Tanja Biermann Pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen Diplom.de
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 3 Abbildungsverzeichnis 4 Seite Einleitung 5 1 Ausgangssituation 7 2 Begriffsbestimmungen 13 2.1 Kindertageseinrichtungen 13 2.2 Qualität und Qualitätsmanagement 15 2.3 Qualität im Bereich sozialer Dienstleistungen 18 2.4 Unterteilung des Qualitätsbegriffs 19 2.5 Pädagogische Qualität 21 2.6 Unterscheidung organisatorisch-ablauforientierter und fachlichinhaltlicher Kriterien zur Qualitätsbeschreibung 23 3 Modelle zur Bestimmung organisatorisch-ablauforientierter Kriterien zur Qualitätsbeschreibung 24 3.1 DIN EN ISO 9000:2000 25 3.2 EFQM (European Foundation for Quality Management) 27 3.3 KitaManagementKonzept 29 4 Modelle zur Bestimmung fachlich-inhaltlicher Kriterien zur Qualitätsbeschreibung 31 4.1 Kronberger Kreis 31 4.2 Konzept zur integrierten Qualitäts- und Personalentwicklung in Kindertageseinrichtungen (IQUE) 32 4.3 Kindergarteneinschätzskala revidierte Fassung (KES-R) 34 4.4 Der nationale Qualitätskriterienkatalog 37
5 Pädagogische Qualität entwickeln 41 5.1 Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen Begründung für eine Eingrenzung und eine systematische Vorgehensweise 41 5.2 Systematische Qualitätsentwicklung 44 5.2.1 Auswahl einzelner Schlüsselprozesse 44 5.2.2 Qualitätsstandards 47 5.3 Systematische Qualitätsentwicklung (nach MERCHEL) 51 5.4 Der nationale Kriterienkatalog als Ausgangslage zur Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen 53 5.4.1 Systematische Qualitätsentwicklung (nach SOMMERFELD) 55 5.4.2 Mögliche Vorgehensweise der Entwicklung pädagogischer Qualität auf Basis des nationalen Qualitätskriterienkataloges 58 5.5 Vergleichende Bewertung anhand eines Praxis-Beispiels 63 6 Schlussbetrachtung 75 7 Literaturverzeichnis 77 2
Einleitung Die öffentliche Aufmerksamkeit für Kindertageseinrichtungen - als Teil des Elementarbereiches im deutschen Bildungswesen - ist seit einigen Jahren gestiegen und wird vermutlich aufgrund der politischen Aktualität auch zukünftig große Bedeutung haben. Schlagworte wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ausbau der Betreuungsangebote für unter dreijährige Kinder bis 2013, Bündnis für Familie, Elterngeld oder aber auch landesspezifische Themen wie z.b. Familienzentren und Sprachstandsfeststellung der Vierjährigen in NRW sind aus den Medien momentan nicht weg zu denken. Deutschland hat im europäischen Vergleich in Bezug auf Themen wie der Bereitstellung von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige Nachholbedarf. Dieses wurde in Studien wie PISA (2003) oder dem OECD-Bericht 1 (2004) deutlich. Bei der aktuellen Diskussion um den quantitativen Ausbau der Betreuungsplätze für Klein- und Kleinstkinder wird auch immer wieder auf die Notwendigkeit des qualitativen Ausbaus eingegangen. 2 Als ein Beispiel hierfür dient die im OECD- Bericht (2004) erwähnte, nicht mehr zeitgemäße Ausbildung von Erzieherinnen 3 in Deutschland und die von vielen Fachleuten geforderte Verortung der Ausbildung auf einer höheren Bildungsebene, z.b. den Fachhochschulen. 1 vgl. OECD (2004): Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland. o.o. 2 Qualität muss beim Ausbau der Kinderbetreuung eine größere Rolle spielen. ( ) Jedes Kind hat ein Recht auf optimale Förderung und Rücksicht auf seine Bedürfnisse. Qualität darf nicht aus Kostengründen vernachlässigt werden, ( ). Pressemitteilung des Familienbunds der Katholiken vom 09.05.07 in: Deutsche Liga für das Kind, Online-Newsletter Nr. 220 vom 11.05.07 http://ligakind.de/news/newsletter.php Qualität in Tageseinrichtungen hat Vorrang. ( ) Die Schaffung neuer Plätze darf nicht zu Lasten der Qualität gehen. Es müsse gelingen ( ) einheitliche Qualitätsstandards zu vereinbaren und anzuwenden. Die Freigabe der Standards und die Kommunalisierung führe zu enormen Unterschieden hinsichtlich der pädagogischen Qualität. ( ) Pressenotiz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Hauptvorstand, vom 26.04.07 in: Deutsche Liga für das Kind, Online- Newsletter Nr. 218 vom 03.05.07 http://liga-kind.de/news/newsletter.php Kinderbetreuung: Ausbau und Qualität gehören zusammen. Der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) setzt sich intensiv für einen qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung ein. Pressemitteilung des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit vom 05.04.07 in: Deutsche Liga für das Kind, Online-Newsletter Nr. 215 vom 12.04.07 http://liga-kind.de/news/newsletter.php 3 In der vorliegenden Arbeit verwende ich bei der Bezeichnung der pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen durchgehend die weibliche Form, da über 95% der Fachkräfte Frauen sind (vgl. TIETZE/VIERNICKEL 2003:7). Die Bezeichnungen Mitarbeiterinnen, pädagogische Fachkräfte, Fachpersonal und Erzieherinnen werden hierbei synonym verwandt. 5
