Arbeitnehmerdatenschutz Arbeitsrechtliche Aspekte Rechtsanwalt Dr. Oliver Grimm Fachanwalt für Arbeitsrecht München 26. November 2009 Überblick Was gilt aktuell für den Umgang mit Mitarbeiterdaten? Wann ist der Betriebsrat zu beteiligen? Beispiele: Videoüberwachung und sog. Screening Was gilt für die Nutzung von Telefon, Internet und E-Mail durch Mitarbeiter am Arbeitsplatz? Was sind die Rechtsfolgen von Verletzungen der Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz? 2 1
I. Beschäftigtenbegriff im BDSG Begriff des Beschäftigten : 3 Abs. 11 BDSG Nr. 1: Arbeitnehmer(in): persönliche Abhängigkeit Nr. 6: Arbeitnehmerähnliche Person Wesensmerkmal: wirtschaftliche Abhängigkeit Beispiele: freie Mitarbeiter, Handelsvertreter, Heimarbeiter Anwendung des Arbeitsrechts nur als Ausnahme 3 II. Grundsätze Was gilt nach 32 BDSG (neu)? Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten ist im Beschäftigungsverhältnis zulässig wenn für die Entscheidung über die Begründung oder für die Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich. soweit durch Tatsachen begründeter Verdacht auf Straftat im Beschäftigungsverhältnis besteht und Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Gilt auch für nicht automatisierte Erhebung und Verwendung von Daten. Beteiligungsrechte des BR / Personalrats bleiben unberührt. 4 2
II. Grundsätze Datenschutz und Beteiligung des Betriebsrates Arbeitnehmerüberwachung durch technische Einrichtungen ( 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) Technische Einrichtungen Film- und Videoanlagen automatische Zeiterfassungs- und Zugangssysteme Personalabrechnungs- und Personalinformationssysteme Datenverarbeitung zur Verhaltens- und Leistungskontrolle Verhaltens- oder leistungserhebliche Daten Einführung (inkl. Erprobung) / Änderung 5 II. Grundsätze Datenschutz und Beteiligung des Betriebsrates Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb ( 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) Betriebliches Zusammenleben und wirken der AN Nur Ordnungsverhalten mitbestimmungspflichtig Arbeitsverhalten und private Lebensführung nicht umfasst Mitbestimmung auch bei Überwachungsmaßnahmen Mitbestimmungspflichtige Regelungen Einführung von Zugangskontrollen / Werksausweisen Regelungen zur privaten Nutzung des Internets / Telefons Einführung von Compliance-Systemen 6 3
II. Grundsätze Datenschutz und Beteiligung des Betriebsrates Inhalt und Durchführung der Mitbestimmung Unterrichtung bereits im Planungsstadium Betriebsvereinbarung / Regelungsabrede Rechtsfolge der Einführung ohne Zustimmung Beseitigungs- / Unterlassungsansprüche des BR Leistungsverweigerungsrecht des Mitarbeiters Beweisverwertungsverbot bei gerichtlicher Auseinandersetzung (umstritten) 7 III. Beispiele: Videoüberwachung Videoüberwachung am Arbeitsplatz Mitbestimmungsrecht nach 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG Öffentlich zugängliche Räume ( 6b BDSG) Wahrnehmung Hausrecht / berechtigte Interessen Keine überwiegenden Arbeitnehmerinteressen Keine verdeckte Videoüberwachung Nicht öffentlich zugängliche Räume Zulässig bei überwiegenden Arbeitgeberinteressen Verdeckte Überwachung als ultima ratio bei konkretem Verdacht einer strafbaren Handlung zu Lasten des Arbeitgebers 8 4
III. Beispiele: Screening Systematischer Abgleich von Mitarbeiterdaten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer ( 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) Technische Einrichtungen zur Überwachung ( 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit konkreter Verdacht einer Straftat / schweren Verfehlung Maßnahme als einzig geeignetes Mittel zur Aufklärung Benachrichtigung des AN nach dem Screening ( 33 Abs. 1 BDSG) 9 IV. Kommunikationseinrichtungen Ein zentrales Thema des Arbeitnehmerdatenschutzes Arbeitsmittel Telefon, E-Mail und Internet Privatnutzung bedarf der Erlaubnis Nutzungserlaubnis: Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers Arbeitsvertrag Betriebvereinbarung Gesamtzusage (Aushang / E-Mail) Sog. betriebliche Übung 10 5
IV. Kommunikationseinrichtungen Kontrollmöglichkeiten Verbot der Privatnutzung Erlaubte Privatnutzung Anwendbarkeit BDSG Anwendbarkeit TKG / TMG Grundsätzlich Kontrollbefugnis ( 32 I BDSG) Grundsätzlich Kontrollverbot ( 88 III S.1-3 TKG) Einschränkung durch Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 11 IV. Kommunikationseinrichtungen Verhältnismäßigkeit der Kontrolle Abwägung Verbot der Privatnutzung Privatnutzung ist arbeitsvertragliche Pflichtverletzung Geringeres Schutzniveau Auch Erhebung des Inhalts privater E-Mails Stichproben Erlaubte Privatnutzung Kontroll- / Erhebungsverbot Ausnahme: konkreter Missbrauchsverdacht 12 6
V. Datenverwertung Verhaltensbedingte Kündigung des Mitarbeiters auf Basis der gewonnenen Daten Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch Arbeitnehmer (z.b. private Internetnutzung trotz Verbots) Beweisverteilung im Kündigungsschutzprozess Arbeitgeber: private Nutzung trotz Verbot Mitarbeiter: Erlaubnis der Privatnutzung Problem: mögliche Beweisverwertungsverbote 13 VI. Konsequenzen eines Verstoßes Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz Beweisverwertungsverbot Können rechtswidrig erlangte Daten bei Gericht verwertet werden? Überwiegende Rechtsprechung: Verwertung als Beweismittel zulässig, soweit keine unverhältnismäßige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Zumeist: Abwägung der kollidierenden Interessen 14 7
VI. Konsequenzen eines Verstoßes Strafrechtliche Risiken Ordnungswidrigkeit 43 BDSG bei vorsätzlichen oder fahrlässigen BDSG-Verstößen (Bußgeld) Strafbarkeit gem. 44 BDSG und 201 ff. StGB Zivilrechtliche Risiken Unterlassungs-, Löschungs- und Schadenersatzansprüche 15 Fazit Datenschutz spielt im Arbeitsverhältnis eine immer größere Rolle Arbeitnehmerüberwachung durch technische Einrichtungen erfordert regelmäßig den Einbezug des BR (wenn vorhanden) AG sollte (von Beginn an!) ausdrückliche und klare Nutzungsregelungen für Kommunikationseinrichtungen aufstellen (z.b. in AV oder BV) Bezüglich Kontrollbefugnissen ist stets der Einzelfall zu betrachten 16 8
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Oliver Grimm Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Taylor Wessing Türkenstraße 16 80333 München T 089/ 210 38 275 F 089/ 210 38 300 o.grimm@taylorwessing.com 9