Die Formen der Disziplin unter Berücksichtigung der Militärgeschichte Diplomarbeit von Fhr Martin STOIBER eingereicht im Juni 2004 (Betreuer: a.o. Univ. Prof. Dr. Alfred SCHIRLBAUER) ABSTRACT 1. PROBLEMBEREICH...1 2. FORSCHUNGSFRAGEN...1 3. WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE METHODE...2 4. AUFBAU DER ARBEIT...2 5. ERKENNTNISSE/ ERKLÄRUNG/ RESÜMEE...3
1. Problembereich Disziplin, als zentraler Begriff in militärischen Institutionen, wird allgemein als Unterordnung und Gehorsamsbereitschaft verstanden. Je besser sich das äußere Verhalten der Soldaten darstellt, desto disziplinierter wirken sie nach Außen hin. Dieses Verhalten gibt aber keine Auskunft über die Motivation und die innere Haltung zu ihrer Tätigkeit. Wenn von Disziplin und von einer gut disziplinierten Truppe gesprochen wird, so muss der Begrifflichkeit eine einheitliche Vorstellung zugrunde liegen. Zum Verständnis ist eine allgemeingültige Definition notwendig, die als Ausgangsbasis für Ausbildung und Erziehung herangezogen werden muss. Disziplinierung unterliegt dabei einem Prozess, der sich über die Ausbildungszeit von Soldaten erstreckt. Folglich ist es sehr wichtig, diesen genauer zu erörtern, weil der Mensch in seiner Entwicklung auf diesen Zeitabschnitt abgestimmt wird. Das heißt, dass der Mensch von klein auf bis zum Erwachsenwerden Entwicklungsphasen durchläuft, die ihn für sein weiteres Leben prägen. Speziell beim Militär ist Disziplinierung eine Notwendigkeit, weil sie durch Erziehung und Ausbildung einen wesentlichen Beitrag für das Verständnis des Staates und des dazugehörigen Pflichtbewusstseins leisten kann. Für zukünftigen Anforderungen in der Ausbildung von Soldaten, bezweckt diese Arbeit vorwiegend ein Bewusstmachen von Werten wie Disziplin und Ordnung in modernen Armeen. Das Ziel dieser Untersuchung ist, den Disziplinierungsbegriff im historischen Verlauf genauer zu beleuchten und Zusammenhänge in der heutigen Betrachtung darzulegen. Weiters soll noch gezeigt werden, in welcher Position sich unsere Gesellschaft, insbesondere das Militär, befindet und welche Anforderungen sich in Zukunft ergeben werden. 2. Forschungsfragen Die forschungsleitenden Fragestellungen richten sich nach dem historischen Verlauf und dem heutigen Verständnis von Disziplin: Wie haben sich die einzelnen Ausprägungen der militärischen Disziplin im Laufe der Geschichte verändert? Wie wird der Begriff Disziplin in unserer Armee aufgefasst? Sind Werte wie Disziplin in einer modernen Gesellschaft noch von Aktualität? Können Erkenntnisse aus der Militärgeschichte in die heutige Zeit umgesetzt werden? Ist Disziplin die Voraussetzung für Leistungsbereitschaft? 1
3. Wissenschaftstheoretische Methode Die Methode dieser Arbeit entstammt der geisteswissenschaftlichen Soziologie, in welcher es um die Interpretation und Bedeutung des sozialen Handelns geht. Soziologie ist die Wissenschaft, die sich mit dem Ursprung, der Entwicklung und der Struktur der menschlichen Gesellschaft befasst. Diese Arbeit ist auf diese Methode ausgelegt, weil Strukturen in militärischen Institutionen, insbesondere das Verständnis von Disziplin und Ordnung, aus der geschichtlichen Entwicklung bis in unsere Zeit beschrieben werden. Ziel ist es, die heutigen Formen der Disziplin einerseits aus ihrem Gewordensein aus der Geschichte zu verstehen, andererseits aus ihrer Funktion für ein geordnetes Zusammensein zu begreifen. Die geisteswissenschaftliche Soziologie ist ein Oberbegriff für seine unterschiedlichen Forschungsansätze, die eigentlich Aufschluss über die Art und Abwicklung der Arbeit geben. Forschungsansätze stellen somit ein Bindeglied zwischen Theorie und Methode dar. Demgemäß unterliegt die vorliegende Arbeit dem historisch-hermeneutischen Ansatz. Hermeneutik bezeichnet hierbei alle Bemühungen, Sinn- beziehungsweise Bedeutungszusammenhänge mit wissenschaftlichen Methoden, das heißt intersubjektiv überprüfbar und intersubjektiv diskutierbar zu erfassen. In dieser Arbeit wird daher zuerst eine allgemeingültige Definition von Disziplin festgelegt. Danach werden Strukturmerkmale militärischer Institutionen aus historischer Perspektive herausgearbeitet. Abschließend werden noch gegenwärtige Strukturen dargelegt und Trendanalysen mit der anfangs definierten Begrifflichkeit bestimmt. 4. Aufbau der Arbeit Grundlagen eines jeden Forschungsauftrages sind die Problemstellungen und festgelegte Ziele. Die Basis dafür schafft die verstandene Begrifflichkeit und die einheitlich festgelegte Ausgangsstruktur. In der ersten Phase wird aus diesem Grund auf die allgemeinen Definitionen des Begriffes der Disziplin und der Disziplinierung eingegangen und Theorien einiger ausgewählter Soziologen beschrieben. Hierzu erwähnt seien die rationale Disziplin von Max Weber, die Sozialdisziplinierung von Gerhard Oestreich, der Zivilisationsprozess nach Norbert Elias, die Machttheorie von Michel Foucault und die Anstaltsdisziplin von Erving Goffman. Diese Arbeit setzt weiter fort mit einer historischen Betrachtung des Disziplinierungsprozesses von Soldaten, beginnend mit dem 18. Jahrhundert. Es wird verdeutlicht, welche Strukturen im Staat und im Militär vorherrschten und welche 2
