Stereochemie und Stereoselektive Synthese OC 09

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Transkript:

Stereochemie und Stereoselektive Synthese C 09 1

Inhalt 1. Strukturen und Isomerie 1.1. Konstitution und Konstitutionsisomere 1.2. Konfiguration und Konfigurationsisomere 1.2.1. Konfiguration von Doppelbindungen 1.2.2. Konfiguration von Ringsystemen 1.2.3. Konfiguration von stereogenen C-Atomen 1.2.4. Konfiguration von Molekülen mit mehreren stereogenen C-Atomen 1.2.5. Konfiguration von Molekülen mit Chiralitätsachsen 1.2.6. Konfiguration von Molekülen mit Chiralitätsebenen 1.3. Konformation und Konformationsisomere 1.3.1. Konformationen acyclischer Moleküle 1.3.2. Konformationen cyclischer Moleküle 1.4. Zusammenfassende Klassifikation von Isomeren 2. Analytik von Stereoisomeren 2.1. Analytik von Diastereomeren 2.2. Enantiomeranalytik und Racematspaltung 2.2.1. Analytik von Enantiomeren in chiraler Umgebung 2.2.2. Trennung von Enantiomeren durch Überführung in Diastereomere 2.2.3. Enantiomeranalytik mittels MR-Spektroskopie 2.2.4. Konfigurationsbestimmung mittels MR-Spektroskopie 2.2.5. ptische Rotationsdispersion, Circulardichroismus und Cotton-Effekt 2

3. Prochiralität und eterotopiekonzept 3.1 Prochirale sp 3 -hybridisierte C-Atome 3.2. Prochirale sp 2 -hybridisierte C-Atome 3.3. eterotopiekonzept 3.3.1. Enantiotope und diastereotope Gruppen 3.3.2. Enantiotope und diastereotope Seiten 3.3.3. Eigenschaften von homotopen, enantiotopen und diastereotopen Gruppen und Seiten 4. Grundlagen der Stereoselektiven Synthese 4.1. Selektivität 4.1.1. Chemoselektivität 4.1.2. Regioselektivität 4.1.3. Stereoselektivität 4.1.4. Stereospezifität 4.1.5. Klassifikation stereoselektiver Reaktionen nach Izumi und Tai 4.2. Ursachen der Selektivität 4.2.1. Kinetische und thermodynamische Kontrolle 4.2.2. Kinetische und thermodynamische Kontrolle bei stereoselektiven Reaktionen 4.3. Möglichkeiten der EPC-Synthese 4.3.1. Chiral Pool Synthesen 4.3.2. Chirale Auxilliare 4.3.3. Chirale Reagenzien 3 5. EPC-Synthese

4.3.4. Chirale Katalysatoren 4.4. icht-lineare Effelte 4.5. Kinetische Racematspaltung 4.5.1. Kinetische Racematspaltung 4.5.2. Parallele Kinetische Racematspaltung 4.5.3. Dynamische Kinetische Racematspaltung 5. Enantioselektive Synthese von Alkoholen 5.1. Addition von rganometallverbindungen an Aldehyde und Ketone 5.2. Enantioselektive xidation 5.3. Enantioselektive ydroborierung von Alkenen 5.4. Enantioselektive Reduktion von Carbonylverbindungen 6. Enantioseletive Synthese von Epoxiden 6.1. Epoxidierung von elektronenreichen Dobis 6.2. Epoxidierung von Enantioselektiven Dobis 7. Enantioselektive Aldolreaktionen 7.1. Aldolreaktioj mit chemiralem Auxilliar 7.2. Aldolreaktion mit chiralem Katalysator 4

5.1.4. ydroxysäuren 5.2. Chirale Auxilliare und Liganden für Metallkatalysatoren 5.2.1. Aminosäuren 5.2.2. Terpenoide 5.2.3. Alkaloide 5.2.4. Kohlenhydrate 5.2.5. icht-natürliche Chirale Auxilliare 6. Stereoselektive Synthese von Alkoholen und Epoxiden 7. Stereoselektive Synthese von Aminen und Aminosäuren 5

Literatur 1) E. L. Eliel, S.. Wilen, L.. Mander, Stereochemistry of rganic Compounds, Wiley-VC, 1994; DIE Bibel der Stereochemie, gibt s auch auf deutsch als abgespeckte Version, Wiley-VC 2002 2) auptmann/mann, Stereochemie Spektrum-Verlag, 1996 3) ellwich, Stereochemie Springer-Verlag, 2007 ellwich, Übungen zur Stereochemie Springer-Verlag, 2007 4) ogradi, Stereoselective Synthesis, Wiley-VC, 1997 5) R. E. Gawley, J. Aube, Principles of Asymmetric Synthesis, Elsevier, 1996 6) Lin/Li/Chan, Principles and Applications of Asymmetric Synthesis Wiley, 2001 7) M. Christmann, S. Bräse, Asymmetric Synthesis The Essentials Wiley-VC 2008 8). D. Scharf,. Buschmann, Stereochemie in der rganischen Synthese Books on Demand, 2000 9) E. M. Carreira, L. Kvaerno, Classics in Stereoselective Synthesis, Wiley VC, 1. Aufl. 2009 10) C. Wolf, Dynamic Stereochemistry of Chiral Compounds RSC Publishing 2008 11) P. J. Walsh, M. C. Kozlowski, Fundamentals of Asymmetric Catalysis University Science Books 2009 6

1. Strukturen und Isomerie Welche Angaben muss man machen, um eine rganische Verbindung exakt zu beschreiben? Summenformel Man erhält die Summenformel einer Verbindung aus Elementaranalyse + Molmasse oder aus hochaufgelösten Massenspektren (Masse des Molekülpeaks auf mindestens vier achkommastellen). Konstitution Die Konstitution einer Verbindung lässt sich aus verschiedenen Spektren der Verbindung abgeleitet werden (MR, MS mit Fragmentpeaks, IR, UV) Konfiguration Die Konfiguration einer Verbindung kann z. T. spektroskopisch oder auch durch Synthese ermittelt werden. Konformation Die Konformation einer Verbindung kann z. T. spektroskopisch oder durch Molecular Modelling-Methoden ermittelt werden. 7

1.1. Konstitution und Konstitutionsisomere Moleküle mit gleicher Summenformel, aber unterschiedlicher Struktur (äußert sich in unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften) nennt man Isomere (grich. isos bedeutet gleich, meros bedeutet Teil, Isomere sind also aus gleichen Teilen zusammengesetzt. (Berzelius 1830) 1824 beschieb Liebig eine Verbindung mit der Summenformel C als sehr instabile Verbindung, deren Silber- und Quecksilbersalz explosiv sind. 1825 beschieb Wöhler eine Verbindung mit der Summenformel C, deren Silber- und Quecksilbersalz stabil ist. Der Streit beider Chemiker um die richtige Summenformel führte zur Entdeckung der Isomerie. Welche Isomere der Summenformel C sind denkbar? Knallsäure C C Isoknallsäure Cyansäure C C Isocyansäure 8

Knallsäure, Isoknallsäure, Cyansäure und Isocyansäure unterscheiden sich durch die Verknüpfung der Atome im Molekül. Die Verknüpfung der Atome im Molekül nennt man Konstitution. Moleküle mit gleicher Summenformel, aber unterschiedlicher Konstitution, nennt man Konstitutionsisomere. Konstitutionsisomere sind grundsätzlich verschiedene Moleküle mit unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften. Physikalische Eigenschaften: Schmelzpunkt, Siedepunkt, Dampfdruck, Brechungsindex, Farbe, Viskosität, Löslichkeit Chemische Eigenschaften: Reaktivität gegenüber anderen Verbindungen, pk S -Werte, Bildungsenergie, Mit zunehmender Zahl von C-Atomen steigt die Zahl der möglichen Konstitutionsisomere stark an. C 10 22 : 75; C 20 42 : 366.319; C 25 52 : 36.797.580; C 40 82 : 60.491.178.805.831 C 6 6 : theoretisch 271, wovon aber einige nicht stabil sind. 9

