Studie. zur Bewertungspraxis bei aktienrechtlichen Gutachten 06.09.2013



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Transkript:

Studie zur Bewertungspraxis bei aktienrechtlichen Gutachten 06.09.2013

Inhaltsverzeichnis Vorwort 1 1 Zusammenfassung der Ergebnisse 2 2 Über diese Studie - Erhebung der Daten 4 3 Schwerpunkte der Studie 5 4 Bewertungsverfahren, Ablauf und Ergebnis 5 5 Ausschüttungsfähiges Ergebnis 7 5.1 Vergangenheitsanalyse 7 5.2 Planungsrechnungen 7 5.3 Wachstumsrate 9 5.4 Ausschüttungsquoten 11 6 Kapitalisierungszinssatz 12 6.1 Basiszinssatz 12 6.2 Marktrisikoprämie 13 6.3 Betafaktor 15 - I -

6.3.1 Peer Group-Beta oder Betafaktor des Bewertungsobjekts... 15 6.3.2 Zahl der Peer Group-Unternehmen... 16 6.3.3 Referenzindex... 16 6.3.4 Erhebungszeitraum... 17 6.3.5 Erhebungsintervall... 17 6.3.6 Sichere oder unsichere Tax Shields... 17 6.3.7 Raw oder Adjusted Betafaktor... 18 6.3.8 Debt Beta... 18 6.3.9 Höhe unlevered Betafaktoren... 19 7 Multiplikator-Bewertung 19 8 Ausgleichszahlung 20 9 Über I-ADVISE 21 - II -

Vorwort Squeeze-outs (Übertragung von Aktien gegen Barabfindung nach 327a ff. AktG) oder Ergebnisabführungsverträge mit Aktiengesellschaften, an denen Minderheitsaktionäre beteiligt sind, bedeuten einen schwerwiegenden Eingriff in die Eigentumsrechte der Aktionäre. Beim Squeeze-out ist den Aktionären eine angemessene Abfindung und beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zusätzlich eine Garantiedividende anzubieten. Die herrschenden Unternehmen bzw. die Hauptgesellschaft lassen in allen uns bekannt gewordenen Fällen Unternehmensbewertungen erstellen, die wiederum von gerichtlich bestellten Prüfern geprüft werden, um die Angemessenheit der Abfindung und des Ausgleichs sicherzustellen. Im Anschluss an die über die Maßnahme beschließende Hauptversammlung kommt es in der Regel zu aktienrechtlichen Spruchverfahren, in denen die Angemessenheit der Abfindung gerichtlich überprüft wird. Da bei diesen aktienrechtlichen Bewertungen unterschiedliche Verfahren und Bewertungsparameter zur Anwendung kommen, möchten wir mit dieser Studie einen Überblick über die Bewertungspraxis bei aktienrechtlichen Gutachten geben, Trends untersuchen, offensichtlichen Konsens oder Unterschiede feststellen. Der Bewerter oder derjenige, der sich kritisch mit einer Bewertung auseinandersetzt, kann auf der Grundlage unserer Untersuchung besser einschätzen, ob einzelne Vorgehensweisen von der gängigen Praxis stark abweichen oder ob aktuelle Entwicklungstendenzen bestehen, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Die Erläuterung des fachlichen Hintergrunds der untersuchten Fragestellungen haben wir bewusst kurz gehalten, weil sich die Untersuchung an Fachleute richtet, die sich ohnehin regelmäßig mit diesen Themen befassen. Mit dieser Studie möchten wir Transparenz und Übersicht schaffen, nicht aber beurteilen und werten. Der Leser soll auch nicht den Schluss ziehen, dass eine gängige Praxis mit Best Practice gleichzusetzen sei, z.b. wenn neue, bessere Erkenntnisse verzögert in der Praxis umgesetzt werden.

