilaufgaben im Einzelnen: (1) Darlegen der Kenntnisse über die Messung und die Eingangsgrößen Ausgangspunkt sind die vorhandenen Kenntnisse über den Messprozess und die beteiligten Eingangsgrößen (siehe z. B. Bild 1). Als beteiligte Eingangsgrößen seien alle die Größen bezeichnet, die das Messergebnis und die beigeordnete Messunsicherheit beeinflussen können. Kenntnisse können unterschiedlichen Quellen entstammen, es können u.a. sein: Ergebnisse direkter Messungen; Erfahrungswerte, subjektive Bewertungen; Ergebnisse vorangegangener Auswertungen; Werte aus Kalibrier-/Prüfscheinen; Herstellerangaben; Tabellen- /Literaturwerte. Die in den Kenntnissen enthaltene nützliche Information ist zu verdichten und ihr quantitativ auswertbarer Gehalt, z.b. Bereichsgrenzen, Schätzwerte, Stan- Bild 3: Messunsicherheitsbestimmung nach dem Standard-GUM-Verfahren. Figure 3: Uncertainty determination in accordance with the Standard-GUM procedure.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 57 dardabweichungen, in Tabellen- oder Listenform festzuhalten. Zur Messung selbst sind mindestens darzulegen: die Messaufgabe und die ursächliche und die zu messende Größe, z.b. Bestimmung des Wägewertes eines Gewichtes; das Messprinzip und die Messmethode; die konkrete Ausgestaltung des Messverfahrens, ggf. mit einer Skizze. (2) Modellieren der Messung Das Modellieren der Messung ist eine der entscheidenden Aufgaben des GUM-Verfahrens und zugleich die wohl schwierigste. Ziel des Modellierens ist das Aufstellen des mathematischen Zusammenhangs von Messgröße einerseits und relevanten Eingangsgrößen andererseits, d.h. des so genannten Modells der Auswertung (siehe Gl. (1)). Modellierungsverfahren für die Messunsicherheitsbewertung auf der Basis der Ursache-Wirkung-Analyse der betrachteten Messung sind bereits von Bachmair [12], Kessel [11] und Kind [13] vorgeschlagen worden. Das hier in Kurzform dargestellte Verfahren baut darauf auf. Es ist ausführlich von Sommer et al. [14 16] beschrieben worden. Das Modellierungsverfahren selbst besteht aus wiederum fünf elementaren Teilaufgaben [14 16], die als weitere Untergliederung des in Bild 3 dargestellten GUM-Verfahrens zu sehen sind. Diese Teilaufgaben sind: (a) Darlegen der Kenntnisse über die Messung, Identifikation der für die Anzeige des/der Messgeräte(s) ursächlichen Größen und der Messgröße sowie Identifikation des Messprinzips, der gewählten Messmethode, z.b. Substitutionsmethode, und Beschreibung des Messverfahrens. Die erste Teilaufgabe (a) der Modellbildung ist damit identisch mit der ersten Teilaufgabe (1) des Standard-GUM-Verfahrens. Bild 4: Graphische Darstellung des Ursache- Wirkung-Zusammenhangs einer fiktiven idealen, d.h. ungestörten Messung. Symbole: Y 0 Messgröße; X IND angezeigte Größe. Figure 4: Graphical depiction of the causeand-effect relationship of a fictitious ideal (unperturbed) measurement. Symbols: Y 0 measurand; X IND indicated quantity. (b) Graphische Darstellung des Ursache-Wirkung- Zusammenhangs der fiktiven idealen, d.h. ungestörten Messung (siehe Beispiel in Bild 4). (c) Einbeziehung aller Unvollkommenheiten, externen Einflüsse und Auswirkungen unvollständig bekannter Parameter in die Ursache-Wirkung-Darstellung der fiktiven idealen Messung. Die Einbeziehung der Unvollkommenheiten erfolgt vorzugsweise in Form von Abweichungen von der o.g. fiktiven idealen Messung (Bild 4). Aus der graphischen Darstellung (siehe Bild 5) ist dann der mathematische Ursache-Wirkung- Zusammenhang der realen Messung abzuleiten, z.b.: X IND = h (Y 0,δZ SRC,δZ TP,δZ IP, Z INSTR,δX IND ) (d) Identifikation und Berücksichtigung von Korrelationen: Einbeziehung von funktionalen Abhängigkeiten, z.b. von Temperaturabhängigkeiten unterschiedlicher Baugruppen/Geräteeinheiten in den Bild 5: Beispiel: Graphische Darstellung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs einer realen Messung. Symbole: Y 0 Größe, die von einer Maßverkörperung norminal geliefert wird; δz SRC Abweichung aufgrund der unvollständigen Kenntnisse über die Maßverkörperung; δz TP (P) Abweichung aufgrund der unvollkommenen Kopplung der Maßverkörperung SRC mit dem Messgerät, z.b. infolge äußerer Einflüsse P; Z INSTR Messabweichung des Messgerätes; δz IP (P) Abweichung