Kiefergelenkstherapie

Ähnliche Dokumente
10. Anhang. Dysfunktionsindex nach Helkimo (1974) I. Anamnestischer Dysfunktionsindex nach Helkimo

Osteopathie Kiefergelenke & Seele

TherapeutischeMöglichkeiten beistörungen deskiefergelenkes

Patienteninformation

Immer häufiger begegnen wir dem Begriff CMD, der Fehlfunktion des Kiefergelenks.

Eine Fehlstatik im Biss mit weitreichenden Folgen für den gesamten Organismus:

10 Fragen zum Thema CMD

Kraniomandibuläre Dysfunktionen

Bartrow Übeltäter Kiefergelenk

Anamnesebogen Funktionsstörungen:

Herzlich Willkommen zum öffentlichen Vortrag. Kopf- und Gesichtsschmerzen Möglichkeiten der Physiotherapie

Kraniomandibuläre Dysfunktionen CMD

Verband der Osteopathen Deutschland e.v.

1.1. Epidemiologie der CMD

Erläuterungen zur Untersuchung und gegebenenfalls Therapie von CMD- bzw. Kiefergelenk-Patienten

Schmerz und Schlaf. Interaktionen aus zahnärztlicher Sicht

Kay Bartrow. Übeltäter Kiefergelenk. Endlich wieder entspannt und schmerzfrei: 60 Übungen mit Soforteffekt

Neuromuskuläre myozentrische Aufbissschiene für die Nacht

Geburtsdatum. Vorname. Private Krankenversicherung Private Zusatzversicherung Beruf/Arbeitgeber. Welche Medikamente nehmen Sie regelmäßig ein?

Höfler Entspannungstraining für Kiefer, Nacken, Schultern

KIEFERGELENKS- BESCHWERDEN

Verstärkende rkende Faktoren der Craniomandibulären. ren Dysfunktionen CMD

Indikationsgruppe CD2

Was ist die Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)?

Versicherter. Telefon. privat... tagsüber... Mobil-Nr Beruf...

Neue Physiotherapie-Verordnungsrichtlinien für Zahnärzte. Gerne behandeln wir die CMD-Patienten die Sie uns mit folgenden Indikationen schicken:

Wenn der Kiefer Kummer macht Diagnose CMD. Alles, was Sie wissen müssen. Hans Sellmann

Die TMD gehören zur Gruppe der muskuloskelettalen. Schmerztherapeutische Prinzipien bei Diagnose und Therapie von TMD

FUNKTIONSSTÖRUNGEN DES SCHULTERGÜRTELS. Leitfaden

31-40 Jahre Jahre Jahre Alter der Patienten in Dekaden. Alterszusammensetzung der Studienteilnehmer

Körperkunde - Der Gesundheitspodcast. Das Kiefergelenk. Aufbau

Das Wichtigste in Kürze zu Leitlinie 145/004: Fibromyalgiesyndrom aktueller Stand: 03/2017. AWMF-Register Nr. 145/004 Klasse: S3

Craniomandibuläre Dysfunktionen

4 ème Congrès de la SOFMMOO

Newsletter - Ausgabe Juni 2017

CMD in der Osteopathie

Postpolio Syndrom Behandlungsmöglichkeiten am Mediclin Reha Zentrum Roter Hügel in Bayreuth

Neuro-muskulo-skelettales System

Univ.-Prof. Dr. med. Christoph Gutenbrunner

Schiefes Becken Schiefe Zähne und Schiefe Zähne Schiefes Becken.

Neue Kriterien zur Erfassung von Fibromyalgie-Syndromen

Das Alter hat nichts Schönes oder doch. Depressionen im Alter Ende oder Anfang?

