Zu den Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft

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Transkript:

Zu den Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft Ausgabe 1, Februar 2016 In Kürze Im Juli 2015 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtsache Larentia + Minerva und Marenave ein Urteil gefällt, das auch Auswirkungen auf die deutschen Regeln zur umsatzsteuerlichen Organschaft zu haben schien. Der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat nun in mehreren Urteilen zu unterschiedlichen Fragen der umsatzsteuerlichen Organschaft Stellung genommen. Eine Umwälzung der umsatzsteuerlichen Organschaft ist aber weitgehend ausgeblieben. Nach Auffassung des V. Senats lässt sich die bestehende Vorschrift richtlinienkonform auslegen und zwar weitgehend im Sinne des bisherigen Verständnisses der umsatzsteuerlichen Organschaft. Vom Urteil des EuGH bleibt als Neuerung demnach im Wesentlichen nur die Möglichkeit, unter engen Voraussetzungen Personengesellschaften als Organgesellschaften in das Unternehmen des Organträgers einzugliedern. Es bleibt aber abzuwarten, ob sich der XI. Senat des BFH in seinen derzeit noch ausstehenden Entscheidungen der Auffassung des V. Senats anschließt. Personengesellschaften als Organgesellschaften und ihre finanzielle Eingliederung Im Verfahren in der Rechtssache V R 25/13 entschied der BFH darüber, ob Personengesellschaften als Organgesellschaft Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft werden könnten. In aller Kürze stellte sich der Sachverhalt wie folgt dar: Die Klägerin war eine Aktiengesellschaft und Alleingesellschafterin zweier GmbHs (O und B). Daneben war die Klägerin alleinige Kommanditistin zweier KGs, an denen sie sämtliche Anteile hielt. Komplementär beider KGs (ohne Geschäftsanteile) war die B. Beide KGs betrieben Altersheime. Sowohl die Klägerin als auch die O erbrachten entgeltliche Leistungen an beide KGs. Dieses Modell bestand offenbar nur für kurze Zeit: Beide KGs waren durch formwechselnde Umwandlungen aus zwei (organschaftlich gebundenen) GmbHs entstanden und bald darauf brachte die Klägerin ihre Anteile an den KGs in die B ein, worauf es zu einer Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B kam. Die Betriebsprüfung war der Auffassung, dass die Klägerin sowie ihre Organgesellschaft O in dieser Zeit steuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht hatten. Nach Meinung der Klägerin aber hatte die Organschaft ununterbrochen bestanden, also auch, solange beide KGs existierten. Nach Auffassung des BFH ist es erforderlich, die Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft aus Gründen der Rechtsformneutralität zu erweitern. Den Umstand, dass die gesetzliche Regelung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu Organschaften auf juristische Personen abstellt, sieht der BFH nicht als entscheidendes Hindernis an. Im Wege einer teleologischen Extension, also einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelung nach ihrem Sinn und Zweck, kommt er zum Schluss, dass der Gesetzgeber Personengesellschaften eigentlich habe mit erfassen wollen, sofern sie bestimmten Voraussetzungen genügen. Der BFH meint aber, dass dies nur in engem Umfang erfolgen könne. Denn die Eingliederung von Personengesellschaften wie OHGs oder KGs in das Unternehmen des Organträgers scheitere für gewöhnlich bereits daran, dass in ihrem Falle über die finanzielle Eingliederung grundsätzlich nicht rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden könne. www.pwc.de

Der Organträger müsse in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen könne. Im Falle juristischer Personen (wie AG und GmbH) sei das unproblematisch: Hier beruhe das Stimmrecht auf den Regelungen der notariell zu beurkundenden Satzung und die den Gesellschaftern obliegenden Entscheidungen seien nach dem Mehrheitsprinzip zu treffen. Einem Anteilseigner, der die Mehrheit der Stimmrechte halte, sei es darum grundsätzlich möglich, seinen Willen in der Gesellschaft durchzusetzen. Das sei bei den Personengesellschaften im Allgemeinen aber nicht der Fall. Hier gelte im Grundsatz das Einstimmigkeitsprinzip. Selbst wenn ein Gesellschafter in der Lage