aufgrund der Suszeptibilität des Anzeigegerätes auf äußere Einflussgrößen P; δx IND Abweichung aufgrund der begrenzten Auflösung des Messgerätes. Figure 5: Example: Graphical depiction of the cause-and-effect relationship of a real measurement. Symbols: Y 0 quantity norminally provided by the material measure; δz SRC deviation due to the incomplete coupling of the material measure SRC with the measuring instrument, e.g. due to external influences P; Z INSTR instrumental error of the measuring instrument; δz IP (P) deviation due to the susceptibility of the instrument to external influences P; δx IND deviation due to the limited resolution of the instrument.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 58 Ursache-Wirkung-Zusammenhang der realen Messung (siehe Schritt c), oder Berücksichtigung von (geschätzten oder experimentell bestimmten) Korrelationskoeffizienten, z.b. den Korrelationskoeffizienten von zwei gemeinsam kalibrierten Gewichten, bei der Ausführung der Unsicherheitsfortpflanzung (siehe Gl. (7)). (e) Invertieren des mathematischen Ursache- Wirkung-Zusammenhangs der realen Messung in die Modellgleichung, z.b. (siehe Schritt (c)) Y 0 = f (X IND,δX IND, Z INSTR,δZ TP,δZ IP,δZ SRC ), oder allgemein formuliert: Y = h 1 (X 1, X 2,...,X N ) = f (X 1, X 2,...,X N ) (8) Es sei angemerkt, dass die letztgenannte Umformung zuweilen einige Probleme bereiten kann. Wie aus den Bildern 4 und 5 bereits erkennbar ist, werden für die Modellierung der Ursache-Wirkung- Zusammenhänge nur drei Modellierungskomponenten verwendet [5; 14; 15]: Parameterquellen SRC: Sie liefern oder reproduzieren eine messbare Größe, z.b. die Messgröße. Transformationseinheiten TRANS: Sie repräsentieren alle Arten der Parameterverarbeitung und -beeinflussung, z.b. Verstärkung oder (ungewollte) Dämpfung. Anzeigeeinheiten: Sie zeigen ihre Eingangsgrößen an. Fast alle Messungen und Kalibrierungen lassen sich auf nur wenige Grundstrukturen der Ursache-Wirkung- Zusammenhänge zurückführen. In Abschnitt 5 werden wichtige Grundstrukturen vorgestellt. (3) Einschätzen der relevanten Eingangsgrößen Die dritte Teilaufgabe des GUM-Verfahrens (siehe Bild 3) erfordert wie der zweite Schritt die Anwendung von Fachwissen und eine professionelle Beurteilung der vorliegenden Kenntnisse. Ziel der quantitativen Einschätzung der am Messergebnis beteiligten Größen ist die Zuweisung jeweils eines Erwartungswertes x i = E [X i ] und einer diesem zugeordneten Standardunsicherheit u xi zu jeder relevanten Eingangsgröße X i. Der GUM unterscheidet zwei Methoden zur Einschätzung der Eingangsgrößen: Ermittlungsmethode Typ-A, die auf einer statistischen Analyse von Beobachtungsreihen basiert, und Bild 6: Illustration der beiden Methoden (Methode Typ-A und Methode Typ-B) zur quantitativen Einschätzung der relevanten Eingangsgrößen. Symbole: x = E [X] Erwartungswert der Größe X; u x dem Erwartungswert x beigeordnete Standardunsicherheit; q 1, q 2,...,q N Einzelbeobachtungen; s (q k ) Standardabweichung der Einzelbeobachtung. Figure 6: Illustration of the methods type-a and type-b for quantitative evaluation of the relevant input quantities. Symbols: x = E [X] expectation value of the quantity X; u x uncertainty associated with the expectation value x; q 1, q 2,...,q N single observations; s (q k ) standard deviation of the single observation.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 59 Tabelle 1: Korrespondenz von Kenntnissen und zuzuordnender Verteilung (PDF) nach dem Prinzip der maximalen Entropie (PME) sowie Berechnung von Erwartungswerten und Standardunsicherheiten für diese Verteilungen. Table 1: Correspondence between given knowledge and probability distribution (PDF) to be assigned in accordance with the principle of maximum information entropy (PME) and related calculations of the respective expectation values and standard uncertainties. Ermittlungsmethode Typ-B, die alle weiteren Wege zur Einschätzung der Größen umfasst. Beide Methoden benutzen Wahrscheinlichkeits- Dichteverteilungen (PDF), um die jeweils differenzierten Kenntnisse über die Größen X i quantitativ zu beschreiben (siehe Abschnitt 2). Bild 6 illustriert die beiden Methoden zur Ermittlung der Erwartungswerte und Standardunsicherheiten. Tabelle 