Grundinformationen und Daten zur Sozialhilfe (Sozialgesetzbuch XII)

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Transkript:

Grundinformationen und Daten zur Sozialhilfe (Sozialgesetzbuch XII) Stand: Dezember 2009 Bearbeitung durch Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.v., Köln im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Köln, im Januar 2010

1. Einführung Grundinformationen und Daten zur Sozialhilfe Grundinformationen und Daten zur Sozialhilfe Im Januar 2005 trat das neue Sozialhilferecht als Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Kraft und löste das seit 1962 geltende Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ab. Gleichzeitig wurde mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) die Mindestsicherung für erwerbsfähige Personen und deren Angehörige neu geregelt. Die folgende Darstellung führt kurz in die einzelnen Leistungsbereiche der Sozialhilfe ein und zeigt die Leistungsentwicklung anhand statistischer Daten zu den Ausgaben und Leistungsempfängern im jeweiligen Bereich auf. Die dargestellten Zeitreihen beginnen mit dem Jahr 1995, da im Vorjahr 1994 eine umfangreiche Reform der Sozialhilfestatistik erfolgt war, die im Jahr der Umstellung zu Schwierigkeiten der statistischen Erfassung geführt hatte. 2. Ziele und Grundsätze der Sozialhilfe Die vorrangige Aufgabe der Sozialhilfe besteht darin, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht ( 1 Satz 1 SGB XII). Das Sozialhilferecht realisiert damit für seinen Bereich die in Artikel 1 des Grundgesetzes niedergelegte Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Schutz der Menschenwürde. Zugleich ist es Ausdruck des in Artikel 20 des Grundgesetzes verankerten Sozialstaatsprinzips. Im Falle unzureichenden Einkommens und Vermögens deckt die Sozialhilfe den soziokulturellen Mindestbedarf, um eine Lebensführung auf gesellschaftlich akzeptablem Niveau zu ermöglichen. Andere Belastungen durch Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Krankheit oder besondere soziale Schwierigkeiten versucht die Sozialhilfe auszugleichen, indem sie soweit nicht andere Teile des sozialen Sicherungssystems zuständig sind - die erforderlichen Unterstützungsleistungen bereitstellt mit dem Ziel, dass die betroffenen Personen möglichst unbeeinträchtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Für die Sozialhilfe sind einige Grundgedanken von zentraler Bedeutung; dazu gehören der Nachrang der Sozialhilfe gegenüber vorgelagerten Sicherungssystemen, die individuelle Abstimmung auf den Bedarf im Einzelfall und der Vorrang ambulanter vor stationärer Leistungserbringung. Nachrangig bedeutet, dass die Sozialhilfe als das unterste Netz im gegliederten System der sozialen Sicherung nur dann eingreift, wenn die Hilfesuchenden nicht in der Lage sind, sich aus eigener Kraft zu helfen oder die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen zu erhalten. Vorrang hat daher stets die Fähigkeit zur Selbsthilfe durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft, des eigenen Einkommens und Vermögens sowie die Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegenüber anderen, seien es Sozialleistungsträger oder unterhaltsverpflichtete Angehörige ( 2 SGB XII). Der Grundgedanke der Individualisierung bringt zum Ausdruck, dass sich die Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts zu richten haben ( 9 Abs. 1 SGB XII). Dabei soll Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten,... entsprochen werden, soweit sie angemessen sind ( 9 Abs. 2 SGB XII). Sofern die Alternative besteht, die Leistung entweder im Privathaushalt oder in einer Einrichtung zu erbringen, gilt darüber hinaus der Vorrang ambulanter Leistungen. Eine stationäre Leistung setzt eine Prüfung von Be- 1

darf, möglichen Alternativen, Zumutbarkeit und Kosten voraus ( 13 SGB XII). Die Leistungen der Sozialhilfe werden nach zwei einleitenden Kapiteln in sieben Kapitel für unterschiedliche Lebenslagen unterteilt: 1. Kapitel: Allgemeine Vorschriften 2. Kapitel: Leistungen der Sozialhilfe 3. Kapitel: Hilfe zum Lebensunterhalt 4. Kapitel: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 5. Kapitel: Hilfen zur Gesundheit 6. Kapitel: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen 7. Kapitel: Hilfe zur Pflege 8. Kapitel: Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten 9. Kapitel: Hilfe in anderen Lebenslagen Die Kapitel zehn bis sechzehn des SGB XII enthalten im Wesentlichen Regelungen zur Erbringung der Leistungen, darunter z.b. die Bestimmungen zur Einkommensanrechnung. Anrechnungsfrei bleiben nach 82 SGB XII: auf das Einkommen zu entrichtende Steuern und Sozialversicherungsabgaben angemessene Beiträge zu Versicherungen und Altersvorsorge die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben das Arbeitsförderungsgeld nach 43 Satz 4 SGB IX 30% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit, höchstens 50% des Eckregelsatzes für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen: 1/8 des Eckregelsatzes plus 25% des übersteigenden Entgelts. Bei Leistungen nach dem fünften bis neunten Kapitel gilt eine Einkommensgrenze in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes zuzüglich 70% des Eckregelsatzes für weitere Familienmitglieder sowie der Unterkunftskosten. 3. Kapitel SGB XII: Hilfe zum Lebensunterhalt Einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben nach 19 SGB XII Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Leistungsberechtigt sind in Privathaushalten oder in Einrichtungen lebende Personen, die weder Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende (nach dem SGB II) noch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII haben. Die Hilfe zum Lebensunterhalt umfasst Regelsätze für den laufenden Lebensunterhalt, Kosten der Unterkunft und Heizung, in besonderen Fällen auch Mehrbedarfszuschläge und einmalige Leistungen (für Erstausstattung des Haushalts, Erstausstattung für Bekleidung und mehrtägige Klassenfahrten). Was die Regelsätze im Einzelnen abdecken, wird in der Regelsatz-Verordnung festgelegt. Bei der Bemessung der Regelsätze sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen: Grundlage sind die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen. Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die Bemessung wird überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse einer neuen Einkommensund Verbrauchsstichprobe vorliegen ( 28 Abs. 3 SGB XII). Zwischenzeitlich werden die Regelsätze jeweils zum 1. Juli eines Jahres um den Prozentsatz erhöht, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert ( 4 RegelsatzVO). Für Haushaltsangehörige gelten abgeleitete Regelsätze, die in prozentualer Relation zum Eckregelsatz festgelegt werden. Mit Einführung des SGB XII wurden zwei abgeleitete Regelsätze in Höhe von 60% für Kinder unter 14 Jahren bzw. 80% für Haushaltsmitglieder 2

