Belastungen in Call Centern. Eva Schmitz B+S Unternehmensberatung

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Transkript:

Eva Schmitz B+S Unternehmensberatung

Arbeitszeit- und Pausengestaltung Eva Schmitz B+S Unternehmensberatung q Entwicklung von Call Centern S eit einigen Jahren boomt eine spezielle Form der Dienstleistung in den unterschiedlichsten Branchen. Immer mehr Unternehmen richten Call Center ein, um den Kontakt mit ihren Kunden neu zu organisieren oder zu intensivieren. Leistungsstarke Kommunikationstechniken wie ACD-Anlagen, CTI-Software und Skill-Based-Routing-Systeme ermöglichen eine umfassende Betreuung der Kunden per Telefon. Dienstleistungsbereiche, die zunächst in Fachabteilungen angesiedelt waren, werden verlagert, umstrukturiert und zentral in Call Centern organisiert. Die Aufgaben, die in den Call Centern abgewickelt werden, sind vielfältig. Von der Bestellannahme über die Reklamationsbearbeitung bis hin zur technischen Beratungshotline reicht das Spektrum der Inbound-Angebote, bei denen die Kunden sich per Telefon an das Unternehmen wenden können. Teilweise wird dieser Service über kostenfreie Servicerufnummern angeboten. Daneben steigt auch die aktive Kontaktaufnahme im Rahmen des Telefonmarketings immer weiter an. In Outbound Call Centern werden Termine vereinbart, Kundenbefragungen durchgeführt, Marketingaktionen abgewickelt und Verkäufe getätigt. Über die genaue Anzahl der Call Center und die damit verbundenen Arbeitsplätze bzw. Mitarbeiterzahlen liegen nur Schätzungen vor, die in verschiedenen Studien veröffentlicht sind (z.b. Deutscher Direktmarketing Verband DDV 1998, ProfiTel 1998, Gemini 1997, Gesellschaft für Konsumforschung GfK 1998, Emnid 1999). Für die Zahl der Mitarbeiter geht man gemeinhin von Steigerungsraten im zweistelligen Bereich aus. Entwicklung von Arbeitsplätzen und Beschäftigtenzahlen in Call Centern (nach Michalke, Friedhelm 1999) Tabelle 1 Jahr Arbeitsplätze Beschäftigte 1996 ca. 45.000 90.000 135.000 1997 ca. 61.000 121.000 183.000 1998 ca. 80.000 160.000 240.000 1999 ca. 99.000 198.000 297.000 2000 ca. 119.000 238.000 357.000 2001 ca. 138.000 276.000 414.000 Damit wird der Call-Center-Bereich zu einem wichtigen arbeitsmarktpolitischen Umfeld. Das machen auch umfangreiche Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Bundesarbeitsministeriums und des Bundesministeriums für Wirtschaft deutlich, die sich im Rahmen breit angelegter Studien mit verschiedenen Aspekten der Call-Center- Entwicklung beschäftigen. [ 2 ]

CALL CENTER q Klassische Personaleinsatzplanung In Call Centern herrschen spezielle Rahmenbedingungen, die für die Arbeitszeitgestaltung von immenser Bedeutung sind. Die Organisation eines Inbound Call Centers orientiert sich nach dem Just-in-Time-Gedanken. Die Mitarbeiter (Agenten) müssen dann für die Kunden zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden, d.h. wenn die Kunden anrufen. Eine zentrale Aufgabe des Managements besteht darin, eine verkehrsangepasste Planung des Mitarbeitereinsatz zu gewährleisten. Dazu ist eine detail- Prognose des erwarteten Verkehrsaufkommens lierte Prognostik der erwarteten Anruferzahlen erforderlich. Auf der Basis von Auswertungen vergangener Kundenströme und erwarteter Entwicklungen werden Anruferzahlen und deren Verteilung über den Tag errechnet. Dieses Forecasting fließt in die Schichtplanung ein. Von besonderer Bedeutung sind im diesem Zusammenhang die Öffnungszeiten der Call Center. Kundenorientierung und Wettbewerbssituation führen dazu, dass die Unternehmen immer häufiger und in größerem Umfang für ihre Kunden erreichbar sein möchten. Im Vergleich zu anderen Branchen sind die Betriebszeiten von Call Centern auf die Abendstunden und die Wochenenden ausgedehnt. Immer häufiger bieten die Unternehmen ihren Kunden einen Rundum-die-Uhr-Service an, die Call Center sind an 7 Tagen in