Master-Arbeit MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich

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Transkript:

Master-Arbeit MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich 2012-2014 Das MAS-Programm ist ein Kooperationsangebot der Hochschule Luzern Soziale Arbeit und der Hochschule Luzern Wirtschaft Wirkungsvolle Führung zwischen Problemtrance und Lösungstango Eingereicht am: 11.09.2013 Vor- und Nachname/n: Timo Schneider Andrea Deiss Candrian E-Mail-Adresse: ti.schneider@bluewin.ch a.deiss@kns.ch Von dieser Master-Arbeit wurden am 11.09.2013 eine elektronische Fassung und vier schriftliche Exemplare bei der Hochschule Luzern eingereicht. Diese Arbeit ist Eigentum der Hochschule Luzern. Sie enthält die persönliche Stellungnahme des Autors/der Autorin bzw. der Autorinnen und Autoren. Veröffentlichungen auch auszugsweise bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Leitung Weiterbildung der Hochschule Luzern Soziale Arbeit.

Masterarbeit MAS-Management im Sozial- und Gesundheitsbereich 2012-2014 Das MAS-Programm ist ein Kooperationsangebot der Hochschule Luzern Soziale Arbeit und der Hochschule Luzern Wirtschaft Wirkungsvolle Führung zwischen Problemtrance und Lösungstango Eingereicht am: 11.09.2013 Vor- und Nachname/n: Timo Schneider Andrea Deiss Candrian E-Mail-Adresse: ti.schneider@bluewin.ch a.deiss@kns.ch Diese Arbeit ist Eigentum der Hochschule Luzern. Sie enthält die persönliche Stellungnahme des Autors/der Autorin bzw. der Autorinnen und Autoren. Veröffentlichungen auch auszugsweise bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Leitung Weiterbildung der Hochschule Luzern Soziale Arbeit.

Abstract Menschen in Führungspositionen suchen in ihrer Arbeit Erfolg zu haben. Somit fragt sich, wie erfolgreiche, bzw. wirkungsvolle Führung aussieht und wie diese zu erreichen ist. Diese Arbeit beschäftigt sich mit Führungstheorien im Allgemeinen und wirkungsvoller Führung im Speziellen. Insbesondere der lösungsorientierte Beratungsansatz von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg liefern Aspekte, die für Führungspersonen, die Wirkung erzielen möchten, hilfreich und nützlich sein können. Diese Arbeit zeigt Chancen und Besonderheiten dieses Ansatzes auf und schlägt eine Brücke von der Beratung zu konkreten Empfehlungen für Führungspersonen, wie sie wirkungsvoll führen können. Die eigene Praxiserfahrung der Autorenschaft bietet Möglichkeiten zur Anwendung und zum weiteren Nachdenken. 1

Vorwort Führungskräfte zielen in ihrer Arbeit auf den Erfolg und werden von ihren Vorgesetzten, Aufsichts- und Verwaltungsräten an ihrem Erfolg gemessen. Neben den Zahlen, die in den Bilanzen stimmen müssen, ist ein wesentlicher Anteil der täglichen Arbeit die Führung der Mitarbeitenden. Nicht umsonst werden Mitarbeitende umgangssprachlich als lebendes Kapital bezeichnet. Deshalb stellt sich die Frage, wie erfolgreiche Führung von Mitarbeitenden aussieht, wie also dieses wichtige Humankapital wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Diese Frage beschäftigt uns in unserer täglichen Arbeit immer wieder und hat durch die vertiefte Auseinandersetzung in unserem Studiengang des MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich an der Hochschule Luzern noch zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Mit dem Bearbeiten dieses Themas versuchen wir der Beantwortung dieser Frage einen weiteren Schritt näherzukommen. An dieser Stelle danken wir allen, die uns unterstützt haben, dass diese Arbeit geworden ist, wie sie ist. Vor allem Klaus Ehrmann für die geduldigen Korrekturarbeiten, Oliver Kessler für die Beantwortung unserer wissenschaftlichen Fragen und Karin Willimann für die graphische Umsetzung. Unser besonderer Dank gilt Dominik Godat, der uns bereitwillig seine noch nicht veröffentlichten Manuskripte zu Verfügung stellte. Wir danken unseren Familien, Freunden und Freundinnen, für die wir oft zu wenig Zeit hatten und die immer wieder hören mussten, dass nach Abschluss dieser Arbeit alles wieder anders werde. Wir hoffen, dieses Versprechen zu halten. 2

Inhaltsverzeichnis Abstract... 1 Vorwort... 2 Inhaltsverzeichnis... 3 1 Einleitung (ts)... 7 1.1 Ausgangslage... 7 1.2 Leitende Fragestellung und Hypothesen... 8 1.3 Vorgehen und Aufbau der Arbeit... 8 1.4 Aufteilung der Arbeit... 9 2 Führung und Führungsverständnis (ts)... 10 2.1 Definition von Führung... 10 2.2 Historische Einblicke... 13 2.2.1 Führung in der Kirche... 13 2.2.2 Führung in der Armee... 15 2.2.3 Führung in der Wirtschaft... 16 2.2.4 Frauen in Politik und Wirtschaft... 17 2.2.5 Zusammenfassung... 18 2.3 Führungstheorien... 18 2.3.1 Eigenschaftstheorien... 18 2.3.2 Verhaltensorientierte Theorieansätze... 19 2.3.3 Situative Führungstheorien... 22 2.3.4 Systemtheorie... 22 2.3.5 Entwicklungslinien der Führungsforschung... 25 2.3.6 Organisationskomplexität... 25 2.4 Herausforderungen der Zukunft... 27 3 Erfolgreiche Führung (ts)... 29 3.1 EFQM-Modell... 29 3.2 Grundsätze wirksamer Führung nach Malik... 31 3.2.1 Resultatorientierung... 31 3.2.2 Beitrag zum Ganzen... 31 3

3.2.3 Konzentration auf Weniges... 31 3.2.4 Stärken nutzen... 32 3.2.5 Vertrauen... 32 3.2.6 Positiv denken... 32 3.2.7 Zusammenfassung der Grundprinzipien... 33 3.3 Das Muster erfolgreicher Führung nach Weibel... 33 3.3.1 Glaubwürdigkeit als Basis... 34 3.3.2 Die 7 Schlüsselfaktoren... 34 3.4 Erfolgreiche Führung nach Laufer... 35 3.4.1 Zielsetzung... 36 3.4.2 Vertrauen... 36 3.4.3 Motivation... 36 3.4.4 Reparieren und nicht demontieren... 37 3.5 Zusammenfassung... 37 4 Der lösungsorientierte Ansatz (ad)... 38 4.1 Begriffsklärung... 38 4.2 Hintergründe des lösungsorientierten Ansatzes... 38 4.2.1 Grundbausteine... 38 4.2.2 Ursprung... 39 4.3 Grundannahmen aus der systemischen Theorie... 39 4.3.1 Kybernetik... 40 4.3.2 Zirkularität... 40 4.3.3 Konstruktivismus... 40 4.4 Entstehung der lösungsorientierten Kurztherapie... 42 4.5 Lösungsorientierung als Sicht- und Denkweise... 43 4.6 Das Konzept der Lösungsorientierung... 45 4.6.1 Die acht Lehrsätze... 45 4.6.2 Die zwölf Grundannahmen... 46 4.7 Interventionen und handlungsleitende Prinzipien in der Lösungsorientierung... 47 4.7.1 Lösungsvision... 48 4.7.2 Ausnahmen... 49 4.7.3 Reframing... 50 4.7.4 Konstruktive Fragentypen... 50 4.7.5 Formen lösungsorientierter Beziehungsgestaltung... 51 4