1 gibt einen Überblick über wichtige Korrespondenzen von Kenntnissen und Verteilungen (PDF) sowie die Berechnung des jeweils zugehörigen Erwartungswertes und der beigeordneten Standardunsicherheit. Alle weiteren Teilaufgaben des Standard-GUM- Verfahrens folgen festen mathematischen Regeln und können daher rechnergestützt unter Verwendung einer entsprechend programmierten Software ausgeführt werden. Ein Beispiel für solche GUM-konforme Software ist die GUM-Workbench [17]. (4) Kombinieren der Erwartungswerte und der Standardunsicherheiten Ziel der vierten Teilaufgabe (siehe Bild 3) ist es, den Erwartungswert y der Messgröße Y und die beigeordnete Standardunsicherheit u y zu berechnen. Die Berechnung des Erwartungswertes der Ausgangsgröße erfolgt gemäß Gleichung (6). Die Gauß sche Unsicherheitsfortpflanzung ist als Gleichung (7) im Abschnitt 2.3 angegeben. Die Lösung beider Gleichungen setzt die Kenntnis der Modellgleichung (1) voraus. Im Falle korrelierter Größen sind für den Korrelationskoeffizienten entweder Erfahrungswerte zu verwenden oder er ist mittels statistischer Analyse aus Experimenten zu bestimmen [3; 4]. Korrelationen können insbesondere dann vernachlässigt werden, wenn bekannt ist, dass sie nur schwach ausgeprägt sind oder die korrelierten Unsicherheitsbeiträge nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtmessunsicherheit besitzen. Sind die funktionalen Zusammenhänge der korrelierten Größen bekannt, ist es oft möglich, sie in die Modellgleichung einzubauen, womit ihre Berücksichtigung bei der Unsicherheitsfortpflanzung hinfällig wird. (5) Bestimmen der erweiterten Messunsicherheit Die erweiterte Messunsicherheit ist definiert als die Halbweite eines Intervalls I y = [ y U y ; y + U y ], (9)

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 60 das mit einer Überdeckungswahrscheinlichkeit P von mindestens 95% den überwiegenden Anteil der Werte enthält, die aufgrund der vorhandenen Kenntnisse dem Messergebnis vernünftigerweise zugeordnet werden können [3; 4]. Bild 7 illustriert das solchermaßen beschriebene Intervall. Die erweiterte Messunsicherheit U y wird durch Multiplikation der zugehörigen (kombinierten) Standardmessunsicherheit u y mit einem Erweiterungsfaktor k P berechnet. Dabei ist unter Berücksichtigung der Art der Verteilung der Werte (Wahrscheinlichkeitsverteilung PDF), die der Ergebnisgröße Y zugeordnet werden können, der Erweiterungsfaktor so zu wählen, dass mit dem o.g. Intervall I Y stets eine Überdeckungswahrscheinlichkeit P 95% assoziiert wird: U y (P) = u y k P (10) Zur Erinnerung: Der Wert y wird als Erwartungswert der Größe Y bezeichnet und ist ihr bester Schätzwert. Auf die Diskussion der Berücksichtigung des sog. effektiven Freiheitsgrades, die sich insbesondere bei statistischen Auswertungen von Wiederholungsmessungen nach der Ermittlungsmethode Typ-A erforderlich macht, wird hier verzichtet, da sie in der Primärliteratur klar beschrieben ist [3; 4]. (6) Angeben des vollständigen Messergebnisses Ein vollständiges Messergebnis sollte gemäß GUM in der Form Y = y ± U y (11) angegeben werden [3; 4]. Zusätzlich ist in jedem Fall die Angabe des gewählten Erweiterungsfaktors k p erforderlich, da nicht notwendigerweise von einer Normalverteilung ausgegangen werden kann. (7) Angeben und Bewerten des Unsicherheits- Budgets Den o.a. sechs Teilaufgaben zum Bewerten und Angeben der Messunsicherheit sollte im Prüfmittelmanagement und in der Prüfmittelüberwachung folgerichtig als siebente Teilaufgabe das Angeben und Bewerten des Messunsicherheits-Budgets folgen. Bild 7: Erweiterte Messunsicherheit als Werteintervall. Symbole siehe Text. Figure 7: Expanded measurement uncertainty illustrated as an interval. Symbols: see text. Aus der konsequenten Anwendung des Standard- GUM-Verfahrens erhält man zwangsläufig ein Messunsicherheitsbudget, und dieses liefert alle erforderlichen Informationen zur Bewertung und Verbesserung des analysierten Messprozesses. Das Messunsicherheitsbudget soll spaltenweise mindestens folgende Angaben enthalten: die Bezeichnungen der Größen X i,z.b. Umgebungstemperatur; wichtige verdichtete Kenntnisse über die Größen, z.b. das Intervall der Werte, die eine Größe annehmen kann; die den Größen