der Wochen 24 Stunden geöffnet. Abbildung 1 Das Datenmaterial für das Forecasting liefert die ACD-Anlage (Automatical Call Distribution), die die Verteilung der Anrufe steuert und alle relevanten Daten im Tagesverlauf verwaltet. Auf der Basis komplexer Berechnungen werden für die einzelnen Wochentage die erwarteten Anruferzahlen ermittelt. Die Differenziertheit der Berechnungen richtet sich nach den technischen Möglichkeiten und liegen meist bei halbstündigen oder stündlichen Zeitintervallen. q Schichtplanung Bei der klassischen Personaleinsatzplanung in Inbound-Call Centern bildet diese Verkehrskurve die Basis für alle Berechnungen der erforderlichen Agentenzahlen. Die tatsächliche benötigte Mitarbeiterzahl setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Telefon-Zeiten, Nachbearbeitungs-Zeiten und Zusatzzeiten. Für Telefon-Zeiten werden die erwarteten Anruferzahlen für die einzelnen Zeitintervalle mit der mittleren Gesprächszeit multipliziert. Dazu kommen pro Anruf die Nachbearbeitungszeiten (Einträge in die Computermaske, Nachfragen, Recherchen o. ä.). Zusätzlich wird ein Puffer für Arbeitszeiten angesetzt, die sich nicht direkt auf die eingehenden Anrufe beziehen (Qualifikation der Mitarbeiter, Pausen, Informationsgespräche, administrative Tätigkeiten o.ä.). Diese Zusatzzeiten schwanken in den Call Centern und betragen mindestens 30% der Gesamtarbeitszeit der Mitarbeiter. In die Festlegung des Mitarbeiterbedarfs fließen neben diesen Größen auch Zielvorstellungen [ 3 ]

zum Servicelevel (Wieviel Prozent der Anrufe sollen in welcher Zeit angenommen werden?) und zur Wartezeit (Wie lange sollen Anrufer maximal in einer Warteschlange verbleiben, bevor sie einen Ansprechpartner bekommen?) ein. Die mathematischen Algorithmen für diese Bedarfsberechnung werden in vielen Call Centern inzwischen von Workforce-Mananagement- Software-Produkten übernommen. Sie ermitteln, wieviel Agenten in den einzelnen Zeitintervallen zur Verfügung stehen müssen, um das erwartete Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Prinzip der Klassischen Personaleinsatzplanung Zur Deckung des so errechneten Personalbedarfs sind komplexe Schichtplansysteme erforderlich, die eine Vielzahl verschiedener Arbeitszeiten erfordern. Diese Planungen lassen sind nur schwer mit Vollzeitkräften realisieren. In der Konsequenz arbeiten die meisten Call Center mit einem hohen Anteil an Teilzeitkräften und Aushilfen, für die zumeist Frauen akquiriert werden. Vor allem in Call Centern mit langen Öffnungszeiten und hohen Verkehrsschwankungen gewinnt die Flexibilisierung über variable Schichtzeiten und den Einsatz von Teilzeitbeschäftigten immer mehr an Bedeutung. Abbildung 2 Die Verteilung der Schichtzeiten auf die einzelnen Mitarbeiter erfolgt nach unterschiedlichen Grundprinzipien. q Freier Schichtplan Die Schichtzeiten werden je nach Wochenarbeitszeit auf die Mitarbeiter verteilt. Im allgemeinen werden die persönlichen Arbeitszeitwünsche berücksichtigt. Die Vorlaufzeiten liegen bei minimal 4 Tagen bis zwei Wochen. Die Verteilung wird zumeist durch eine professionelle Personalplanungssoftware vorgenommen. q Wechselschichtplan Frühe, mittlere und späte Schichten folgen im Wechsel aufeinander. Die Pläne sind für einzelne Gruppen festgelegt und folgen einem festen Rhythmus (z. B. 6-Wochen-Rhythmus). Die Zuordnung der Mitarbeiter auf die einzelnen Pläne ist abhängig von deren Einsatzvolumen (Wochenarbeitszeit) und Einsatzmöglichkeiten. q Fester Schichtplan Vor allem für Vollzeitkräfte wird die wöchentliche Arbeitszeit relativ stabil gehalten, d.h. die täglichen Arbeitszeiten bleiben jeweils für eine Woche gleich und wechseln nach einem vorgegebenen System. q Variabler Schichtplan [ 4 ]