4.7.6 Gute Arbeitsbeziehung... 53 4.7.7 Ressourcen aktivieren... 54 4.7.8 Die Haltung des Nichtwissens... 55 4.8 Zusammenfassung... 56 5 Lösungsorientierte Führung (ad)... 57 5.1 Gründe für lösungsorientierte Führung... 57 5.2 Definitionen... 58 5.3 Die innere Haltung... 59 5.4 Lösungsfokussiertes Führungsverständnis... 60 5.4.1 Acht Lehrsätze für die Führung nach Godat... 61 5.4.2 Vier Arbeitshypothesen... 62 5.4.3 Fazit... 63 5.5 Lösungsfokussierte Werkzeuge für Führungskräfte... 64 5.5.1 Kontakt herstellen... 65 5.5.2 Kontext erfragen... 65 5.5.3 Lösungsbereitschaft erhöhen... 65 5.5.4 Zukunftsorientierung... 66 5.5.5 Wunderfrage... 66 5.5.6 Ziele setzen... 68 5.5.7 Funktionierendes erkennen... 69 5.5.8 Positive Aspekte durch Wertschätzung stärken... 71 5.5.9 Kleine Schritte festlegen... 71 5.5.10 Mit Skalierungen arbeiten... 73 5.5.11 Zusammenfassung... 74 5.6 Das Flowchart... 74 5.6.1 Fragenset... 74 5.6.2 Beziehungsarten... 75 5.6.3 Verbindung Fragenset und Beziehungsarten... 76 5.7 Wirkung lösungsfokussierter Interaktion... 79 6 Verknüpfung des lösungsorientierten Ansatzes mit wirkungsvoller Führung (ad)... 80 6.1 Vergleich der verschiedenen Definitionen... 80 6.2 Verknüpfung mit Malik... 80 6.3 Verknüpfung mit Weibel... 81 5

6.4 Verknüpfung mit Laufer... 82 6.5 Verknüpfung des lösungsorientierten Ansatzes mit der Wirksamkeit von Führung... 82 7 Diskussion der Ergebnisse (ts/ad)... 84 7.1 Reflexion und Praxisbezug... 84 7.1.1 Umgang mit Komplexität... 84 7.1.2 Umgang mit Wandel... 85 7.1.3 Selbstbewusstere Mitarbeitende... 86 7.1.4 Spardruck... 86 7.1.5 Diversität... 87 7.2 Beantwortung der leitenden Fragestellung... 87 7.3 Empfehlungen für Führungskräfte... 88 7.4 Zukünftige Überlegungen... 88 7.5 Persönliches Fazit... 88 Literatur und Quellenverzeichnis... 90 Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Führungsdreieck... 12 Abb. 2 Kontinuum unterschiedlicher Führungsstile... 20 Abb. 3 Entwicklungslinien der Führungsforschung... 25 Abb. 4 Vernetztes Denken im Management... 26 Abb. 5 Das EFQM-Qualitätssicherungsmodell... 30 Abb. 6 Das Muster erfolgreicher Führung... 33 Abb. 7 Flowchart... 75 6

1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Mit Führung verbinden sich ganz unterschiedliche Erwartungen und Auffassungen. Da der Autor und die Autorin dieser Arbeit selbst eine Führungsposition innehaben, befinden sie sich im Spannungsfeld eben dieser unterschiedlichen Erwartungen und Auffassungen. Einerseits sind sie Vorgesetzte und andererseits haben sie selbst Vorgesetzte. Zentrale Frage ist für die Autorenschaft, wie Führung wirkungsvoll und erfolgreich sein kann. Dabei können Erwartungen an Führungspersonen Formen annehmen, die nicht oder kaum erfüllbar sind. So hat der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Ingo Kleist, zum idealen Profil eines neuen Polizeipräsidenten für Hamburg gesagt: Die ideale Führungspersönlichkeit braucht: die Würde eines Erzbischofs, die Selbstlosigkeit eines Missionars, die Beharrlichkeit eines Steuerbeamten, die Erfahrung eines Wirtschaftsprüfers, die Arbeitskraft eines Kulis, den Takt eines Botschafters, die Genialität eines Nobelpreisträgers, den Optimismus eines Schiffbrüchigen, die Findigkeit eines Rechtsanwalts, die Gesundheit eines Olympiakämpfers, die Geduld eines Kindermädchens, das Lächeln eines Filmstars, und das dicke Fell eines Nilpferds. (Schulz von Thun et al., 2008, S. 13) Bei einem solchen Führungsprofil wird bereits deutlich, dass diese Merkmale kaum in einer Person zu vereinigen sind. Dennoch fordert es heraus, sich die Frage zu stellen, was eine Führungsperson erfolgreich werden lässt, ohne dass sie bereits unter dem Erwartungsdruck einer Idealpersönlichkeit von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Neben dieser Frage nach erfolgreicher Führung beschäftigt den Autor und die Autorin dieser Arbeit auch die Frage, wie der lösungsorientierte Ansatz nach Steve de Shazer und Insoo Kim Berg mit erfolgreicher und wirkungsvoller Führung verknüpft werden kann. Der Autor hat bereits eine Masterausbildung im lösungsorientierten Ansatz absolviert und setzt ihn in seinem Arbeitsbereich, einer Suchthilfeeinrichtung, in zentralen Arbeitsfeldern wie Beratungen, Teamsitzungen und Mitarbeitendengespräche so sinnvoll wie möglich um. Die Autorin hat im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit einem lösungsorientierten Coach deren Arbeitsweise im Schulungskontext kennen gelernt. Sie überlegt, wie es ihr dank der lösungsorientierten Prinzipien gelingen kann, ihr Führungsverständnis zu erweitern, das heisst, wie sie konstruktiv an Probleme herangehen und eine lösungsorientierte Kultur in ihrer Abteilung, die zum pflegerischen Bildungskontext gehört, 7

schaffen kann, um so in ihrer Führungsarbeit nicht in das schwarze Loch der Probleme hineingezogen zu werden. Der Autor und die Autorin erleben beide den lösungsorientierten (Beratungs-)Ansatz als eine sehr hilfreiche Unterstützung, um nicht in eine Problemtrance getrieben zu werden, sondern mit einer positiven Einstellung, die oft problematische Führungsarbeit zu leisten. Dies schafft Erleichterung und dient auch der eigenen Burnout-Prophylaxe. 1.2 Leitende Fragestellung und Hypothesen Für den Autor und die Autorin stellt sich demnach die Frage, wie der lösungsorientierte Ansatz mit erfolgreicher und wirkungsvoller Führung verknüpft werden kann. Basierend auf dieser Fragestellung bildet die Autorenschaft folgende Hypothesen: Es gibt Merkmale und Kennzeichen erfolgreicher Führung. Der lösungsorientierte Ansatz hat Werkzeuge (Techniken, Instrumente), die positive Wirkung erzielen. Es macht Sinn, Werkzeuge des lösungsorientierten Ansatzes anzuwenden, um erfolgreich führen zu können. Ziel dieser Arbeit ist somit erfolgreiche Führung und den lösungsorientierten Ansatz nach Steve de Shazer und Insoo Kim Berg darzustellen und Elemente des lösungsorientierten Ansatzes für erfolgreiche Führungsarbeit herauszufiltern. Basierend auf den Hypothesen kann folgende leitende Fragestellung formuliert werden: Welche Instrumente des lösungsorientierten Ansatzes liefern einen Beitrag zu einer wirkungsvollen Führung? 1.3 Vorgehen und Aufbau der Arbeit Diese Masterarbeit ist schwerpunktmässig eine Literaturarbeit und stellt gegen Ende einen Bezug zur Praxis der Autorenschaft her. Zu Beginn des zweiten Kapitels wird zunächst der Führungsbegriff näher beleuchtet und Definitionen dargestellt. Anschliessend wird anhand historischer Persönlichkeiten aufgezeigt, wie diese Führung verstanden und umgesetzt haben. Im nächsten Schritt stellt der Autor bedeutsame Führungstheorien der letzten 100 Jahre vor. Zum Schluss geht er auf die heute gängigste Theorie für den Führungskontext ein und gibt einen Ausblick auf zukünftige Herausforderungen für Führungskräfte. 8