Konstitutionsisomere Alkohole: C 4 C 2 6 C 3 8 C 4 10 C 5 12 C 6 14 1 1 2 4 8 17 Konstitutionsisomere kann man weiter unterteilen, wobei es zwischen den Unterklassen teilweise Überschneidungen gibt. Kettenisomere treten ab 4 C-Atomen auf. n-butan iso-butan n-pentan iso-pentan neo-pentan Stellungsisomere (=Positionsisomere = Regioisomere) unterscheiden sich durch die Stellung von Substituenten oder funktionellen Gruppen im Molekül. n-butanol sec-butanol iso-butanol tert.butanol wichtig: o-, m-, und p-disubstituierte Aromaten 10

Funktionsisomere unterscheiden sich durch funktionelle Gruppen. 3 C C 3 Tautomere unterscheiden sich durch die Stellung von Wasserstoffatomen im Molekül. Üblicherweise stehen Tautomere im Gleichgewicht miteinander. R R 11

Valenzisomere gehen nur durch Verschieben von C-C-Einfachbindungen und C=C-Doppelbindungen ineinander über (keine Wanderung von - und/oder C-Atomen).... Bullvalen orcaradien Tropyliden Benzoloxid xepin Prisman Benzvalen Tectadien Bicyclopropenyl Benzol 12

1.2. Konfiguration und Konfigurationsisomere 1874 berichtete van t off darüber, dass man Strukturen organischer Verbindungen zwanglos erklären kann, wenn man annimmt, dass Kohlenstoffatome von vier Bindungspartnern tetraedrisch umgeben sind. Dann muss man bei C-Atomen, die vier verschiedene Substituenten besitzen, die genaue Anordnung der Substituenten im Raum angeben, um die Struktur exakt zu beschreiben. Diese räumliche Anordnung nannte er Konfiguration. Ein C-Atom mit vier verschiedenen Bindungspartnern nannte er asymmetrisches C-Atom. eute spricht man von stereogenen C-Atomen (allgemein: stereogene Zentren). Moderne Definition: Die Konfiguration eines Moleküls mit definierter Konstitution beschreibt die räumliche Anordnung der Atome im Molekül. Moleküle mit gleicher Konstitution, aber unterschiedlicher Anordnung der Atome im Raum, nennt man Konfigurationsisomere. Dabei können die Moleküle dreidimensionale oder zweidimensionale Gebilde sein. Konfigurationsisomere treten auf bei Verbindungen, die stereogene C- Atome (asymmetrische C-Atome) enthalten oder aus Ringen aufgebaut sind oder ebene Doppelbindungen besitzen. Diese Aufzählung wird 13 später noch verallgemeinert.

1.2.1. Konfiguration von Doppelbindungen Um die Konfiguration von Doppelbindungen zu beschreiben, muss man die räumliche Anordnung der Atome/Substituenten an der Doppelbindung angeben. Ältere Bezeichnungsweise: cis-konfiguration liegt vor, wenn zwei gleiche Substituenten auf derselben Seite der Doppelbindung liegen. trans- Konfiguration liegt vor, wenn zwei gleiche Substituenten auf den entgegengesetzten Seiten der Doppelbindung liegen. Cis und trans kann man auch verwenden, um die relative Lage zweier beliebiger Substituenten anzugeben. C C C C C C trans-butendisäure cis-butendisäure trans-butensäure cis-butensäure Fumarsäure Maleinsäure Crotonsäure Isocrotonsäure 14

C C trans-9-ctadecensäure = Elaidinsäure cis-9-ctadecensaäure = Ölsäure Konfigurationsisomere treten nicht nur bei C=C-Doppelbindungen auf, auch z. B. bei C=-Dopppelbindungen und =-Doppelbindungen. 2 hν (UV) m.p. 35 C m.p. 132 C Cl (g) ac 3 Wichtig bei ximen, Iminen (Schiff sche Basen), ydrazonen, und Azoverbindungen, aber auch bei Enolaten, Enaminen und Amiden! 15

eue Bezeichnungsweise nach Cahn, Ingold und Prelog (CIP; Sequenzregel): Man ordnet jedem Substituenten an der Doppelbindung eine Rangfolge zu, die sich aus der rdnungszahl des gebundenen Atoms ergibt. Befinden sich die beiden ranghöchsten Substituenten der beiden Atome der Doppelbindung auf derselben Seite, dann liegt Z- Konfiguration vor (Z von zusammen). Liegen die ranghöchsten Substituenten auf unterschiedlichen Seiten der Doppelbindung, dann liegt E-Konfiguration vor (E von entgegen). C C C 3 C 3 E Z E 3 C C 3 C 3 Li Li C 3 E E Z E 16

Probleme mit der Z/E-omenklatur treten bei Ester-Enolaten auf. C 3 LDA 78 C Li C 3 C 3 Li C 3 C 3 Modell zur Deprotonierung von Carbonylverbindungen nach Ireland ZnCl C 3 C 3 ZnCl Li 2 Li ZnCl C 3 C 2 3 C 3 C 3 3 C ZnCl C 3 Streng nach CIP: E-Enolat Z-Enolat E-Enolat Z-Enolat Masamune: E()-Enolat E()-Enolat Z()-Enolat Z()-Enolat Eliel, eathcock: trans-enolat trans-enolat cis-enolat cis-enolat eute scheint die Masamune-Variante allgemein akzeptiert. D. h. -M erhält immer die höhere Priorität, auch wenn M rangniedriger als C ist. Auch bei Thioester-Enolaten bekommt -M die höhere Priorität, obwohl S eine höhere rdnungszahl als hat. 17

1.2.2. Konfiguration von Ringsystemen Die Angabe der Konfiguration von Ringsystemen erfordert die dreidimensionale Beschreibung des Rings und die Angabe der rientierung der Substituenten relativ zur Ringebene (auptebene). Die Stellung der Substituenten zueinander wird durch die Präfixe cis und trans beschrieben (nicht Z/E!!!). R 1 R 2 R 2 R 2 R 2 R 1 R 1 R 2 cis-konfiguration R 1 R 1 R 1 R 2 R 1R2 R 1 R 1 R 2 R 2 R 2 2 R trans-konfiguration R 1 R 1 R 1 R 2 18

Analoge Verhältnisse liegen bei den anderen Ringsystemen vor. Wichtig bei kondensierten Ringsystemen: die auf den Betrachter zuweisenden Substituenten werden als β-ständig (oder β-konfiguriert) bezeichnet, die vom Betrachter wegweisenden Substituenten entsprechend als α-ständig oder α-konfiguriert. Dabei wird das oder der Substituent am 2. gemeinsamen C-Atom als Referenz genommen. β R β α α α trans-decalinsystem β β α β R α R wird als Referenz festgelegt cis-decalinsystem Diese Art der Konfigurationsangabe wird u.a. bei Steroiden angewendet. 19

1.2.3. Konfiguration von Molekülen mit einem stereogenen C-Atom ptische Aktivität 1811 entdeckte Arago, dass Quarzkristalle die Ebene des linear polarisierten Lichts drehen können. Diese Fähigkeit wurde als optische Aktivität bezeichnet. 1815 entdeckte Biot bei wässrigen Lösungen von Zucker, bei wässrigen Lösungen von Weinsäure und deren Salzen und auch bei Terpentinöl, dass auch organische Verbindungen optisch aktiv sein können. 20