sei, kraft abweichender Regelungen Mehrheitsentscheidungen durchzusetzen, bestünden zumindest Nachweisschwierigkeiten: Denn im Allgemeinen bestehe für den Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen bei Personengesellschaften keinerlei Formzwang, sie könnten auch mündlich erfolgen. Zur Vorbeugung gegen Missbrauch könne über die Organschaft und ihre Auswirkungen nicht auf dieser Grundlage entschieden werden, zumindest nicht mit Wirkung für die Vergangenheit. Die Organschaftsregelungen könnten demnach aber auf diejenigen Personengesellschaften anzuwenden sein, bei denen neben dem Organträger weitere Gesellschafter nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. In diesem Falle stünde auch das Einstimmigkeitserfordernis einer finanziellen Eingliederung nicht entgegen. Sei neben dem Organträger zum Beispiel eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, komme es darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos in einer bis zum Organträger reichenden Organkette zu bejahen sei. Damit können nur Personengesellschaften wie zum Beispiel eine GmbH & Co. KG Organgesellschaften werden und auch diese offenbar nur unter der Voraussetzung, dass ausschließlich der Organträger direkt und (etwa über eine von ihm beherrschte Komplementärs- GmbH) indirekt an der Personengesellschaft beteiligt ist. Ausschluss nicht hierarchischer Organschaften Im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Larentia + Minerva und Marenave waren in der Fachliteratur vielfach Modelle nicht hierarchischer Organschaften erwogen worden. Der BFH lehnt dies jedoch ab in seinem Urteil in der Rechtssache V R 15/14 schließt er Organschaften aus, die nicht wie bislang auf einem Über-/Unterordnungsverhältnis beruhen, wenigstens solange eine Organschaft nicht auf Antrag oder Genehmigung der Finanzbehörde, sondern ohne Weiteres bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen zustande kommt. Weil die Wirkungen einer Organschaft ohne Antrag oder Grundlagenbescheid eintreten, sobald ihre Voraussetzungen vorliegen, fehlt es wie der BFH ausführt an einer für alle am Organkreis Beteiligten verbindlichen Festlegung, ob eine Organschaft besteht und wer Steuerschuldner für diese ist. Darum kann nach Auffassung des BFH nur anhand des Merkmals der Eingliederung die Person bestimmt werden, die die Verantwortung dafür zu tragen hat, dass die Umsätze des im Organkreis zusammengefassten Unternehmens ordnungsgemäß versteuert werden. Das rechtfertige es, auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten abzustellen, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergebe. Der Organträger müsse in der Lage sein, die Verantwortung (einschließlich der strafrechtlichen Verantwortung) für die Umsatztätigkeit der mit ihm verbundenen juristischen Personen zu übernehmen. Dazu müssten ihm Durchgriffsmöglichkeiten zustehen, aufgrund derer er nicht anders als im Falle unselbstständiger Betriebsabteilungen im Unternehmen die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche gegen die Organgesellschaft durchsetzen könne. Im Falle V R 15/14 aber war die Klägerin eine GmbH nur über einen gemeinsamen Gesellschafter mit dem vermeintlichen Organträger, einer KG, verbunden. Ohne eigene Mehrheitsbeteiligung ist nach Auffassung des BFH aber die Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der Klägerin und ihrer Schwester, der KG, nicht eindeutig bestimmbar. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei eine Organschaft daher abzulehnen. Das bedeutet, dass der BFH auch weiterhin eine Organschaft zwischen zwei Schwestergesellschaften ausschließt. Zwar hatte der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Larentia + Minerva und Marenave sinngemäß entschieden, dass die Richtlinienregelung zu den umsatzsteuerlichen Organschaften (im Europarecht: Mehrwertsteuergruppen ) kein Über- und Unterordnungsverhältnis rechtfertigten. Nur zur Vermeidung von Missbrauch oder Steuerhinterziehung könne hier eine Ausnahme gemacht werden. Der BFH aber ist der Auffassung, dass eine solche Gestaltung dazu PwC 2