ab 14 Jahren festgelegt. Seit Juli 2009 wird der Bedarf Heranwachsender höher angesetzt, nun erhalten Kinder unter 6 Jahren 60%, Kinder zwischen 6 und 13 Jahren 70% und Haushaltsmitglieder ab 14 Jahren 80% des Eckregelsatzes. Seit 2005 galten folgende Regelsätze: Entwicklung der Regelsätze nach 28 SGB XII (EUR pro Monat) Eckregelsatz Haushaltsangehörige Zeitraum Haushaltsvorstand unter 6 J. 6-13 Jahre ab 14 Jahren bzw. Alleinlebende % des Eckregelsatzes 60% 80% Jan. 2005 - Dez. 2006 Früheres Bundesgebiet 345 207 276 Neue Länder 331 199 265 Durchschnitt Deutschland 340 204 272 Jan. 2007 - Juni 2007 345 207 276 Juli 2007 - Juni 2008 347 208 278 Juli 2008 - Juni 2009 351 211 281 60% 70% 80% Juli 2009 - Juni 2010 359 215 251 287 Von der Einführung des SGB XII Anfang 2005 bis zum Jahresende 2009 sind die Regelsätze durchschnittlich um 5,6% gestiegen, dies entspricht einer Steigerung von rd. 1% pro Jahr. Berücksichtigt man, dass in den Jahren 2005 und 2006 unterschiedliche Regelsätze in West- und Ostdeutschland galten, beträgt die Steigerung bis zum Jahr 2009 im Früheren Bundesgebiet einschließlich Berlin 4,1% (von 345 EUR auf 359 EUR) und in den neuen Ländern 8,5% (von 331 EUR auf 359 EUR). Für einige Gruppen von Leistungsbeziehern wird auf Grund ihrer besonderen Lebensumstände nach 30 SGB XII ein Mehrbedarf anerkannt, der durch einen pauschalen Zuschlag zum Regelsatz abgegolten wird, sofern nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht: Dieser Mehrbedarf beträgt 17% des maßgebenden Regelsatzes für Personen, die mindestens 65 Jahre alt oder voll erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind und als gehbehindert anerkannt sind (d.h. einen Ausweis nach 69 Abs. 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G besitzen). Werdende Mütter erhalten nach der 12. Schwangerschaftswoche ebenfalls einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % des maßgebenden Regelsatzes. Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren haben einen Mehrbedarf in Höhe von 36% des Eckregelsatzes; wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, liegt der Mehrbedarf Alleinerziehender bei 12% pro Kind bis zu maximal 60% des Regelsatzes. Behinderte Menschen ab 15 Jahren, die Eingliederungshilfe zur Schul-, Aus- oder Fortbildung erhalten, haben einen Mehrbedarf von 35% des maßgebenden Regelsatzes. Ein Mehrbedarf wird maximal in Höhe des maßgebenden Regelsatzes anerkannt. Neben den nach Regelsätzen bemessenen Leistungen und eventuellen Mehrbedarfszuschlägen umfasst die Hilfe zum Lebensunter- 3

halt als weitere Komponente die Kosten der Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Miete, Nebenkosten und Heizung übernommen werden, soweit sie angemessen sind ( 29 SGB XII). Berechnet man für einzelne Haushaltstypen den Regelbedarf zuzüglich der durchschnittlichen Leistungen für Unterkunft und Heizung, so ergeben sich Durchschnittsbedarfe zwischen 702 EUR pro Monat eines Alleinlebenden und 2.048 EUR eines Ehepaars mit drei Kindern. Die Bedarfssummen für unterschiedliche Haushaltstypen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Durchschnittlicher Bedarf im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) Deutschland (Stand: 1. Juli 2009) Typ der Regel- Mehr- Kalt- Heiz- Summe Bedarfsgemeinschaft sätze bedarf miete 1 kosten 2 / Monat Alleinlebende/r 359 / 280 63 702 Ehepaar ohne Kind 646 / 366 86 1.098 Ehepaar mit Kindern 3 einem Kind 893 / 430 95 1.418 zwei Kindern 1.140 / 488 98 1.726 drei Kindern 1.387 / 546 115 2.048 Alleinerziehende/r mit einem Kind unter 6 Jahren 574 129 366 86 1.155 zwei Kindern, 7 u. 14 Jahre 897 129 430 95 1.551 1 Durchschnittliche Mieten von Sozialhilfeempfänger-Haushalten nach der Wohngeldstatistik (Empfänger von besonderem Mietzuschuss), fortgeschrieben mit Preisindex für Wohnungsmieten 2 Durchschnittliche Heizkosten nach EVS, fortgeschrieben mit Preisindex für Strom, Gas und andere Brennstoffe; gekürzt um 25% wg. des im Regelsatz enthaltenen Anteils für Haushaltsenergie 3 Durchschnittlicher Kinderregelsatz bei gleichmäßiger Altersverteilung Der nach Einsatz des Einkommens verbleibende Bedarf an laufender Hilfe zum Lebensunterhalt wird vereinfacht wie folgt berechnet: Eckregelsatz für den Haushaltsvorstand oder Alleinlebende + Regelsätze für etwaige sonstige Haushaltsangehörige + etwaige Mehrbedarfszuschläge + Miete und Nebenkosten + Heizkosten = Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt abzüglich anzurechnendes Einkommen = zu leistende Hilfe zum Lebensunterhalt Das anzurechnende Einkommen wird folgendermaßen berechnet: Summe des Bruttoeinkommens Steuern und Sozialabgaben etwaige sonstige Versicherungsbeiträge staatlich geförderte Eigenbeiträge zur zusätzlichen privaten Altersvorsorge mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben Absetzbetrag für Erwerbstätige in Höhe von 30% des Einkommens, maximal 50% des Regelsatzes = anzurechnendes Einkommen 4