Biot beobachtete bei den untersuchten organischen Substanzen, dass die Größe des Drehwinkels α von verschiedenen Faktoren abhängt: 1. Konzentration c der gelösten Substanz (in g/100 ml) 2. Länge l der durchstrahlten Lösung (Küvettenlänge in dm) 3. Wellenlänge λ des verwendeten Lichts 4. von der Temperatur T 5. vom verwendeten Lösungsmittel Um eine substanzspezifische Größe zu erhalten, führte Biot die Spezifische ptische Rotation [α] D 20 ein (D = a-d-linie = 589 nm). [ α ] 20 D = 100 α c l Biot sches Gesetz Eine Substanz ist rechtsdrehend, wenn man den Analysator nach rechts drehen muss, um auf kürzestem Weg zu maximaler elligkeit zu gelangen. Symbol: (+) (früher: kleines d, führte aber zu Verwechslungen) Eine Substanz ist linksdrehend, wenn man den Analysator nach links drehen muss, um auf kürzestem Weg zu maximaler elligkeit zu gelangen. Symbol: ( ) (früher: kleines l, führte aber zu Verwechslungen) 21

Wichtig: man muss zusätzlich zum Wert für [α] D 20 auch das Lösungsmittel und die Konzentration angeben!!! Beispiele: [α] D 20 = +4,8 (c = 0.86, TF) [α] D 20 = +13,0 (c = 1.12, TF) [α] D 20 = 5,2 (c = 1.03, Me) C 2 [α] D 20 = +4,4 (c = 0.5, 2 ) C [α] 75 D = ±0 (c = 0.5, 2 ) [α] 94 D = 1,9 (c = 0.5, 2 ) C C [α] 25 λ = +14,2 (c = 10, 2 ); λ = 578 nm [α] 24 λ = +4,4 (c = 10, Et); λ = 578 nm [α] 25 λ = +0,2 (c = 10, DMF); λ = 578 nm [α] 24 λ = 9,3 (c = 10, Dioxan); λ = 578 nm 22

Manchmal gibt man statt der spezifischen optischen Rotation auch die Molare ptische Rotation an. [ ] = [ ] 20 20 M Φ D α D M = Molmasse 100 Wichtig: Substanzen, die stereogene C-Atome enthalten, sind optisch aktiv. b eine Substanz linksdrehend oder rechtsdrehend ist, hat nichts mit deren Konfiguration zu tun. 1848 gelang Pasteur die Trennung von atriumammoniumtartratkristallen unter dem Mikroskop durch manuelles Auslesen in zwei Formen. Lösungen dieser getrennten Salze in Wasser drehten die Ebene des linear polarisierten Lichts um denselben Betrag in entgegen gesetzte Richtungen. Ihm fiel zusätzlich auf, dass die getrennten Kristalle spiegelbildliche Formen hatten, die sich nicht zur Deckung bringen ließen. Er bezeichnete diese Kristalle als enantiomorph (griech. enantios = Gegenteil und morphos = Form) und nahm an, dass die enantiomorphen Kristalle durch enantiomorphe Moleküle zustande kommen. 23

Chiralität und Enantiomere 1884 bezeichnete Thomson (später geadelt und fortan Lord Kelvin genannt) Kristalle, die sich nicht mit ihrem Spiegelbild zur Deckung bringen lassen, als chiral (griech. cheir = and). Chiralität ist die Eigenschaft, ein nicht deckungsgleiches Spiegelbild zu besitzen. Der Begriff Chiralität wurde 1965 von Mislow auf organische Moleküle angewendet und 1966 von Cahn, Ingold und Prelog fest in das Stereochemie-Vokabular aufgenommen. Chirale Moleküle sind asymmetrisch, d.h. sie besitzen keine Symmetrieelemente 2. Art (Spiegelebenen, Inversionszentren und Drehspiegelachsen). Es können jedoch Symmetrieelemente 1. Art auftreten (Drehachsen). Enantiomere sind Konfigurationsisomere, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, aber nicht zur Deckung zu bringen sind. Es gibt von jedem chiralen Molekül genau zwei Enantiomere. Enantiomere sind optisch aktiv. D.h. sie haben betraglich gleiche spezifische optische Rotation, aber unterschiedlichen Drehsinn. 24

D/L-omenklatur nach Emil Fischer Emil Fischer hat sich u.a. intensiv mit der Chemie von Zuckern beschäftigt, u.a. mit der Konfigurationsbestimmung und Synthese von Aldohexosen. Um die Konfiguration von Zuckern in Formeln darstellen zu können, hat er die heute als Fischer-Projektion bezeichnete Darstellungweise entwickelt. In der Fischer-Projektion wird die Molekülkette vertikal orientiert, so dass das höchst-oxidierte C-Atom oben steht. Das unterste stereogene C- Atom in der Kette bestimmt die Konfiguration des gesamten Moleküls. Für die natürlich vorkommende Glucose bestimmte er die (relative) Konfiguration aller stereogener C-Atome und ordnete willkürlich die - Gruppe am letzten stereogenen C-Atom der Kette rechts von der Kohlenstoffkette an. Diese Anordnung nannte er D-Konfiguration (von lat. dexter = rechts). Steht die -Gruppe am letzten stereogenen C-Atom von Zuckern auf der linken Seite der Kohlenstoffkette, dann liegt L-Konfiguration vor (von lat. laevo = links). Fischer schlug vor, D-Glucose als Bezugssubstanz zur Konfigurationsbestimmung anderer Verbindungen zu verwenden. 25

1906 schlug Rosanoff vor, Glycerinaldehyd statt Glucose als Bezugssubstanz zu verwenden. 1914 konnte Wohl den Glycerinaldehyd in die beiden Konfigurationsisomere (Enantiomere) trennen und zeigen, dass (+)-Glycerinaldehyd entsprechend der Fischer-Konvention D-Konfiguration hat. Seitdem wurde D(+)-Glycerinaldehyd einheitlich als Bezugssubstanz für die Konfigurationsbestimmung von organischen Verbindungen verwendet. C C 2 C C 2 C C 2 C C 2 D(+)-Glycerinaldehyd L( )-Glycerinaldehyd Die Bestimmung von Konfigurationen erfolgte damals auf chemischem Weg. D. h. die Verbindungen wurden in Glycerinaldehyd umgewandelt oder in solche, die bereits mit Glycerinaldehyd korreliert waren, so dass aus dem Drehsinn des erhaltenen Glycerinaldehyds auf die vorliegende Konfiguration geschlossen werden konnte. 26

Beispiel: Welche Konfiguration hat ( )-Milchsäure? C C 3 D( )-Milchsäure C ( )-Milchsäure Br C hν C C C 2 g C a 2 Cl 2 C ag C D(+)-Glycerinaldehyd ( )-Glycerinsäure Durch solche Reaktionssequenzen hat man die Konfiguration vieler Verbindungen bestimmt. Die natürlichen Aminosäuren konnten mit L( )- Glycerinaldehyd korreliert werden. Für Aminosäuren wurde daraufhin die Regel zur Konfigurationsbestimmung modifiziert: steht in der Fischer-Projektion die 2 -Gruppe auf der linken Seite der Kette, dann liegt L-Konfiguration vor. Dadurch besaßen alle natürlichen Aminosäuren L-Konfiguration. 27

Das Threonin-Problem Die natürliche Aminosäure Threonin konnte entweder nach der Aminosäure-Konvention oder nach der Zucker-Konvention bezeichnet werden. 2 C 2 C L-Threonin D-Threonin (Amniosäurekonvention) (Zuckerkonvention) Dadurch kam es, dass es für natürliches Threonin in der Literatur zwei Konfigurationsbezeichnungen gab. Dies führte schließlich zur Entwicklung der R/S-omenklatur. 1951 konnte Bijvoet (holländischer Chemiker) durch anomale Röntgenbeugung an a-rb-tartrat die Absolutkonfiguration von (+)- Weinsäure aufklären. (+)-Weinsäure war bereits mit D(+)- Glycerinaldehyd korreliert worden, so dass dadurch auch die Absolutkonfiguration von (+)-Glycerinaldehyd bekannt war. Zufällig stimmte diese mit der von Fischer willkürlich vorgeschlagenen Konfiguration überein. 28