zugeordneten Verteilungen (PDF) die Erwartungswerte der Größen, x i = E [X i ]; die beigeordneten Standardunsicherheiten, u xi = Var [Xi ]; die Empfindlichkeitskoeffizienten, c i = f/ x i ; sowie als entscheidende Werte zur Bewertung der Ursachen und Beiträge zur Gesamtmessunsicherheit die Standard-Unsicherheitsbeiträge zu den relevanten Eingangsgrößen, u iy = c i u xi 4 Messmethoden und Modellstrukturen Die Struktur und die Abfolge der Komponenten in der graphischen Darstellung eines Ursache-Wirkung- Bild 8: Generische Struktur des stationären Ursache-Wirkung-Zusammenhanges einer direkten Messung. Symbole: X SRC Messgröße; Z T1,...,Z Tm zusätzliche Eingangsgrößen der Transformationseinheiten TRANS1,..., TRANSn, z.b. Verstärkungsfaktoren; X INDX angezeigte Größe; Z INSTR (P Mess ) Messabweichung der Anzeigeeinheit bei den Messbedingungen P Mess ; Koppelbedingung: X TINn = X TOUTn 1. Figure 8: Generical structure of the cause-andeffect relationship of a direct measurement. Symbols: X SRC measurand; Z T1,...,Z Tm additional input quantities of the transforming units TRANS1,..., TRANSn, e. g. amplification factors; X INDX indicated quantity; Z INSTR (P Mess ) instrumental error of the indicating unit at the operating conditions P Mess ; chaining condition: X TINn = X TOUTn 1.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 61 Bild 9: Generische Struktur des stationären Ursache-Wirkung-Zusammenhangs einer Kalibrierung durch direkten Vergleich von zwei anzeigenden Messgeräten. Symbole: X SRC von der Parameterquelle SRC gelieferte Größe; TRANSX Transformationseinheit des X- Pfades; TRANSS Transformationseinheit des S-Pfades; INDX zu kalibrierende(s) Messgerät/Anzeigeeinheit; INDS anzeigendes Normal; Z TX1,..., Z TXl und Z TS1,..., Z TSn zusätzliche Eingangsgrößen der Transformationseinheiten, z.b. Übertragungsfaktoren; Z INSTRX (P CAL ) Messabweichung des zu kalibrierenden Messgerätes (Messgröße) bei den Kalibrierbedingungen P CAL ; Z INSTRS (P CAL ) Messabweichung des verwendeten Normals; X INDX Anzeige des zu kalibrierenden Messgerätes; X INDS Anzeige des Normals Figure 9: Generical structure of the steady-state cause-and-effect relationship of calibrations by direct comparison of two indicating instruments. Symbols: X SRC quantity provided by the parameter source SRC; TRANSX transforming unit of the X-path; TRANSS transforming unit of the S-path; INDX instrument to be calibrated; INDS indicating standard; Z TX1,..., Z TXl and Z TS1,..., Z TSn additional input quantities of the transforming units, e.g. transformation factors; Z INSTRX (P CAL ) instrumental error of the instrument to be calibrated (measurand) at calibration conditions P CAL ; Z INSTRS (P CAL ) instrumental error of the standard used; X INDX indication of the instrument to be calibrated; X INDS indication of the standard used. Zusammenhanges werden grundsätzlich von der verwendeten Messmethode [18] bestimmt [5; 14 16]. Die am häufigsten eingesetzten Messmethoden direkte Messung (Beispiel: siehe Bild 1), direkter Vergleich anzeigender Messgeräte (Beispiel: siehe Bild 12), Substitution von Maßverkörperungen (Beispiel: siehe Illustration in Bild 11 [14]), lassen sich mit den in den Bildern 8 bis 10 gezeigten verallgemeinerten (generischen) Grundstrukturen darstellen. Bild 10: Generische Struktur des stationären Ursache-Wirkung-Zusammenhangs einer mittels Substitution durchgeführten Kalibrierung. Symbole: SRCX zu kalibrierende Maßverkörperung; SRCS als Normal verwendete Maßverkörperung; X X0 Größe, die nominal von der zu kalibrierenden Maßverkörperung geliefert wird; X S0 Größe, die nominal vom Normal geliefert wird; X SRCX tatsächlich von der zu kalibrierenden Maßverkörperung gelieferte Größe, X SRCS tatsächlich vom Normal gelieferte Größe; Z SRCX Messabweichung der zu kalibrierenden Maßverkörperung (Messgröße); P CAL Kalibrierbedingungen; Z SRCS (P CAL ) Messabweichung des verwendeten Normals; IND Anzeigeeinheit (Komparator); Z INSTR (P CAL ) Messabweichung des Komparators; Z TX1,...,Z TXl und Z TS1,...,Z TSn zusätzliche Eingangsgrößen der Transformationseinheiten wie z.b. Übertragungsfaktoren und Abweichungen; X IND = X INDX X INDS Anzeigedifferenz zwischen der zu kalibrierenden Maßverkörperung und dem