Die Gewährung der öffentlichen Hilfe setzt ferner wegen der Nachrangigkeit der Sozialhilfe voraus, dass das gesamte verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden einzusetzen ist. Eine Reihe von Vermögensgegenständen ist davon allerdings ausgenommen (vgl. 90 SGB XII). Die Bruttoausgaben der Hilfe zum Lebensunterhalt lagen Mitte der 1990er Jahre bei rd. 9 Mrd. EUR und stiegen bis zum Jahr 2004 auf 10 Mrd. EUR an. Abzüglich der Einnahmen (z.b. durch Kostenbeiträge, übergeleitete Unterhaltsansprüche oder Erstattungen vorrangig zuständiger Sozialleistungsträger) lagen die reinen Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt 1995 bei 7,3 Mrd. EUR und 2004 bei 8,8 Mrd. EUR. Nach der Sozialhilfereform lagen die Bruttoausgaben etwas über 1 Mrd. EUR und die reinen Ausgaben etwas darunter. Ausgaben der Hilfe zum Lebensunterhalt 1995-2008 (in Mrd. EUR) 12,0 10,0 8,0 8,7 7,3 9,9 8,4 10,3 9,0 10,5 9,3 10,0 8,9 9,8 8,7 9,7 8,5 9,8 8,8 9,8 8,8 10,0 8,8 Bruttoausgaben Reine Ausgaben 6,0 4,0 2,0 1,2 0,6 1,1 0,7 1,1 0,8 1,1 0,9 0,0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 ISG 2009 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik Die Zahl der Leistungsbezieher der Sozialhilfe ist von 2,56 Mio. Personen im Jahr 1995 auf 2,93 Mio. Personen in 2004 gestiegen, der Anteil der Leistungsbezieher an der Bevölkerung ist in diesem Zeitraum von 3,1% auf 3,5% gestiegen. Überwiegend bezogen Personen in Privathaushalten diese Unterstützung. Die Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen bezogen z.b. anerkannte Asylbewerber. Nach Einführung der Sozialgesetzbücher SGB II und SGB XII ging im Jahr 2005 die Zahl der Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt auf rd. 300.000 zurück, der Bevölkerungsanteil liegt seither bei rd. 0,4%. In Privathaushalten bezieht nun nur noch ein kleiner Personenkreis diese Leistung, am Jahresende 2008 waren es 92.320 Personen. Dagegen stieg die Zahl der Leistungsbezieher in Einrichtungen ab 2005 sprunghaft an, weil im Zuge der Sozialhilfereform die Leistungen für Unterkunft und Verpflegung, die zuvor Bestandteil der in Einrichtungen gewährten Hilfen in besonderen Lebenslagen gewesen waren, als Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen gesondert verbucht werden. Am Jahresende 2008 bezogen 232.641 Personen Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen. 5

Hilfe zum Lebensunterhalt Leistungsempfänger 1995-2008 außerhalb von in Ein- Jahr Insgesamt Quote Einrichtungen richtungen 1995 2.555.453 3,1% 2.515.693 39.760 1996 2.717.395 3,3% 2.688.805 28.590 1997 2.918.753 3,6% 2.893.178 25.575 1998 2.903.280 3,5% 2.879.322 23.958 1999 2.811.809 3,4% 2.792.479 19.330 2000 2.693.527 3,3% 2.677.119 16.408 2001 2.715.394 3,3% 2.698.862 16.532 2002 2.775.817 3,4% 2.757.212 18.605 2003 2.827.822 3,4% 2.811.203 16.619 2004 2.926.057 3,5% 2.910.226 15.831 Einführung des SGB XII 2005 302.845 0,4% 80.845 222.000 2006 303.869 0,4% 80.312 223.557 2007 312.477 0,4% 88.459 224.018 2008 324.961 0,4% 92.320 232.641 4. Kapitel SGB XII: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurde im Jahr 2003 eingeführt und ab 2005 als viertes Kapitel in das SGB XII eingegliedert. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung orientieren sich an der Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsberechtigt sind Personen ab 65 Jahren sowie dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen ab 18 Jahren mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, wenn sie bedürftig sind. Anders als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt wird hier gegenüber Unterhaltsverpflichteten mit einem Jahreseinkommen unter 100.000 EUR kein Rückgriff vorgenommen, außerdem haften die Erben nicht für Leistungen der Grundsicherung. Darüber hinaus wird nicht vermutet, dass Berechtigte, die mit Verwandten oder Verschwägerten in Haushaltsgemeinschaft leben, von diesen auch Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten. Tatsächliche Leistungen werden wie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet. Bei Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wurden die Ausgaben noch zum Teil unter der Hilfe zum Lebensunterhalt verbucht. Erst in den Folgejahren ergibt sich ein realistisches Bild, seither sind die Bruttoausgaben von 2,9 Mrd. EUR (2005) auf 3,8 Mrd. EUR (2008) gestiegen, dies sind 17% der gesamten Sozialhilfeausgaben. Die Differenz zwischen Bruttoausgaben und reinen Ausgaben ist hier sehr gering, da Renteneinkünfte in einem standardisierten Verfahren überprüft und angerechnet werden. Auch durch Unterhaltsrückgriffe fallen kaum Einnahmen an, da sie bei dieser Leistungsart auf hohe Einkommen beschränkt sind. 6

Ausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 2003-2008 (in Mrd. EUR) 5,0 4,0 3,0 Bruttoausgaben Reine Ausgaben 2,9 2,8 3,2 3,1 3,6 3,5 3,8 3,7 2,0 1,5 1,4 2,2 2,1 1,0 0,0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 ISG 2009 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik Die Zahl der Empfänger dieser Leistungen ist lässt man das erste Jahr wegen statistischer Umstellungsprobleme außer Betracht von rd. 526.000 im Jahr 2004 auf rd. 768.000 im Jahr 2008 gestiegen, dies entspricht einem Zuwachs von 46%. Die Bezieherquote dieser Leistung ist im gleichen Zeitraum von 0,6% auf 0,9% der Bevölkerung gestiegen. Diese Entwicklung ist vor allem auf den demografisch bedingten Anstieg der Zahl älterer Menschen zurückzuführen. 47% der Bezieher dieser Leistung sind im Alter von 18 bis 64 Jahren und beziehen die Grundsicherung wegen voller Erwerbsminderung, während 53% der Leistungsbezieher die Grundsicherung im Alter beziehen. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Leistungsempfänger 2003-2008 außerhalb von in Ein- Jahr Insgesamt Quote Einrichtungen richtungen 2003 438.831 0,5% 326.422 112.409 2004 526.034 0,6% 382.274 143.760 2005 630.295 0,8% 462.459 167.837 2006 681.991 0,8% 507.691 174.300 2007 732.602 0,9% 548.036 184.566 2008 767.682 0,9% 581.257 186.425 7