R/S-omenklatur nach Cahn, Ingold und Prelog Ziel von Cahn, Ingold und Prelog war es, ein System zur Konfigurationsbezeichnung zu entwickeln, das unabhängig von Bezugssubstanzen ist. Den Substituenten an einem stereogenen C-Atom wird eine Rangfolge zugeordnet, die sich aus der Sequenzregel ergibt. Sequenzregel (vereinfacht): Die Rangordnung eines Atoms, das an ein stereogenes C-Atom gebunden ist, ist um so größer, je größer seine rdnungszahl ist. Konfigurationsbestimmung: achdem man die Rangordnungen aller vier Substituenten bestimmt hat, orientiert man das Molekül so, dass der rangniedrigste Substituent vom Betrachter weg weist. Die auf den Betrachter gerichteten Substituenten bilden einen Merzedes-Stern. Man geht nun vom Substituenten mit der Rangordnung 1 über denjenigen mit der Rangordnung 2 zu dem Substituenten mit der Rangordnung 3. Bewegt man sich dabei im Uhrzeigersinn, dann bezeichnet man die Konfiguration des stereogenen C-Atoms mit R (lat. rectus = rechts herum), bewegt man sich im Gegenuhrzeigersinn, dann liegt S- Konfiguration (lat. sinister = links herum) vor. 29

4 Br 1 2 Cl F 3 drehen 1 Br 2 Cl R F 3 1 Br 4 2 Cl F 3 drehen 3 2 Cl F S Br 1 Als die Sequenzregel 1951 zum ersten Mal formuliert wurde, waren Substanzen bekannt, die mit der vereinfachten Sequenzregel nicht klassifiziert werden konnten: a) es gab bereits Moleküle mit mehreren stereogenen C-Atomen b) es gab bereits chirale Moleküle, die keine stereogenen C-Atome enthalten c) es gab bereits Moleküle, deren Chiralität nur auf unterschiedlichen Isotopen beruht d) es gab bereits Moleküle, deren Chiralität nur auf unterschiedlichen Konfigurationen konstitutionell gleicher Substituenten beruht Deshalb musste die Sequenzregel erweitert werden. Zur allgemeinen Anwendung werden Strukturelemente, die dafür verantwortlich sind, dass ein Molekül chiral ist, als Chiralitätselemente bezeichnet (manchmal auch als stereogenes Element). 30

Sequenzregel (erweitert): Die mit einem Chiralitätselement verknüpften Liganden werden geordnet, indem man vom Chiralitätselement ausgehend den aufeinander folgenden Bindungen eines jeden Liganden und an den Verzweigungsstellen der Liganden den Wegen, die den betreffenden Liganden den höchsten Rang erteilen, soweit nachgeht, wie es für vollständiges rdnen nötig ist, und die Liganden jedes mal nach dem Zurücklegen von je einer Bindung vergleicht, wobei man der Reihe nach und soweit notwendig die folgenden Standard-Unterregeln verwendet, und zwar jede weitere nur dann, wenn die erschöpfende Anwendung der vorhergehenden keine Entscheidung ermöglicht hat. (0) Das nähere Ende einer Achse hat Vorrang vor dem ferneren Ende einer Achse. Entsprechendes gilt auch für Ebenen. (1) Die höhere rdnungszahl von Atomen hat Vorrang vor der niedrigeren. (2) Die höhere Massenzahl hat Vorrang vor der niedrigeren. (3) Z hat Vorrang vor E. (4) Vorrang haben RR oder SS vor RS oder SR; MM oder PP vor MP oder PM; RM oder SP vor RP oder SM; MR oder PS vor MS oder PR; r vor s. (5) R hat Vorrang vor S und M hat Vorrang vor P. 31

32 Kompliziertes Beispiel: Cl Br Br Br Cl F F Cl I C C Cl Br Br Br Cl F F Cl I 1 4 C C Cl C C C C Br Br Br Cl F F Cl I 1 4 C C Cl C C C C C Br C Br Br Cl C F C F Cl I 1 4 C C Cl C C C C C Br C Br Br Cl C F C F Cl I 1 4 2 3 C C Cl C C C C C Br C Br Br Cl C F C F Cl I 1 2 3 R-Konfiguration

1.2.4. Konfiguration von Molekülen mit mehreren stereogenen C-Atomen ach Fischer müsste für jede Substanzklasse mit mehreren C-Atomen eine eigene Bezugssubstanz festgelegt werden unpraktisch! Mit ilfe der Sequenzregel kann unabhängig von der Substanzklasse die Konfiguration jedes einzelnen stereogenen C-Atoms bestimmt werden. Moleküle mit n konstitutionell unterschiedlichen stereogenen C- Atomen (n 1) Beispiel: ydroxyprolin-isomere (nur Konfigurationsisomere!) C C C C Bei 2 konstitutionell verschiedenen stereogenen C-Atomen gibt es 4 Konfigurationsisomere (2 Enantiomerenpaare). 33

Beispiel: Menthol-Isomere (nur Konfigurationsisomere!) ( )-Menthol (+)-eomenthol (+)-Isomenthol (+)-eoisomenthol natürliches Menthol (+)-Menthol ( )-eomenthol ( )-Isomenthol ( )-eoisomenthol Bei 3 konstitutionell verschiedenen stereogenen C-Atomen gibt es 8 Konfigurationsisomere (4 Enantiomerenpaare). Allgemein: bei n konstitutionell verschiedenen stereogenen C-Atomen gibt es 2 n Konfigurationsisomere. 34

Moleküle mit 2n stereogenen C-Atomen (n 1), die paarweise konstitutionell gleich sind Beispiel: Weinsäure-Isomere (nur Konfigurationsisomere!) C C C C Enantiomere C C C C omomere = identische Moleküle = meso-form Die meso-weinsäure besitzt eine Spiegelebene oder ein Inversionszentrum, ist deshalb also achiral. Analoge Verhältnisse treten auf, wenn man Brom an Fumarsäure und an Maleinsäure ooder an Z- und E-Stilben addiert. Allgemein: Bei Molekülen mit einer geraden Zahl von konstitutionell gleichen stereogenen C-Atomen gibt es 2 (n-1) Konfigurationsisomere und 2 (n/2-1) meso-formen. 35

Auch die atur produziert meso-verbindungen, z. B. Myrtucommulon A 36

Moleküle mit 2n+1 stereogenen C-Atomen (n 1), wobei n paarweise konstitutionell gleich sind Beispiel: 2,3,4-Trihydroxy-Glutarsäure (nur Konfigurationsisomere!) C S C R r Pseudoasymmetriezentrum C S C S C R C R s Pseudoasymmetriezentrum C R C S Enantiomere Meso-Formen mit Pseudoasymmetriezentrum 37

Bei Molekülen mit einer ungeraden Zahl von stereogenen C-Atomen, wobei immer zwei konstitutionell gleich sind, kann der Fall auftreten, dass das Molekül eine Spiegelebene besitzt, die durch das mittlere C- Atom hindurchgeht. Solche Konfigurationsisomere sind meso-formen und das mittlere C-Atom ist ein Pseudoasymmetriezentrum. Pseudosaymmetriezentren sind stereogene C-Atome, durch die eine Spiegelebene geht. Pseudoasymmetriezentren haben vier verschiedene Substituenten, wobei zwei dieselbe Konstitution, aber spiegelbildliche Konfiguration besitzen. Zur Konfigurationsbestimmung von Pseudoasymmetriezentren geht man analog vor wie bei der Konfigurationsbestimmung von Asymmetriezentren, wobei man die Unterregel (5) berücksichtigen muss: R hat Vorrang vor S. Die Konfiguration von Pseudoasymmetriezentren werden jedoch mit kleinen Buchstaben r und s bezeichnet. Ist n die Zahl der stereogenen C-Atome (einschließlich Pseudoasymmetriezentren), dann treten [2 (n-1) 2 (n/2-1/2) ] Enantiomere und 2 (n/2-1/2) meso-formen auf. 38