1 Zusammenfassung der Ergebnisse In drei Viertel der untersuchten Gutachten waren Squeeze-outs der Bewertungsanlass. In zwei von insgesamt 56 Fällen wurden die Abfindungen aus den Liquidationswerten abgeleitet. In einem Gutachten wurden für verschiedene Unternehmensteile unterschiedliche Bewertungsverfahren angewandt und im Jahr 2012 wurde die Abfindung auf Basis einer kapitalisierten Ausgleichszahlung bemessen. Im ersten Quartal 2013 erfolgte anlässlich einer grenzüberschreitenden Verschmelzung die Bewertung nach dem Discounted Cash Flow (WACC-Ansatz) durchgeführt. Alle übrigen Bewertungen beruhen auf dem Ertragswertverfahren und dem Tax CAPM. In 57 % der Fälle war der Ertragswert höher als der Börsenkurs. Die Vergangenheitsbereinigung beschränkt sich in 73 % der Gutachten auf drei Jahre. Zwischen der Ankündigung der Maßnahme und dem Tag der Hauptversammlung liegen durchschnittlich fünf Monate. In 33 % der Gutachten wird ein Detailplanungshorizont von drei Jahren zugrunde gelegt. Nur 4 % der Gutachten zeigen einen kürzeren Planungszeitraum. Die Planungen weisen im Durchschnitt ein jährliches Ergebniswachstum von 17,6 % aus. Die unterstellte durchschnittliche Wachstumsrate des nachhaltigen Ergebnisses sank in den Jahren 2010 bis 2012 von 1,35 % auf 1,08 %. Dies geht einher mit dem von 3,64 % auf 2,50 % sinkenden Basiszinssatz. Der weit überwiegende Teil der Gutachten berücksichtigt (wenn auch mit unterschiedlichen Verfahren) das zur Erzielung des Wachstums erforderliche Wachstum des betrieblichen Vermögens. Je länger die Detailplanungsphase der Unternehmen war, desto höher war auch der Mittelwert der angesetzten Wachstumsraten des nachhaltigen Ergebnisses. Die geplanten Ausschüttungsquoten in den Detailplanungszeiträumen weisen eine breite Streuung um den Mittelwert von 40 % auf. In der Fortführungsphase ist die Bandbreite der Ausschüttungsquoten wesentlich geringer und der Mittelwert beträgt 51 %. Der durchschnittliche Basiszinssatz sank von 4,25 % im 1. Quartal 2010 auf 2,28 % im 4. Quartal 2012. Im 2. Quartal 2013 war ein geringer Wiederanstieg auf 2,47 % zu beobachten. Seit dem Jahr 2012 stiegen die in den Gutachten angesetzten Marktrisikoprämien nach Steuern um rund einen Prozentpunkt und betrugen in den ersten beiden Quartalen 2013 durchschnittlich 5,6 %. 2

Die Summe von Basiszinssatz und Marktrisikoprämie ging zwischen dem ersten Quartal 2010 und dem letzten Quartal 2012 von 8,75 % auf 7,66 % zurück. In 94 % der Gutachten wurde der Betafaktor aus einer Peer Group abgeleitet. Im Durchschnitt wurden rund neun Peer Group-Unternehmen zugrunde gelegt, bei einer Bandbreite von 2 bis 28. Als Referenzindex für die Ermittlung der Betafaktoren wird in 70 % der Fälle ausschließlich ein breiter lokaler Index herangezogen und in 5 % der Fälle ausschließlich ein Welt-Index. Für die Ableitung der Betafaktoren sind Erhebungszeiträume von zwei bis fünf Jahren zu beobachten. In den untersuchten Gutachten werden teils wöchentliche, teils monatliche Betafaktoren verwendet, nicht aber allein die täglichen. In 70 % der Gutachten werden eine wertorientierte Finanzierungspolitik und unsichere Tax-Shields unterstellt. In 70 % der Bewertungen wurde das Raw Beta verwendet und auf pauschale Anpassungen verzichtet. Aus dem weit überwiegenden Teil der Gutachten geht nicht hervor, ob Debt Betas verwendet wurden. Die in den Gutachten angesetzten unlevered Betafaktoren betragen im Mittel 0,86 und weisen eine breite Streuung auf, was auch auf branchenspezifische Unterschiede zurückzuführen ist. 86 % der Gutachten enthalten eine Multiplikatorbewertung. In keinem Fall basiert diese ausschließlich auf Ist-Zahlen. Vielmehr liegen 81 % der Multiplikatorbewertungen ausschließlich Planzahlen zugrunde, den übrigen Plan- und Ist-Zahlen. In 64 % der Beherrschung- und Gewinnabführungsvertragsgutachten wurde zur Ermittlung der Ausgleichszahlung der risikolose Zinssatz um den halben im Rahmen der Unternehmensbewertung ermittelten Risikozuschlag erhöht. In 36 % der Gutachten setzt sich der Verrentungssatz aus dem risikolosen Zinssatz und einem Bonitätszuschlag zusammen. 3

2 Über diese Studie - Erhebung der Daten Für unsere Studie haben wir die Berichte der Vorstände über den Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und über die Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär gemäß 327a AktG sowie Verschmelzungsberichte in Hinblick auf die angewandten Bewertungsmethoden und -parameter analysiert. Da jeder dieser Vorgänge eine Prüfungspflicht auslöst, liegt für die Bewertungen jeweils auch ein Prüfungsbericht vor. In die Analyse haben wir Gutachten eines Drei-Jahreszeitraumes einbezogen, der die Bewertungsstichtage in dem Zeitraum 2010 bis 2012 umfasst. Einzelne Auswertungen haben wir um Gutachten des ersten Quartals 2013 ergänzt. Die Jahre 2009 und früher wurden nicht analysiert, weil die Einführung der Abgeltungsteuer zu Änderungen der Bewertungsparameter geführt hat, während in dieser Studie die gegenwärtige Bewertungspraxis und aktuelle Entwicklungen untersucht werden sollen. Insgesamt haben wir 56 Unternehmensbewertungen und die dazugehörigen Prüfungsberichte der Jahre 2010 bis 2012 analysiert. Diese teilen sich wie folgt auf: Es war nicht unserer Absicht, eine Auswertung der Rechtsprechung zu diesem Thema vorzunehmen. Spruchverfahrensgutachten, Urteile und Vergleiche in Spruchverfahren wurden daher nicht in die Untersuchung einbezogen. Sie beziehen sich in vielen Fällen auf weiter zurückliegende Bewertungsstichtage oder lassen (bei Vergleichen) keinen eindeutigen Rückschluss auf die Bewertungsparameter zu. In Zukunft werden wir die Studie fortführen, sodass regelmäßig aktuelle Vergleichsdaten zur Verfügung stehen werden. 4