5. Kapitel SGB XII: Hilfen zur Gesundheit Die Hilfen zur Gesundheit umfassen vorbeugende Gesundheitshilfe sowie Hilfen bei Krankheit, zur Familienplanung, bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie bei Sterilisation ( 47 51 SGB XII). Seit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (mit Wirkung vom 1. Januar 2004) werden grundsätzlich alle nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfänger leistungsrechtlich den gesetzlich Krankenversicherten gleichgestellt und seither wie Kassenpatienten behandelt. Seit Januar 2005 sind Leistungsbezieher in der Regel krankenversichert, die Leistungsträger übernehmen die Versicherungsbeiträge ( 32 SGB XII bzw. 26 SGB II). Die Bruttoausgaben im Bereich der Hilfen zur Gesundheit lagen Mitte der 1990er Jahre bei 1 Mrd. EUR und sind bis zum Jahr 2003 auf 1,5 Mrd. EUR angestiegen. Die Differenz zwischen Bruttoausgaben und reinen Ausgaben ist in diesem Bereich sehr gering. Mit der Sozialhilfereform 2005 wurde der Zuschnitt der Leistungen leicht geändert. Die Ausgaben sind in 2008 unter 1 Mrd. EUR gesunken. 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 1,0 1,0 1995 Ausgaben für Hilfen zur Gesundheit * Bruttoausgaben Reine Ausgaben 1995-2008 (in Mrd. EUR) 1,1 1,1 1,1 1,1 1,2 1,2 1,2 1,2 1,2 1,2 1,3 1,3 1,4 1,4 1996 1997 1998 1999 2000 2001 1,5 1,5 1,4 1,4 1,1 1,1 1,0 0,9 1,0 0,9 0,9 0,9 *einschl. Erstattungen an Krankenkassen für die Übernahme der Krankenbehandlung; vor 2005 andere Leistungsabgrenzung ISG 2009 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Leistungen der Hilfe zur Gesundheit bezogen im Jahr 1995 rd. 234.000 Personen, deren Zahl stieg bis 2003 um 73% auf über 400.000 an. Die Bezugsquote dieser Leistungsart stieg im gleichen Zeitraum von 0,3% auf 0,5% der Bevölkerung an. Überwiegend bezogen Personen in Privathaushalten diese Unterstützung. Für die Jahre 2004 und 2005 liegen aus erhebungstechnischen Gründen keine statistischen Daten vor. Nach 2005 macht sich auch hier die Sozialhilfereform dahingehend bemerkbar, dass die meisten der früheren Leistungsbezieher seither in die Zuständigkeit des SGB II gewechselt sind. Am Jahresende 2008 bezogen noch rd. 17.000 Personen diese Leistungen, dies sind 0,02% der Bevölkerung. 8

Hilfen zur Gesundheit einschl. Erstattungen an Krankenkassen Leistungsempfänger 1995-2008 außerhalb von in Ein- Jahr Insgesamt Quote Einrichtungen richtungen 1995 234.055 0,3% 214.255 21.054 1996 280.871 0,3% 267.164 17.528 1997 338.661 0,4% 320.121 23.526 1998 304.110 0,4% 289.394 22.690 1999 324.382 0,4% 309.790 20.439 2000 362.122 0,4% 334.894 33.565 2001 348.142 0,4% 335.197 19.618 2002 380.153 0,5% 367.269 20.356 2003 404.833 0,5% 392.271 19.047 2004 k.a. k.a. k.a. k.a. Einführung des SGB XII 2005 k.a. k.a. k.a. k.a. 2006 35.302 0,04% 30.109 5.202 2007 25.348 0,03% 16.840 8.514 2008 17.255 0,02% 12.946 4.310 Das trotz deutlich geringerer Fallzahl nur wenig abgesunkene Ausgabenniveau lässt erkennen, dass diese Hilfeart in vielen Fällen mit sehr geringen Ausgaben verbunden war (z.b. für Verhütungsmittel), während in vergleichsweise wenigen Fällen hohe Ausgaben anfallen (z.b. für Aids-Kranke oder in Suchtkliniken). 6. Kapitel SGB XII: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen dient dazu, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen ( 53 Abs. 3 SGB XII). Anspruchsberechtigt sind alle Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert oder von einer Behinderung bedroht sind. Die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen orientieren sich an den im SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen genannten Leistungen und umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben (einschließlich der Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen) sowie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Darüber hinaus sind sie insbesondere auf eine Unterstützung der Schulbildung sowie der schulischen und beruflichen Ausbildung gerichtet ( 54 Abs. 1 SGB XII). Leistungen der Eingliederungshilfe können auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets ( 57 SGB XII) erbracht werden, womit die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten gestärkt werden soll. Behinderte Menschen haben Anspruch auf Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen, wenn sie wegen Art und Schwere der Behinderung (noch) nicht auf 9

dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können ( 136 Abs. 1 SGB IX). Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation, die dem genannten Personenkreis eine angemessene berufliche Bildung und der Art und Schwere der Behinderung angemessene Beschäftigung bietet. Die Kosten dieser Einrichtung werden während des Eingangsverfahrens und im Berufsausbildungsbereich von den dafür zuständigen Rehabilitationsträgern (in der Regel der Bundesagentur für Arbeit) und im Arbeitsbereich von den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe übernommen. Bei der Gewährung von Eingliederungshilfe für volljährige behinderte Menschen ist in der Regel nur das Einkommen und Vermögen des behinderten Menschen selbst, nicht das seiner Eltern zu berücksichtigen. 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 5,8 5,3 Ausgaben der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen 1995-2008 (in Mrd. EUR) 7,1 6,4 7,5 6,9 8,0 7,2 8,5 7,8 9,1 8,3 9,8 8,8 10,2 9,1 10,9 9,6 11,5 9,9 11,3 10,1 11,8 10,5 11,9 10,6 12,5 11,2 Bruttoausgaben Reine Ausgaben 4,0 2,0 0,0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 ISG 2009 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen bildete im Jahr 2008 mit 12,5 Mrd. EUR brutto (57% der Gesamtausgaben) den größten Ausgabenblock der Sozialhilfe. Die Ausgaben in diesem Bereich sind kontinuierlich gestiegen und haben sich seit 1995 mehr als verdoppelt. Die Zahl der Bezieher dieser Leistungen ist von rd. 323.000 im Jahr 1995 um 70% auf rd. 565.000 im Jahr 2008 gestiegen (von 0,4% auf 0,7% der Bevölkerung). Diese Entwicklung ist zum Teil demografisch bedingt. 31% der Bezieher der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen beziehen diese Hilfe in ambulanter Form, während 69% diese Hilfe in teilstationärer oder vollstationärer Form erhalten. Der größte Teil dieses Personenkreises arbeitet in Werkstätten für behinderte Menschen. Etwa 40% der in stationärer Form geleisteten Hilfe entfällt auf Heimbewohner. 10

Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Leistungsempfänger 1995-2008 außerhalb von in Ein- Jahr Insgesamt Quote Einrichtungen richtungen 1995 322.949 0,4% 57.327 266.269 1996 332.396 0,4% 60.768 272.440 1997 356.817 0,4% 65.091 292.764 1998 387.412 0,5% 73.825 314.761 1999 392.337 0,5% 76.006 317.830 2000 413.838 0,5% 81.500 333.967 2001 432.058 0,5% 84.017 349.732 2002 434.765 0,5% 83.592 365.548 2003 464.409 0,6% 87.507 379.428 2004 490.555 0,6% 101.144 392.941 2005 477.751 k.a. k.a. k.a. 2006 521.263 0,6% 144.153 395.809 2007 541.287 0,7% 152.759 409.283 2008 565.028 0,7% 175.314 420.857 Der überwiegende Teil der Leistungsbezieher der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist im mittleren Alter (73%) mit einem Schwerpunkt bei Männern zwischen 40 und 64 Jahren. 22% der Bezieher sind unter 18 Jahren und 5% im Alter ab 65 Jahren. Altersstruktur der Bezieher der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Jahresende 2008, Anteile in %) Männer Frauen unter 18 Jahren 14,3 7,8 18-39 Jahre 19,8 14,0 40-64 Jahre 23,0 16,3 ab 65 Jahren 2,3 2,4 ISG 2010 11

7. Kapitel SGB XII: Hilfe zur Pflege Die Sozialhilfe unterstützt pflegebedürftige Personen, indem sie die mit der Pflege verbundenen Kosten soweit sie nicht von der Pflegeversicherung getragen werden ganz oder teilweise übernimmt. Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen ( 61 Abs. 1 SGB XII, wortgleich mit 14 Abs. 1 SGB XI). Das Risiko der Pflegebedürftigkeit steigt mit zunehmendem Alter an, daher sind nur wenige der Leistungsbezieher dieser Hilfeart unter 18 Jahren (0,4%) oder zwischen 18 und 64 Jahren alt (21%), während rd. 78% der Leistungsbezieher im Alter ab 65 Jahren sind, darunter vor allem ältere Frauen. Altersstruktur der Bezieher der Hilfe zur Pflege (Jahresende 2008, Anteile in %) Männer Frauen unter 18 Jahren 0,2 0,2 18-39 Jahre 1,6 1,2 40-64 Jahre 10,8 7,8 ab 65 Jahren 19,5 58,7 ISG 2010 Angehörige übernehmen einen erheblichen Teil der Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, zum Teil mit Unterstützung durch professionelle ambulante Dienste und Einrichtungen der Tages- oder Kurzzeitpflege. Wenn sich der Pflegebedarf erheblich erhöht oder wenn Angehörige nicht zur Verfügung stehen bzw. sich durch die Pflege überlastet fühlen, wird meist ein Wechsel zu vollstationärer Pflege erforderlich. Die Zahl der Leistungsbezieher der Hilfe zur Pflege ist nach 1995 zunächst zurückgegangen, da die Einführung der Pflegeversicherung zum April 1995 (ambulante und teilstationäre Leistungen) und Juli 1996 (vollstationäre Leistungen) die Sozialhilfe entlastete. Dies wirkte sich am deutlichsten im Jahr 1998 aus, als die Zahl der Leistungsbezieher auf rd. 221.000 gesunken war. In den Folgejahren stieg diese Zahl wieder an und lag im Jahr 2008 bei rd. 285.000 Personen (0,3% der Bevölkerung). Die Hilfe zur Pflege umfasst häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Sie wird als Sachleistung oder Geldleistung, auf Antrag auch in Form eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets geleistet. Dabei sind die in ihrem Betrag begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SBG XI vorrangig. Diese werden für Hilfebedürftige von der Sozialhilfe ergänzt bzw. (in Fällen ohne Versicherungsschutz) umfangsgleich ersetzt. 12

Hilfe zur Pflege Leistungsempfänger 1995-2008 außerhalb von in Ein- Jahr Insgesamt Quote Einrichtungen richtungen 1995 372.828 0,5% 85.092 288.199 1996 285.340 0,3% 66.387 219.136 1997 250.911 0,3% 64.396 186.672 1998 221.231 0,3% 62.202 160.238 1999 247.333 0,3% 56.616 190.868 2000 261.404 0,3% 58.797 202.734 2001 255.883 0,3% 60.514 195.531 2002 232.401 0,3% 49.864 186.591 2003 242.066 0,3% 55.405 186.867 2004 246.372 0,3% 55.233 191.324 2005 261.316 k.a. k.a. k.a. 2006 268.665 0,3% 58.924 210.509 2007 262.359 0,3% 62.394 200.914 2008 284.899 0,3% 67.544 218.406 Die Bruttoausgaben der Hilfe zur Pflege lagen vor Einführung der stationären Leistungen der Pflegeversicherung bei 7,4 Mrd. EUR (1995) und wurden durch die Pflegeversicherung auf rd. 3 Mrd. EUR seit 1998 reduziert. Seit 2006 ist ein (vor allem demografisch bedingter) Anstieg der Ausgaben zu beobachten. Die Bruttoausgaben von 3,3 Mrd. EUR im Jahr 2008 machen 15% der gesamten Sozialhilfeausgaben dieses Jahres aus. Ausgaben der Hilfe zur Pflege 1995-2008 (in Mrd. EUR) 10,0 8,0 7,4 7,1 Bruttoausgaben Reine Ausgaben 6,0 4,0 2,0 5,3 4,8 3,5 2,5 3,0 2,3 2,9 2,3 2,9 2,3 2,9 2,4 2,9 2,4 3,0 2,4 3,1 2,5 3,2 2,6 3,1 2,5 3,2 2,7 3,3 2,8 0,0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 ISG 2009 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik 13