Hier werden für die einzelnen Wochen gleichbleibende tägliche Arbeitszeiten festgelegt, die Verteilung der freien Tage erfolgt kurzfristig, teilweise in Abstimmung mit Kolleginnen und Kollegen. q Einbuchungssysteme Die Mitarbeiter stellen ihren persönlichen Dienstplan nach eigenen Vorstellungen und Wünschen zusammen. Dieses Verfahren wird unterstützt durch entsprechende Softwaremodule, die den Mitarbeitern zur Verfügung stehen. q Rollierende Systeme Die Arbeits- bzw. Schichtzeiten werden nach einer festen Regelung gleichmäßig im Wechsel auf die vorhandenen Mitarbeiter verteilt. Beispiel eines Wechselschichtplanes Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4 Woche 5 Woche 6 Montag 13:00-21:30 8:00-15:00 14:00-21:00 7:00-15:30 8:00-16:30 15:30-22:30 Dienstag 7:30-14:30 14:00-21:00 12:00-20:30 15:00-23:00 16:00-23:00 13:00-20:00 Mittwoch 11:30-18:00 7:00-12:30 7:30-14:30 8:30-15:30 14:00-21:00 7:30-14:30 Donnerstag 12:00-20:30 15:00-22:00 16:00-23:00 13:00-20:00 7:30-13:00 11:30-18:00 Freitag 16:30-22:00 9:00-16:00 13:30-20:30 7:00-13:00 15:30-21:00 7:00-13:30 Samstag 15:30-22:30 FREI 8:30-14:30 FREI 14:00-21:00 FREI Sonntag FREI FREI 9:30-15:00 FREI 9:00-15:00 FREI Freie Tage 1 2 0 2 0 2 Wochenstunden 42,0 33,5 47,5 35,0 46,0 34,0 Pausen/Woche 420 Min 315 Min 480 Min 335 Min 445 Min 320 Min Tabelle 2 q Weitere Ansätze zur Arbeitszeitflexibilisierung Neben der starken Variation der Schichtzeiten lassen sich im Call Center Bereich weitere Ansätze der Arbeitszeitflexibilisierung erkennen. Die Just-in-Time-Bearbeitung eingehender Anrufe lässt sich durch die vorausschauende Planung nur begrenzt erreichen. Im Tagesgeschäft kommt es immer wieder zu kurzfristigen, nicht vorhersehbarer Änderungen. So können zum einen die erwarteten Anruferzahlen tagesaktuell von den Planungen abweichen. Zudem sind Ausfälle einzelner geplanter Schichten sehr häufig. Im Call Center sind hohe Krankenstände und Fluktuationsraten von bis zu 25% p.a. keine Seltenheit. Um dennoch die erwartete Erreichbarkeit zu gewährleisten, greifen Call Center Manager auf kurzfristige Mittel der Anpassung zurück. q Interne und externe Überläufe [ 5 ]

Kurzzeitige Verkehrsspitzen werden durch technische Möglichkeiten abgefangen. So können durch die Vernetzung verschiedener Call-Center-Standorte Überlauffunktionen geschaffen werden. Ebenso ist es möglich, weitere Mitarbeiter einzubinden, die aus anderen Abteilungen, der Führungsriege oder der Einbindung externer Dienstleister rekrutiert werden. Große Unternehmen mit mehreren Call-Center-Standorten nutzen diese Möglichkeiten im Rahmen der Einrichtung von virtuellen Call Centern, in denen die Anrufer jeweils an den Standort verbunden werden, an dem freie Agenten zur Verfügung stehen. q Überstunden Die Verlängerung oder Kürzung geplanter Arbeitsschichten ist in Call Centern sehr häufig anzutreffen. Bei hohem Verkehrsaufkommen oder geringer Mitarbeiterdecke werden die Mitarbeiter aufgefordert, ein oder mehrere Stunden länger an ihrem Arbeitsplatz zu verbleiben. Diese aufgelaufenen Überstunden werden zumeist im Gegenzug bei geringem Anrufervolumen wieder abgebaut, indem die Mitarbeiter früher nach Hause gehen können. q Abrufkräfte Vereinzelt wird versucht, Ausfälle und Arbeitsspitzen durch Abrufkräfte abzufangen. Dazu werden die entsprechenden Mitarbeiter mit einem Pieper ausgestattet bzw. per Telefon kurzfristig zum Diensteinsatz einberufen. Einige Unternehmen haben diesen Ansatz jedoch wieder verworfen, da er einerseits wenig praktikabel erscheint, andererseits die gewünschte zeitnahe Einbindung der entsprechenden Arbeitskräfte nicht gewährleistet. q Heimarbeitsplätze Technisch ist die Einbindung eines einzelnen Arbeitsplatzes außerhalb des Call Centers inzwischen relativ problemlos realisierbar. Verschiedene Unternehmen nutzen diese Möglichkeit, um entweder kurzfristig zusätzliche Agenten zuzuschalten oder generelle Heimarbeitsplätze für den normalen Schichteinsatz einzurichten. Diese Form der Beschäftigung ist vor allem für die Einbindung