3 Schwerpunkte der Studie Ein Schwerpunkt dieser Studie liegt in der Analyse der Kapitalisierungszinssätze, bei deren Ableitung sich eine Reihe strittiger Themen ergibt. Die Methodik der Ableitung und die Parameter sind bei unterschiedlichen Bewertungen gut vergleichbar. Ausgewertet haben wir die angesetzten Basiszinssätze, die Marktrisikoprämien und die Betafaktoren, die erwartungsgemäß die größten Unterschiede aufweisen. Die Länge des Planungshorizonts und die Wachstumsraten des nachhaltigen Ergebnisses haben wir ebenfalls dargestellt, wohl wissend, dass aufgrund unternehmensspezifischer Besonderheiten Vergleiche kaum möglich sind. 4 Bewertungsverfahren, Ablauf und Ergebnis Was sind die Grundlagen der gängigen Bewertungsverfahren? Der Unternehmenswert wird grundsätzlich unter der Annahme ausschließlich finanzieller Ziele und unter dem Grundsatz der Unternehmensfortführung ( going concern ) ermittelt. Dabei werden die künftig zu erwartenden finanziellen Überschüsse des Bewertungsobjekts mit einem risikoadäquaten Kapitalisierungszinssatz diskontiert und zu einem Barwert verdichtet. Etwaiges nicht betriebsnotwendiges Vermögen ist grundsätzlich separat zu bewerten. Der höhere Wert aus diesem abgeleiteten Barwert (einschließlich nicht betriebsnotwendigem Vermögen) und dem Liquidationswert stellt den Unternehmenswert dar. Eine detaillierte Ableitung des Liquidationswertes ist nur in den Fällen notwendig, in denen nach einer überschlägigen Berechnung des Liquidationswertes nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Liquidationswert niedriger als der Barwert der finanziellen Überschüsse zuzüglich des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ist. In der Praxis werden zur Ableitung des Barwerts der künftigen finanziellen Überschüsse das Ertragswertverfahren oder ein Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF) verwendet. Zu den DCF-Verfahren zählen der WACC- Ansatz, das Flow to Equity-Verfahren und das Adjusted Present Value-Verfahren (APV). Sämtliche Verfahren führen bei identischen Prämissen zu gleichen Unternehmenswerten. Das Ertragswertverfahren und das Flow to Equity-Verfahren stellen sogenannte Netto-Verfahren dar, die den Wert des Eigenkapitals direkt ermitteln (Equity-Ansatz), während das WACC-Verfahren in einem ersten Schritt den Gesamtunternehmenswert einschließlich des Werts der Schulden durch Diskontierung der Cash Flows vor Zinsen mit gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten (weighted average cost of capital, abgekürzt WACC ) ermittelt und in einem zweiten Schritt den Wert der Netto-Finanzverbindlichkeiten von diesem Wert subtrahiert, um zu dem Wert des Eigenkapitals zu gelangen. In nahezu sämtlichen Gutachten wurde das Ertragswertverfahren angewandt. In einem Fall erfolgte die Abfindung auf Grundlage der kapitalisierten Ausgleichszahlung, die aus einem bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeleitet wurde. Ein Gut- 5

achten, das im Jahr 2013 vorgelegt wurde, beruht auf dem Discounted Cash Flow- Verfahren in der Variante des WACC-Ansatzes. Zwei der ausgewerteten Gutachten enthielten ausführliche Liquidationswertermittlungen und die Abfindungen wurden aus den Liquidationswerten abgeleitet. In einem Gutachten wurden für verschiedene Unternehmensteile unterschiedliche Bewertungsverfahren angewandt. In 57 % der Fälle war der Ertragswert bzw. die kapitalisierte Ausgleichszahlung höher als der Börsenkurs und wurde daher der Abfindung zugrunde gelegt. Die Zeitspanne zwischen der Ankündigung der Maßnahmen und dem Bewertungsstichtag beträgt durchschnittlich 5 Monate, bei einem Minimum von 1,7 und einem Maximum von 7,5 Monaten. Eine Fortschreibung der als Untergrenze der Abfindung heranzuziehenden Börsenkurse wurde in keinem Fall vorgenommen. Folgende Grafik stellt die Zeitspannen in Monaten zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Ankündigungstag dar. 6

