Soziale Kommunikation. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2011 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Ähnliche Dokumente
Soziale Kommunikation. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2011 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2017 Prof. Dr. phil. habil.

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2015/16 Prof. Dr. phil. habil.

Soziale Kommunikation. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2011 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2015/16 Prof. Dr. phil. habil.

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke.

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke. Liebe und weiter?

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Medien, Formen und Erwartungen. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2011/12 PD Dr. phil. habil.

Medien, Formen und Erwartungen. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2011/12 PD Dr. phil. habil.

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Medien, Formen und Erwartungen. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2011/12 PD Dr. phil. habil.

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

6. Speyerer Forum zur digitalen Lebenswelt: Auf dem Weg ins Maschinenzeitalter Udo Thiedeke (Universität Mainz / Institut für Soziologie)

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke.

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke. Das soll Liebe sein?

Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2013/14 Prof. Dr. phil. habil.

Soziale Kommunikation. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2011 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke. Kommunikationsprobleme

Einführung in die Soziologie virtualisierter Vergesellschaftung

Grundlagen der soziologischen Theorie

1. Ziel: Vom Buhmann zu Luhmann Vorgehen: Reduktion von Komplexität... 12

Neuropsychologie und Physiotherapie Wie können wir in der physiotherapeutischen Behandlung neuropsychologische Probleme beeinflussen?

Daniel Blahudka. Querdenken Die Logik des Designs

Recht als ein System der Kommunikation

Recht als ein System der Kommunikation

Gemeinschaftsbildung soziologisch und theologisch betrachtet

Richard M. Hare: Alles egal? Richard M. Hare

Luhmann leicht gemacht

Medien, Formen und Erwartungen. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2011/12 PD Dr. phil. habil.

Vorlesung im SS 2004 von Prof. Dr. Sabine Walper. Handlungs- und Rollentheorien Gesellschaftstheorien

Tutor: Liz Leutner. Termin: LERNTHEORIEN. Tutorium Persönlichkeitspsychologie I

Inhalt. 1. Einführung Philosophie 4. a) Isolation / Globalität. b) Die drei Wahrnehmungsstationen. 3. Schaubild Wahrnehmungsstationen 6

Theorienvergleich: Symbolischer Interaktionismus/Phänomenologie

Kommunikationsguerilla

Individualisierung bei Max Weber. Steffi Sager und Ulrike Wöhl

Der organisationstheoretische Ansatz der Außenpolitikanalyse

Digitale Information und Kommunikation SoSe 2017

Talcott Parsons Strukturfunktionalismus

GRUNDBEGRIFFE DER SOZIOLOGIE. Markus Paulus. Radboud University Nijmegen DIPL.-PSYCH. (UNIV.), M.A.

Materielle Sicherung und/oder Integration Ethische Fragen rund um die Sozialhilfe

Wirklichkeitskonstruktion im mediatisierten Wandel

System bezeichnet einen ganzheitli

6. Modelle vermittelter Kommunikation

Vertrauen ist gut Marke ist besser

Emile Durkheim

Den Lebenslauf verstehen wir mit Niklas Luhmann

Über die Wurzeln der Kostenexplosion im sozialen System der Krankenversicherung

Georg Simmel, Rembrandt und das italienische Fernsehen

Lernen und Gedächtnis

Soziale Beziehungen & Gesellschaft -Proseminar Sommersemester 2005 Beck // Individualisierung

Management - Strategische Unternehmensführung

Nachhaltigkeitspolitik aus systemtheoretischer Perspektive Am Beispiel nachhaltiger Industrieparkentwicklung

Theoretische Informatik Kap 2: Berechnungstheorie

MATERIAL UND MEDIUM. Einführung in die Literaturtheorie silkehorstkotte.wordpress.com

Peter L. Berger und Thomas Luckmann. - Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit -

Multivariate Analysemethoden

kultur- und sozialwissenschaften

Luhmann leicht gemacht

Critical Whiteness/ Anti- Rassismus Seminar am 26./ in Köln

leicht gemacht Eine Einführung in die Systemtheorie VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

MODELLLERNEN (Bandura)

Carl von Clausewitz: Vom Kriege. 1. Buch: Über die Natur des Krieges

Einführung in die Architekturkommunikation Vorlesung im Sommersemester 2012 Prof. Dr. Riklef Rambow

Kommunikation nach Luhmann

Überraschend, Anders, Unwahrscheinlich. Nicht Kunst. Eine Double Bind-Situation

Didaktik der Elementargeometrie

INHALT TEIL I: DIE BILDER DES SOZIALEN IN DER SOZIOLOGISCHEN THEORIEBILDUNG Einleitung... 11

Differenzierung des Unterrichts

Was Unterscheidungen und Ähnlichkeiten über deren Vergleichbarkeit verraten

ein IchbinIch begreifen Wie viel Andersartigkeit verträgt eine Gesellschaft?