bestimmter Gruppen eine Alternative (z. B. Mütter mit kleinen Kindern). Insgesamt ist in der Call-Center-Branche eine steigende Tendenz zur Flexibilisierung der Arbeitszeit zu verzeichnen. Optimierungsansätze zur Steigerung der Produktivität und Servicequalität zielen darauf ab, die Planungszyklen zu verfeinern (viertelstündige Intervalle) und die Schichtzeiten immer weiter zu differenzieren. q Pausengestaltung Im Call Center ist die Gestaltung und Verteilung der Pausen ein Thema, das stärker als in anderen Bereichen zentral gesteuert wird. Jeder Agent, der nicht an seinem Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist für den Kunden am Telefon auch nicht erreichbar. Grundsätzlich sind die Arbeitsplätze in Call Centern als reine Computerarbeitsplätze konzi- [ 6 ]

piert. Damit tritt die Bildschirmarbeitsverordnung in Kraft, die in 5 vorschreibt: Der Arbeitgeber hat die Tätigkeit der Beschäftigten so zu organisieren, dass die tägliche Arbeit an Bildschirmgeräten regelmäßig durch andere Tätigkeiten oder durch Pausen unterbrochen wird. Für viele Agentenarbeitsplätze bedeutet dies rein rechtlich ein erhöhter Pausenanspruch im Sinne von Bildschirmpausen, die jedoch meist weder kontrolliert noch in vollem Ausmaß eingehalten werden. Gleichzeitig stellt die Call Center Tätigkeit für die Mitarbeiter eine hohe Belastung dar (z. B. Zeitdruck, ständig wechselnde Ansprechpartner, schwierige Einzelgespräche, hohe Konzentration, ein ständiges Lächeln in der Stimme ). Daraus ergibt sich eine Notwendigkeit für Erholungs- und Pausenzeiten. Diese Pausenzeiten werden in Call Centern zumeist zentral organisiert. Zu diesem Zweck werden die Pausenzeiten entweder in die Personaleinsatzplanung integriert oder zeitnah gesteuert. q Planung von Pausenzeiten Größere Pausenvolumen werden in Call Centern in der Personaleinsatzplanung berücksichtigt. Dazu werden beispielsweise verschiedene Zeiten für Mittagspausen ( 1 / 2 Stunde bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden) vordefiniert und an die einzelnen Mitarbeiter verteilt. Möchte ein Call Center die Vorgaben der Bildschirmarbeitszeitverordnung berücksichtigen, lässt sich dies am ehesten durch eine konkrete Planung der Pausen erreichen. Nur so ist zu gewährleisten, dass sowohl die Anforderungen an das Pausenvolumen als auch die Vorgaben für die Pausenvergabe eingehalten werden. Entsprechend werden hier die Pausen für die einzelnen Schichtzeiten festgelegt und den Mitarbeitern bei Arbeitsbeginn mitgeteilt. Dies geschieht beispielsweise mit Hilfe von Pausenkärtchen, auf denen die genauen Pausenzeiten festgelegt sind. Beispiele Pausenplanung Arbeitszeit 13:00 21:30 15:30 22:30 7:30 13:00 Pause 1 14:20 14:50 17:10 17:30 9:00 9:20 Pause 2 16:15 16:45 19:00 19:15 11:15 11:45 Pause 3 17:30 18:00 21:00 21:30 Pause 4 19:45 20:00 Gesamt 105 min 65 min 50 min Tabelle 3 Diese vorausschauende Festlegung bestimmter Pausenzeiten für einzelne Schichtzeiten bietet den Mitarbeitern die Sicherheit, diese Pausen auch in Anspruch nehmen zu können. Sie richten sich jedoch eher nach der Bedarfsberechnung innerhalb der Personaleinsatzplanung als nach den Ruhebedürfnissen der Agenten. Gleichzeitig verringert diese starre Planung die Flexibilität der Pausenverteilung im Tagesgeschäft. Daher steuern die meisten Call Center den Pausenbedarf ihrer Mitarbeiter zeitnah entsprechend der aktuellen Anforderungen. [ 7 ]