dienen könnte, den Nachteil einer Steuerentstehung ohne Vorsteuerabzug zu vermeiden. Im Ergebnis spricht sich der BFH gegen die im Zusammenhang mit dem EuGH-Verfahren Larentia + Minerva und Marenave in der Literatur erörterte nicht hierarchische Organschaft unter Gleichen aus. Finanzielle Eingliederung im Wege von Stimmrechtsbindungen Im Urteil in der Rechtssache V R 25/13 führt das Gericht aus: Weicht die kapitalmäßige Beteiligung von den Stimmrechten ab (z. B. aufgrund stimmrechtsloser Geschäftsanteile bei der GmbH oder aufgrund von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bei der Aktiengesellschaft), ist für die Prüfung der finanziellen Eingliederung auf das Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Stimmrechte abzustellen. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten dabei grundsätzlich ohne Bedeutung. Dementsprechend hat der BFH eine finanzielle Eingliederung auf der Grundlage derartiger Rechtsgeschäfte in der Vergangenheit nicht bejaht. Stimmbindungsvereinbarungen und Stimmrechtsvollmachten können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ( Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht ) ergeben. Keine Nichtsteuerpflichtigen als Teil einer Organschaft Im Verfahren in der Rechtssache V R 67/14 hatte der EuGH über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Die Klägerin hatte Leistungen an ihre Alleingesellschafterin B erbracht. B war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat und in dieser Eigenschaft hoheitlich tätig ist. Um diesen Aufgaben nachkommen zu können, hatte die B die Klägerin gegründet, deren Tätigkeit darin bestand, den im eigenen Namen auf eigene Rechnung handelnden Ärzten Personal zu überlassen. Die dabei entstandenen Aufwendungen berechnete die Klägerin der B weiter. Die Klägerin betrachtete sich als Organgesellschaft einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit B als Organträger und war demgemäß der Auffassung, dass sie an B nicht steuerbare Innenumsätze erbrächte. Der BFH verneinte die Organschaft: Die B übe keine unternehmerische Tätigkeit aus. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts könne zwar Organträgerin sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig sei. Die Unternehmereigenschaft des Organträgers gehöre jedoch zu den Voraussetzungen, nicht zu den Rechtsfolgen der Organschaft. Mit der Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer werde bewirkt, dass die Organschaft nicht entgegen ihrem Vereinfachungszweck als reines steuerrechtliches Gestaltungsinstrument in Anspruch genommen werden könne, um nicht abziehbare Vorsteuerbeträge zu vermeiden. Soweit der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Kommission gegen Irland meint, dass Nichtunternehmer zur Schaffung der Verbindungsvoraussetzungen in die Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen einzubeziehen seien, interpretiert der V. Senat des BFH dies so, dass es möglich sei, zum Beispiel eine Enkelgesellschaft finanziell über eine nicht unternehmerische Tochtergesellschaft (z. B. Zwischen-Finanzholding) einzugliedern, die selbst der Organschaft aber nicht angehört. In anderen Worten: Es genügt auch weiterhin nicht, wenn sich die Organgesellschaft ausschließlich über ihre Organgesellschaften unternehmerisch betätigt. Zur organisatorischen Eingliederung Die Feststellung des BFH, dass der Organträger als Steuerschuldner in der Lage sein muss, kraft ausreichender Durchgriffsrechte die notwendigen Informations- und Ausgleichsansprüche gegen die Organgesellschaften durchzusetzen, spiegelt sich auch in seiner Auffassung zu Fragen der organisatorischen Eingliederung wider. Das Gericht bekräftigt (im Urteil in der Rechtssache V R 15/14) seine frühere Rechtsprechung, wonach die organisatorische Eingliederung voraussetzt, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt. Hierbei muss er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen. Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist. In anderen Worten genügt also ein Patt oder ein Vetorecht nicht für eine organisatorischen Eingliederung es ist nicht ausreichend, wenn der Organträger seine Organgesellschaft am eigenmächtigen Handeln hindern kann, er muss selbst das Heft in die Hand nehmen können. Die Finanzverwaltung hatte bislang die erste Auffassung vertreten und im BMF-Schreiben vom 5. Mai 2014 ein Moratorium zur Anwendung PwC 3