Steigende Anforderungen an das Fachpersonal in Kindertageseinrichtungen (Familien unterstützen, mit Eltern kooperieren, Bildungsarbeit entwickeln, Kinder und ihre Entwicklung beobachten und dokumentieren, die eigene Arbeit kritisch reflektieren, unterschiedliche Bewertungsmethoden verstehen und anwenden etc.) berechtigen diese Forderung. Dieses Buch befasst sich mit der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen und der Frage, wie diese bestimmt und entwickelt werden kann. In Kapitel 1 wird zunächst die Aktualität des Themas im Kontext der historischen Entwicklung der (pädagogischen) Qualität deutscher Kindertageseinrichtungen verdeutlicht. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen und Begrifflichkeiten von (pädagogischer) Qualität und Qualitätsmanagement im Kontext sozialer Dienstleistungen und geht in Kapitel drei über zur Vorstellung ausgewählter Modelle zur Qualitätsbestimmung und - entwicklung mit dem Fokus auf organisatorische Abläufe. In Kapitel vier wird sich mit Modellen aus dem Arbeitsfeld der Elementarpädagogik, die sich schwerpunktmäßig mit fachlich-inhaltlichen Fragen in Bezug auf die Qualität in Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Auf diesem Hintergrund werden dann in Kapitel fünf konkrete Möglichkeiten vorgestellt, pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen systematisch zu entwickeln. Diese theoretische Vorstellung wird durch ein Praxisbeispiel bereichert, welches abschließend mit einem eigenen Vorschlag zur Entwicklung der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen vergleichend bewertet wird. 6
1. Ausgangssituation Laut 22 Abs. 3 SGB VIII 4 umfasst der Förderungsauftrag der Kindertageseinrichtungen die ( ) Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. 5 Diesem Auftrag sind die Kindertageseinrichtungen verpflichtet. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass diesem Auftrag nicht nur nachgegangen wird, sondern auch dass hierzu dokumentiert wird. Die Forderung nach der Qualität der Angebote wird in Gesetzen, aber auch von den verschiedenen Interessensgruppen formuliert. Als Beispiel hierzu dient 22 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII: Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Das nordrhein-westfälische Zweite Gesetz zur Ausführung des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechtes (Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder GTK) beinhaltet keine verbindliche, gesetzliche Verankerung der Bildung und Qualitätssicherung. Als einen wichtigen Schritt in Richtung Qualitätssicherung trat am 01.08.2003 ergänzend die Bildungsvereinbarung NRW 6 in Kraft. Zukünftig wird sich darüber hinaus zum 01.08.2008 mit Inkrafttreten des neuen Landes-Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz KiBiz) und damit außer Kraft treten des GTK - die Gesetzesgrundlage für NRW ändern: 4 Gebräuchlicher als die Bezeichnung SGB VIII ist der Begriff KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz). 5 Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz - TAG) zum 01.01.2005 wurde unter anderem die Reihenfolge der Teilaufgaben des Förderauftrags verändert. Zuvor hieß es Betreuung, Bildung und Erziehung. Diese Veränderung der Reihenfolge verdeutlicht eine veränderte Sichtweise mit der zusammenhängenden größeren gesellschaftlichen Wertschätzung der Aufgaben der Kindertageseinrichtungen (vgl. DJI 2005:22). 6 In der Bildungsvereinbarung NRW werden Bildungsziele, Bildungsbereiche (Bewegung/Spielen und Gestalten; Medien/Sprache[n]/Natur und kulturelle Umwelt[en]) sowie eine Handreichung zur Entwicklung träger- bzw. einrichtungsspezifischer Bildungskonzepte formuliert. Alle Trägerzusammenschlüsse haben sich zu diesen Aufgaben selbst verpflichtet, um so zur Stärkung und Weiterentwicklung der Bildungsprozesse in den Kindertageseinrichtungen in NRW beizutragen (vgl. MINISTERIUM FÜR SCHULE, JUGEND UND KINDER DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN 2003). 7