q Steuerung der Pausenzeiten durch Real-Time-Monitoring Der Supervisor ist der Ansprechpartner für die Pausenvergabe. Wenn ein Mitarbeiter eine Pause einlegen möchte, fragt er beim Supervisor nach, ob dies zur Zeit möglich ist. Die Informationen darüber, was die einzelnen Mitarbeiter zur Zeit tun, stehen diesem zeitnah zur Verfügung. Im Real-Time-Monitoring können Supervisoren für jeden Arbeitsplatz erkennen, wer gerade telefoniert, in Pause oder mit Nebenarbeiten beschäftigt ist. Gleichzeitig fließen dort die aktuellen Informationen zu den Anruferzahlen und der Warteschlange (Anrufer, die auf einen freien Agenten warten) ein. Aufgabe der Supervisoren oder Teamleiter ist es, das Tagesgeschäft so zu steuern, dass jederzeit die eingehenden Anrufe zeitnah angenommen werden. Entsprechend gibt er den Pausenwünschen nach oder bittet den Mitarbeiter, seine Pause zu verschieben, bis wieder genügend Agenten an ihrem Platz sind bzw. bis der Anruferstrom etwas abebbt. Diese verkehrsangepasste Pausensteuerung kann auch aktiv durch den Supervisor betrieben werden, indem er die einzelnen Pausenzeiten tagesaktuell plant und dann auf die einzelnen Mitarbeiter verteilt. q Steuerung der Pausenzeiten durch soziale Abstimmungsprozesse Um die Freiräume der Mitarbeiter für die individuelle Pausengestaltung zu erweitern, werden in vielen Call Centern die Erholungszeiten auf Teams verteilt. Auf Pausentafeln tragen sich beispielsweise diejenigen ein, die gerade nicht am Platz sind. Die Kolleginnen und Kollegen haben dann eine Übersicht über die aktuelle Mitarbeiterbesetzung an den Telefonen. Diese Form der Pausensteuerung kann auch in anderer Form geregelt sein. So stellen die Teamleiter beispielsweise ein bestimmtes Pausenkontingent in Form von Magnetpins, Bällen oder ähnlichem zur Verfügung. Wenn die Zahl der maximal abwesenden Mitarbeiter erreicht ist, muss gewartet werden, bis wieder einer der Kolleginnen oder Kollegen wieder zurück an seinem Platz ist. Eine modernere Form dieser Abstimmungsprozesse ist ein Einbuchungssystem für Pausen, das mit bestimmten Verteilalgorythmen arbeitet und in das sich die Mitarbeiter selbst einbuchen können. Dadurch wird ermöglicht, dass Erholungszeiten auch längerfristig geplant und gerechter verteilt werden können. Zudem haben die Agenten damit die Möglichkeit, sich zu verabreden und gemeinsame Pausen mit befreundeten Kollegen verbringen können. Diese Form der Pausensteuerung findet sich jedoch nur in größeren Call Centern. Die wesentliche Schwierigkeit der Pausensteuerung besteht darin, den persönlichen Pausenbedarf und die individuellen Erholungswünsche der Mitarbeiter in Einklang zu bringen mit den Erfordernissen der Tätigkeit im Call Center. Vielfach entbrennt auch gerade zu diesem Thema die Diskussion zur Gerechtigkeit in Call Centern. Manche Mitarbeiter halten eine hohe Telefondisziplin, andere nutzen alle Möglichkeiten, sich zwischendurch von ihrem Arbeitsplatz zu entfernen (z.b. Zigarettenpausen ). q Konsequenzen für die Agenten Die Arbeit im Call Center als solche bringt bereits ein hohes Maß an Belastungen mit sich. Meist ist die Tätigkeit von einer hohen Arbeitsteilung mit relativ gleichförmigen Arbeitsabläufen geprägt. Je nach Aufgabeninhalt wickelt ein Agent innerhalb einer Arbeitsschicht zwischen 20 (bei intensiver Beratungstätigkeit) bis zu mehreren Hundert Einzeltelefonaten ab (z. B. bei einer Telefonauskunft). Verstärkt wird der damit verbundene Stress durch die Arbeit in [ 8 ]

Großraumbüros mit einem teilweise erheblichen Lärmpegel. Zudem stellt die ständige Arbeit am Bildschirm eine hohe physische Belastung für Augen, Rücken und Bewegungsapparat dar. Hoher Krankenstand und Fluktuationsraten im zweistelligen Bereich sind dafür aussagekräftige Indizien. An dieser Stelle seien diese Belastungskomponenten jedoch nur kurz gestreift. Nachstehend werden die Folgen und Anforderungen beleuchtet, die sich aus der Gestaltung von Arbeitszeiten und Pausen ergeben. q Schichtarbeit Hohe Arbeitszeitflexibilität und Schichtarbeit stellen eine physiologische Belastung dar. Der Körper kann sich nicht auf einen gleichförmigen Rhythmus von Arbeit und Freizeit einrichten. Vor allem bei langen Öffnungszeiten oder Nachtbetrieb treten körperliche Störungen auf, die aus anderen Bereichen hinlänglich bekannt sind: Vegetative Labilität, Magen-Darm- Erkrankungen, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit, Schlaf- und Kreislaufstörungen, emotionale Erschöpfung u.