Verpflichtungen die Soldaten innehatten. In dieser Phase wird auch die gegenwärtige soziale Struktur beschrieben und das zukünftige Bedrohungsbild dargelegt. Auch in Bezug auf die Struktur des österreichischen Bundesheeres und dessen Auffassung von Disziplin wird kurz eingegangen. Aus diesem Verlauf lässt sich auch eine Tendenz ableiten, die für unsere Gesellschaftsform sehr bedeutend ist. Von der Souveränitäts- über die Disziplinar- zur derzeitigen Kontrollgesellschaft, in der sich die stark voneinander abgegrenzten Institutionen öffnen und die Individuen transparenter werden. Abschließend wird noch auf die Bedeutung eines Dienstverhältnisses in militärischen Institutionen eingegangen und die Notwendigkeit von Disziplin in heutiger Zeit dargestellt. In der darauf folgenden Conclusio wird nochmals auf die forschungsleitenden Fragestellungen eingegangen, die bereits zu Beginn der Arbeit vorweg definiert wurden. 5. Erkenntnisse/ Erklärung/ Resümee Beginnend mit dem Verständnis in der Auffassung von Disziplin und ihren Formen erörtert der erste Teil dieser Arbeit eine zentrale Definition. Das ist deshalb wichtig, weil in unserer Gesellschaft und in den verschiedensten Institutionen unterschiedliche Auffassungen in der Begrifflichkeit zugrunde liegen. Die zentrale Definition begreift Disziplin als freiwilliges aus Vernunft und Überzeugung heraus resultierendes Einhalten gesetzter Normen und Grenzen zum Wohl eines größeren Ganzen. Die einzelnen Formen beziehen sich auf einen Prozess, der aus der entwicklungsspezifischen Betrachtung der Individuen herausgearbeitet wurde. Dazu zählt die äußere und die innere Disziplin, die beim Militär auch als formale und funktionale Disziplin verstanden wird. Obwohl bedeutende Soziologen in ähnlicher Weise vorgegangen sind und die menschliche Entwicklung als Sozialdisziplinierung bezeichnet haben, zielen sie dennoch auf die zwei zentralen Formen ab. Der historische Verlauf zeigt, dass eine Umgewichtung im Verhältnis zwischen den zwei Formen stattfand. Eine Kriegsführung, die im 18. Jahrhundert vollzogen wurde, forderte ganz andere Schwerpunkte in der Ausbildung und Formierung, als in heutiger Zeit. Die Erziehung zum Frontsoldaten war damals von der formellen Disziplin geprägt, die eine Bindung an Ordnungsvorschriften und eine Normierung bestimmter Verhaltensweisen bezweckt hatte. Erst zur Zeit der Französischen Revolution, die vom Gedankengut der Aufklärung geprägt 3
war, erfolgte ein Umdenken. Zwang wurde ersetzt durch Freiwilligkeit und Pflichtbewusstsein. Das 19. Jahrhundert war ausschlaggebend, weil es die Zeit der technischen Errungenschaften war. Für das Militär bedeutete diese Entwicklung eine Umgestaltung der Kriegsführung aufgrund von weitreichenden Waffensystemen, Kommunikations- und Transportmöglichkeiten. Die funktionale Disziplin gewann mehr an Bedeutung und verdrängte die alten Strukturen, die auf den Exerzierdrill ausgelegt waren. In heutiger Zeit ist das Pflichtbewusstsein im Sinne des Staatsverständnisses beträchtlich in den Hintergrund gelangt. Das heißt, eine Werteverlagerung hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vollzogen in dem individuelle Werte den kollektiven (staatlichen) vorangestellt wurden. Disziplinierte Erziehung wird aus diesen Gründen in militärischen Institutionen immer wichtiger, um ein Staatsbewusstsein bei den einzelnen Soldaten zu erzeugen. Der erhaltene Auftrag soll nicht grundlos ausgeführt werden, sondern aus eigener Überzeugung mit der notwendigen Bereitschaft. Erst dadurch können Einsatzaufgaben besser bewältig werden. Das Pflichtbewusstsein der Individuen und das freiwillige Einhalten von Normen legen das Ziel in der militärischen Ausbildung fest. Der heutige Soldat ist schon lange kein Kriegsdiener mehr, denn das heutige Aufgabenspektrum und die Heeresstruktur zeigen, dass das Militär vorwiegend zur Friedenserhaltung und zu Hilfsleistungen bei der Bevölkerung herangezogen wird. Dazu sind Führungs- und Verwaltungsstrukturen notwendig, die im Besonderen das Pflichtbewusstsein der Soldaten hervorheben müssen. Notwendig ist hierbei eine Ausbildung, die auf das Verständnis und der Verantwortung ausgelegt ist. Abschließend können Erkenntnisse aus historischer Perspektive darin gezogen werden, dass sich der Einzelne bewusst wird, dass er in einer modernen Gesellschaft lebt, die ihn als Mensch begreift und dessen Werte er erhalten sollte. 4