8. Kapitel SGB XII: Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten Die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten unterstützt Personen, bei denen besonders belastende Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind ( 67 SGB XII). Insbesondere von Obdachlosigkeit und in Verbindung damit von weiteren existenziellen Problemlagen betroffene Personen gehören zu diesem Personenkreis. Die Kommunen leisten vielfältige Unterstützung, die von der Vermittlung einer Wohnung über betreutes Wohnen, teilstationäre Hilfen (z.b. in Form einer Wärmestube ) und persönliche Beratung bis hin zu stationärer Heimunterbringung reichen kann. 9. Kapitel SGB XII: Hilfe in anderen Lebenslagen Das Neunte Kapitel umfasst die vorübergehende Hilfe zur Weiterführung des Haushalts ( 70), die Altenhilfe zur Förderung der Teilhabe älterer Menschen an der Gesellschaft ( 71), die Blindenhilfe zum Ausgleich von Mehraufwendungen ( 72), Bestattungskosten, wenn diese den Hinterbliebenen nicht zumutbar sind ( 74) und, als allgemeine Auffangnorm, die Hilfe in sonstigen Lebenslagen ( 73 SGB XII). Die Zahl der Leistungsbezieher nach Kapitel 8 und 9 SGB XII ist mit rd. 41.000 Personen im Jahr 2008 vergleichsweise gering. Drei Viertel der Hilfen werden außerhalb von Einrichtungen und ein Viertel in Einrichtungen geleistet. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Lebenslagen * Leistungsempfänger 1995-2008 außerhalb von in Ein- Jahr Insgesamt Quote Einrichtungen richtungen 1995 31.147 0,04% 20.504 10.643 1996 28.562 0,03% 19.487 9.075 1997 31.567 0,04% 21.705 9.862 1998 32.470 0,04% 21.822 10.648 1999 29.951 0,04% 21.595 8.356 2000 29.109 0,04% 20.278 8.831 2001 26.312 0,03% 18.526 7.786 2002 25.678 0,03% 17.470 8.464 2003 26.887 0,03% 18.404 8.483 2004 28.309 0,03% 18.244 10.065 2005 32.239 k.a. k.a. k.a. 2006 33.069 0,04% 23.984 9.092 2007 37.840 0,05% 27.910 9.937 2008 40.852 0,05% 30.104 10.755 * veränderte statistische Zuordnung seit 2005 Die Ausgaben für Leistungen nach den Kapiteln 8 und 9 SGB XII liegen unter einer halben Mrd. EUR und machen nur 2% der gesamten Sozialhilfeausgaben aus. 14

500 400 300 Grundinformationen und Daten zur Sozialhilfe Ausgaben für Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und in anderen Lebenslagen Bruttoausgaben Reine Ausgaben 1995-2008 (in Mio. EUR) 321 294 296 271 296 275 320 298 305 285 318 298 325 308 334 316 352 333 350 330 386 366 390 361 402 372 421 390 200 100 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 ISG 2009 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Sozialhilfestatistik 10 Leistungen der Mindestsicherung im Verhältnis zu unteren Arbeitnehmereinkommen Funktion des Abstandsgebots Im Verhältnis zwischen dem Bedarf im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt und unteren Arbeitnehmereinkommen soll ein hinreichender Abstand gewahrt bleiben, um zum einen eine Orientierung zur Bestimmung des Mindestbedarfs zu geben und damit für die Festsetzung der Regelsätze eine Obergrenze zu benennen, und zum andern, um den Beziehern der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. von Arbeitslosengeld II einen Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu geben. Im Sozialhilfegesetz (SGB XII) wird dieses Postulat so formuliert: Die Regelsatzbemessung gewährleistet, dass bei Haushaltsgemeinschaften von Ehepaaren mit drei Kindern die Regelsätze zusammen mit Durchschnittsbeträgen der Leistungen nach den 29 und 31 [d.i. für Kosten von Unterkunft und Heizung sowie für einmalige Bedarfe] und unter Berücksichtigung eines durchschnittlich abzusetzenden Betrages nach 82 Abs. 3 unter den erzielten monatlichen durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelten unterer Lohn- und Gehaltsgruppen einschließlich anteiliger einmaliger Zahlungen zuzüglich Kindergeld und Wohngeld in einer entsprechenden Haushaltsgemeinschaft mit einer alleinverdienenden vollzeitbeschäftigten Person bleiben ( 28 Abs. 4 SGB XII). Dieser normativen Bestimmung zufolge ist der Lohnabstand dann ausreichend, wenn es für Empfänger von Mindestsicherungsleistungen im Durchschnittsfall einen Anreiz gibt, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Von in Einzelfällen auftretenden Überschneidungen (etwa auf Grund eines hohen örtlichen Mietniveaus) wird das auf den Durchschnittsfall bezogene Lohnabstandsgebot nicht berührt. Die Bezugnahme auf einen fünfköpfigen Arbeitnehmerhaushalt ist in diesem Zusammenhang im Sinne eines normativen Grenzwertes, unabhängig von seiner empirischen Relevanz, zu verstehen. Dahinter steht die Intention, dem Bedarfsprinzip für noch größere Haushalte als dem hier genannten einen uneingeschränkten Vorrang einzuräumen, während für kleinere Haushalte der gebotene Abstand einzuhalten ist, d.h. für Haushalte mit bis zu fünf Personen soll ein hinreichender Abstand zum verfügbaren Haushaltsein- 15