5 Ausschüttungsfähiges Ergebnis 5.1 Vergangenheitsanalyse Wozu dient die Vergangenheitsanalyse? Zweck der Vergangenheitsanalyse ist es, einen geeigneten Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Planung zu finden. Um die Vergleichbarkeit herzustellen, werden Bereinigungen außerordentlicher oder periodenfremder Ergebnisse oder im Hinblick auf Veränderungen der Konzernstruktur (Käufe oder Verkäufe von Beteiligungen) vorgenommen. Die Vergangenheitsergebnisse sind in einem angemessenen Detaillierungsgrad darzustellen und zu erläutern. Mit zunehmendem Abstand vom Bewertungsstichtag sinkt die Relevanz der Vergangenheitsergebnisse. Unsere Auswertung zeigt, dass in 73 % der Gutachten die Vergangenheitsergebnisse eines Zeitraums von drei Jahren analysiert wurden. Anteil der Gutachten 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 2 3 4 5 6 7 Jahre der Vergangenheitsanalyse In sämtlichen Ertragswertgutachten wird der Gesamtwert der vorgenommenen Bereinigungen offengelegt. 5.2 Planungsrechnungen Was sollten die Planungsrechnungen abbilden? Eine realistische, aktuelle Planungsrechnung ist die Basis der Unternehmensbewertung. Nach IDW S1 i.d.f. 2008 Tz. 90 soll die der Unternehmensbewertung zugrunde liegende Planung Erwartungswerte abbilden und Risiken und Chancen gleich gewichten, also weder optimistisch noch pessimistisch sein. Die regelmäßig in den Unternehmen aufgestellten Planungen haben zum einen eine Steuerungsfunktion, zum anderen können sie Zielkomponenten enthalten. In diesem Fall entspricht die Planung nicht dem erwarteten Ist- sondern dem Sollzustand, der dem Management als Ziel vorgegeben wird. Überholte, zu pessimistische, zu optimistische oder technisch falsche Planungsrechnungen sind von dem Gutachter so anzupassen, dass sie Erwartungswerte wiedergeben. 7

Aus welchen Gründen erfolgt eine Trennung in Phasen? Die Prognose der finanziellen Überschüsse beinhaltet umso mehr Unwägbarkeiten, je weiter sie ausgehend vom Bewertungsstichtag in der Zukunft liegen. Sie ist damit weniger verlässlich als die Prognose für die Jahre, die sich dem Bewertungsstichtag unmittelbar anschließen. Vor diesem Hintergrund wird in der Regel die Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse in einen Detailplanungszeitraum und einen sich daran anschließenden nachhaltigen Zeitraum unterteilt. Für die Länge des Planungshorizonts existieren keine festen Vorgaben. Der Planungshorizont soll so lang sein, dass die erkennbaren, eingeleiteten Entwicklungen abgeschlossen sind und das Unternehmen einen Gleichgewichtszustand erreicht hat, so dass für den Zeitraum danach ein nachhaltiges Ergebnis angesetzt werden kann, das ggfs. mit einer gleichbleibenden Wachstumsrate wächst. Da Planergebnisse meist ansteigen, kann die Verkürzung des Planungshorizonts dazu führen, dass bei gleicher Wachstumsrate des nachhaltigen Ergebnisses ein geringerer Unternehmenswert ermittelt wird als bei einem langen Planungshorizont. Vor diesem Hintergrund haben wir die Länge des Detailplanungshorizonts bei den aktienrechtlichen Bewertungen erhoben. In 33 % der Gutachten wird ein Planungshorizont von drei Jahren zugrunde gelegt. Nur 4 % der Gutachten zeigen einen kürzeren Planungszeitraum. Der Planungshorizont für einen (in der Graphik nicht berücksichtigten) Solarpark betrug 19 Jahre und deckte die gesamte Laufzeit ab. Anteil der Gutachten 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahre der Detailplanung Die Planungen weisen im Durchschnitt ein jährliches Ergebniswachstum von 17,6% (ohne Berücksichtigung eines Ausreißers mit einer CAGR von 112%) aus. Diese oberhalb der volkswirtschaftlichen Wachstumserwartungen angesiedelte durchschnittliche Wachstumsrate kann entweder bedeuten, dass Squeeze-outs und andere aktienrechtliche Maßnahmen besonders häufig bei wachstumsstarken Unternehmen durchgeführt werden oder, dass viele Planungen ambitioniert sind. 8

Die nachstehende Graphik zeigt die durchschnittliche Wachstumsrate in der Unternehmensplanung ausgehend vom letzten bereinigten Ist-Ergebnis. Nicht dargestellt ist ein Ausreißer mit einer Wachstumsrate von 112%. Anteil der Gutachten 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 5.3 Wachstumsrate Warum wird ein Wachstumsabschlag vom Kapitalisierungszinssatz abgezogen? EBIT CAGR Der Wachstumsabschlag vom Kapitalisierungszinssatz (Nenner des Barwertkalküls) zur Abbildung künftiger Steigerungen der nachhaltigen finanziellen Überschüsse (Zähler des Barwertkalküls) stellt eine zur übersichtlicheren Darstellung der Berechnung vorgenommene mathematische Umformung dar. Er wird in Höhe des nachhaltigen Wachstums der finanziellen Überschüsse des nachhaltigen Ergebnisses angesetzt. Nachstehende Übersicht zeigt die Wachstumsabschläge (Wachstumsraten der nachhaltigen Ergebnisse): Jahr Mittelwert Median 2010 1,35% 1,25% 2011 1,17% 1,00% 2012 1,08% 1,00% 1,60% 1,40% 1,20% 1,00% 0,80% 0,60% 0,40% 0,20% 0,00% 2010 2011 2012 Mittelwert Median 9