Exzerpt Frank Kopanski "... sam säw zum nuosch" Anmerkungen zum Hochzeitsmahl in Heinrich Wittenwilers 'Ring'

Pädagogisches Handeln und Pädagogische Institutionen

AUTORSCHAFT. Einführung in die Literaturtheorie silkehorstkotte.wordpress.com

BEITRÄGE PRIVATER BAUTRÄGER FÜR ZUKUNFTSFÄHIGE STADT-QUARTIERE IN NRW

Syllabus Beschreibung der Lehrveranstaltung

Was ist Gesundheit? Teil 1a: Theorien von

5 Selbstkonstruktion und interpersonale Distanz empirische Prüfung

Aggression und Gewalt.

ARBEITSPAPIER BEGRIFFSBESTIMMUNG VON STEREOTYPEN UND VORURTEILEN

Einführung in die Architekturkommunikation Vorlesung im Sommersemester 2016 Prof. Dr. Riklef Rambow

Analyse ethischer Texte

Lerntagebuch zu einer Reise seiner Bildung

Alfred Schütz Konstitution sinnhaften Handelns

Aufgabengruppe 2.1 Beobachten (offen)

Bürgerhilfe Florstadt

Mensch-Technik-Emotion

Frank Hillebrandt. Einführung in soziologische Denkweisen

Transkript:

Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Sommersemester 2011 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke 1) Handlung oder Kommunikation? 2) Differenzierung sozialer Systeme 3) Zusammenfassung

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 1 Handlungen haben keine systemkonstitutive Bedeutung mehr, wenn ein selbstreferentes soziales System vorliegen sollte. Es müsste sonst in den handelnden Individuen irgendwo z.b. Gesellschaft geben, die dort selbständig kommuniziert.

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 2 In beiden Fällen ist soziales Handeln als Letztelement konstitutiv für die Ausprägung von Sozialität. Wenn kein soziales Handeln mehr vorliegt, dann endet die Sozialität. Bei Weber ist die Einheit der Sozialität in der Art des sozialen Han- delns vorgegeben, bei Parsons wird sie erst analytisch (und nor- mativ) im Handeln konstruiert.

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 3 Das Letztelement eines sozialen Systems ist daher nicht eine einzelne Handlung oder Handlungsintension, sondern eine soziale Kommunikation, verstanden als Prozess dreier reflexiver Sinnselektionen (Information Mitteilung Verstehen).

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 4 Endet der Prozess der wechselseitigen unterscheidenden Bezugnahme, dann fällt das weg, was Sozialität produziert und reproduziert. Ohne Kommunikation kein soziales System!

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 5 Handeln hingegen, auch ein sozial orientiertes Handeln kann von einem isolierten Individuum alleine ausgeführt werden, ohne, dass andere davon erfahren. Dann wird durch dieses Handeln allerdings auch kein soziales System irritiert und ggf. aktualisiert. (Geschenkverpacken ist soziales Handeln, erfährt jedoch niemand davon, so entsteht dadurch kein soziales System)

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 6 Handeln und Handlungen erlauben es dem sozialen System sich selbst zu konditionieren (d.h. hier: zu steuern), indem es Kommunikationsakte z.b. auf Akteure, die gerade kommunizieren zurechnet und diese Zurechnung kommuniziert.

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 7 Der komplexe Kommunikationsprozess des Systems wird mittels zurechnender Beobachtung und Beschreibung in Handlungen (und Handelnde) zerlegt und damit adressierbar.