der vom BFH formulierten (nunmehr bestätigten) Grundsätze gewährt. Der BFH führt aus, dass er in einem Einzelfall für eine organisatorische Eingliederung auf eine institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung abgestellt habe. Daraus folge nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Organgesellschaft bestehen müsse. Nicht ausreichend seien Weisungsrechte, Berichtspflichten oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters. Es fragt sich, ob der BFH mit diesen Äußerungen Maßnahmen infrage stellen möchte, die das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom 7. März 2013 zugelassen hat, um eine organisatorische Eingliederung einer Organgesellschaft herzustellen. Denn in diesem Schreiben fasst das BMF unter den oben genannten Begriff der institutionell abgesicherten unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung Maßnahmen wie schriftlich fixierte Vereinbarungen (z. B. Geschäftsführerordnung, Konzernrichtlinie) und Beherrschungsverträge. Fundstellen BFH V R 25/13, V R 15/14, V R 67/14, Urteile vom 2. Dezember 2015, abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de EuGH C-85/11 Kommission gegen Irland, Urteil vom 9. April 2013; EuGH C-108/14, C 109/14 Larentia + Minerva und Marenave, Urteil vom 16. Juli 2015, abrufbar unter curia.europa.eu, das letztere Urteil erging aufgrund der Vorlagebeschlüsse des BFH XI R 17/11 und XI R 38/12 vom 11. Dezember 2013, abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de BMF-Schreiben vom 7. März 2013 und vom 5. Mai 2014, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de Es ist wohl zu erwarten, dass das BMF zeitlich allerdings wahrscheinlich erst nach den anstehenden Urteilen des XI. Senats in Sachen Organschaft sein Schreiben zur umsatzsteuerlichen Organschaft noch einmal überarbeiten wird. Wie geht es weiter? Noch stehen die Anschlussurteile des XI. Senats zu den Verfahren Larentia + Minerva und Marenave aus, die er seinerzeit dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Ein möglicher Konfliktpunkt besteht in der teleologischen Extension, mit dem der V. Senat die derzeitige nationale Vorschrift des UStG zur Organschaft gleichsam rettet. Der XI. Senat hatte in seinen Vorlagebeschlüssen an den EuGH seinerzeit ausdrücklich Zweifel geäußert, dass eine richtlinienkonforme Auslegung möglich sei, wonach unter den Begriff der juristische Personen auch Personengesellschaften fallen und eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung unabhängig von einem Über- und Unterordnungsverhältnis bereits bei gegenseitigen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen gegeben sein kann. Sollte er die Auffassung des V. Senats in diesem Punkt nicht teilen und die Vorschrift nicht als im Sinne der Richtlinie auslegungsfähig bezeichnen, so würde er sich in einen Widerspruch zum V. Senat setzen. In einem solchen Falle müsste wohl der Große Senat des BFH angerufen werden. PwC 4

Ihre Ansprechpartner Frank Gehring Düsseldorf Tel.: +49 211 981-2771 frank.gehring@de.pwc.com Martin Diemer Stuttgart Tel.: +49 711 25034-1258 martin.diemer@de.pwc.com Mónica Azcárate Frankfurt Tel.: +49 69 9585-6111 monica.azcarate@de.pwc.com Franz Kirch Köln Tel.: +49 221 2084-459 franz.kirch@de.pwc.com Bestellung und Abbestellung Sollten weitere Personen Interesse an diesem Newsletter haben, können Sie diese E-Mail gern weiterleiten. Die Interessenten können sich hier anmelden: SUBSCRIBE_Indirect_Tax_Information@de.pwc.com. Sofern Sie unseren Newsletter zukünftig nicht mehr erhalten möchten, bitten wir Sie um eine kurze Benachrichtigung an: UNSUBSCRIBE_Indirect_Tax_Information@de.pwc.com. Die Beiträge sind als Hinweise für unsere Mandanten bestimmt. Für die Lösung einschlägiger Probleme greifen Sie bitte auf die angegebenen Quellen oder die Unterstützung unserer Büros zurück. Teile dieser Veröffentlichung/Information dürfen nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch den Herausgeber nachgedruckt und vervielfältigt werden. Meinungsbeiträge geben die Auffassung der einzelnen Autoren wieder. Februar 2016 PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. PwC bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.