Die durchschnittliche Wachstumsrate des nachhaltigen Ergebnisses sank in den Jahren 2010 bis 2012 von 1,35 % auf 1,08 %. Dies geht einher mit dem von 4,25 % auf 2,28% sinkenden Basiszinssatz (s. Abschnitt 6.1). Anteil der Gutachten 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0,5% - 1% 1% -1,5% 1,5% -2% 2% - 2,5% 2,5% - 3% k.a. Wachstumsrate Die weit überwiegende Zahl der Gutachten enthält Anpassungen der nachhaltigen Ausschüttungen, um zu berücksichtigen, dass nachhaltiges nominales Ergebniswachstum auch wachsendes Eigenkapital erfordert. Dabei lassen sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen unterscheiden, die zu gleichen Ergebnissen führen können. In drei Viertel aller Gutachten wurden nachhaltige Abschreibungen und eine wachstumsbedingte Thesaurierung angesetzt, die das erforderliche Wachstum des Eigenkapitals bei Ansatz einer Wachstumsrate der nachhaltigen Ergebnisse abbildet. In 16 % der Gutachten wurde anstelle der Abschreibungen eine (höhere) Re-Investitionsrate angesetzt, die grundsätzlich das nachhaltig erforderliche Wachstum sowohl des eigen- als auch des fremdfinanzierten Vermögens berücksichtigt und daher um den fremdfinanzierten Teil der Netto-Investition gekürzt wird. Die Ermittlung der nachhaltigen Abschreibungen bzw. Re-Investitionen waren i.d.r. nicht nachvollziehbar. k.a. 9% Nachhaltige Abschreibungen -Wachstum des Eigenkapitals 75% Re-Investitionsrate + Wachstum des Fremdkapitals 16% 10

5.4 Ausschüttungsquoten Sind Ausschüttungsquoten wertrelevant? Von dem unterstellten Ausschüttungsverhalten des Unternehmens geht ein Einfluss auf den Unternehmenswert aus, da i.d.r. angenommen wird, dass thesaurierungsbedingte Wertsteigerungen erst in ferner Zukunft zu Abgeltungsteuern beim Verkauf von Anteilen führen, während Ausschüttungen sofort besteuert werden. Für thesaurierte Ergebnisse wird zur Berücksichtigung des Barwerteffekts i.d.r. nur die halbe Abgeltungsteuer angesetzt. Thesaurierungen führen wegen des Steuerstundungseffekts zu höheren Unternehmenswerten als Ausschüttungen. Die geplanten Ausschüttungsquoten in den Detailplanungszeiträumen weisen eine breite Streuung auf. Der Mittelwert liegt bei 40 % und der Median bei 33,3 %. Ein eindeutiger Trend ist nicht erkennbar. Ausschüttungsquote Planung 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jan. 10 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai. 10 Jun. 10 Jul. 10 Aug. 10 Sep. 10 Okt. 10 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai. 11 Jun. 11 Jul. 11 Aug. 11 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai. 12 Jun. 12 Jul. 12 Aug. 12 Sep. 12 Okt. 12 Nov. 12 Dez. 12 Bewertungsstichtag Die Banbreite der Ausschüttungsquoten in der Fortführungsphase ist wesentlich geringer. Der Mittelwert beträgt 51%. Ausschüttungsquote Fortführung 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jan. 10 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai. 10 Jun. 10 Jul. 10 Aug. 10 Sep. 10 Okt. 10 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai. 11 Jun. 11 Jul. 11 Aug. 11 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai. 12 Jun. 12 Jul. 12 Aug. 12 Sep. 12 Okt. 12 Nov. 12 Dez. 12 Bewertungsstichtag 11

6 Kapitalisierungszinssatz Was stellt der Kapitalisierungszinssatz dar und worauf ist bei der Ableitung grundsätzlich zu achten? Der Kapitalisierungszinssatz stellt die Alternativrendite eines Investors dar, die dieser bei einer Investition in eine mit dem Bewertungsobjekt identische Alternativanlage erwarten kann bzw. fordert. Der Kapitalisierungszinssatz soll darüber hinaus hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung mit dem Bewertungsobjekt äquivalent sein. 6.1 Basiszinssatz Welche Stellung nimmt der Basiszinssatz im Rahmen des CAPM ein? Im Rahmen des CAPM stellt der Basiszinssatz einen risikofreien Zinssatz dar, zu dem zu jeder Zeit und in unbegrenzter Menge investiert werden kann. Vor dem Hintergrund, dass in der Praxis keine risikofreien Zinssätze zu beobachten sind, wird grundsätzlich auf die aus Sicht des Anteilseigners (quasi-)risikofreie Anlage in öffentliche Anleihen abgestellt. Dabei ist insbesondere die Laufzeitäquivalenz bei der Ableitung des Basiszinssatzes zu berücksichtigen. Der durchschnittliche Basiszinssatz hat sich von 4,25 % im ersten Quartal 2010 auf 2,28 % im 4. Quartal 2012 deutlich verringert. Die Streubreite der verwendeten Basiszinssätze ist gering. Ein für den Bewertungsstichtag 30. August 2010 ungewöhnlich niedriger Basiszinssatz von 2,5 % wurde als laufzeitäquivalenter Zinssatz angesetzt, weil das Bewertungsobjekt nur eine einzige Ausschüttung im Jahr 2017 plante. Basiszinssatz Zeitraum 2010 2011 2012 2013 1. Quartal 4,25% 3,50% 2,95% 2,23% 2. Quartal 4,06% 3,63% 2,46% 2,47% 3. Quartal 3,13% 3,75% 2,30% 4. Quartal 3,13% 3,19% 2,28% Jahresdurchschnitt 3,64% 3,52% 2,50% 2,35% 12

