Prof. Dr. Kim-Patrick Sabla Sozialpädagogische Familienwissenschaften Department I Soziale Arbeit Universität Vechta

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Transkript:

Prof. Dr. Kim-Patrick Sabla Sozialpädagogische Familienwissenschaften Department I Soziale Arbeit Universität Vechta

Thesen Unterstützung bei der Bewältigung des Familienalltags als eine Aufgabe der Familienbildung auf Grundlage von eigenen und professionellen Selbstverständnissen über die Familie Eigene Familienbilder als Richtlinien für die Arbeit mit den Familien als Adressat*innen der Sozialen Arbeit Verfremdung des eigenen Blickes durch die Reflexion des Verhältnisses von Eigenem und Fremden (Hünersdorf 2013) mithilfe der Gruppendiskussion und des Playmobilmaterials

Thesen Beobachtung aus zwei Perspektiven: systematisierte gezielte lern- und bildungsorientierte Beobachtung vs. teilnehmende lebensweltorientierte Beobachtung Forscherischer Blick auf Familie als Unterstützung der praktischen Arbeit mit Familie (kein Widerspruch) Eröffnung neuer Reflexionswege und Möglichkeiten eines kollegialen Austausches

Verfremdung des eigenen Blickes Klärung der berufsspezifisch geprägten Einstellungen der Pädagoginnen bzw. Pädagogen zu ihrer Arbeit [ ], also der gesellschaftlichen und arbeitsspezifischen Vorurteile und Typisierungen, unter denen sie Adressatinnen bzw. Adressaten sehen und ihre Hilfe bestimmen (Thiersch 2014) Reflexion alltäglicher, gewohnter Bilder und Einstellungen

Bedeutung von Familienbildern Familienbilder als sprachliche und imaginäre Repräsentationen von und über Familie (Bauer et al. 2015) Prägung durch eigene Erfahrungen mit Familie Beinhalten Wunsch- und Normvorstellungen Gesellschaftlich und medial vermittelten Familienmodelle (Bauer/Wiezorek 2009, Knuth/ Sabla/ Uhlendorff 2009)

Familienbilder von Sozialpädagog*innen Zentrale Orientierungsfunktion bei der Wahrnehmung, Einordnung und Bewertung von anderen Familien (Bauer et al. 2015) Auswirkung von Art und Weise der Familienwahrnehmungen und -einschätzungen auf sozialpädagogisches Handeln

Familienbilder von Sozialpädagog*innen Notwendigkeit der Reflexion und systematischer Erforschung von: Normalitäts- und Idealvorstellungen des familialen Zusammenlebens Transformation persönlicher Familienbilder in professionelle (Leit-)Bilder (Bauer/Wiezorek 2009)

Reflexion durch Gruppendiskussion mithilfe von Playmobilmaterials Erfassung kollektiver Einschätzungen durch die Visualisierung von Familienkonstellationen

Darstellung des Gruppendiskussionsverlaufs Erfassung einer gemeinsamen Vorstellung/ Verbildlichung von Familie innerhalb einer Gruppe Playmobilmaterial als ein Impuls zur freien Diskussion zwischen den Teilnehmer*innen Ziel: Ermittlung von kollektiven Orientierungsmustern / Einstellungen Reflexion: Was für ein Familienbild haben wir als Gruppe erstellt? Wie und warum sind wir zu dieser Verbildlichung gekommen?

Reflexion persönlicher Familienbilder 1. Persönliche Ideale: Was sind meine persönlichen Ideale in Bezug auf Familie? 2. Professionelle Arbeit: Auf welche dieser Werte und Normen würde ich/ würden wir als Team in unserer Arbeit Bezug nehmen? Welche privaten Ansichten und Meinungen sollten wir aus der professionellen Arbeit mit Familien heraushalten (Uhlendorff/Euteneuer/Sabla 2013)?