Normal. Figure 10: Generical structure of the steady-state cause-and-effect relationship of a calibration by substitution. Symbols: SRCX material measure to be calibrated; SRCS standard material measure; X X0 quantity provided nominally by the material measure to be calibrated; X S0 quantity provided nominally by the standard; X SRCX quantity actually provided by the material measure to be calibrated; X SRCS quantity actually provided by the standard; Z SRCX instrumental error of the material measure to be calibrated (measurand); P CAL calibration conditions; Z SRCS (P CAL ) instrumental error of the standard used; IND indicating unit (comparator); Z INSTR (P CAL ) instrumental error of the comparator; Z TX1,...,Z TXl and Z TS1,...,Z TSn additional input quantities of the transforming units, e.g. transformation factors; X IND = X INDX X INDS indication difference between the material measure to be calibrated and the standard used.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 62 Bild 11: Beispiel: Illustration der Kalibrierung eines Gewichtes nach der Substitutionsmethode unter Verwendung eines Massekomparators [14]. Dabei wird aus der Differenz der Anzeigen für Prüflinge und Normal W IND, aus dem bekannten Wägewert des Normals und allen weiteren relevanten Kenntnissen über die Messung der Wägewert des Prüflings bestimmt. Die Anzeigedrift und der Einfluss der Nichtlinearität des Komparators werden bei dieser Messmethode weitgehend eliminiert. Symbole: W S (konventioneller) Wägewert des Normals; W X (unbekannter) Wägewert des Prüflings (mögliche Messgröße). Figure 11: Example: Illustration of the calibration of a weight according to the substitution method using a mass comparator [14]. It is the aim of substitution to determine the weighing value of the material measure to be calibrated from the indication difference W IND, from the known weighing value of the standard used and from all other relevant knowledge about the measurement. The drift of the comparator and its non-linearity mainly are being eliminated. Symbols: W S weighing value of the standard used; W X (unknown) weighing value of the instrument to be calibrated (possible measurand). Eingangsgrößen, das Modellieren der Messung, welches seinerseits in die fünf Teilaufgaben (a) bis (e) aufgegliedert werden kann, sowie das Einschätzen der relevanten Eingangsgrößen unter Anwendung der Ermittlungsmethoden Typ-A und Typ-B. Die weiteren Teilaufgaben (4) bis (6) können rechnergestützt ausgeführt werden, d.h. in der Praxis reduzieren sie sich auf die Eingabe des mathematischen Modells der Auswertung sowie der Erwartungswerte und der beigeordneten Standardunsicherheiten (oder gleichwertiger Vorinformation, z.b. Verteilungstyp und -parameter) in den Computer. Auf dieser Grundlage kann nun folgendes praxisorientiertes, in Arbeitsschritte gegliedertes Verfahren zur Ermittlung der Messunsicherheit angegeben werden: 1. Schritt: Darlegen der Kenntnisse über die Messung und die relevanten Eingangsgrößen Beispiel: Messaufgabe: Kalibrieren eines Quecksilber-Glas- Thermometers bei 20 C Messgröße: Messabweichung des zu kalibrierenden Thermometers Messmethode: Direkter Vergleich zweier anzeigender Messgeräte Die in den Bildern 8 bis 10 dargestellten generischen Strukturen bilden einen Baukasten. Die der angewendeten Messmethode zugeordnete Struktur lässt sich erfahrungsgemäß relativ einfach an die jeweilige konkrete Mess- oder Kalibrieraufgabe anpassen. 5 Messunsicherheitsbewertung in der Praxis anhand eines Beispiels Wie im Abschnitt 3 ausgeführt, sind die wichtigsten Teilaufgaben des Standard-GUM-Verfahrens das Darlegen der Kenntnisse über die Messung und die relevanten Bild 12: Beispiel: Kalibrierung eines Quecksilber- Glas-Thermometers (rechts) in einem Wasserbad Symbole: t S Temperatur am Normal; t X Temperatur am zu kalibrierenden Thermometer, t INDS, t INDX angezeigte Temperaturen. Figure 12: Example: Calibration of a mercury-inglass thermometer in a water bath. Symbols: t S temperature of the standard used; t X temperature of the thermometer to be calibrated; t INDS, t INDX indicated temperatures.