Beispiele für Moleküle mit Pseudoasymmetriezentren R S R S Atropin Scopolamin + Br S R Buscopan (Medikament gegen Bauchkrämpfe) 39

Moleküle mit abhängigen stereogenen C-Atomen Abhängige stereogene C-Atome sind stereogene C-Atome, deren Konfiguration man auf Grund struktureller Gegebenheiten nicht unabhängig voneinander ändern kann. Abhängige asymmetrische C-Atome treten of bei polycyclischen Ringsystemen auf. C Br C 3 2 Campher Mniopetal E Adamantanderivat Durch abhängige stereogene C-Atome reduziert sich die Zahl der möglichen Konfigurationsisomere ganz erheblich. 40

1.2.5. Konfiguration von Molekülen mit Chiralitätsachsen (stereogene Achsen) Eine Chiralitätsachse entsteht dadurch, dass man einen Tetraeder streckt. Ein regulärer Tetraeder benötigt vier verschiedene Substituenten, um chiral zu sein. Ein gestreckter Tetraeder benötigt nur zwei verschiedene Substituenten, damit er chiral wird. strecken Beispiele: Allene, Spiro-Verbindungen, Biphenylderivate, elices 3 C C 3 3 C C 3 C 3 2 C 41

Konfigurationsbestimmung für Chiralitätsachsen ach der Unterregel (0) der Sequenzregel hat das nähere Ende einer Achse Priorität vor dem ferneren Ende einer Achse. Man ordnet den Substituenten entsprechend der Sequenzregel eine Rangfolge zu und geht analog zur Konfigurationsbestimmung bei stereogenen C-Atomen vor. Muss man im Uhrzeigersinn umlaufen, dann liegt R-Konfiguration vor. Muss man im Gegenuhrzeigersinn umlaufen, dann liegt S-Konfiguration vor. Beispiele: 3 C C 3 3 C 4 1 2 3 C 3 3 C 1 2 3 C 3 R 3 C C 3 4 2 1 3 C 3 C 3 1 2 3 C 3 C 3 R 42

Konfigurationsbestimmung für elix-moleküle ach der Unterregel (0) der Sequenzregel hat das nähere Ende einer elix Priorität vor dem ferneren Ende einer elix. Kommt man vom vorderen Ende einer elix im Uhrzeigersinn zum hinteren Ende einer elix, dann liegt P-Konfiguration vor (P von plus ).. Kommt man vom vorderen Ende einer elix im Gegenuhrzeigersinn zum hinteren Ende einer elix, dann liegt M-Konfiguration vor (M von minus ). Beispiel: exahelicen Von vorn nach hinten in einer Linksschraube M-Konfiguration 43

1.2.6. Konfiguration von Molekülen mit Chiralitätsebenen (stereogene Ebenen) Eine Chiralitätsebene ist eine Ebene im Molekül, an der durch Spiegeln des Moleküls das Enantiomer des Moleküls erzeugt wird. Beispiele: Ansa-Verbindungen, Cyclophane, trans-cycloalkene, C 2 44

Konfigurationsbestimmung für Chiralitätsebenen Man betrachtet zunächst die Atome, die außerhalb der Chiralitätsebene liegen und direkt mit Atomen in der Chiralitätsebene verbunden sind. Mit ilfe der Sequenzregel wird das ranghöchste dieser Atome als Leitatom bestimmt. Von der Seite des Leitatoms wird die Chiralitätsebene betrachtet (das Leitatom gibt die bevorzugte Seite der Chiralitätsebene an). Dann bestimmt man ausgehend von dem Atom in der Chiralitätsebene, das direkt mit dem Leitatom verbunden ist, die zwei folgenden ranghöchsten Atome in der Chiralitätsebene. Um vom ranghöchsten Atom zu den beiden nächsten zu gelangen, kann man sich entweder im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn bewegen. Im ersten Fall liegt R P -Konfiguration vor, im zweiten Fall S P -Konfiguration (P als Index für planar ). Beispiele: 3 C 2 1 R-Konfiguration C 2 45

3 C 2 1 1 2 3 C R P -Konfiguration S P -Konfiguration 3 2 1 S P -Konfiguration 1 2 3 S P -Konfiguration 46

1.3. Konformation und Konformationsisomere Molekülteile, die durch Einfachbindungen miteinander verknüpft sind, können gegeneinander verdreht werden. Diese Rotation ist temperaturabhängig! Durch das Verdrehen der Molekülteile ergeben sich theoretisch unendlich viele räumliche Anordnungen der Atome im Raum. Diese räumlichen Anordnungen bezeichnet man als Konformationen des Moleküls. Moleküle mit festgelegter Konstitution und Konfiguration, die sich nur durch ihre Konformation unterscheiden, nennt man Konformationsisomere. Die Umwandlung verschiedener Konformationsisomere ineinander erfordert das Überwinden von Energiebarrieren. Konformationsisomere, die sich durch ein Energieminimum im Vergleich zu anderen Konformationsisomeren auszeichnen, nennt man Konformere. Manchmal findet man die Formulierung: Konformere sind stabile Konformationsisomere. Mit stabil ist hier aber nur relative Stabilität gemeint. Das bedeutet nicht (unbedingt), dass Konformere isolierbar sind! 47

Sind einzelne Konformationen eines Moleküls durch eine hohe Energiebarriere voneinander getrennt, dann wandeln sich die Konformationsisomere bei Raumtemperatur nur sehr langsam oder gar nicht ineinander um. Liegt zwischen den einzelnen Konformationen eine kleine Energiebarriere, dann findet bei Raumtemperatur eine schnelle Umwandlung der Konformere ineinander statt. Ganz allgemein stehen Konformationsisomere miteinander in einem dynamischen Gleichgewicht. Konformationen von Molekülen haben oft unmittelbare Auswirkungen auf Reaktionsverläufe, da viele Reaktionen nur von bestimmten Reaktivkonformationen aus stattfinden können. C 3 3 C C Vorderes C-Atom drehen um 120 C 3 C Vorderes C-Atom drehen um 120 C 48

Zur Bezeichnung von Konformationen oder der relativen Lage zweier Substituenten zueinander haben Klyne und Prelog die Begriffe synperiplanar, antiperiplanar, synclinal und anticlinal eingeführt. 30 +30 sp R 1 R 2 -sc +sc 90 -ac 150 ap +ac +150 +90 Je nach Größe des Torsionswinkels zwischen zwei Substituenten bezeichnet man ihre relative Stellung entsprechend nebenstehendem Diagramm. Torsionswinkel Bezeichnung Symbol -30 bis +30 synperiplanar sp +30 bis +90 +synclinal +sc (gauche) +90 bis +150 +anticlinal +ac +150 bis -150 antiperiplanar ap -150 bis -90 -anticlinal -ac -90 bis -30 -synclinal -sc (gauche) 49

1.3.1. Konformationen acyclischer Moleküle Bei acyclischen Molekülen liegt mehr oder weniger freie Drehbarkeit um C-C-Einfachbindungen vor. Die Geschwindigkeit der Umwandlung von Konformationsisomeren ineinander hängt von der öhe der Energiebarriere zwischen den Konformationsisomeren ab. Die Lage des Gleichgewichts hängt von den relativen Stabilitäten der Konformationsisomere ab. Um Konformationsgleichgewichte zu untersuchen, muss man daher die relativen Energieinhalte der einzelnen Konformationsisomere bestimmen (= Konformationsanalyse). Konformationsisomere von Ethan Von Ethan existieren eine stabile und labile Konformation und unendlich viele dazwischenliegende Konformationen. gestaffelt auf Lücke staggered ekliptisch auf Deckung eclipsed schwarz = vorn rot = hinten 50