kommen eines Arbeitnehmers in vergleichbarer Situation bestehen. Aus der Logik der Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt ergibt sich, dass der Abstand für kleinere Haushalte generell größer ist als der Abstand für einen Fünf-Personen- Haushalt, sodass für den Zweck der Überprüfung des gesetzlichen Lohnabstands eine Berechnung auf der Grundlage dieses Haushaltstyps ausreicht: Wenn hier ein hinreichender Abstand gegeben ist, kann dies für kleinere Haushalte erst recht angenommen werden. Von dieser normativen Fragestellung ist aber die Frage eines empirisch hinreichenden Arbeitsanreizes zu unterscheiden. Die Haushalte mit fünf Personen machen unter den Empfängern der Hilfe zum Lebensunterhalt ebenso wie in der Gesamtbevölkerung nur einen kleinen Anteil aus und sind daher statistisch ohne nennenswertes Gewicht. Unter dem Aspekt des tatsächlich bestehenden Anreizes ist vielmehr zu fragen, für wie viele Empfänger von Mindestsicherungsleistungen ein hinreichender Anreiz zur Arbeitsaufnahme besteht, sofern ihnen eine Beschäftigung angeboten wird. In dieser Akzentuierung der Frage nach dem Lohnabstand kommen vor allem allein lebende Hilfeempfänger in den Blick, die einen erheblichen Teil der Bedarfsgemeinschaften ausmachen; für diese ergeben alle Berechnungen aber relativ hohe Lohnabstände. Der gebotene Abstand soll zwischen der Hilfe zum Lebensunterhalt und dem verfügbaren Einkommen eines Vollzeiterwerbstätigen bestehen. Es wird also keine Unterschreitung von Lohnersatzleistungen oder von Einkommen aus Teilzeit-Erwerbstätigkeit gefordert. Ein im Oktober 1999 veröffentlichtes Gutachten erörtert eingehend die Zielsetzung des Abstandsgebotes und die Methodik zur empirischen Überprüfung. 1 1 Vgl. Engels, D. (1999): Der Abstand zwischen der Sozialhilfe und unteren Arbeitnehmereinkommen, Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung Nr. 276, Bonn. Vgl. auch Engels, D. (2001): Ab- 16 Dem verfügbaren Einkommen des erwerbstätigen Arbeitnehmers (Bruttoverdienst abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, ggf. zuzüglich Kindergeld, Kinderzuschlag oder Wohngeld) wird der Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt gegenübergestellt (siehe oben Abschnitt 3). Überprüfung des Abstands im Juli 2009 Der Abstand des Durchschnittsbedarfs zu dem verfügbaren Haushaltseinkommen eines Arbeitnehmers aus unteren Lohn- und Gehaltsgruppen mit vergleichbarer Haushaltskonstellation im Juli 2009 ist der folgenden Tabelle zu entnehmen. Dabei wurden die durchschnittlichen Verdienste vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Leistungsgruppe 5 (Hilfsarbeiter) im Produzierenden Gewerbe zu Grunde gelegt, die das Statistische Bundesamt vierteljährlich ermittelt (hier: monatl. Durchschnittsverdienst im 2. Quartal 2009). 2 In dieser Statistik werden auch Jahressonderzahlungen erhoben, die in der folgenden Berechnung auf durchschnittliche Monatsbeträge umgerechnet wurden. Bei Alleinerziehenden wurden durchschnittliche Frauenverdienste, bei den übrigen Haushaltstypen durchschnittliche Männerverdienste zugrunde gelegt. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden in der seit Juli 2009 geltenden Höhe berücksichtigt. 2 Im Juli 2009 betrug der Abstand bei einem fünfköpfigen Arbeitnehmerhaushalt im unteren Lohnbereich (Leistungsgruppe 5 im Produzierenden Gewerbe) 356 EUR pro Monat bzw. 14,8% des verfügbaren Haushaltseinkommens einer vergleichbaren Arbeitnehmerfamilie. Dieser Abstandsbetrag liegt um 177 EUR über dem Absetzbetrag nach 82 Abs. 3 SGB XII (30% des Einkommens aus einer Beschäftigung, maximal 50% des Regelsatstand zwischen Sozialhilfe und unteren Arbeitnehmereinkommen: Neue Ergebnisse zu einer alten Kontroverse, in: Sozialer Fortschritt 3/ 2001, S. 56 ff. Statistisches Bundesamt (2009): Fachserie 16, Reihe 2.1: Verdienste und Arbeitskosten Arbeiterverdienste, 2. Vj. 2009, Wiesbaden.