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 63 Messverfahren: Vergleich zweier im Wasserbad eingetauchter Quecksilber-Glas-Thermometer bei 20 C (siehe vereinfachte Darstellung in Bild 12). Bezüglich der relevanten Eingangsgrößen sei das Folgende bekannt: vom Normal angezeigte Temperatur; für diese Größe liegen vier Beobachtungen mit folgenden Werten vor: 20,005 C, 19,995 C, 20,015 C und 20,010 C. vom Prüfling angezeigte Temperatur: Für diese Größe liegen vier Beobachtungen mit folgenden Werten vor: 19,85 C, 19,86 C, 19,87 C und 19,86 C. Temperaturdifferenzen im Bad: Der Hersteller gibt maximal mögliche radiale Temperaturdifferenzen im Bad von ±15 10 3 Can. Messabweichung des Normals: Im Kalibrierschein wird eine Messabweichung von 0,05 Cbei20 C angegeben, der eine erweiterte Messunsicherheit von 25 10 3 C für einen Erweiterungsfaktor k p = 2 beigeordnet wurde. 2. Schritt: Graphische Darstellung des Ursache- Wirkung-Zusammenhangs der fiktiven idealen Messung Beispiel: Bild 13 zeigt die graphische Darstellung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs der fiktiven idealen Messung für die in Bild 12 gezeigte Thermometerkalibrierung unter Verwendung der im Abschnitt 3 angeführten Modellierungskomponenten. 3. Schritt: Einbeziehung aller Unvollkommenheiten in Form von Abweichungen in den fiktiven Ursache- Wirkung-Zusammenhang der idealen Messung. Ableiten des mathematischen Ursache-Wirkung- Zusammenhangs der realen Messung Beispiel: Bild 14 zeigt den graphischen Ursache-Wirkung-Zusammenhang der realen Thermometerkalibrierung. Einbezogen wurde die Temperaturdifferenz zwischen Normal und Prüfling. Aus der graphischen Darstellung (Bild 14) können folgende mathematische Ursache-Wirkung- Zusammenhänge abgeleitet werden: für den X-Pfad: t INDX = t Bad + δt Bad + t X für den S-Pfad: t INDS = t Bad + t S 4. Schritt: Identifikation und Berücksichtigung von Korrelationen Beispiel: Zur Vereinfachung des Kalibrier-Beispiels sei angenommen, dass Korrelationen, z.b. aufgrund von Schwankungen der Bad-Temperatur, vernachlässigbar sind. 5. Schritt: Invertieren des Ursache-Wirkung- Zusammenhanges der realen Messung zur Modellgleichung Ziel dieses Schrittes ist das Aufstellen des Modells der Auswertung, Y = f (X 1, X 2,...,X N ). Bild 13: Ursache-Wirkung-Zusammenhang der fiktiven idealen Messung für das Beispiel nach Abschnitt 5. Symbole: SRC thermostatiertes Wasserbad; TRANSX, TRANSS Temperaturgradienten im Bad; INDX zu kalibrierendes Thermometer; INDS Normalthermometer; tindx, t INDS angezeigte Temperaturen; t X Messabweichung des zu kalibrierenden Thermometers (Messgröße). Figure 13: Cause-and-effect relationship of the fictitious ideal measurement referring to the example of clause 5. Symbols: SRC thermostatted water bath; TRANSX, TRANSS temperature gradients in the above water bath; INDX thermometer to be calibrated; INDS standard thermometer; tindx, t INDS indicated temperatures; t X instrumental error of the thermometer to be calibrated (measurand). Bild 14: Ursache-Wirkung-Zusammenhang der realen Messung für das Beispiel nach Abschnitt 5. Symbole: siehe Bild 13 und Text. Figure 14: Cause-and-effect relationship of the real measurement referring to the example of clause 5. Symbols: see Fig. 13 and text. Beispiel: Zusammenfassen und Invertieren der im 3. Schritt aufgegliederten mathematischen Ursache-Wirkung-Zusammenhänge führt zu folgendem Modell der Auswertung für das Beispiel der Thermometerkalibrierung: t X = t INDX t INDS + t S δt Bad

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 64 6. Schritt: Einschätzen der relevanten Eingangsgrößen Ziel des 6. Schrittes ist die Zuweisung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung (PDF) sowie davon abgeleitet von Erwartungswert x i und beigeordneter Standardunsicherheit u xi zu jeder Eingangsgröße X i. Beispiel: Die relevanten Eingangsgrößen sind die auf der rechten Seite der Modellgleichung stehenden Größen t INDX, t INDS, t S und δt Bad (Bedeutung siehe oben). Aufgrund der im ersten Schritt angegebenen Kenntnisse über die Größen kommt man zu folgenden quantitativen Einschätzungen: vom Prüfling angezeigte Temperatur t INDX : Ermittlungsmethode: Typ-A (4 Beobachtungen) PDF: gaußförmig (PME) n Erwartungswert: 1 t n INDXk = 19,86000 C k=1 Standardunsicherheit: s/ n = 4,08 10 3 C Freiheitsgrad: n 1 = 3 vom