Den Rückgang der Basiszinssätze zeigt auch folgende Grafik: Basiszinssatz 4,5% 4,0% 3,5% 3,0% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% Jan. 10 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai. 10 Jun. 10 Jul. 10 Aug. 10 Sep. 10 Okt. 10 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai. 11 Jun. 11 Jul. 11 Aug. 11 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai. 12 Jun. 12 Jul. 12 Aug. 12 Sep. 12 Okt. 12 Nov. 12 Dez. 12 Jan. 13 Feb. 13 Mrz. 13 Apr. 13 Mai. 13 Jun. 13 6.2 Marktrisikoprämie Bewertungsstichtag Welche Stellung nimmt die Marktrisikoprämie im Rahmen des CAPM ein? Die Marktrisikoprämie stellt neben dem Betafaktor im Rahmen der Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes auf Basis des Capital Asset Pricing Models (CAPM) einen von zwei Parametern zur Berücksichtigung des systematischen Risikos einer Anlageform dar. Im theoretischen Sinne ist die Marktrisikoprämie dabei die zukünftig von allen Marktteilnehmern einheitlich erwartete durchschnittliche Risikoprämie. Die Marktrisikoprämie wird aus der Differenz der Marktrendite und der Verzinsung der risikofreien Anlage bei Investition in das Marktportfolio abgeleitet. Das Marktportfolio wiederum selbst umfasst unter den engen Prämissen des CAPM sämtliche risikobehaftete Anlageformen. Das Marktportfolio stellt somit ein rein theoretisches Konstrukt dar, dessen künftig erwartete Rendite in der Realität nicht ermittelbar ist. Wie wird in der Praxis die Höhe der Marktrisikoprämie ermittelt? Zur Schätzung der Marktrisikoprämie wird in der Bewertungspraxis als Proxy ( Stellvertreter ) für das Marktportfolio in aller Regel unter Verwendung historischer Renditen auf einen Aktienindex zurückgegriffen. Zur Ermittlung des durchschnittlichen risikofreien Zinssatzes werden regelmäßig historische Renditen öffentlicher Anleihen verwendet. Die Marktrisikoprämie ergibt sich dann aus der Differenz aus der durchschnittlichen Marktrendite (der Aktien) und dem durchschnittlichen risikofreien Zinssatz. Ein Anstieg der von den Gutachtern verwendeten Marktrisikoprämien ist ab dem Jahr 2012 erkennbar, besonders deutlich im 4. Quartal 2012 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal. Offensichtlich steht dies in Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Fachausschusses Unternehmensbewertung (FAUB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.v. (IDW) vom 10. Januar 2012, in der der FAUB nahe legte zu prüfen, ob die Unsicherheit am Kapitalmarkt den Ansatz einer Marktrisikoprämie am oberen Rand der empfohlenen Bandbreite von 4,0 bis 5,0 % nach persönlichen Steuern erfordere. Am 19. September 2012 empfahl der FAUB eine weitere Erhöhung auf eine Bandbreite von 5,0 bis 6,0 % nach persönlichen Steuern. 13

Marktrisikoprämie nach Steuern Zeitraum 2010 2011 2012 2013 1. Quartal 4,50% 4,67% 4,80% 5,75% 2. Quartal 4,50% 4,50% 4,79% 5,50% 3. Quartal 4,50% 4,50% 4,90% 4. Quartal 4,50% 4,50% 5,38% Durchschnitt 4,50% 4,54% 4,97% 5,63% Marktrisikoprämie 7,0% 6,5% 6,0% 5,5% 5,0% 4,5% 4,0% 3,5% 3,0% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% Jan. 10 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai. 10 Jun. 10 Jul. 10 Aug. 10 Sep. 10 Okt. 10 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai. 11 Jun. 11 Jul. 11 Aug. 11 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai. 12 Jun. 12 Jul. 12 Aug. 12 Sep. 12 Okt. 12 Nov. 12 Dez. 12 Jan. 13 Feb. 13 Mrz. 13 Apr. 13 Mai. 13 Jun. 13 Bewertungsstichtag Obwohl die durchschnittliche Marktrisikoprämie im Jahr 2012 anstieg, ging die Summe von Basiszinssatz und Marktrisikoprämie zwischen dem ersten Quartal 2010 und dem letzten Quartal 2012 von 8,75 % auf 7,66 % zurück. 14