Rückenschmerz: Keine Pillen helfen - in Bewegung bleiben

PSYCHISCHE KOMORBIDITÄTEN BEI CHRONISCHEN RÜCKENSCHMERZEN

Herzlich willkommen! Kreuzschmerz

Kopfschmerzen, Migräne und Ohrgeräusche

Stomatologie Deutsch

... Patient: Name Vorname Geburtsdatum. ... Straße, Hausnummer PLZ, Ort Telefon/Telefax Krankenkasse

TEIL 2 Das craniomandibuläre System

Fibromyalgie- Syndrom

Klinische Psychologie: Körperliche Erkrankungen kompakt

Einleitung 11 Das Skelett durch Gelenke bewegfich 13 Das Angeborene und das Erworbene 15 Es gbt keinen Zufall 18

Risikofaktoren für eine ernsthafte Wirbelsäulenerkrankung

FUNKTIONELLE STÖRUNGEN UND HYPOCHONDRIE

Funktionelle Osteopathie Integration (FOI )

Patienteninformation. Fibromyalgie. ACURA Sigel-Klinik HEILEN, HELFEN, HANDELN

Wege aus dem Schmerz. Multimodale Therapie bei chronischen Schmerzerkrankungen

Psychologische Faktoren im Krankheitsverlauf. Myelomtage Heidelberg Patiententag

meine Arbeit Applied Kinesiology [AK] Biologische Medizin

Vorgehen bei zeitgleicher Therapie der CMD / CCD

Kopfschmerzen, Rückenschmerzen... Warum zum Zahnarzt?

Gefördert durch den GKV-Spitzenverband.

Physiologische (normale) Gelenkbeweglichkeit:

Patient J. E., 47 J.

Zahn- und Kieferregulierungen


Die Simssee Klinik Klinik für konservative orthopädische Akutbehandlung

Funktionsstörungen des Kiefergelenks und Erkrankungen im HNO-Bereich Dr. Klaus Brill St. Annenstr. 12 St.Wendel

Inhalt. Einleitung 10. Der Schmerz im Rücken 12 Viele Symptome noch mehr Ursachen 12 Mosaiksteine erkennen und zusammensetzen 14

Wenn es der Seele gutgeht, ist der Körper gesünder. Wenn es der Seele schlecht geht, dann geht es auch dem Körper schlecht.

Wer ist der sozialmedizinisch schwierige Patient aus orthopädisch-rheumatologischer Sicht?

Dr.med. Walter Kaiser, Thalwil Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin. Rheuma - Strategien im Alltag

Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin vom und Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung.

Der Schmerz und seine Umwege 27 I. Chronische Schmerzen durch andauernden Schmerzreiz

Depression: eine der häufigsten psychischen Krankheiten

Befund MRT nach Auswertung in der Praxis Douglas E. Toll (Bad Soden)

LOKALE VIBRATIONSTHERAPIE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN BEI PFERDEN, HUNDEN UND KATZEN

2. Geschlecht: männlich weiblich. 3. Händigkeit rechts links beidseitig. JA wenn JA: Eltern Geschwister Kinder NEIN

LOKALE VIBRATIONSTHERAPIE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN BEI PFERDEN, HUNDEN UND KATZEN

Kieferorthopädische Behandlung. Gesunde Zähne und Kiefer. KKF-Verlag

Funktionsdiagnostik Das Kauorgan ist überlebenswichtig!

. Frühe Anzeichen eines Parkinson-Syndroms... 5

Störfeldtestung hier in dieser Praxis. Patienteninformation. zur Störfeldtestung mit dem SkaSys-Testsystem

Inhalt. Vorwort zur zweiten Auflage Grundlagen Demenzen... 24

2 Der Einfluss von Sport und Bewegung auf die neuronale Konnektivität 11

Chronischer Schmerz aus hausärztlicher Sicht. Dr. Reinhold Glehr

Heilpraktiker Psychotherapie

Der Begutachter im Spannungsfeld: Sicht der Gutachter. Ralph Mager SIM Jahrestagung 2015, Olten

Seelisch Kranke unter uns

Martin Janetzki M. D. O. (DGCO)

Befindlichkeits- und Verhaltensstörungen von fraglichem Krankheitswert Neurologie für Allgemeinmediziner 26. Januar 2008