Im dritten Kapitel wird anhand einer eigenen Definition und den Empfehlungen der drei Manager Malik, Laufer und Weibel erklärt, was unter erfolgreicher Führung verstanden werden kann. Im vierten Kapitel wird der lösungsorientierte Ansatz dargestellt. Dabei geht die Autorin zunächst auf die Hintergründe, die Entstehung und Lehrsätze ein. Anschliessend werden Interventionsmöglichkeiten und handlungsleitende Prinzipien dieses Ansatzes vorgestellt. Im fünften Kapitel geht die Autorin die lösungsorientierte Führung im Speziellen ein. Sie setzt sich dabei mit dem lösungsfokussierten Führungsverständnis auseinander und beschreibt entsprechende Werkzeuge für Führungskräfte. Im sechsten Kapitel verknüpft die Autorin den lösungsorientierten Ansatz mit den Kriterien wirkungsvoller Führung der drei Manager Malik, Laufer und Weibel. Im siebten Kapitel reflektiert die Autorenschaft die gewonnenen Erkenntnisse anhand zukünftiger Herausforderungen von Führungskräften und zieht ein persönliches Fazit. Anschliessend wird die leitende Fragestellung überprüft und beantwortet. Zum Schluss formuliert die Autorenschaft Empfehlungen für Führungskräfte und gibt einen Ausblick auf mögliche weiterführende Fragestellungen. 1.4 Aufteilung der Arbeit Diese Masterarbeit wurde in drei Blöcke aufgeteilt, die wie folgt bearbeitet wurden: Die Kapitel 1-3 wurden von Timo Schneider, die Kapitel 4-6 von Andrea Deiss Candrian bearbeitet, das Kapitel 7 wurde gemeinsam erstellt. 9

2 Führung und Führungsverständnis In diesem Kapitel wird der Führungsbegriff näher beleuchtet. Führung und Führungsverständnis unterlagen in der Vergangenheit grossen Veränderungen, die der Autor hier darstellt und näher ausführt. Zur Illustration dienen Personen und Gegebenheiten der Geschichte, ohne Anspruch auf deren Vollständigkeit. Im Anschluss werden die gängigsten Führungstheorien beschrieben und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen, welche die Führungsarbeit prägen könnten, gegeben. 2.1 Definitionen von Führung Es gibt zahlreiche Definitionen und Definitionsversuche. Eine grosse Zusammenstellung findet man in dem Buch Führen und führen lassen von Oswald Neuberger (2002, S. 12-15), der dort zahlreiche Definitionen zusammengetragen hat. Die hiesige Auswahl ist nicht erschöpfend, sie soll allerdings zentrale Punkte fokussieren, die aus Sicht des Autors dieser Arbeit wichtig sind und sich in der gängigen Praxis bewähren. Eine heute relevante und gängige Führungsdefinition lässt sich bei Weinert finden. Er definiert Führung wie folgt: 1. Führen ist ein Gruppenphänomen (das die Interaktion zwischen zwei und mehreren Personen einschliesst); 2. Führung ist intentionale soziale Einflussnahme (wobei es wiederum Differenzen darüber gibt, wer in einer Gruppe auf wen Einfluss ausübt und wie dieser ausgeübt wird, u.a.m.); 3. Führung zielt darauf ab, durch Kommunikationsprozesse Ziele zu erreichen. (Weinert, 1989, S. 555, zit. in Rosenstiel 1999, S. 6) 1 In dieser Definition werden drei entscheidende Komponenten sichtbar, die Interaktion, die Einflussnahme und die zielgerichteten Kommunikationsprozesse. In einer weiteren Definition wird die Einflussnahme noch stärker akzentuiert: Führung wird als absichtliche und zielbezogene Einflussnahme durch Inhaber von Vorgesetztenpositionen auf Unterstellte durch Kommunikationsmittel definiert (Rosenstiel et al., 1988, zit. in Dorsch et al., 1994, S. 259) 2. 1 WEINERT, Ansfried B. (1989): Führung und Soziale Steuerung. In Roth, E. (Hrsg.): Organisationspsychologie (Enzyklopädie der Psychologie; Bd. 3). Göttingen: Hogrefe. 2 ROSENSTIEL, Lutz von / MOLT, Walter / RÜTTINGER, Bruno (1988): Organisationspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer. 10

Einflussnahme wird hierbei auf Positionen bzw. hierarchische Strukturen (von oben nach unten) in einem Unternehmen reduziert. Vorgesetzte haben allein durch ihre Vorgesetztenposition die Kompetenz, Unterstellte durch Aufgaben und Kontrolle zielgerichtet zu leiten. Wie bereits ersichtlich, ist ein wichtiger Aspekt im Führungskontext die Einflussnahme. Dies drückt sich vorwiegend in einem hierarchischen Gefälle aus: In der Organisationspsychologie wird von einer starken Asymmetrie dieser sozialen Einflussnahme ausgegangen. Es erscheint in nahezu allen organisationspsychologischen Theorien, empirischen Untersuchungen und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen als weitgehend selbstverständlich, dass als Beeinflussender ein Vorgesetzter gilt, als Beeinflusster dagegen ein ihm Unterstellter. (Psychology48, (ohne Datum), Führung) Eine etwas weiter gefasste Definition nimmt den organisationalen und den Gruppenaspekt stärker auf: Unter Führung versteht man die Leitung von Gruppen und Organisationen durch eine Person oder Personengruppe, die Befehls- und Entscheidungsgewalt besitzt. Die Führung hat die Aufgabe, die Ziele der Gruppe zu formulieren und zu verwirklichen. Sie wirkt nicht nur nach außen, sondern regelt auch das Verhalten der Gruppenmitglieder. Man kann zwischen zwei Arten von Führung unterscheiden. Die Führung die Ideen und Ziele vorgibt und die Gruppe begründet, und die Führung die sich aus einer bestehenden Gruppe bildet. Doppler und Lauterburg führen in ihrem Buch Change Management auf, welche Aufgaben Führungspersonen übernehmen müssen. Sie stellen eine Veränderung fest, weg von reiner Aufgabenzuteilung, Vorgaben und Kontrolle, hin zu einem offeneren System, welches auf Selbständigkeit der Unterstellten abzielt. Für sie muss sich Führung neu definieren: Wenn man die Veränderung, die sich zurzeit vollzieht, auf einen Nenner bringt, dann besteht die Funktion der Führung nicht mehr im Wesentlichen darin, Arbeit vorzubereiten, Aufgaben zu verteilen und das Tagesgeschäft zu koordinieren, sondern darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es normal intelligenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, ihre Aufgaben selbständig und effizient zu erfüllen. (Doppler/Lauterburg, 2008, S. 75) 11