Für die Sicherung der pädagogischen Qualität in Tageseinrichtungen wird unter anderem die Verpflichtung zur Erstellung einer Bildungsdokumentation 7 genannt (vgl. 13 Abs. 4 KiBiz). Kindertageseinrichtungen sind keine reinen Verwahrstätten für die jüngste Generation, sondern wichtige Stationen sozial-emotionaler Entwicklung sowie frühkindlicher Bildungsprozesse. Das KiBiz soll dafür Sorge tragen, dass die pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen gesichert wird. Neben der Verpflichtung zur Erstellung einer Bildungsdokumentation wird es obligatorisch, ein pädagogisches Konzept zur Konkretisierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages vorweisen zu können. Darüber hinaus regelt das KiBiz ( 11 Abs. 1 und 2): (1) Die Umsetzung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrages erfordert eine ständige Fortbildung der mit dem Auftrag betrauten Personen. (2) Zur Sicherung und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen ist eine kontinuierliche Evaluation erforderlich. Dafür sollen von den Trägern Qualitätskriterien entwickelt werden, die Aussagen über die Begleitung, Förderung und Herausforderung frühkindlicher Bildungsprozesse enthalten. Qualitätsentwicklungsmaßnahmen werden von den Trägern der Kindertageseinrichtungen in eigener Verantwortung durchgeführt. Zur Grundlage für die Evaluierung gehören insbesondere: 1. eine schriftliche Konzeption der Arbeit der Kindertageseinrichtung, in der Leitlinien für die Arbeit und ein eigenes Profil formuliert sind, 2. ein träger- oder einrichtungsspezifisches pädagogisches Konzept und 3. eine Darstellung über die Durchführung des Qualitätsentwicklungsprozesses in der Kindertageseinrichtung. Die Novellierung des Landesgesetzes über Kindertageseinrichtungen schafft damit eine öffentliche Verpflichtung - gemäß den Vorgaben des SGB VIII - zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen. Wie bereits erwähnt, bestimmt sich die Dienstleistung einer Kindertageseinrichtung im Wesentlichen durch die Bereiche Erziehung, Bildung und Betreuung. Demzufolge muss die Frage nach der Qualität in Verbindung mit diesen drei Bereichen erarbeitet werden. 7 Als Voraussetzung zur Durchführung ist die schriftliche Zustimmung der Erziehungsberechtigten notwendig (vgl. 13 Abs. 4 KiBiz). 8
Heutzutage reicht es in Tageseinrichtungen für Kinder nicht mehr aus Qualität mittels einer Konzeption 8 zu versprechen; es ist notwendig geworden eine Qualitätsgarantie 9 zu geben. Zur Erfüllung dieser Qualitätszusage ist es notwendig, ein geeignetes Verfahren zur optimalen Führung der Einrichtung sowie Garantie der versprochenen Leistungen zu entwickeln (vgl. ERATH 2002:22ff.). Grundsätzlich stellt sich nicht die Frage ob 10, sondern wie pädagogische Qualität beschrieben werden kann. In Deutschland wird seit einigen Jahren intensiv über die Qualität der Kindertagesbetreuung gesprochen. Der Ursprung der Diskussion sowie deren beeinflussende Faktoren liegen sowohl in der kontinuierlichen fachlichen Entwicklung seit Beginn der 70er Jahre, als auch in allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen. Die allgemeine Bildungsreform Ende der 60er Jahre sorgte für eine neue Sicht auf Kindergärten. Sie wurden als grundlegende Bildungsstufe für alle Kinder gesehen. Darüber hinaus wurden Kindertageseinrichtungen als Fördereinrichtungen für benachteiligte Kinder im Sinne einer kompensatorischen Erziehung betrachtet. Innerhalb weniger Jahre wurde die Anzahl der Kindergartenplätze verdoppelt. In den 80er Jahren kam das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf. Grund hierfür war die zunehmende Berufstätigkeit von Müttern mit jungen Kindern. Im Zuge dessen gab es Diskussionen um die Flexibilisierung von Öffnungszeiten der Einrichtungen und eine Erweiterung des Angebotes von Ganztagesplätzen. Die demografisch und familienstrukturell bedingten gesellschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen (vgl. ROUX 2002:5) und der Wandel traditioneller Familien- und Lebensformen gingen einher mit einem Wandel in Bezug auf die Bedeutung der ersten Lebensjahre für die Entwicklung der Kinder sowie der Vorstellung über die pädagogische Arbeit mit ihnen. 8 ERATH (2002:16ff.) bemängelt die bei vielen vorhandenen Konzeptionen die oft fehlende kontinuierliche Weiterentwicklung, den Mangel an Zielbestimmtheit, den fehlenden Zusammenhang zwischen Zielen und Handlungen, sowie die fehlende Evaluation und Dokumentation. 9 Eine Garantie der Qualität wird nicht nur von Seiten der Kinder und Eltern gefordert. Das KJHG nennt die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Qualität zur Voraussetzung der Leistungsfinanzierung (vgl. 22 a Abs. 1 KJHG). 10 Pädagogische Qualität muss aufgrund sich wandelnder Ansprüche in der Gesellschaft beschrieben, dokumentiert und weiterentwickelt werden. 9