Beobachtungsinstrumente als forscherische Zugänge zu Familien in der Praxis Gezielte lern- und bildungsorientierte Beobachtung Lebensweltorientierte teilnehmende Beobachtung

Die Beobachtung als Eingangstür Tür-Metaphorik als Trennlinie zwischen noch ungeordnetem unbekanntem Raum und dem sozialpädagogisch systematisiertem Handlungsort Zugangsbedienung: Schulung und Vertiefung der professionellen Wahrnehmungskompetenz Gezieltes Beobachten bestimmter Anliegen der Adressat*innen, mit der professionellen Reaktion als Folge Handlungsorientierte[n] Verfahrensschritte zur professionell begründeten Fallarbeit (Schulz 2013)

Lern- und bildungsorientierte Beobachtung Vielzahl an systematisierten Beobachtungsmethoden für den Elementarbereich (Cloos/Schulz 2011) Fokussierung auf Bildung und Lernen Dient einem bestimmten Forschungszweck Systematische Planung (nicht zufällig) Systematische Aufzeichnung, ist auf allgemeine Urteile bezogen Wiederholte Prüfung/ Kontrolle von Gültigkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit (Schnell/Hill/Esser 2008)

Kritik an der Beobachtungsmethode Standardisierte Auslegung des Verfahrens Geringe Berücksichtigung individueller Sicht- und Verhaltensweisen sowie unerwarteter Situationen Beobachtungsbogen nicht nur Hilfsmittel zur Wahrnehmung von Bildungs- und Lernprozessen Selektion und Konstruktion des Beobachtungsgegenstands durch die Fachkräfte Schaffung eines Bildungsrahmens und Hervorbringung von lernenden Adressat*innen

Reflexion der Beobachtungsmethode Abstand vom Prozess der subjektiver Erkenntnisgewinnung (der Handlungsoptimierung) Hinwendung zum Beobachtungsgegenstand (z.b. kindlicher Bildungsprozesse) Sichtbarwerdung der Verflechtung zw. Anforderungen, Problemstellungen und Ressourcen (Bolling 2011) Distanz und Reflexion der Rolle des Beobachtungsbogens und der hergestellten Situation (Schulz 2013)

Erschließung und Reflexion familialer Lebenswelten/ Alltagspraxen durch den methodischen Einsatz der teilnehmenden Beobachtung Visuelle Wahrnehmung des ablaufenden Geschehens (Breidenstein/Hirschauer/Kalthoff 2013)

Reflexion des Verhältnisses von Eigenem und Fremden (Hünersdorf 2013) Intervention und Nähe zu den Adressat*innen führen zur Erschließung von alltäglichen sozialen Abläufen, Interaktions- und Verhaltensweisen in den Familien (Hauser-Schäublin 2003) Bedarf nach: Distanzierung von Erfahrungen und Erlebnissen Beschreibung, Analyse und Reflexion komplexer Zusammenhänge und Problemlagen (Breidenstein/ Hirschauer/Kalthoff 2013)

Teilnehmende Beobachtung soziale Ko-Konstruktion : beidseitige Beobachtungsund Reaktionsprozesse Ambivalentes Verhalten zwischen Nähe und Distanz Verschmelzung mit dem Feldzugang vs. Wahrnehmung durch die Rolle der/ des Außenstehenden Bildung eines tiefergehenden Verständnisses über die Adressat*innen Weg für neue methodische Vorgehensweisen (Hünersdorf 2013)

Feldnotizen Schriftliche Aufzeichnung während der Beobachtung im Feld bzw. unmittelbar danach Unterstützung durch informelle Checklisten: Kontext Akteur*innen Allgemeiner Verlauf der beobachteten Situation Authentische, wörtliche Äußerungen der Beteiligten Ergänzungen durch digitale Aufzeichnungen, Raumzeichnungen, Zeitmessungen (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010)

Fazit und Fragestellungen Nutzen der methodischen Zugänge für die sozialpädagogische Praxis mit den Familien? Keine Repräsentativität als Ziel Methodisch angeleiteter kollegialer Austausch zur Verfremdung der vertrauten Bilder Fragen nach der Zusammensetzung von professionellen Selbstverständnissen der Sozialpädagog*innen? z. B. zur Erziehungsfähigkeit? Frage nach räumlichen Möglichkeiten/ zeitlichen Ressourcen für die Durchführung einzelner sowie gruppenspezifischer Reflexionen?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!