Torsionsbarriere im Ethan: 2,9 kcal/mol = 12,1 kj/mol 1 E = E0(1 + cos3ϕ ) 2 Pitzer-Spannung Erklärungen für dieses Verhalten ϕ Sterische inderung (Van der Waals-Abstoßung der Wasserstoffe in der ecliptischen Konformation): a a 227 pm; Van der Waals-Radius von 111 pm Van der Waals-Abstoßung spielt keine Rolle (max. 10%) 51

Dipol-Dipol-Wechselwirkung der ekliptischen C--Bindungen Das Dipolmoment einer C--Bindung ist sehr gering trägt nur wenig zur Destabilisierung der ekliptischen Konformation bei (max. 10%). Antibindende Wechselwirkung der ekliptischen σ-c--bindungen Antibindende Wechselwirkungen zwischen besetzten σ-rbitalen tragen deutlich zur Destabilisierung der ekliptischen Konformation bei. Bindende Wechselwirkungen zwischen bindenden und antibindenden Bindungsorbitalen stärkster Effekt Bindende Wechselwirkungen zwischen besetzten σ-rbitalen und unbesetzten σ*-rbitalen tragen deutlich zur Stabilisierung der gestaffelten Konformation bei (nach neuesten Rechnungen deutlich mehr als die antibindenden WW in der ekliptischen Konformation). 52

Konformationsisomere von Propan Von Propan existieren eine stabile und labile Konformation und unendlich viele dazwischenliegende Konformationen. 3 C C 3 Torsionsbarriere im Propan: 3,4 kcal/mol = 14,2 kj/mol 2 kj/mol kommen im Vergleich zu Ethan durch zusätzliche Van der Waals-Abstoßung zwischen C 3 und dazu. Für 2-Methylpropan erhöht sich die Rotationsbarriere um weitere 2 kj/mol durch Van der Waals-Abstoßung 53

Konformationsisomere von n-butan Für die Rotation um die Bindung C1-C2 ergeben sich praktisch dieselben Verhältnisse wie bei Propan (Ethyl statt Methyl). Der energetische Beitrag der Ethyl-Gruppe ist annähernd gleich wie bei der Methylgruppe. Das gilt auch für alle höheren n-alkane. 3 C 2 C C 2 C 3 Torsionsbarriere im Propan: 3,4 kcal/mol = 14,2 kj/mol 2 kj/mol kommen im Vergleich zu Ethan durch zusätzliche Van der Waals-Abstoßung zwischen C 2 C 3 und dazu. 54

Für die Rotation um die Bindung C2-C3 treten zusätzlich zu den ekliptischen und gestaffelten Konformationen noch sogenannte gauche- Konformationen auf, bei denen zwischen beiden Methylgruppen ein Winkel von 60 liegt. Torsionsbarrieren 0,9 kcal/mol = 3,8 kj/mol 5.3 3,6 kcal/mol = 15,1 kj/mol 5,3 kcal/mol = 22,2 kj/mol In Lösung liegen ca. 56% der Butan-Moleküle in der anti-konformation vor, ca. 44% in der gauche-konformation. 55

Konformationsisomere von Propen Während die C=C-Doppelbindung starr ist, kann Rotation um die C C 3 -Bindung stattfinden. Es gibt für Propen zwei charakteristische Konformationsisomere: eclipsed stabil bisecting labil Energieunterschied zwischen beiden Konformationen: 2 kcal/mol = 8,4 kj/mol 56

Grund für diesen Energieunterschied: 1) Bindende Wechselwirkungen zwischen dem π*-m der Doppelbindung und dem σ-m der beiden gestaffelten C -Bindungen. 2) Bindende Wechselwirkungen zwischen dem σ-m der C(sp 2 ) - Bindung und der synperiplanar dazu stehenden C(sp 3 ) -Bindung. π*-m σ-m σ-m σ*-m 3) Antibindende Wechselwirkungen zwischen dem π-m der Doppelbindung und dem σ-m der beiden bissecting C -Bindungen. 4) Antibindende Wechselwirkungen zwischen dem σ-m der C(sp 2 ) - Bindung und der synperiplanar dazu stehenden C(sp 3 ) -Bindung. π-m σ-m σ-m σ-m 57

Die bindenden Wechselwirkungen stabilisieren die ekliptische Konformation, die antibindenden Wechselwirkungen destabilisieren die bisecting-konformation. Sterische Wechselwirkungen spielen keine Rolle (Abstand der s zu groß). 247 pm 242 pm Abstände für sterische Wechselwirkungen zu groß! Andere, noch denkbare Wechselwirkungen spielen theoretischen Rechungen zufolge nur eine untergeordnete Rolle. 58

Konformationsisomere von 1-Buten Bei 1-Buten ergeben sich neue Aspekte, wenn man die Rotation um die C2 C3-Bindung betrachtet. Die Rotation um die C3 C4-Bindung entspricht ungefähr den Verhältnissen bei Propan. Theoretische Rechnungen ergeben folgende Verhältnisse: E 3 C 0,5 kcal/mol 3 C 2,0 kcal/mol C 3 0,0 kcal/mol C 3 2,0 kcal/mol 0 60 120 180 59

C 3 C 3 3 C 264 pm C 3 272 pm +0,5 kcal/mol 0,0 kcal/mol +2,0 kcal/mol +2,0 kcal/mol A B C D Konformation A: Bindende Wechselwirkungen zwischen den σ-rbitalen der C--Bindungen der C 2 -Gruppe mit dem π*-rbital der Doppelbindung führt zur Stabilisierung dieser Konformation. Sterische inderung zwischen der Methylgruppe und dem syn-ständigen an der Doppelbindung führt zur Destabilisierung. etto: geringe Destabilisierung Konformation B: keine sterische inderung zwischen den beiden synständigen -Atomen. Stabilisierung durch σ-π*-wechselwirkung zwischen Methyl-Gruppe und einerseits und der Dopopelbindung andrerseits. Konformatiopn C: Destabilisierung durch σ-π-wechselwirkung zwischen Methyl und sowie der Doppelbindung. Konformation D: elektronische und sterische Destabilisierung. 60

Konformationsisomere von 3-Methyl-1-Buten Bei 3-Methyl-1-Buten liegen analoge Verhältnisse wie bei 1-Buten vor, nur in verstärkter Form. C 3 C 3 C 3 C 3 C 3 3 C C 3 C 3 Stabilisierung durch Wechselwirkung von σ-ms von C-C 3 - und C-- Bindungen mit π* der C=C-Doppelbindung. Destabilisierung durch sterische inderung und abstoßender Wechselwirkung zwischen besetzten π-ms der Doppelbindung und besetzten σ-ms von C-C 3 - und C--Bindungen. Allylspannung: Sonderfall der sterischen inderung bei Allylsystemen. Man unterscheidet zwischen 1,3-Allylspannung und 1,2-Allylspannung. 61

Konformationsisomere von cis-4-methyl-2-penten Bei cis-4-methyl-2-penten treten im Vergleich zu den vorherigen Molekülen zusätzliche sterische inderungen (Allylspannung) auf. 3 C C 3 C 3 3 C 1,3-Allylspannung C 3 C 3 3 C 3 C C 3 1,2-Allylspannung C 3 3 C C 3 Allylspannung ist ein wichtiger Effekt bei stereoselektiven Reaktionen von Doppelbindungen. 62