Eine weitere Führungsdefinition lässt sich bei Rolf Wunderer finden: Führung wird verstanden als wert-, ziel- und ergebnisorientierte, aktivierende und wechselseitige, soziale Beeinflussung zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in und mit einer strukturierten Arbeitssituation (Wunderer, 2011, S. 4). Führung ist für Wunderer also eine absichtsgeleitete, soziale Beeinflussung, welche den Wertschöpfungsbeitrag (Mitarbeitenden-, Kunden- und Kundinnenzufriedenheit) der Mitarbeitenden für die zentralen Bezugsgruppen der Organisation (Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Lieferantinnen, Gesellschaften) erhöhe oder absichere (vgl. ebd., S. 4f). Bei dieser Definition steht stärker das positive, wachstumsgeleitete Ergebnis im Zentrum, welches durch die Führungskräfte mit Hilfe der Steuerung und Beeinflussung der Mitarbeitenden erreicht werden soll. Für Wunderer stehen hierbei soziale Effizienzkriterien im Mittelpunkt, die ihre Grundlage in der Qualität der Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Beziehung haben. Bei Wunderer spielt somit der Beziehungsaspekt eine wichtige Rolle für erfolgreiche Führung. Zufriedene Mitarbeitende haben grossen Einfluss auf die Zufriedenheit der Kunden und Kundinnen. Laufer (2013, S. 16f) grenzt den Führungsbegriff gegenüber anderen Begriffen ab, indem er erläutert, dass das Wort managen vom lateinischen Wort manus = die Hand her komme und damit handhaben gemeint sei. In der Managementlehre sei es im Sinne von bewerkstelligen, unternehmen, durchführen zu verstehen. Unter dem Begriff Leiten versteht Laufer das sachbezogene verantwortliche Umgehen mit einem System bzw. einer Organisation. Führen hingegen stehe für das Umgehen mit den in einer Organisation tätigen Menschen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Führungsbegriff verschiedene Komponenten enthält, die bei den verschiedenen Autoren und Autorinnen unterschiedlich gewichtet werden. Entscheidende Punkte sind aus Sicht des Autors dieser Arbeit die Triage Macht (Einfluss) Beziehung(sgestaltung zu Mitarbeitenden) Aufgaben(erfüllung). Dies kann wie folgt dargestellt werden: Macht Beziehung Aufgaben Abb. 1: Führungsdreieck 12

Diese drei Komponenten stehen in einer Wechselbeziehung. Eine Führungsperson ist in der Regel allein durch die hierarchische Positionierung in einer Machtposition und hat Einfluss auf Mitarbeitende. Es ist entscheidend nicht nur diese Position inne zu haben, sondern diese Position auch in einer qualitativ guten Beziehung zu Mitarbeitenden zu leben. Ist dies innerhalb der Organisation möglich, wird dies die Aufgabenerfüllung und den Erfolg wesentlich prägen. Gelingt die Umsetzung der Aufgaben, wird dies wiederum die Machtposition der Führungsperson stärken. Diese Aspekte werden in Kapitel 3 noch vertiefter dargestellt. Weiterhin sind die Beziehung (oder anders ausgedrückt die Mitarbeitendenorientierung) und die Aufgabenorientierung wichtige Aspekte in der Führung. Diese werden ebenfalls noch stärker in Kapitel 5 beleuchtet. Bevor der theoretische Hintergrund zum Thema Führung in dieser Arbeit aufzeigt wird, steht im nächsten Abschnitt der historische Blickwinkel im Zentrum, in dem exemplarisch erläutert wird, wie Führung in verschiedenen Episoden der Geschichte gelebt wurde. 2.2 Historische Einblicke Dr. Benedikt Weibel, Honorarprofessor an der Universität Bern, befasste sich in seinem Buch Mir nach! Erfolgreich führen vom heiligen Benedikt bis Steve Jobs vor allem mit historischen Figuren und Systemen bis hin zur Gegenwart und stellt dar, wie sich Führung gewandelt hat. Er versucht Führungsmuster herauszuarbeiten, die sich stetig wiederholen und Aussagen über erfolgreiche Führung zu machen (siehe auch Kapitel 3). Entscheidend seien hierfür Umweltbedingungen, die Führungsverhalten prägten und formten. Die ausgewählten und hier dargestellten Felder sind kurze Einblicke, die unterschiedliche Perspektiven in Bezug auf Führung geben sollen. 2.2.1 Führung in der Kirche Exemplarisch führt Weibel an, welchen Führungsausdruck und Führungsanspruch die katholische Kirche im Rahmen der benediktinischen Lehre aus dem 6. Jahrhundert n.chr. an den Tag legte. So illustrierte Benedikt von Nursia (etwa 480 547) in der Benediktus-Regel zwei Haupt-Antagonismen, nämlich Leiten und Dienen. Führung oder Leiten sei hierbei kein Privileg, sondern eine Verpflichtung (Weibel, 2013, S.14). In das Amt des Abts wurde jemand berufen, der einmütig von der Versammlung gewählt wurde. Das Amt war und ist immer bezogen auf eine hohe Verantwortung. Verantwortung lässt sich etymologisch auf Antwort geben vor dem Richter zurückführen (ebd., S. 15). 13

Mit dem Richter ist Gott als höchste Autorität gemeint, welcher über Recht und Unrecht entscheidet. Somit stand der Abt (und in der Folge auch der Papst) immer in der Rechenschaft gegenüber Gott. Nach Benedikt war es keinesfalls so, dass der Abt immer alleine entschied, sondern er holte den Rat seiner Mitbrüder ein und diskutierte mit ihnen. Aber die letzte Entscheidung lag beim Abt, sie musste in Gehorsam von den Mitbrüdern akzeptiert und befolgt werden. Reiner Gehorsam war für Benedikt nicht ausreichend, sondern wie Weibel ausführt: Es kommt auch darauf an, mit welchem Geist die Aufgabe erledigt wird. Wenn wir das in unserer heutigen Fachsprache übersetzen, dann ist damit Motivation gemeint. (ebd., S. 16) Ein weiterer, zentraler Aspekt neben Gehorsam und Sanktionen war für Benedikt die Sorge um die Mitbrüder. Es bestand eine Fürsorgepflicht, die Weibel auch für heutige Führungspersonen als wichtig ansieht. Neben dem Leiten sei das Sich-Kümmern um Mitarbeitende in Organisationen und Gruppen eine zentrale Aufgabe. (vgl. Weibel, 2013, S. 17) Zusammenfassend stellt Weibel fest: Nach der Lektüre der Benediktus-Regel staunt man über die Vollständigkeit der behandelten Themen und ein Führungsverständnis, das Vorbild und Unterstützung ins Zentrum stellt [ ]. Erstaunlich modern ist das Menschenbild des Geführten. Er ist ein reflektierendes Wesen, dessen Meinung vom Abt in den Entscheidungsprozess einbezogen werden soll. (ebd., S. 17) Anders zeigt sich das Führungsverständnis der Reformationszeit. Johannes Calvin (1509 1564) forderte stets einen unbedingten Gehorsam, ohne Fragen. In 21 Artikeln schrieb er Grundsätze auf, die restlosen Gehorsam einforderten. Er beschnitt damit Freiheiten des Menschen, da dieser unfähig sei richtig zu entscheiden. Als Grundlage diente ein sehr negatives Menschenbild. Calvin reichte es nicht aus, eine neue Lehre zu vertreten, sondern er forderte den Staatsrat von Genf auf, diese Grundsätze als Staatsgesetze einzuführen, auf die jeder Bürger öffentlich schwören sollte. (ebd., S. 23) Weibel greift hier Gedanken von Stefan Zweig auf, der in seinem 1936 geschriebenen und 1999 erneut veröffentlichten Buch Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt 3 Calvins Lehren und dessen Folgen interpretierte: 3 ZWEIG, Stefan (1999): Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt. Frankfurt am Main: Fischer. 14