Stress. Newsletter - Ausgabe Februar Praxis für Craniosacral Therapie und Funktionelle Osteopathie Integration (FOI)

Fragebogen für eine homöopathische Anamnese bei Erwachsene

Um sinnvoll über Depressionen sprechen zu können, ist es wichtig, zwischen Beschwerden, Symptomen, Syndromen und nosologische Krankheitseinheiten

Diagnostik von Traumafolgestörungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Rückenschmerz Entstehungsursachen und Therapiemöglichkeiten Ein ganzheitliches Therapiekonzept

Transkript:

Kiefergelenkstherapie Kraniomandibuläre Dysfunktion oder Craniomandibuläre Dysfunktion, CMD) ist ein Überbegriff für strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulationen der Muskel oder Gelenkfunktion der Kiefergelenke. Die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und Therapie definiert CMD als Sammelbegriff für eine Reihe klinischer Symptome der Kaumuskulatur und/oder des Kiefergelenks sowie der dazugehörenden Strukturen im Mund und Kopfbereich. Entsprechend hat die Bezeichnung mehr den Charakter eines Befundes und sollte in die Diagnosen Okklusopathie, Myopathie und Arthopathie spezifiziert werden. Im engeren Sinne handelt es sich dabei um Schmerzen der Kaumuskulatur ( myofaszialer Schmerz ), Verlagerungen der Knorpelscheibe im Kiefergelenk ( Diskusverlagerung ) und entzündliche oder degenerative Veränderungen des Kiefergelenks ( Arthralgie, Arthritis und Arthrose ). Klassifikationssysteme Es gibt verschiedene Klassifikationssysteme, wobei international die Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (RDC/TMD) aus dem Jahre 1992 die größte internationale Verbreitung gefunden haben. Demnach unterscheidet man folgende zwei Bereiche ( Achsen ): Achse I somatische Diagnosen Bereich I: Schmerzhafte Beschwerden im Bereich der Kaumuskulatur (vor allem Mundöffner und Mundschließermuskeln) Ia: Myofaszialer Schmerz Ib: Myofaszialer Schmerz mit eingeschränkter Kieferöffnung Bereich II: Anteriore Verlagerung des Discus articularis IIa: Anteriore Diskusverlagerung mit Reposition bei Kieferöffnung IIb: Anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition bei Kieferöffnung, mit eingeschränkter Kieferöffnung. IIc: Anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition bei Kieferöffnung, ohne eingeschränkte Kieferöffnung.

Bereich III: Arthralgie, aktivierte Arthrose, Arthrose IIIa: Arthralgie IIIb: aktivierte Arthrose vom Kiefergelenk IIIc: Arthrose des Kiefergelenks ACHSE II Schmerzbezogene psychosoziale Diagnostik Schmerzbezogene Beeinträchtigungen täglicher Aktivitäten Depressive Verstimmung Unspezifische somatische Symptome Symptomatik Eine Vielzahl von Symptomen kann die Diagnose schwierig machen. Häufig schmerzen die Kiefermuskulatur oder die Kiefergelenke beim Kauen. Andere Symptome können sein: Eingeschränkte Kieferöffnung Knacken oder Reiben der Kiefergelenke beim Öffnen oder Schließen der Kiefer Ausstrahlende Schmerzen in Zähne, Mund, Gesicht, Kopf, Nacken, Schulter oder Rücken, Hals Wirbelsäulen Schulterprobleme, eingeschränkte Kopfdrehung, Kopfschmerzen Plötzlich auftretende Probleme mit der Passung der Zähne aufeinander. Es können aber auch unangenehme Ohrenschmerzen ein Symptom sein. Tinnitus Schwindel Schluckbeschwerden Augen/Seheinschränkung