6.3 Betafaktor Welche Stellung nimmt der Betafaktor im Rahmen des CAPM ein? Der Betafaktor (im Folgenden auch: Beta ) stellt neben der Marktrisikoprämie im Rahmen der Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes auf Basis des Capital Asset Pricing Models einen von zwei Parametern zur Berücksichtigung des systematischen Risikos einer Anlageform dar. Die Höhe des Betafaktors reflektiert das Ausmaß des systematischen, nicht durch Kapitalmarkttransaktionen diversifizierbaren Risikos einer Aktie. Nur dieser Teil des Risikos wird im Rahmen des CAPM vom Markt vergütet. Unsystematische Risiken sind in der Risikoprämie damit nicht enthalten. Vor dem Hintergrund des großen Einflusses des Betafaktors auf den Unternehmenswert und der zahlreichen festzulegenden Parameter im Rahmen der Ableitung ist der Ableitung von Betafaktoren ein besonderes Augenmerk zu widmen. Wie ist der Betafaktor zu interpretieren? Je höher der Betafaktor, desto höher ist die von den Kapitalmarktteilnehmern geforderte Risikoprämie der Anleger. Ist der Betafaktor gleich 1, entspricht das Risiko der Einzelanlage dem des Marktportfolios. Ist der Betafaktor größer als 1, ist das Risiko der Einzelanlage höher als das des Marktportfolios. Ist der Betafaktor kleiner als 1, ist das Risiko der Einzelanlage kleiner als das des Marktportfolios. Wie lautet die mathematische Definition des Betafaktors und wie wird dieser hergeleitet? Der Betafaktor eines börsennotierten Unternehmens ergibt sich als Kovarianz zwischen den Aktienrenditen des börsennotierten Unternehmens und der Rendite eines Aktienindex, dividiert durch die Varianz der Renditen des Aktienindex. Technisch kann man zur Ermittlung der Betafaktoren eine lineare Regression über die Aktienkurs- und Aktienindexrenditen durchführen. Die Betafaktoren entsprechen dann dem Steigungsparameter der Regressionsgleichung. 6.3.1 Peer Group-Beta oder Betafaktor des Bewertungsobjekts In 94 % der Gutachten wurde der Mittelwert oder der Median der Betafaktoren der Peer Group-Unternehmen angesetzt. Nur 6 % der Gutachter verwendeten den Betafaktor des Bewertungsobjekts. 15

6.3.2 Zahl der Peer Group-Unternehmen Im Durchschnitt wurden rund neun Peer Group-Unternehmen zugrunde gelegt, bei einer Bandbreite von 2 bis 28. Die Zahl der Peer Group-Unternehmen weist eine große Streuung auf, wie folgende Grafik zeigt: Anzahl Peer Group - Unternehmen 30 25 20 15 10 5 0 Jan. 10 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai. 10 Jun. 10 Jul. 10 Aug. 10 Sep. 10 Okt. 10 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai. 11 Jun. 11 Jul. 11 Aug. 11 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai. 12 Jun. 12 Jul. 12 Aug. 12 Sep. 12 Okt. 12 Nov. 12 Dez. 12 Bewertungsstichtag Jahr 2010 10,25 2011 6,15 2012 9,12 6.3.3 Referenzindex Ø Anzahl Peer Group- Unternehmen Als Referenzindex (Aktienindexrendite, zu der die Renditen der Peer-Group- Unternehmen ins Verhältnis gesetzt werden) wird in 70% der Fälle ausschließlich ein breiter lokaler Index herangezogen und in 5 % der Fälle ein Welt-Index. Breitester lokaler Index 70% Welt-Index 5% Welt-Index und breitester lokaler Index 18% k.a 7% 16

6.3.4 Erhebungszeitraum In 34 % der Bewertungen wurden Betafaktoren für einen 2- oder 3-Jahreszeitraum erhoben, in 29 % für einen 5-Jahreszeitraum. 6.3.5 Erhebungsintervall Die Wahl der Erhebungsintervalle (monatliche, wöchentliche oder tägliche Intervalle) kann die Höhe der Betafaktoren beeinflussen. In den untersuchten Gutachten werden teils wöchentliche, teils monatliche Betafaktoren verwendet, nicht aber allein die täglichen, was möglicherweise auf die Gefahr der Verzerrung täglicher Betafaktoren durch den Intervalling-Effekt (verzögerte Anpassungsprozesse) zurückzuführen ist. wöchentlich 47% monatlich 21% k.a. 9% wöchentlich, monatlich und täglich 7% wöchentlich und monatlich 16% 6.3.6 Sichere oder unsichere Tax Shields Sind Steuervorteile der Fremdfinanzierung sicher oder unsicher? Unter der Annahme einer autonomen Finanzierungspolitik, d.h. gleichbleibenden Fremdkapitals, werden die Steuervorteile der Fremdfinanzierung (Tax-Shields) als sicher betrachtet. Nimmt man an, dass die Finanzierungspolitik wertorientiert ist, werden die Tax-Shields als unsicher angesehen. Beim Unlevern und Relevern der Betafaktoren zur Anpassung an unterschiedliche Kapitalstrukturen werden bei autonomer bzw. wertorientierter Finanzierungspolitik unterschiedliche Formeln verwendet. 17