Es ist der erste Versuch, meint Zweig, im Namen einer Idee eine völlige Gleichschaltung eines ganzen Volkes zu unternehmen und aus Genf den ersten Gottesstaat auf Erden zu schaffen. Calvin habe nie daran gezweifelt, dass man Menschen nur fördere, wenn man ihnen rücksichtslos jede Individuelle Freiheit nimmt. Das Mittel dazu ist die Disziplin. (ebd., S. 24) Entgegen der katholischen Haltung, die ein asketisches Leben forderte, das mit Verzicht einhergeht, vertrat Calvin die Ansicht, dass Besitztum nichts Schändliches sei. Sollte der Besitz dazu verführen, sich darauf auszuruhen, dann sei dies verwerflich. Somit war die harte Arbeit zentral, die das Ziel hatte, Gottes Ruhm und Segen zu vermehren. Calvin kann somit als treibende Kraft des Kapitalismus bezeichnet werden. (ebd., S. 26) Zusammenfassend stellt Weibel fest, dass das Zentrum kirchlicher Führung der Gehorsam sei. Während bei Benediktus der mitdenkende Bruder einen Platz erhalte, werde bei Calvin die willenlose Kreatur fokussiert, die zum Arbeiten da sei und durch Zucht und Strafen vor den Übeln der Welt bewahrt werden müsse. (ebd., S. 26) Für Weibel steht fest, dass gerade die Lehre Calvins bis heute in milderen Formen fortgedauert hat, aber auch in ihrer negativen Ausprägung von Führung immer wieder sichtbar wird: Damit kultivierte Calvin das Führungsinstrument aller Tyrannen: die Einschüchterung (ebd. S. 27). 2.2.2 Führung in der Armee Eine Gemeinsamkeit in den verschiedenen Armeen der Welt sei nach Weibel die Existenz eines Ideals, das es zu verteidigen gilt und für das es sich lohnt zu kämpfen und zu sterben. Meistens sind dies Werte wie Pflicht, Ehre und Vaterland. Immer wieder waren es aber auch religiöse Werte, die es zu verteidigen galt. Als wichtige Grundvoraussetzung für die Werte ist der Begriff der Loyalität zu nennen. (vgl. Weibel, 2013, S.47) Loyalität kann auch mit Begriffen wie Treue, Ehre, Vertrauen, Gehorsam, Demut und Ergebenheit umschrieben werden. Dies zeigt auf, dass es einen Anführer oder eine Anführerin gibt, der bzw. die Befehle erteilt und eine genaue Umsetzung ohne Widerspruch fordert. Eine andere Art der Armeeführung wird im Rahmen der globalisierten Bündnisse bedeutsamer. Weibel zeigt dies am Beispiel des ersten Irakkrieges der USA und einem seiner Bündnispartner, Saudi-Arabien, gegen den Irak im Jahr 1991. General Schwarzkopf war der oberste Befehlshaber der Armee, die in den Irak einmarschieren und Kuwait von der Besetzung der Iraker befreien sollte. Entgegen der alten Schule der Kriegsführung, die besagte mit Moral für das Vaterland zu kämpfen 4 Siehe auch: WEBER, Max (2006): Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. München: Beck. 15

und aufgrund des Scheiterns der Amerikaner im Vietnam-Krieg, war General Schwarzkopf bewusst, dass er mit seinem Koalitionspartner ganz anders umgehen musste, um erfolgreich zu sein: Er wusste, dass er ohne sie den Krieg nicht gewinnen konnte, und behandelte sie mit grösstem Respekt. Er hatte sich intensiv in die Kultur seines Partners eingelebt und war sich immer bewusst, in welch heikler politischen Situation seine Partner sich befanden. (Weibel, 2013, S. 49). General Schwarzkopf behandelte seine Partner als gleichberechtigt und ebenbürtig. Dies war letzten Endes das Rezept für den schnellen Erfolg. Ein Fazit das Weibel in seinen Ausführungen zieht, sei die Veränderung des Menschenbildes innerhalb der Armee. Willenlose und formbare Soldaten und Soldatinnen seien zu Individuen mit mehr Autonomie geworden. (ebd., S. 51) 2.2.3 Führung in der Wirtschaft In den vergangenen 100 Jahren fand im Wirtschaftsumfeld ebenfalls eine Wandlung statt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine starke Hierarchie vorherrschend. Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin entschied alles und die Untergebenen mussten es ausführen. Es bestand teilweise sogar ein Menschenbild, das besagte, dass Arbeitende es vorziehen würden, nicht zu denken. Henry Ford, der in den USA das Automobil entwickelte und als erster die Fliessbandarbeit einführte, vertrat dieses Menschenbild. Im Zentrum seines Wirkens stand die Vision und Idee der motorisierten Mobilität und die Überzeugung, dass die Produktion von Automobilen in der Zukunft ein bedeutsamer und expandierender Markt sein werde. Arbeitende waren dazu da, diese Idee umzusetzen und Autos zu produzieren. Anderes war nicht gefragt. (vgl. Weibel, 2013, S. 115ff) Im Automobilkonzern Toyota wurde zu Beginn der Firmengründung ein anderes Modell praktiziert. Die Mitarbeitenden wurden in die Entwicklung mit ihren Ideen einbezogen. Nach Weibel sind die Mitarbeitenden zu mitgestaltenden Partnern und Partnerinnen geworden, deren Kreativität Einfluss auf die Neugestaltung der Fahrzeuge habe (ebd., S. 158). Steve Jobs, der bis zu seinem Tod im Jahr 2011 Chief Executive Officer (CEO) des Apple-Konzerns war, galt bis zum Ende seines Lebens als Aushängeschild und Ideenproduzent der Angebote von Apple. Er revolutionierte die Handy-Welt durch das Smartphone und die vielfältigen Möglichkeiten seiner Anwendung. Neben seinen eigenen Ideen benötigte er jedoch in Schlüsselpositionen Mitarbeitende mit hohen Qualifikationen, ohne die seine Ideen nicht realisierbar gewesen wären. Allerdings wurde Mittelmässigkeit nicht akzeptiert. (ebd., S. 159) 16