ä. Je nach Schichtplansystem sind auch die Tagesarbeitszeiten unregelmäßig, ebenso wie die Verteilung der freien Tage. Vielfach werden für Vollzeitmitarbeiter gleichmäßigere Arbeitszeiten geschaffen. Stärkere Flexibilität wird von den Teilzeitmitarbeitern und Aushilfen gefordert, die fehlende Schichtzeiten abdecken. Durch den Einsatz von Software-Produkten zur Personaleinsatzplanung wird es möglich, Arbeitszeitpräferenzen und konkrete Schichtwünsche zu berücksichtigen. Wenn die Abstimmung der persönlichen Arbeitszeitwünsche mit den Erfordernissen des Unternehmens gut in Einklang gebracht werden kann, wird die flexible Arbeitszeit für die Mitarbeiter durchaus auch als Vorteil gesehen (Studie FREQUENZ zum Personalmanagement in Call Centern). q Planungssicherheit In Unternehmen, die kurzfristig ihren Personaleinsatz planen, liegen die Vorlaufzeiten für die Festlegung der Arbeitszeit zwischen 4 Tagen und zwei Wochen. Damit sind für viele Agenten die Möglichkeiten einer individuellen Planung des Privatlebens stark eingeschränkt. In Call Centern findet eine rege Tauschbörse für die Schichtzeiten statt, in denen die Mitarbeiter untereinander unliebsame Arbeitszeiten verschieben. Durch feste Schichtpläne oder Wechselschichtsysteme wird eine größere Planungssicherheit gewährleistet. q Soziale Isolation Sowohl im privaten sozialen Umfeld als auch im Sozialgefüge innerhalb des Unternehmens ist bei Call-Center-Agenten vielfach eine Beeinträchtigung zu verzeichnen. Einerseits können regelmäßige private Termine nur begrenzt oder mit hohem Aufwand wahrgenommen werden (Diensttausch). Zum anderen ist mit der starken Arbeitzeitflexibilisierung und spezifischen Schichtplanung verbunden, dass die Kolleginnen und Kollegen sich nur unregelmäßig sehen. Hinzu kommt, dass nur begrenzte Möglichkeiten zum sozialen Kontakt am Arbeitsplatz bestehen. Private Gespräche oder gemeinsame Pausenzeiten sind eher die Ausnahme als die Regel. Vor allem in großen Call Centern kennt man häufig die Kolleginnen und Kollegen nur flüchtig. Durch die Einrichtung von Arbeitsteams wird in einigen Call Centern versucht, einen Rahmen zu schaffen, der Kontinuität und soziale Beziehungen der Mitarbeiter untereinander ermöglicht und fördert. [ 9 ]

q Eigener Arbeitsplatz Der eigene Arbeitsplatz ist im Call Center eher ungewöhnlich. Die Anzahl der Beschäftigten übersteigt die Zahl der Arbeitsplätze etwa um das Zwei- bis Dreifache. Variierende Arbeitszeiten verschärfen diese Situation. Im allgemeinen wissen die Agenten erst zu Dienstbeginn, wo sie an diesem Tag arbeiten werden. Eine Identifikation mit dem Unternehmen und der Arbeit wird damit erschwert. Die Tischnachbarn kennt man nur flüchtig, der Kontakt untereinander ist zeitlich und inhaltlich begrenzt. Es bestehen kaum Möglichkeiten, den Arbeitsplatz nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und mit persönlichen Utensilien zu versehen. Insgesamt entsteht das Gefühl, auswechselbar zu sein. Verstärkt wird dies durch die Arbeit in Großraumbüros, die einen Rückzug in eine Privatsphäre fast unmöglich machen. q Kontrolle Durch den Einsatz von Real-Time-Monitoring-Systemen und die Erfassung der Arbeitsdaten mittels der ACD-Anlagen wird die Arbeit eines Call-Center-Agenten bis ins Detail transparent. Auch wenn nur in Ausnahmefällen eine personenbezogene Leistungskontrolle durchgeführt wird (z. B. im Rahmen der leistungsorientierten Entlohnung), entsteht der Eindruck einer permanenten Kontrolle durch die Supervisoren oder Teamleiter ( Gläserner Mitarbeiter ). q Handlungsspielräume Vom Arbeitsinhalt her haben Call-Center-Agenten nur begrenzten Spielraum für die Gestaltung ihrer Tätigkeit. Die Anrufe werden durch die Telefonanlagen direkt und automatisch auf die einzelnen Arbeitsplätze