In 70 % der Gutachten werden unsichere Tax-Shields und eine wertorientierte Finanzierungspolitik unterstellt. Autonom 14% Wertorientiert 70% k.a. 16% 6.3.7 Raw oder Adjusted Betafaktor Warum werden Betafaktoren pauschal angepasst? Raw Betafaktoren entsprechen dem sich unmittelbar aus den Kapitalmarktdaten ergebenden Werten. Sogenannten adjusted Betas liegt die Annahme zugrunde, dass Betafaktoren eine autoregressive Tendenz haben und langfristig gegen 1 tendieren. Der Datendienstleister Bloomberg stellt adjusted Betas zur Verfügung, die der Summe des mit 0,66 gewichteten Raw Betas und 0,33 entsprechen (sog. Blume-Anpassung). In 70 % der Bewertungen wurde das Raw Beta verwendet und auf pauschale Anpassungen verzichtet. Adjusted 27% Raw 70% k.a. 3% 6.3.8 Debt Beta Wie wirkt sich die Berücksichtigung des Debt Betas aus? Das sogenannte Debt Beta wird beim Unlevern und Relevern von Betafaktoren angesetzt, um zu berücksichtigen, dass die Fremdkapitalgeber einen Teil des Risikos übernehmen und sich das Risiko der Eigenkapitalgeber entsprechend verringert. Die Verwendung von Debt Beta ermöglicht (u.a.), eine Wertidentität zwischen Ertragswertverfahren und DCF-Verfahren herzustellen. Zudem führt die Verwendung von Debt Beta regelmäßig zu geringer schwankenden Betafaktoren im Zeitablauf. 18

Aus dem weit überwiegenden Teil der Gutachten geht nicht hervor, ob Debt Beta verwendet wurde. Nur in 5 % der Fälle wurde auf die Berücksichtigung von Debt Beta explizit hingewiesen. 6.3.9 Höhe unlevered Betafaktoren Die in den Gutachten angesetzten unlevered Betafaktoren betragen im Mittel 0,86 und weisen eine breite Streuung auf, was auch auf branchenspezifische Unterschiede zurückzuführen ist. Eine Auswertung der Betafaktoren nach Branchen ist aufgrund der zu geringen Zahl der Beobachtungen nicht aussagekräftig. Beta unlevered 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 Jan. 10 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai. 10 Jun. 10 Jul. 10 Aug. 10 Sep. 10 Okt. 10 Nov. 10 Dez. 10 Jan. 11 Feb. 11 Mrz. 11 Apr. 11 Mai. 11 Jun. 11 Jul. 11 Aug. 11 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12 Apr. 12 Mai. 12 Jun. 12 Jul. 12 Aug. 12 Sep. 12 Okt. 12 Nov. 12 Dez. 12 Bewertungsstichtag 7 Multiplikator-Bewertung Worauf basiert das Multiplikatorverfahren? Bei der Multiplikator-Bewertung handelt es sich um einen marktorientierten Bewertungsansatz, der auf am Markt bereits zustande gekommenen Preisen und dort verarbeiteten Informationen basiert. Dem Multiplikator-Verfahren liegt die Annahme zugrunde, dass vergleichbare Unternehmen auf einem Markt ähnlich bewertet werden. 86 % der Gutachten enthalten eine Multiplikatorbewertung. In keinem Fall basiert diese ausschließlich auf Ist-Zahlen. Stattdessen liegen 81 % der Multiplikatorbewertungen ausschließlich Planzahlen zugrunde, den übrigen Plan- und Ist-Zahlen. Darstellung von Multiples 86% keine Multiples 14% 19

Plan- und Istzahlen 19% Planzahlen 81% 8 Ausgleichszahlung halber Risikozuschlag 64% Bonitätszuschlag 36% In 64 % der Gutachten anlässlich der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge wurde zur Ermittlung der Ausgleichszahlung der risikolose Zinssatz um den halben i.r. der Unternehmensbewertung angesetzten Risikozuschlag erhöht. In 36 % der Gutachten setzt sich der Verrentungssatz aus dem risikolosen Zinssatz und einem Bonitätszuschlag zusammen. 20

9 Über I-ADVISE Als unabhängige Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft betreuen wir unsere Mandanten bei Unternehmenstransaktionen und haben uns auf Unternehmensbewertungen und Due Diligence spezialisiert. Unser ganzheitlicher Leistungsansatz umfasst qualifizierte Unternehmensbewertungen aus unterschiedlichen Anlässen und unabhängige Prüfungen bei Abfindungen und Verschmelzungen sowie Fairness Opinions und Kaufpreisallokationen. Unabhängigkeit, Integrität und Objektivität verstehen wir als integrale Bestandteile unserer Leistung. Unbelastet von jeglichen Interessenkonflikten gilt unser Augenmerk allein der uns übertragenen Aufgabe. Die I-ADVISE AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist Teil eines internationalen Netzwerks von Beratungsunternehmen, die bei Bedarf komplexe Unternehmenstransaktionen begleiten können. Kontakt: DR. JOCHEN BEUMER Wirtschaftsprüfer, Partner I-ADVISE AG I-ADVISE AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Franz-Rennefeld-Weg 5 D-40472 Düsseldorf Telefon: +49 (211) 5 180 28 16 E-Mail: jochen.beumer@i-advise.de www.i-advise.de 21