Pathogenese Da in den meisten Fällen die Ursachen unklar sind, wird eine multifaktorielle Genese vermutet. Prädisponierende, auslösende und unterhaltende Faktoren umfassen biologische, psychische und soziale Elemente. Anbei sind einige davon aufgelistet, wobei sich immer neue Aspekte in Klinik und Forschung ergeben werden: Gene Hormone Entwicklungsstörungen der Kiefer Haltungsstörungen Emotionaler Stress Frühere Schmerzerfahrungen Hypervigilanz durch Sympathikusaktivierung Makrotrauma durch Unfälle Mikrotrauma durch Störungen der Bisslage Zähneknirschen Schlafstörungen, z. B. beim Obstruktiven Schlafapnoe Syndrom Reduzierung der Aktivität des Deszendierenden Inhibitorischen Nozizeptiven Systems Depression Posttraumatische Belastungsstörung Zahnfehlstellung Zahnextraktion Okklusionsstörungen durch prothetische Versorgung (z. B. zu hohe Kronen o. ä.) Kieferorthopädische Behandlungen

Diagnose Zur Diagnose der CMD wird aktuell folgende Vorgehensweise empfohlen: 1.Ein ausführliches Arztgespräch mit Einsatz standardisierter Fragebögen. 2.Eine somatische Untersuchung von Kieferöffnung, Kaumuskulatur und Kiefergelenken (Funktionsstatus). 3.Eine Röntgenaufnahme des gesamten Kiefers (Panoramaschichtaufnahme) zum Ausschluss zahnärztlicher und kieferchirurgischer Krankheitsursachen. 4.Fragebögen zur Erkennung von psychosozialen Beeinträchtigungen. Bei komplexen Krankheitsbildern können aufwändige apparative, radiologische oder psychologische Verfahren in Diagnostik und Therapie Anwendung finden sowie andere Fachrichtungen hinzugezogen werden. Differentialdiagnostik Aufgrund einer Vielzahl von Schmerzursachen im Kopfbereich ist bei unklarer Diagnose eine fachübergreifende Diagnostik sinnvoll. Auszuschließen sind Erkrankungen aus den verschiedensten medizinischen Fachgebieten und eine intensive konsiliarische Beurteilung ist dann unerlässlich.

Therapie Grundgedanke bei der Behandlung von CMD ist eine schonende und reversible Vorgehensweise. Dabei werden wissenschaftlich anerkannte Therapiekonzepte je nach Schweregrad eingesetzt und individuell auf den Patienten abgestimmt. 1.Eine Aufklärung des Patienten über die Krankheitszusammenhänge und eine korrekte Diagnosestellung ist der erste und wichtigste Schritt für eine positive Beeinflussung des Krankheitsgeschehens. Kiefergelenkknacken führte im Untersuchungszeitraum nach einer Studie mit 454 Patienten nicht zu Schmerzen im Kiefergelenk. 2.Hinweise zur Selbstbehandlung, wie weiche Nahrung, Dehnübungen, Wärme oder Kälteanwendungen, Entspannungsübungen oder Stressmanagement, können helfen. 3.Eine Okklusionsschiene (Aufbissbehelf) wird vom Zahnarzt häufig eingesetzt und kann zu einer Entspannung der Kau und Kopfmuskulatur sowie zu einer Entlastung der Kiefergelenke führen. 4.Physiotherapie (manuelle Therapie) kann muskuläre Verspannungen reduzieren und Gelenkfehlstellungen bzw. funktionsstörungen behandeln. 5.Manchmal sind schmerzlindernde, entzündungshemmende, muskelrelaxierende oder schlaffördernde Medikamente notwendig um einer Chronifizierung des Schmerzgeschehens Einhalt zu gebieten und die Lebensqualität zu verbessern. 6.Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) können durch eine Entspannung der Muskulatur und eine Reduktion der Schmerzen helfen. 7.Es wird diskutiert, ob Triggerpunkt Infiltrationen der Muskulatur mit verschiedenen Substanzen sinnvoll sind und dauerhaft Linderung bringen können. 8.Umfangreiche Zahnsanierungen, kieferorthopädische oder chirurgische Maßnahmen sollten nur unter strengster Indikationsstellung Anwendung finden.