verteilt. Beim Inbound erfolgt diese Zuteilung durch die ACD-Anlage, im Outbound-Geschäft übernimmt ein automatischer Dialer die Anwahl des nächsten Kunden. Je nach technischer Einrichtung können sich die Mitarbeiter für einen Anruf freischalten oder werden nach einer fest eingerichteten kurzen Ruhepause mit dem nächsten Anrufer verbunden. Selbst bei der Gestaltung der Pausenzeiten sind die Handlungsmöglichkeiten im allgemeinen eingeschränkt. Die persönliche Pausengestaltung ist je nach Organisationsform abhängig von der Einwilligung des Supervisors oder beschränkt durch eine Vorabplanung. Selbst Verabredungen mit befreundeten Kolleginnen und Kollegen können nur begrenzt realisiert werden. Damit sind auch die Möglichkeiten begrenzt, Ärgernisse z.b. aus unerfreulichen Telefonaten adäquat zu verarbeiten. q Teilzeitarbeit Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in der Call-Center-Branche liegt bei etwa 50 % in der Gesamtheit, in Einzelfällen deutlich darüber. Durch die geringere Wochenarbeitszeit und die in Call Centern eher übliche geringe Bezahlung ist mit einem Teilzeitjob der Lebensunterhalt nicht zu bestreiten. Durch die Variation der Schichtzeiten ist es jedoch nur schwer möglich, weiteren Beschäftigungen nachzugehen. Damit sind diese Tätigkeiten auf spezielle Personengruppen beschränkt. Dazu gehören Studierende und Frauen, bei denen der Teilzeitanteil wesentlich höher ist. [ 10 ]

q Alternative Ansätze Einige wesentliche Faktoren tragen dazu bei, dass alternative Ansätze und Vorgehensweisen für Call-Center-Tätigkeiten entwickelt und realisiert werden. Zum einen weitet sich die Call-Center-Tätigkeit im Rahmen der CRM-Bewegung (Costumer Relationship Management) auf neue Medien und Aufgabeninhalte aus. In Costumer Care Center oder Service Centern werden nicht mehr nur Telefonate abgewickelt, es werden auch Faxe beantwortet, Emails bearbeitet, teilweise sind auch sachbearbeiterische Tätigkeiten integriert. Zum zweiten werden in Call Centern immer hochwertigere Dienstleistungen angeboten. Damit verbunden ist der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern, die mit großem Aufwand auf ihre Aufgaben vorbereitet werden müssen. In diesem Zusammenhang entsteht die Notwendigkeit, Personal mit einer hohen Ausgangsqualifikation zu rekrutieren und an das Unternehmen zu binden. Dies ist unter den üblichen Rahmenbedingungen (hoher Teilzeitanteil, sehr variable Arbeitszeiten) nur schwer erreichbar. Weiterhin führen personalpolitische Grundsatzentscheidungen zur gezielten Entwicklung von adäquaten Organisationskonzepten für die Abwicklung von Call-Center-Tätigkeiten. Vor allem bei der Einrichtung von internen Call Centern will das Unternehmen nicht auf die Kompetenzen erfahrener Mitarbeiter verzichten und Rahmenbedingungen schaffen, die sich nicht grundsätzlich von denen anderer Abteilungen unterscheiden. Nicht zuletzt führen finanzielle Überlegungen dazu, die Rahmenbedingungen in Call Centern zu optimieren. Krankenstand und Fluktuation kosten Geld, die Qualifizierung neuer Mitarbeiter ist teuer, zeitraubend und mindert die Servicequalität. Damit sind Konzepte gefragt, die das Image von Call Centern heben, die Mitarbeitermotivation steigern und eine erhöhte Mitarbeiterbindung zur Folge haben. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Tendenzen und Entwicklungsansätze erkennbar, die sich positiv auf Arbeitszeit- und Pausengestaltung auswirken. q Technische Lösungen Vermehrt wird auf die Möglichkeiten der Vernetzung verschiedener Call Center zu einem gemeinsamen virtuellen Call Center zurückgegriffen. So kann beispielsweise ein bundesweit agierendes Unternehmen mit unterschiedlichen Standorten die eingehenden Anrufe dorthin weiterleiten, wo gerade ein Agent zur Verfügung steht. Die Übernahme von Nacht- oder Wochenendarbeit kann auf einzelne Standorte konzentriert werden, die ihr Personal dann entsprechend rekrutieren. Ebenso können regionale Verkehrsspitzen durch intelligente Weiterleitungsroutinen gleichmäßig auf die anderen Standorte verteilt werden. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, eine Call-Center-Funktion vollständig in eine bestehende Struktur zu integrieren. Die Mitarbeiter der einzelnen Standorte sind dann teilweise mit Call-Center-Tätigkeiten beschäftigt, in der restlichen Arbeitszeit gehen sie ihren normalen Aufgaben nach (z. B. Sachbearbeitung, Kundenbetreuung o. ä.). Besonders reizvoll erscheint auch die Möglichkeit, Heimarbeitsplätze einzurichten und zu einem virtuellen Call Center zusammenzuführen. Es gibt Unternehmen, die auf diese Weise Frauen mit kleinen Kindern eine Weiterbeschäftigung anbieten bzw. den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern. [ 11 ]

q Teamorientierung Neben der Konzentration auf die Bedarfsplanung im Rahmen der klassischen Personaleinsatzplanung in Call Centern ist vermehrt die Tendenz zur Teamarbeit zu erkennen. Das bedeutet die Organisation der Mitarbeiterschaft in festen Arbeitsteams, die gemeinsam ihre Arbeitsaufgaben abwickeln. Um diese Teamarbeit realisieren zu können, werden die Arbeitszeiten der Teammitglieder aufeinander abgestimmt. Damit verbunden ist eine feste Zuordnung von Arbeitsplätzen, um räumliche Nähe zu schaffen. Wenn möglich, erhalten die Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz, ggf. teilen sie sich diesen Platz mit einem Kollegen oder einer Kollegin. Durch Teammeetings, Teamentwicklungsmaßnahmen und interne Abstimmungsprozesse (z. B. Pausensteuerung oder Urlaubsplanung) wird ein sozialer Rahmen geschaffen, in dem die persönlichen Anliegen des Einzelnen Berücksichtigung finden und ein Austausch über berufliche und private Angelegenheiten stattfinden kann. q Aufgabenorientierung Die Ausweitung der Aufgabenfelder innerhalb eines Call Centers (z.b. in Richtung Costumer Care Center) führt zu einer Aufgabenerweiterung für den einzelnen Mitarbeiter. Statt Arbeitszeitflexibilität sind die Schwerpunkte hier die optimale Verteilung von Arbeitsaufgaben. Vor allem in Call Centern, die verschiedene Dienstleistungen anbieten, übernimmt ein Agent verschiedene Tätigkeiten (Multiskill-Ansatz, Skill-based-Routing-Systeme). Bei einer intelligenten Steuerung dieser verschiedenen Aufgabenkomplexe auf die Mitarbeiter können die Arbeitszeiten des Einzelnen harmonisiert werden, der Anteil von qualifizierten Vollzeitkräften kann zunehmen. q Dynamisches Personalmanagement Die bedarfsorientierte Arbeitszeitgestaltung (Klassische Personaleinsatzplanung) konzentriert sich auf die Menge und Verteilung der Verkehrsprognostik. Für die einzelnen Zeitintervalle werden die erwarteten Anruferzahlen mit einem Zeitindex multipliziert, der sich aus Telefon- Zeiten, Nachbearbeitungszeiten und Zusatzzeiten zusammensetzt. Die geplante Arbeitszeitkurve entspricht im Verlauf dem erwarteten Verkehrsaufkommen (vgl. Ausführungen S.3). Innerhalb dieser Prämissen sind die oben vorgestellten alternativen Ansätze nur schwerlich realisierbar. Das Dynamische Personalmanagement bietet eine organisatorische Alternative, Teamorientierung und Aufgabenmix vollständig in die Call-Center-Arbeit zu integrieren. Gleichzeitig kann die Arbeitszeitflexibilisierung zurückgefahren werden zugunsten einer gleichförmigen Schichtarbeit mit hoher Planungssicherheit und Vollzeitbeschäftigung. Im Dynamischen Personalmanagement bildet die Telefonzeit (das Arbeitsvolumen, das die Mitarbeiter direkt mit Kundengesprächen verbringen) ebenfalls die Basis der Personalbedarfsermittlung. Sämtliche call-unabhängige Arbeitszeiten (Aufwand für Nachbearbeitung, Pausen, Information, Administration, Qualifikation) werden separat geplant. Sie müssen so angelegt sein, dass die erforderliche Online-Besetzung (Verfügbarkeit am Telefon) jederzeit gewährleistet ist. [ 12 ]