zes), so dass der Abstand als hinreichend groß zu bewerten ist. Aus der Tabelle wird auch ersichtlich, dass der Abstand bei Alleinlebenden oder bei Ehepaaren mit weniger als drei Kindern stets höher ist als beim gesetzlich benannten fünfköpfigen Haushalt. Während für die Arbeitnehmerfamilie die Lebenshaltungskosten der Kinder grundsätzlich durch das Erwerbseinkommen finanziert und durch den Familienleistungsausgleich lediglich abgemildert werden, ist es die Aufgabe der Mindestsicherung, den Lebenshaltungsbedarf von Kindern in voller Höhe zu gewähren, da hierfür keine anderweitigen Reserven zur Verfügung stehen. Für die Frage, ob unter der Annahme einer entsprechenden Nachfrage nach Arbeitskräften ein hinreichender Arbeitsanreiz für Leistungsbezieher der Mindestsicherung besteht, Verfügbares Haushaltseinkommen und Abstand zur Hilfe zum Lebensunterhalt Hilfsarbeiter im Produzierenden Gewerbe, Leistungsgruppe 5 Deutschland, Stand: Juli 2009 (Euro pro Monat) Haushaltstyp Ehepaar Ehepaar Ehepaar Ehepaar Alleinerziehende mit Allein- ohne mit 1 mit 2 mit 3 1 K. unter 2 Kindern lebende Kind Kind Kindern Kindern 7 Jahren 7 u. 14 J. Bruttoarbeitsentgelt 2.095 2.095 2.095 2.095 2.095 1.782 1.782 einmalige Zahlungen 196 196 196 196 196 179 179 Bruttoentgelt 2.291 2.291 2.291 2.291 2.291 1.961 1.961 Steuern Lohnsteuer 325 82 82 82 82 206 206 Solidaritätszuschlag 18 0 0 0 0 0 0 Kirchensteuer 29 7 0 0 0 7 0 Sozialversicherung Rentenversicherung 228 228 228 228 228 195 195 Arbeitslosenversicherung 32 32 32 32 32 27 27 Krankenversicherung ** 188 188 188 188 188 161 161 Pflegeversicherung ** 28 28 22 22 22 19 19 Nettoentgelt 1.444 1.726 1.739 1.739 1.739 1.345 1.352 Kindergeld / / 164 328 498 164 328 Kinderzuschlag / / 0 0 0 0 70 Wohngeld 0 0 0 81 167 0 32 verfügb. Einkommen Arbeitnehmer 1.444 1.726 1.903 2.148 2.404 1.509 1.783 Leistungsanspruch HLU 702 1.098 1.418 1.726 2.048 1.155 1.551 Abstand in Euro pro Monat 742 628 485 422 356 354 232 in v.h. des Arbeitn.-Einkommens 51,4% 36,4% 25,5% 19,6% 14,8% 23,5% 13,0% Absetzbetrag n. 82 (3) SGB XII*** 180 180 180 180 180 180 180 Abstand nach Absetzbetrag 562 448 305 242 177 175 52 ** Arbeitnehmeranteil Krankenversicherung: 7,3% plus Zuschlag von 0,9 Prozentpunkten; Pflegeversicherung: Zuschlag von 0,25 Prozentpunkten bei Kinderlosen *** in Höhe von 30% des Bruttoeinkommens, maximal 50% des Regelsatzes Ausgewiesen sind auf volle Euro-Beträge gerundete Werte, daher sind geringfügige Summenabweichungen möglich. 17

Bruttoeinkommensschwellen der Hilfe zum Lebensunterhalt Deutschland (Stand: 1. Juli 2009) Haushaltstyp Position Allein- Ehepaar Ehepaar mit Alleinerziehende mit lebende ohne Kind 1 Kind 2 Kindern 3 Kindern 1 K.u. 7 J. 2 K, 7+14 J 1. Bedarf Hilfe zum Lebensunterhalt Regelsätze 359 646 893 1.140 1.387 574 897 Mehrbedarf Alleinerziehende / / / / / 129 129 Kaltmiete 280 366 430 488 546 366 430 Heizkosten 63 86 95 98 115 86 95 Summe Bedarf 702 1.098 1.418 1.726 2.048 1.155 1.551 dabei anzurechnen: * Kindergeld 0 0 164 328 498 164 328 anzurechnendes Einkommen 702 1.098 1.254 1.398 1.550 991 1.223 2. Einkommensberechnung Nettoeinkommen 702 1.098 1.254 1.398 1.550 991 1.223 Steuern 0 0 0 0 18 39 125 Sozialversicherungsbeiträge 184 288 324 361 405 266 348 3. entspricht mtl. Bruttoarbeitsentgelt 886 1.386 1.578 1.759 1.973 1.296 1.696 entspr. Brutto-Stundenlohn ** 5,23 8,18 9,31 10,38 11,64 7,65 10,01 * Sofern Ansprüche auf Elterngeld bestehen (für Sozialhilfeempfänger in Höhe von 300 EUR pro Kind), bleiben diese anrechnungsfrei. Das Elterngeld kann für 12 Monate, von Alleinerziehenden bzw. bei partnerschaftlicher Nutzung für 14 Monate bezogen werden. ** umgerechnet auf Brutto-Stundenlohn unter Voraussetzung einer 39-Stunden-Woche und 4,345 Wochen pro Monat ist aber vor allem von Interesse, für wie viele Leistungsbezieher ein hinreichender Abstand besteht. Der Haushaltstyp eines Ehepaars mit drei Kindern dient der exemplarischen Überprüfung, sein quantitativer Stellenwert ist dagegen eher unbedeutend (lt. Mikrozensus 2008 leben in 3,6% der Haushalte fünf oder mehr Personen). Von größerer quantitativer Bedeutung sind Alleinlebende, die 54% der Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und 74% der Bedarfsgemeinschaften der Hilfe zum Lebensunterhalt ausmachen und für die sich mit 742 EUR (bzw. 51% des verfügbaren Haushaltseinkommens eines allein lebenden Hilfsarbeiters) ein deutlich höherer Abstand ergab, sowie Paare ohne Kind (Abstandsbetrag 628 EUR) oder Paare mit einem Kind (Abstandsbetrag 485 EUR). Für diese Haushaltstypen, die zusammen mehr als drei Viertel aller Bedarfsgemeinschaften ausmachen, 3 war offensichtlich ein hoher Arbeitsanreiz gegeben. 3 Bundesagentur für Arbeit (2009): Grundsicherung für Arbeitsuchende in Zahlen, August 09, Nürnberg. - Statistisches Bundesamt (2009): Fachserie 13 Reihe 2, Sozialhilfe 2008, Wiesbaden. 18 Die Überprüfung des Lohnabstands führt somit zu dem Ergebnis, dass ausreichende Arbeitsanreize sowohl im gesetzlich vorgesehenen Überprüfungsfall als auch für die Gesamtheit der Leistungsempfänger im erwerbsfähigen Alter belegbar sind. Bruttoeinkommensschwellen Die Relation zwischen den Leistungen der Mindestsicherung und unteren Arbeitnehmereinkommen lässt sich auch durch eine Berechnung veranschaulichen, in der genau die Bruttoeinkommen ermittelt werden, die nach Berücksichtigung von Abzügen und Transferleistungen ein verfügbares Haushaltseinkommen in Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt ergeben ( Bruttoeinkommensschwelle ). Damit ein Arbeitnehmer auf ein verfügbares Einkommen in Höhe dieser Bedarfe käme, müsste er als Alleinlebender ein Bruttoeinkommen von 886 EUR pro Monat bzw. 5,23 EUR pro Stunde erzielen, als verheirateter Alleinverdiener mit drei Kindern ein Bruttoeinkommen von 1.973 EUR pro Monat bzw. 11,64 EUR pro Stunde.