Normal angezeigte Temperatur t INDS : Ermittlungsmethode: Typ-A (4 Beobachtungen) PDF: gaußförmig (PME) n Erwartungswert: 1 n t INDSk = 20,00625 C k=1 Standardunsicherheit: s/ n = 4,27 10 3 C Freiheitsgrad: n 1 = 3 Temperaturabweichung des Bades δt Bad : Ermittlungsmethode: Typ-B (nicht statistisch) PDF: rechteckförmig Erwartungswert: 0 Standardunsicherheit: a/ 3 = 8,65 10 3 C Freiheitsgrad: Messabweichung des Normals t S Ermittlungsmethode: Typ-B (nicht statistisch) PDF: gaußförmig (PME) Erwartungswert: t S = 0,05 C Standardunsicherheit: U/k P = 19,50 10 3 C Freiheitsgrad: 50 7. Schritt: Eingabe der Modellgleichung sowie der Erwartungswerte und Standardunsicherheiten in den Computer. Rechnergestütztes Berechnen des vollständigen Messergebnisses und des Messunsicherheits-Budgets Die der computergestützten Berechnung zugrunde liegenden mathematischen Zusammenhänge sind in den Abschnitten 2.3 und 3 dargelegt. Anstelle von Erwartungswerten und Standardunsicherheiten können auch Vorinformationen mit gleichem Informationsgehalt, z.b. Verteilungstyp und -parameter, in den Computer eingespeist werden. Beispiel: Das aufgrund der o.a. Eingaben berechnete vollständige und gerundete Messergebnis für die Thermometerkalibrierung wird (gerundet) wie folgt aussehen: t X = 0,196 C ± 0,033 C (Erweiterungsfaktor k P = 2) Das resultierende Messunsicherheitsbudget ist in Tabelle 2 wiedergegeben. Tabelle 2: Messunsicherheitsbudget zum dargestellten Kalibrierbeispiel (siehe Abschnitt 5). Table 2: Uncertainty budget referring to the presented example (see clause 5).

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 65 8. Schritt: Bewerten des Ergebnisses und des Unsicherheits-Budgets Beispiel: Die erweiterte Messunsicherheit, die dem Ergebnis der Thermometer-Kalibrierung beigeordnet werden kann, bewegt sich in einer realistischen Größenordnung. Die dominierenden Messunsicherheitsbeiträge rühren vom verwendeten Normal und vom Bad her. Das bietet bedarfsweise gute Ansätze zur Verringerung der Kalibrierunsicherheit. 6 Schlussfolgerung Das Verfahren des GUM gestattet eine praxisgerechte, schrittweise durchführbare Bestimmung der Messunsicherheit. Auch die vom Praktiker kritisch gesehene, erforderliche Modellierung der Messung lässt sich in Verfahrensschritte aufgliedern und formalisieren. Dafür wird ein GUM-konsistentes Verfahren angegeben. Vorteilhaft ist weiterhin, dass sich gerade die mathematisch anspruchsvolleren Teilaufgaben des GUM-Verfahrens computergestützt ausführen lassen. Dies eröffnet auf der Basis einmal modellierter Messund Kalibrierverfahren die Möglichkeit, eine effektive Analyse sowie Anpassung und Fortentwicklung von Mess- und Kalibrierverfahren durchzuführen. Danksagung Viele der im vorliegenden Beitrag dargestellten Lösungsansätze und Konzepte entspringen der Arbeit des PTB/DIN-Arbeitskreises Umsetzung des GUM. Die Autoren möchten sich an dieser Stelle für die vielfältigen und fruchtbaren Diskussionen und Anregungen bei ihren Kollegen Prof. Dr.-Ing. M. Dietzsch, Chemnitz, Reg.-Dir. a.d. Dr. W. Kessel, Braunschweig, und Prof. Dr.-Ing. A. Weckenmann, Erlangen, bedanken. Literatur [1] Sommer, K.-D.: Messunsicherheit und Fehlergrenzen im gesetzlichen Messwesen, tm Technisches Messen 68 (2001) 1, S. 14 20. [2] Weckenmann, A. und Lorz, J.: Bedeutung der Messunsicherheit in der Fertigungsmesstechnik, tm Technisches Messen 68 (2001) 1, S. 33 39. [3] Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement (GUM), first edition, 1993, corrected and reprinted 1995, International Organization for Standardization (ISO), Geneva, 1993. [4] DIN V ENV 13005: 1999, Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen (ENV 13005: 1999), Deutsches Institut für Normung e.v., Berlin, 1999. [5] Kessel, W.: Messmethoden und Modellbildung in: Seminarunterlagen,,Messunsicherheit nach GUM praxisgerecht bestimmen, Deutsches Institut für Normung (DIN) und Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Berlin, 2000. [6] Weise, W. und Wöger, W.: Messunsicherheit und Messdatenauswertung in der Metrologie, WILEY- VCH, Weinheim, 1999. [7] Wöger, W.: Zu den modernen Grundlagen der Datenauswertung in der Metrologie. PTB-Mitt. 111 (2001), 3/4 Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, S. 4 19. [8] Sivia, D.S.: Data Analysis A Baysian Tutorial. Clarendon Press, Oxford, 1996. [9] Siebert, B.R.L. und Sommer, K.