2.2.4 Frauen in Politik und Wirtschaft Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen Frauen ihre ihnen zugesprochenen und von ihnen auch gelebten Rollen zu hinterfragen. Erstes sichtbares Aufbegehren gegen tradierte Rollenverständnisse waren Forderungen nach dem Wahlrecht. 1908 gab es im Hyde-Park in London eine Demonstration mit 500.000 Teilnehmenden, die sich für das Frauenwahlrecht einsetzten. Durch den Beginn des Ersten Weltkrieges wurde dieser Prozess unterbrochen und erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder fortgesetzt. Die ersten Frauen an der Spitze von Staaten waren beispielsweise Indira Gandhi (Indien), Golda Meir (Israel) und Margaret Thatcher (Grossbritannien). Margaret Thatcher bestach als erste Frau durch ihren Ruf als eiserne Lady und durch ihre Kompromisslosigkeit. Niemand seit dem Zweiten Weltkrieg, veränderte in Grossbritannien so viel, wie sie. Sie ordnete die Wirtschaftspolitik neu und brach die Macht der Gewerkschaften nachhaltig. Dieser Umstand brachte ihr viele Feinde ein. Dennoch ging sie unbeirrt ihren Weg und führte einen erfolgreichen Krieg gegen Argentinien um die Falkland-Inseln. (vgl. Weibel, 2013, S. 171ff) Eine weitere Vertreterin von Frauen in politischen Führungspositionen ist Angela Merkel in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Anfangs als Kohls Mädchen und Ossi-Frau belächelt, schaffte sie es, zur einflussreichsten Frau der Gegenwart zu werden. Sie gilt als gleichmütig, distanziert, kühl und beherrscht, verhält sich stets überlegt und reserviert. (ebd., S. 173) Im Vergleich zu Europa, haben sich Frauen in grossen Unternehmen in Amerika in Führungspositionen gearbeitet. Firmen wie Kraft Foods, Hewlett Packard, Johnson & Johnson, IBM und Pepsi werden von Frauen geführt. In Europa ist die Entwicklung wesentlich schwerfälliger und beruht noch weitgehend auf einem traditionellen Rollenverständnis und der bei vielen Männern noch vorherrschenden Vorstellung, Frauen seien nicht in der Lage, eine grosse Unternehmung zu leiten. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf. Es gibt bereits politische Vorstösse im europäischen Raum, beispielsweise Frauenquoten für Verwaltungs- und Aufsichtsräte einzuführen. In diesem Abschnitt wird nicht weiter vertieft, ob und wie sich frauenspezifische Führung von männerspezifischer Führung unterscheidet. Es wird lediglich auf vertiefende Literatur hingewiesen 5. 5 Vertiefungsliteratur: SCHAUFLER, Birgit (2006): Frauen in Führung! Von Kompetenzen, die erkannt und genutzt werden wollen. Bern: Hans Huber. KUNZ O NEILL, Christine (2004): Frauen in der Führung: Mythen und Fakten. Aarau: Baldegger. 17

2.2.5 Zusammenfassung Führung gestaltete sich in den verschiedenen Zeitepochen unterschiedlich. Führung ist keine Konstante, sondern entwickelt und verändert sich aufgrund von Umständen, Ereignissen, Krisen, religiösen und weltanschaulichen Perspektiven. Doch ein Kennzeichen liegt Führung immer zu Grunde: Einfluss. Der theoretische Hintergrund zum Thema Führung wird nun in 2.3 näher beleuchtet. 2.3 Führungstheorien In diesem Abschnitt wird die Entwicklung der Führungstheorien dargestellt, wie sie im Laufe der letzten 100 Jahre verändert, ergänzt und erweitert wurden. Verschiedene Ansätze wurden bereits in der historischen Auseinandersetzung sichtbar, hier werden nun die verschiedenen Theorien akzentuiert und näher beschrieben. 2.3.1 Eigenschaftstheorien Erfolgreiche Führung wurde nach Bea (2001, S. 2) vor 100 Jahren vorwiegend in Zusammenhang mit bestimmten Eigenschaften gebracht. Die Führungsperson musste Eigenschaften eines Führers haben, um legitimiert zu sein. Es gab Untersuchungen, die zu belegen versuchten, dass es eine gewisse Kausalität zwischen Intelligenz, Schulleistung, Alter, Körpergrösse, Körpergewicht, sozialem Geschick und Beliebtheit gebe (vgl. Weibler, 2001, S. 138). Die Ergebnisse waren allerdings heterogen und so wurde in den 50er und 60er Jahren der Verhaltensaspekt einer Führungsperson stärker fokussiert (siehe 2.3.2). Die Eigenschaftstheorien sind allerdings bis heute nicht verschwunden. Die unbeeinflussbaren Faktoren wie Alter, Körpergrösse etc. spielen keine Rolle mehr, doch die beeinflussbaren und erlernbaren Merkmale sind bis heute in manchen Lehrbüchern und Studien 6 zu finden. Hartmut Laufer geht beispielsweise davon aus, dass Führen lernbar sei. Die Führungsperson brauche Eigenschaften, die sie zum Führen befähigen: Führungswille, Risikobereitschaft, Optimismus, Flexibilität, Kreativität, Offenheit und Kommunikationsfähigkeit. (Laufer, 2013, S. 27ff) Laufer bemerkt, dass nicht alle Eigenschaften erfüllt sein müssen, um erfolgreich führen zu können, fügt aber auch hinzu, dass die Eigenschaften erlernbar seien: 6 Mitte der 90er Jahren wurde die Globe-Studie in 62 Ländern mit erfolgreichen Führungskräften durchgeführt. Das Ziel war Führungsattribute wie Eigenschaften, Merkmale, Fähigkeiten, etc. herauszufiltern und daraus ableiten zu können, welche Eigenschaften eine erfolgreiche Führungsperson ausmacht. Siehe auch: HOUSE, Robert J. / HANGES, Paul J. / JAVIDAN, Mansour / DORFMAN, Peter W. / GUPTA, Vipin 2004: Culture, Leadership and Organizations. The GLOBE Study of 62 Societies. London, New Delhi: Sage Publications Globe. 18

Zum Führen bedarf es keiner Universalgenies, sondern normaler Menschen mit gerade den Eigenschaften und Fähigkeiten, die für die jeweilige Führungsrolle besonders wichtig sind. Viele der genannten Fähigkeiten lassen sich bis zu einem gewissen Grad erlernen. (ebd., S. 28). Wunderer (2013, S. 277) zieht ein kritisches Fazit zu den Eigenschaftstheorien, indem er meint, dass es leichter sei, Leistung und Wirkung einzelnen Personen zuzuschreiben, statt andere Einflussfaktoren mit zu berücksichtigen. Zum anderen würde sie gängige Denkmuster, Praktiken und Verfahren in Unternehmen untermauern, die in ihrer Auswahl von Führungskräften auf Eigenschaften setzen. Bis heute hätten diese in Assessments, Beurteilungsbögen und Persönlichkeitstests hohe Bedeutung. 2.3.2 Verhaltensorientierte Theorieansätze Die verhaltensorientierten Theorieansätze beschäftigten sich mit der Frage, wie sich das Verhalten von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Führungspersonen unterschied. Zwei Studien wurden in den 50er Jahren in den USA durchgeführt, indem Mitarbeitende über ihre Führungspersonen befragt wurden (Ohio-Studies von Fleishman 1953 und Michigan-Studies von Likert 1961). Anhand der Antworten wurde versucht, Verhaltensmerkmale zu isolieren und herauszuarbeiten, die erfolgreichen Führungspersonen zugeschrieben werden sollten. So konzentrierten sich die Ergebnisse beider Studien auf zwei wesentliche Faktoren: Faktor 1 ist die Ausrichtung des Verhaltens der Führungsperson auf das Kriterium der Erreichung des Arbeitsziels und die Betonung des technischen Aspekts der Arbeit. Faktor 2 beschreibt das Verhalten der Führungsperson, das sich auf Erwartungen, Gefühle, Bedürfnisse und persönliche Interessen der Mitarbeitenden ausrichtet. Diese Ergebnisse wurden in zahlreichen Führungstrainings mit Führungspersonen eingeübt und weiter verfeinert (vgl. www.daswirtschaftslexikon.com, (ohne Datum), Führung). In der Folge wurden verschiedene Abwandlungen und Fragebögen 7 entwickelt, die das Vorgesetzten-Verhalten zu beschreiben versuchten. Neuberger fasst die wichtigsten Gegensatzpaare zusammen, die einen Einfluss auf das Vorgesetzten-Mitarbeitenden- Verhältnis haben 8 : - freundlicher Mitmensch vs. Sachverwalter, - Allein-Macher vs. Mit-Macher, - Antreiber vs. Loslasser, 7 Beispiel: Leader Behavior Description Questionaire (LBDQ) von Hemphill & Coons (1957). 8 Die Zusammenfassung bezieht sich auf den Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung (FVVB) von Fittkau-Garthe & Fittkau (1971), sowie Allerbeck (1977), Nachreiner (1978), u.a. 19