Konformationsisomere von Aldehyden und Ketonen Aldehyde und Ketone können als eteroallylsysteme aufgefasst werden. Deshalb bestimmen dieselben elektronischen und sterischen Effekte die Stabilität der verschiedenen Konformationen. Für Acetaldehyd existieren (analog zu Propen) zwei Konformationen: eclipsed und bisecting. eclipsed stabil σ(c-)- π*-ww bisecting labil σ*(c-)- π(c=c)-ww und σ(c-)- σ(c-)-ww Energieunterschied zwischen beiden Konformationen: 1,2 kcal/mol = 4,9 kj/mol (geringer als bei Propen wegen polarisierter C=-Doppelbindung!!!). 63

Propionaldehyd existiert prinzipiell in vier Konformationen: eclipsed, gauche und bisecting, wobei die ersten beiden den größten Anteil im Konformerengleichgewicht ausmachen. 3 C C 3 3 C C 3 C 3 C 3 C 3 3 C Stabilität nimmt ab Für Ketone ergeben sich entsprechende Verhältnisse, wenn man das Aldehyd- durch die jeweilige Alkylgruppe ersetzt. 64

Konformationsisomere von Carbonsäurederivaten Carbonsäuren und Derivate liegen bevorzugt (>> 90%) in der Z- Konformation vor. Man verwendet hier zur Konformationsbezeichnung die Konfigurationssymbole Z und E, weil die C--Einfachbindung teilweise Doppelbindungscharakter hat. R R' R + R' R R' R + R' E-Konformation Z-Konformation Die Z-Konformation wird durch Dipol-Dipol-WW und durch n-σ*- Überlappung stabilisiert, während die E-Konformation durch Van-der- Waals-Abstoßung destabilisiert wird. Die E-Konformation kann durch Ausbildung von kleinen, normalen und mittleren Ringen erzwungen werden. Bei macrocyclischen Lactonen liegt jedoch wieder Z-Konformation vor. 65

In Amiden besitzt die C--Bindung ebenfalls deutlichen Doppelbindungscharakter. Die Umwandlung der Konformationsisomere ineinander erfolgt so langsam, dass man beide Konformere im 1 -MR-Spektrum nebeneinander beobachten kann. Die bevorzugte Konformation ist wie bei den Estern die Z-Konformation. Die Gründe dafür sind analog zu den bei den Estern genannten. R R' R + R' R R' R + R' Carbonsäuren und Anhydride verhalten sich wie Ester. Carbonsäurehalogenide verhalten sich wie Aldehyde. 66

Konformationsisomere von Biphenylderivaten Biphenylderivate mit mindestens zwei verschiedenen ortho- Substituenten besitzen eine Chiralitätsachse, sind aber Konformationsisomere. Je größer die Substituenten sind, um so eingeschränkter ist die Rotation. Bei zwei oder mehr sehr großen Substituenten können die beiden enantiomeren Konformationsisomere isoliert werden. Bei vier verschiedenen Substituenten können die Enantiomere immer getrennt werden, ausser wenn zwei Substituenten Fluor sind. Isolierbare Konformationsisomere bezeichnet man als Atropisomere. Beispiele: C 2 C C C 2 2 2 67

1.3.2. Konformationen cyclischer Moleküle Baeyer nahm 1885 an, dass alle cyclischen Verbindungen eben sind. Dann sollten alle Ringe außer Cyclopentanderivaten gespannt sein (Baeyer-Spannung), weil der Innenwinkel der Ringe mehr oder weniger stark vom Tetraederwinkel abweicht. Im 5-Ring betragen die Innenwinkel 108, wodurch sich eine praktisch spannungsfreie Anordnung ergibt. Bereits 5 Jahre später konnte Sachse zeigen, dass die Baeyersche Annahme exakt nur für Cyclopropan gilt. Konformationsisomere von Cyclopropan Cyclopropan ist eben und stark gespannt. Allerdings sind Cyclopropane stabiler, als sie auf Grund der hohen Bayer-Spannung sein dürften. Erklärung mit ilfe des Walsh-Modells. Die C-Atome sind sp 2 -hybridisiert. 2 sp 2 -ybridorbitale an jedem C binden die Wasserstoffe. Die C-C- Bindungen werden durch p-rbitale gebildet und das nicht benötigte sp 2 - ybridorbital überlappt mit den anderen in der Mitte des Rings. 68

Konformationsisomere von Cyclobutan Cyclobutan-Derivate sind nicht eben. Sie liegen in der sogenannten Butterfly-Konformation vor. Der Knickwinkel beträgt ca. 28. 28 Durch dieses Umklappen werden die einzelnen Beiträge zur Ringspannung minimiert (Pitzer-Spannung + Baeyer-Spannung). Die ebene Form stellt einen Übergangszustand dar im Maximum der Rotationsbarriere, die für Cyclobutan ca. 6,0 kj/mol beträgt. Der Umklappvorgang findet permanent statt und ist ein sehr schneller Prozess. 69

Konformationsisomere von Cyclopentan Cyclopentan-Derivate sind nicht ganz eben. Sie liegen in der sogenannten Envelope-Konformation vor, wodurch auch hier die Ringspannung minimiert wird. e e a a a e i i i i Die einzelnen Positionen bezeichnet man als axial a, equatorial e und isoclin (gleicher Winkel). Für unsubstituiertes Cyclopentan spielt diese Unterscheidung keine Rolle, da das Umklappen ein sehr schneller Prozess ist. MRspektroskopisch beobachtet man bei Raumtemperatur nur eine Sorte von -Atomen. 70

Konformationsisomere von Cyclohexan Sachse konnte 1890 zeigen, dass Cyclohexan und höhere Ringe praktisch ringspannungsfrei werden, wenn man eine nicht-ebene Konformation annimmt. Cyclohexan kommt in verschiedenen Konformationen vor: Sessel, albsessel, Twist und Wanne. Diese Konformationen werden durchlaufen, wenn ein Sessel in den spiegelbildlichen umklappt. 71

In monosubstituierten Cyclohexaanderivaten nimmt der Ring immer diejenige Konformation an, in der der Substituent eine equatoriale Position besetzt (Minimierung der 1,3-diaxialen Wechselwirkung). Bei mehrfach substituierten Cyclohexanderivaten stellt sich immer die stabilste Konformation ein (kleine Substituenten axial, große Substituenten equatorial). Größere Ringe verhalten sich analog zu Cyclohexan und nehmen wenn immer möglich eine Zick-Zack-Konformation ein. Generell sind größere Ringe fast so flexibel wie offenkettige Moleküle. Cyclohexen liegt in der albsesselkonformation vor. 4 C-Atome in einer Ebene, eine C 2 -Gruppe über der Ebene, eine C 2 -Gruppe darunter. 72

1.4. Zusammenfassende Klassifikation von Isomeren Isomere Enantiomere Diastereomere Konstitutionsisomere Konfigurationsisomere Konformationsisomere Konstitutionsisomere Stereoisomere Isomere 73

Beispiele zur Übersicht C C 3 C 3 C Enantiomere speziell: Konfigurationsisomere Enantiomere speziell: Konformationsisomere C C C Diastereomere C speziell: Konfigurationsisomere Diastereomere speziell: Konformationsisomere 74

Wichtige Eigenschaften von Stereoisomeren Stereoisomere sind entweder Enantiomere oder Diastereomere. Enantiomere haben dieselben skalaren Eigenschaften: Bildungsenergie, Löslichkeit, Siedepunkt, MR-Spektren usw. Diastereomere haben grundsätzlich unterschiedliche Eigenschaften: Bildungsenergie, Löslichkeit, Siedepunkt, MR-Spektren usw. In chiraler Umgebung verhalten sich Enantiomere wie Diastereomere, weil sie z.b. mit chrialen Lösungsmitteln wechselwirken und dadurch kurzlebige Diastereomere mit unterschiedlichen Eigenschaften entstehen. 1:1-Mischungen von Enantiomeren nennt man Racemate. Racemate werden vor dem amen der Verbindung durch (±) oder rac. oder (RS) gekennzeichnet. Zur Quantifizierung von Mischungen von Enantiomeren gibt man ee (enantiomeric excess) oder er (enantiomeric ratio; von UPAC bevorzugt!) an. %ee = %(Enantiomer 1) %(Enantiomer 2) er = %(Enantiomer 1) : %(Enantiomer 2) 75