-D.: Weiterentwicklung des GUM und Monte-Carlo-Techniken, tm Technisches Messen 71 (2004) 2, S. 67 80. [10] Kessel, W.: Der ISO/BIPM Leitfaden zur Ermittlung der Messunsicherheit, tm Technisches Messen 68 (2001) 1, S. 5 13. [11] Kessel, W.: Messunsicherheit einige Begriffe und Folgerungen für die messtechnische Praxis, PTB-Mitt. 111 (2001) 3/4, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, S. 226 244. [12] Bachmair, H.: A simplified method to calculate the uncertainty of measurement for electrical calibration and test equipment, Proceedings of the gth INTERNATIONAL METROLOGY CONGRESS, Bordeaux, 18 21 October 1999, Mouvement Français pour la Qualité, Nenterreledex 1999, S. 342 344. [13] Kind, D.: Die Kettengestaltung als Modell zur Berechnung von Messunsicherheiten, PTB-Mitt. 111 (2001) 3/4 Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, S. 338 341. [14] Sommer, K.-D., Kochsiek, M. und Siebert, B.R.L.: Modelling of Weighing Procedures for Uncertainty Evaluation, South Yorkshire International Conference 2003, Barnsley, Conference Proceedings, South Yorkshire Trading Standards Unit, Chapeltown, Sheffield, 2003. [15] Sommer, K.-D., Kochsiek, M., Siebert, B.R.L. und Weckenmann, A.: A Generalized Procedure for Modelling of Measurement for Evaluating the Measurement Uncertainty, 17. IMEKO WORLD CONGRESS 2003, Dubrovnik, Proceedings, INTERNATIONAL MEASUREMENT CONFE- DERATION (IMEKO) and Croatian Metrology Society, Zagreb, 2003 (ISBN 953-7124-00-2). [16] Sommer, K.-D. und Kochsiek, M.: Modelling and Uncertainty Evaluation in Calibration and Conformance Testing, NCSL International Annual Workshop and Symposium, Tampa, Florida, Conference Proceedings 2003, SL International, Boulder, Colorado, 2003. [17] GUM-Workbench. Das Werkzeug zur Ermittlung der Messunsicherheit. Metrodata GmbH, Grenzach- Wyhlen.

tm Technisches Messen 71 (2004) 2 K.-D. Sommer, B.R.L. Siebert: Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM 66 [18] Internationales Wörterbuch der Grund- und Allgemeinbegriffe in der Metrologie (VIM), International Organization for Standardization (ISO), 2. Ausgabe, Genf, 1993. Dr.-Ing. Klaus-Dieter Sommer ist Direktor des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Thüringen (LMET) und derzeitiger Vorsitzender des GMA-Fachausschusses 1.10 Grundlagen der Messsysteme. Hauptarbeitsgebiete: Leitung und Entwicklung des LMETs Messunsicherheit im gesetzlichen Messwesen und Modellierung von Messungen und Kalibrierungen. Adresse: Landesamt für Mess- und Eichwesen Thüringen, Unterpörlitzer Straße 2, 98693 Ilmenau E-Mail: klaus-dieter.sommer@lmet.de Dr. Bernd R.L. Siebert ist Leiter des Projekts Numerische Physik in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berater des Deutschen Kalibrierdienstes (DKD) in Fragen der Messunsicherheit. Hauptarbeitsgebiete: Entwicklung und Anwendung von Monte- Carlo-Techniken zur Ermittlung der Messunsicherheit, vornehmlich für nichtlineare und multivariante Modelle. Adresse: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Bundesallee 100, 38116 Braunschweig E-Mail: bernd.siebert@ptb.de Messtechnik Norbert Weichert / Michael Wülker Messtechnik und Messdatenerfassung Oldenbourg Lehrbücher für Ingenieure 2000. 286 Seiten 29,80 ISBN 3-486-25102-3 Oldenbourg Wissenschaftsverlag Rosenheimer Straße 145 D-81671 München Telefon 089 / 450 51-0 Fax 089 / 450 51-204 Bestellungen: http://www.oldenbourg-verlag.de Die Grundlagen der Messtechnik und die modernen Verfahren der rechnergestützten Messdatenerfassung bilden für jeden Studierenden der ingenieurwissenschaftlichen Fächer einen notwendigen Baustein seiner Ausbildung. Das vorliegende Lehrbuch stellt das Gebiet in einer Übersicht dar, welche die Bedürfnisse der Studierenden im Grund- und Hauptstudium abdeckt. Die zusammenfassende Darstellung der Gebiete entspricht der Anforderung in der Praxis, da Messtechnik heute ohne die Mittel der Datenerfassung und -auswertung nicht mehr denkbar ist. Das Buch entstand aus den Erfahrungen der Autoren in Vorlesungen und Praktika mit Studierenden des Maschinenbaus an der Fachhochschule Offenburg. Oldenbourg