- engagierter Ordner/Kontrolleur vs. distanzierter Monitor/Koordinator, - Chef vs. Partner, - Beschützer vs. Vermittler Wie bereits oben erwähnt sind Verhaltensaspekte bis heute wichtige Bestandteile von Führungsausbildungen. Führungsstile Innerhalb der verhaltensorientierten Führungsansätze haben die Führungsstile eine grosse Gewichtung. Eine Definition zum Führungsstilbegriff findet sich bei Wunderer (2011, S. 16), der Führungsstil als ein innerhalb von Bandbreiten und ähnlichen Führungskontexten konsistentes, typisiertes und wiederkehrendes Führungsverhalten bezeichnet. Tannenbaum und Schmidt untersuchten 1967 die Wirksamkeit und Unterschiedlichkeit verschiedener Führungsstile. Sie gingen davon aus, dass vor allem der Führungsstil die Qualität des Ergebnisses beeinflusse. Dahinter stand immer der Gedanke der Reproduzierbarkeit des Verhaltens und das Erlernen eines Führungsstils. (vgl. Steiger/ Lippmann, 2008, S.41f) Eine übersichtliche Darstellung zum Führungskontinuum nach Tannenbaum und Schmidt und die Erklärung der Begriffe, lässt sich bei Christian Reiss unter http:// www.personaler-online.de/typo3/fuehrung/fuehrungsstil.html finden: Autoritärer Führungsstil Partizipativer Führungsstil Entscheidungsspielraum des Vorgesetzten Entscheidungsspielraum des Mitarbeiters autoritär patriarchalisch beratend konsultativ partizipativ demokratisch Abb. 2: Kontinuum unterschiedlicher Führungsstile Bei diesem Modell gehe es um das Ausmass des Entscheidungsspielraums von Vorgesetzten und Mitarbeitenden, was gleichzeitig Hauptaugenmerk und Hauptkritikpunkt sei, denn es beschreibe nur eindimensional die Verhaltensdimension Grad der Mitentscheidung. Die einzelnen Kriterien definiert Reiss wie folgt: 20

Autoritär (autokratisch): Vorgesetzte entscheiden allein und ordnen an Patriarchalisch: Vorgesetzte entscheiden allein, versuchen aber die Mitarbeitenden von ihrer Entscheidung zu überzeugen Beratend: Vorgesetzte stellen Entscheidungen in Frage und lassen sich beraten, um zu überzeugen und entscheiden danach allein Konsultativ: Vorgesetzte informieren Mitarbeitende, bitten Mitarbeitende um Meinungsäusserungen, berücksichtigen die Meinungen, entscheiden allein Partizipativ: Gruppe entwickelt Lösungsvorschläge, Gruppe verständigt sich mit dem Vorgesetzten auf den Lösungsbereich. Vorgesetzte entscheiden sich für die von ihnen favorisierte Lösung Demokratisch: 1. Vorgesetzte erläutern der Gruppe den Entscheidungsspielraum, Gruppe entscheidet innerhalb dieses Entscheidungsspielraums, 2. Gruppe entscheidet nach freiem Ermessen, Vorgesetzte moderieren die Diskussion. (vgl. Reiss, (ohne Datum), http://www.personaler-online.de/typo3/fuehrung/ fuehrungsstil.html) Wunderer (2013, S. 17) stellt fest, dass im Zuge des Wertewandels der 70er Jahre eine immer stärkere Teamorientierung und abteilungsübergreifende Kooperationen und damit verbunden ein Bedeutungszuwachs von sozialkompetentem Verhalten festzustellen sei. So zeige sich die Notwendigkeit des kooperativen Führungsstils, der das partnerschaftliche Verhältnis zu den Mitarbeitenden in den Vordergrund stelle. Dadurch, dass im weiteren Verlauf die Organisationsformen dezentralisiert worden seien und die Mitarbeitenden zunehmend ihr Bedürfnis nach Selbständigkeit, Selbstverwirklichung und Selbstführung in den Vordergrund gestellt hätten, hätte der delegative Führungsstil an Bedeutung gewonnen. Hierunter versteht Wunderer, dass Werte und Ziele vorgegeben würden, deren Ausführung aber im Ermessensbereich der Mitarbeitenden liege. Die Herausforderung besteht für Wunderer darin, dass: die Mitarbeitenden hoch qualifiziert und motiviert sein müssten, sowie die Vorgesetzten planen und Ziele entwickeln können und die Fähigkeit zur Evaluation und strukturellen Führung haben müssten. Entscheiden ist für ihn die Fähigkeit, dass Vorgesetzte loslassen können müssten. 21

2.3.3 Situative Führungstheorien In den 60er und 70er Jahren wurden Führungssituationen stärker fokussiert. Ein Vertreter ist Fiedler mit seinem Kontingenzmodell. Er untersuchte die Aufgaben- und Beziehungsorientierung von Führungspersonen und führte eine Skalierung ein ( Least-preferred-co-worker LPC). Ein hoher LPC-Wert zeichnete eine starke beziehungsorientierte Person aus, die auch mit schwierigen Mitarbeitenden zurechtkomme, während ein niedriger LPC-Wert die Aufgabenorientierung der Führungskraft dokumentiere. (vgl. Fiedler 1979, S. 16, in ebd., Situative Führungstheorien) 9. Heute gelte dieses Modell allerdings als überholt (vgl. Bea, 2001, S. 3). Ein weiterer Bereich, der stärker in den Fokus rückte, waren die sich ständig verändernden Umweltbedingungen eines Unternehmens. Nach Bea (2001, S. 3) würden empirische Untersuchungen die These bestätigen, dass Planung und Organisation in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich effizient sein können. In diesem Zusammenhang werde deutlich, dass ein Unternehmen nur langfristig überleben könne, wenn es die unternehmensspezifischen Veränderungen der wirtschaftlichen, politischrechtlichen und gesellschaftlichen Unternehmensumwelt wahrnehme und diese beim Einsatz der Führungsinstrumente berücksichtigen würde. Der Unternehmensumweltansatz ist bis heute ein wichtiger Faktor, um die Unternehmung strategisch gut zu platzieren. Dieser Ansatz wurde beispielsweise in der Umweltanalyse modifiziert und weiter entwickelt. 10 In der Umweltanalyse gehe es darum zu beleuchten, was sich im Umfeld eines Unternehmens in den kommenden 5 10 Jahren bewegt, um daraus mögliche Entwicklungen und Trends abzuleiten (vgl. Sander/Bauer, 2011, S. 61ff). 2.3.4 Systemtheorie Die Systemtheorie entwickelte sich rasch als neuer Ansatz im Gegensatz zur reinen Verhaltenstheorie. Die Verhaltenstheorie geht von einem Reiz-Reaktions-Schema aus. Wird ein Reiz gesetzt, passiert etwas in der Folge und steuert das Verhalten. Die verhaltensorientierten Führungstheorien orientieren sich sehr stark an den Reiz-Reaktions-Schemata und untersuchten bzw. beschrieben vor allem Führungssituationen, in denen Mitarbeitende durch Verhalten der Führungsperson positiv oder negativ beeinflusst wurden. So wurden Fragen untersucht, ob beispielsweise eine Gehaltserhöhung (Reiz) die Arbeitsleistung (Reaktion) erhöht. Die Systemtheorie erweiterte die Verhaltenstheorie um mindestens ein wichtiges Element. Der von der Führungsperson gesetzte Reiz bewirkt eine Reaktion des Mitarbei- 9 FIEDLER, Fred (1979): Der Weg zum Führungserfolg. Stuttgart: Poeschel. 10 Siehe auch: BRESSER, Rudi K. F. (2010): Strategische Managementtheorie. Stuttgart: Kohlhammer. 22