2. Analytik von Stereoisomeren 2.1. Analytik von Diastereomeren Da Diastereomere prinzipiell unterschiedliche Moleküle sind, mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften, sind sie in achiraler Umgebung unterscheidbar. Es gibt es theoretisch immer die Möglichkeit, Diastereomere zu trennen. Unterschhiedliche Löslichkeit Umkristallisation oder Verteilungschromatographie Unterschiedliche Wechselwirkung mit Kieselgel, Aluoxid usw. Adsorptionschromatographie Unterschiedliche Siedepunkte Destillation oder Gaschromatographie Unterschiedliche chemische Verschiebung im MR MR- Spektroskopie 76

2.2. Enantiomeranalytik und Racematspaltung Enantiomere sind in achiraler Umgebung nicht unterscheidbar. Enantiomere sind nur in chrialer Umgebung unterscheidbar. Man kann Enantiomere auf zwei Arten analysieren oder trennen: a) in chiraler Umgebung oder b) durch Überführung in Diastereomere. 2.2.1. Analytik von Enantiomeren in chiraler Umgebung Die Unterscheidbarkeit von Enantiomeren in chiraler Umgebung basiert darauf, dass sich intermediär Diastereomere bilden, die sich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Die chirale Umgebung kann durch chirale Lösungsmittel, chirale Stationärphasen in der Chromatographie, chirale Zusätze zu achiralen Lösungen von Enantiomeren usw. realisiert werden. 77

Trennung von Enantiomeren durch Chirale Stationärphasen Durch Wechselwirkungen von Enantiomeren mit chiralen Stationärphasen in der Chromatographie bilden sich kurzfirstig diastereomere Aggregate mit unterschiedlichen Eigenschaften. E + S S E S S E + S S E S S E und sind die zu analysierenden Enantiomere S S ist die chirale Stationärphase E Wenn die diastereomeren Aggregate unterschiedliche Stabilitäten haben (unterschiedliche Gleichgewichtskonstanten der obigen Gleichgewichte), dann findet entlang der chiralen Stationärphase eine Trennung der Enantiomere statt. Im Laufe der Zeit sind zahlreiche chirale Stationärphasen entwickelt worden. Sie werden in der GC, PLC, CE usw. eingesetzt. Die wichtigsten chiralen Stationärphasen sind inzwischen kommerziell erhältlich. 78

Peptidphasen (Gil-Av, Bayer) 79

Cyclodextrinphasen (Schurig, König) 80

Pirkle-Pasen (Pirkle) 81

Cellulose-Phasen Die chromatographische Enantiomerentrennung wird eher selten zur präparativen Gewinnung von einzelnen Enantiomeren verwendet. Sehr oft benutzt man analytische PLC an enantiomerenreinen Stationärphasen zur Bestimmung von ee-werten oder er-werten. 82

2.2.2. Trennung von Enantiomeren durch Überführung in Diastereomere Durch enantiomerenreine Reagenzien lassen sich Diastereomere erzeugen, die dann auf herkömmliche Art und Weise getrennt werden können. ach Abspaltung des enantiomerenreinen Reagenz erhält man die getrennten Enantiomere. Mischungen von enantiomeren Säuren können mit enantiomerenreinen Alkoholen zu diastereomeren Estern umgesetzt werden, die dann destillativ, durch Umkristallisieren oder durch Chromatographie getrennt werden können. Cl Cl C C Cl C DCC / DMAP Cl C Umgekehrt kann man Mischungen von enantiomeren Alkoholen durch Verestern mit enantiomerenreinen Säuren in diastereomere, trennbare Ester umwandeln. 83

Alternativ kann man Mischungen von enantiomeren Säuren auch durch enantiomerenreine Basen in diastereomere Salze überführen, die man dann z.b. durch Kristallisation trennen kann. Cl C + Cl 3 2 C Cl Cl 3 + C C Racemische Amine lassen sich entsprechend mit enantiomerenreinen Säuren trennen. Eine häufig verwendete Säure ist die Mosher-Säure. Me CF 3 C F 3 C Me C R-Mosher-Säure S-Mosher-Säure 84

2.2.3. Enantiomeranalytik mittels MR- Spektroskopie Enantiomere sind MR-spektroskopisch nicht unterscheidbar wenn sie nicht miteinnander wechselwirken. Wenn Wechselwirkungen zwischen Enantiomeren der gleichen Konfiguration auftreten, kann man sie ebenfalls nicht unterscheiden. Treten Wechselwirkungen zwischen den Enantiomeren mit entgegengesetzter Konfiguration auf, dann besitzt a) ein Racemat (ee = 0) andere chemische Verschiebungen als die reinen Enantiomeren (ee-bestimmung mit MR unmöglich) und b) eine Mischung der Enantiomeren mit ee > 0 zeigt zwei Sätze von Signalen, aus deren Intensitätsverhältnis man den ee berechnen kann. Treten keine Wechselwirkungen zwischen den Enantiomeren auf, dann kann man durch Zusatz enantiomerenreiner MR-Shiftreagenzien intermediär Diastereomere erzeugen, die ee-bestimmungen mittels MR möglich machen. 85

2.2.4. Konfigurationsbestimmung mittels MR- Spektroskopie Für secundäre Alkohole kann man die Absolutkonfiguration bestimmen, indem man eine Probe des Alkohols mit der Konfiguration X mit dem R- Enantiomer eines geeigneten Säurederivats in den Ester mit der Konfiguration RX und eine zweite Probe des Alkohols mit dem S- Enantiomer des Säurederivats in den Ester mit der Konfiguration SX überführt. Geeignete Säurederivate sind R- und S-Mosher-Säure (Methoxy-triflourphenyl-acetic acid MTPA) oder R- und S-Mandelsäure (Methoxy-phenylacetic acid MPA) neben vielen anderen seltener verwendeten Phenylessigsäurederivaten. Me CF 3 F 3 C Me Me Me C C C C Dann bestimmt man für jede Gruppe von -Atomen i die Werte Δδ RS ( i ) = δ RX ( i ) δ SX ( i ) 86

Es ergeben sich generell Werte für Δδ RS ( i ) die für bestimmte positiv sind, für andere negativ. Die synthetisierten Ester haben in Lösung eine definierte Konformation, in der der Phenylring für anisotrope chemische Verschiebungen in den Substituenten links und rechts vom Chiratitätszentrum sorgt. X Me X R X Me S Δδ R ( i ) = δ RX ( i ) δ X ( i ) > 0 Δδ S ( i ) = δ SX ( i ) δ X ( i ) < 0 Δδ R ( i ) = δ RX ( i ) δ X ( i ) < 0 Δδ S ( i ) = δ SX ( i ) δ X ( i ) > 0 Δδ RX ( i ) = δ R ( i ) δ S ( i ) > 0 Δδ SX ( i ) = δ R ( i ) δ S ( i ) < 0 Analog verhalten sich auch die MTPA-Ester. 87

Wenn man im Ester vom Chiralitätszentrum der Säure zum Chiralitätszentrum des Alkohols schaut, dann befinden sich alle -Atome mit Δδ RS ( i ) > 0 rechts im Molekül. Alle -Atome mit Δδ RS ( i ) < 0 befinden sich links im Molekül. Analoges gilt für primäre Alkohole, bei denen das Chiralitätszentrum das direkt benachbarte C-Atom ist und entsprechend für primäre und secundäre Amine. Beispiel: 2-Pentanol mit unbekannter Konfiguration 1 3 5 R-MPA 1 3 5 S-MPA 1 3 5 R-MPA DCC / DMAP DCC / DMAP S-MPA 88