1) Handlung oder Kommunikation? Folie 8 Die Zurechnung von Handlungen und Handelnden setzt im Kommunikationsprozess an der Mitteilungsselektion an. Hier wird Kommunikation 'sichtbar'. Man sieht oder hört jemanden, der etwas mitteilt oder man sieht manifeste Spuren (Zeichen), die von einem Medium geformt werden (etwa Schrift), was darauf hindeuten, dass irgendwer etwas mitteilen will oder wollte.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 9 Infolge der Fokussierung auf Mitteilungshandlungen kann das System konditionierte Komplexität aufbauen, da nun Kommunikationsprozesse unterschiedlich beobachtet und beschrieben werden können. Das System,klebt nicht mehr daran, dass alle, alles, überall zu jeder Zeit sagen könnten.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 10 In den Kommunikationen des sozialen Systems sind jetzt Grenzziehungen der Zurechenbarkeit und der Zurechnung von Handlungen und Handelnden möglich.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 11a Das hat Konsequenzen für die Kommunikation in allen Sinndimensionen: 1) In der sachlichen Sinndimension kann jetzt nach der Bedeutung von Themen und Beiträgen gefragt werden.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 11b Das hat Konsequenzen für die Kommunikation in allen Sinndimensionen: 1) In der sachlichen Sinndimension kann jetzt nach der Bedeutung von Themen und Beiträgen gefragt werden. 2) In der zeitlichen Sinndimension macht es die Zurechnung auf Mtteilungshandeln möglich ein,vorher,,gerade und,nachher' zu unterscheiden, wodurch Kommunikation einen episodischen Charakter erhält.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 11c Das hat Konsequenzen für die Kommunikation in allen Sinndimensionen: 1) In der sachlichen Sinndimension kann jetzt nach der Bedeutung von Themen und Beiträgen gefragt werden. 2) In der zeitlichen Sinndimension macht es die Zurechnung auf Mtteilungshandeln möglich ein,vorher,,gerade und,nachher' zu unterscheiden, wodurch Kommunikation einen episodischen Charakter erhält. 3) In der sozialen Sinndimension erlaubt die Zurechnung auf Mitteilungshandeln die Unterscheidung,wer kommuniziert und damit die Unterscheidung von,alter und,ego ' beim wechselseitigen Anschluss von Kommunikationen.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 11d Das hat Konsequenzen für die Kommunikation in allen Sinndimensionen: 1) In der sachlichen Sinndimension kann jetzt nach der Bedeutung von Themen und Beiträgen gefragt werden. 2) In der zeitlichen Sinndimension macht es die Zurechnung auf Mtteilungshandeln möglich ein,vorher,,gerade und,nachher' zu unterscheiden, wodurch Kommunikation einen episodischen Charakter erhält. 3) In der sozialen Sinndimension erlaubt die Zurechnung auf Mitteilungshandeln die Unterscheidung,wer kommuniziert und damit die Unterscheidung von,alter und,ego ' beim wechselseitigen Anschluss von Kommunikationen. 4) In der räumlichen Sinndimension kann mittels Zurechnung auf Mitteilungshandeln unterschieden werden, welche Distanzen die Kommunikation überbrücken muss, wie groß die Reich- weite von Handlungsmöglichkeiten ist und wie Orte Handlungsmöglichkeiten beeinflussen.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 12 Auf diese Weise können unterschiedliche Umgangsweisen mit Kommunikation strukturell verstetigt werden und zur Ausprägung der Identität des sozialen Systems gegenüber seiner Umwelt beitragen, indem mit einem: Das macht man hier so die eigene Systemgrenze thematisiert wird.

2) Differenzierung sozialer Systeme Folie 13 - Die Betonung räumlicher Anwesenheit der Handelnden ist typisch für Interaktionssysteme. - Die Betonung der Gesamtheit aller Handlungsmöglichkeiten und Handelnden charakterisiert das Gesellschaftssystem. - Die Betonung sachlicher Aspekte von Handlungsmöglichkeiten erlaubt die Ausprägung von Funktionssystemen. - Die Betonung von Ähnlichkeiten der handelnden Personen ermöglicht das Entstehen von Gemeinschaftssystemen usw.

3) Zusammenfassung Folie 14 Zusammenfassung - Da soziale Systeme unter doppelter Kontingenz anlaufen, kann ihr grundlegender Relationsprozess nur ein sinnhafter Kommunikationsprozess sein. Letztelement eines sozialen Systems ist daher nicht die einzelne sozial intensionale Handlung, sonder eine soziale Kommunikation. Mit der Beobachtung von Mitteilungshandeln in der Kommunikation werden Handlungen und Handelnde für das soziale System hingegen unterscheidund beschreibbar. Damit können Handlungen und Handelnde im System in der sachlichen, sozialen, zeitlichen und räumlichen Sinndimension zugerechnet werden. Das soziale System gewinnt so Autonomie und Spielraum für den Aufbau von Eigenkomplexität und differenzierten Erwartungsstrukturen.