tenden, diese Reaktion wirkt aber wieder als Reiz auf die Führungsperson, was wiederum deren Reaktion hervorruft. Dies entspricht dem von Norbert Wiener begründeten Begriff der Kybernetik, worunter in der Wissenschaft die Steuerung und Regelung von Maschinen und lebenden Organismen verstanden wird. Wichtige Bestandteile der Kybernetik sind nach Friedrich Dorsch, Hartmut Häcker und Kurt H. Stapf (1994, S. 421) die Informationstheorie und die Theorie des Regelkreises. Im Zentrum steht der Ausgleich von Ist-Wert und Soll-Wert. Ein klassisches Beispiel ist der Regelkreislauf einer Heizung. Wenn die Temperatur in einem Raum sinkt nimmt der Fühler des Heizsystems die zu niedrige Temperatur auf und setzt einen Impuls, sodass die Heizung anspringt und wärmt. Der Temperaturanstieg wird vom Fühler registriert, der wiederum einen Impuls setzt, sodass die Heizung abschaltet. Ein Kreislauf ist entstanden und bedingt sich gegenseitig. Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass Dinge und Menschen miteinander in Beziehung stehen. Niklas Luhmann, Soziologieprofessor und Gesellschaftsanalytiker, formulierte auf dem Hintergrund der Kybernetik die Systemtheorie. Unter System wird gemäss der griechischen Bedeutung syn zusammen und histein stellen, setzen eine zusammengesetzte Einheit verstanden (Simon, 2013, S. 16). Luhmann sieht als kleinste Einheit aller sozialen Systeme die Kommunikation. Er versteht die Kommunikation als Bindeglied zwischen mindestens zwei Akteuren. Für Luhmann gibt es somit Elemente, die etwas miteinander zu tun haben und in Beziehung stehen (Luhmann, 1984, S. 193ff). So haben beispielsweise Eltern mit Kindern etwas zu tun, ein See mit Enten, ein Motorrad mit Benzin. Diese Elemente stehen in Beziehung und bilden ein System. Die Systeme unterscheiden sich nur in ihrer Abgrenzung zur Umwelt. Jede Veränderung eines Elements im System hat hierbei eine Auswirkung auf das Ganze. Luhmann erklärt auch, dass Systeme mehr sind, als die Summe ihrer Einzelteile. Es reicht beispielsweise nicht, die Einzelteile eines Autos aufeinander zu legen. Es ist deshalb kein fahrendes Auto. Es ist vielmehr so, dass die Teile in Beziehung gesetzt werden müssen, erst dann funktioniert es und es passiert etwas Neues. Systemtheoretiker glauben, dass sich viele verschiedene Phänomene auf diese Weise beschreiben lassen, sei es in Unternehmen, Familien, im Flugverkehr oder im Körper von Lebewesen. Geringe Eingriffe in ein Element des Systems würden Veränderung des gesamten Systems bewirken. Humberto Maturana prägte den Begriff der autopoietischen Systeme. Maturana geht davon aus, dass lebende Systeme sich selbst referenzieren und selbst organisieren 11. Nach Fritz B. Simon sind autopoietische Systeme [ ] definiert als selbstbezüglich [ ] operierende Systeme, die sich aufgrund des Netzwerkes ihrer internen Prozesse als 11 MATURANA, Humberto (1978): Repräsentation und Kommunikation. In: ders. (1982): Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Braunschweig: Vieweg. S. 272-296 23

zusammengesetzte Einheiten konstituieren und gegen ihre Umwelten abgrenzen (Simon, 2013, S. 24). So kann der einzelne Mensch, aber auch die Organisation als sich selbst referenzierendes System betrachtet werden. Luhmann (1984, S. 193ff) definiert als kleinste Einheit aller sozialen Systeme die Kommunikation. Wie bereits oben erwähnt sei sie das Bindeglied zwischen den sozialen Systemen. Somit konstruiert er eine Einheit ( Kommunikation ), deren Grenzen anders definiert sind, als die der Handlung. Eine Handlung könne einem einzelnen Menschen zugeschrieben werden, bei Kommunikation brauche es mindestens zwei oder mehr Akteure (vgl. Simon, 2013, S. 19). Entscheidend für interaktionale Kommunikation sei die Sinnzuschreibung oder die Interpretation dessen, was das Gegenüber von sich gebe und aufgrund dieser Sinnzuschreibung finde die Reaktion statt. Das Gegenüber versuche dann wiederum dieser Reaktion eine Sinnzuschreibung zu geben. Auf dieser Grundlage baut die systemische Organisationstheorie auf. Somit ist aus der systemischen Perspektive die Kommunikationsfähigkeit und Sozialkompetenz der Führungsperson entscheidend. Die Systemtheorie ist eine der angesehensten Grundlagentheorien in Bezug auf Organisationsentwicklung der Gegenwart. Hannes Piber beschreibt das Systemdenken als ganzheitliches Denken, das die Grundlage für Organisationen sei. Verstehen wir Organisationen als offene und dynamische Systeme, so bedeutet dies, - es gibt Teile oder Elemente, - die miteinander in Beziehung stehen, sich wechselseitig beeinflussen und - insgesamt eine Ganzheit darstellen und somit Grenzen bilden, - sie sind im kontinuierlichen Austausch mit der Umwelt (daher offen) und verändern sich laufend, sind also dynamisch (Glasl et al., 2008, S. 53). Führungspersonen und Mitarbeitende leben in einem System der Organisation. Sie stehen in Beziehung und schon kleine Veränderungen innerhalb des Systems haben eine Auswirkung auf das Gesamtunternehmen. So kann beispielsweise ein Konflikt zwischen Führung und Mitarbeitenden eine grosse Auswirkung auf die anderen Mitarbeitenden, Kunden und Kundinnen oder Produkte haben, oder Lob durch die Führungsperson positive Energie innerhalb des Mitarbeitenden-Systems bewirken (siehe auch Kapitel 5 dieser Arbeit). 24