Theoretische Informatik für Wirtschaftsinformatik und Lehramt

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Transkript:

Theoretische Informatik für Wirtschaftsinformatik und Lehramt Universelle Turingmaschinen und Church sche These Priv.-Doz. Dr. Stefan Milius stefan.milius@fau.de Theoretische Informatik Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg SS 2016 1 / 16

Gliederung 1 Lernziele 2 Universelle Turingmaschine 3 Eine unberechenbare Funktion 4 Church sche These 5 Zusammenfassung 2 / 16

Worum geht es in diesem Abschnitt? (I) Bislang: Berechnungfähigkeit arithmetischer Funktionen f : N k N durch: Turing-Maschinen Hauptergebnis jetzt: LOOP- und WHILE-Programme Berechenbarkeit durch folgende Algorithmenmodelle ist gleichwertig Turing-Maschinen, WHILE-Programme und µ-rekursive Funktionen Church sche These 3 / 16

Alonzo Church Amerikanische Logiker und Mathematiker Wichtige Beiträge zu: mathematischer Logik Grundlagen der theoretischen Informatik Bekannte Entdeckungen: λ-kalkül, Unentscheidbarkeit von Hilberts Entscheidungsproblem, Church-Rosser-Satz Alonzo Church (1903 1995) Quelle: Wikipedia Church sche These (auch Church-Turing-These) Die Klasse der intuitiv berechenbaren Funktionen stimmt mit der Klasse der Turing-berechenbaren Funktionen überein. 4 / 16

Lernziele universelle Turingmaschinen kennen und erklären die unberechenbare Busy-Beaver-Funktion kennen und erklären die Church sche These kennen und erklären 5 / 16

Universelle Turingmaschine 6 / 16

Turing-Maschinen versus WHILE-Programme Wiederholung: Satz 7.6 Jede WHILE-berechenbare Funktion ist Turing-berechenbar. Jetzt: Satz 8.1 Jeder Turing-berechenbare Funktion ist WHILE-berechenbar. Schlüssel zum Beweis: Turing-Maschinen und ihre Rechnungen als natürliche Zahlen kodieren Kodierungstechnik bekannt als Gödelisierung (nach dem österreichischen Mathematiker Kurt Gödel) 7 / 16

Kurt Gödel Österreichischer Logiker, Mathematiker und Philosoph Einer der wichtigsten Logiker überhaupt. großer Einfluss auf wissenschaftlich-philosophisches Denken. Bekannte Entdeckungen: Unvollständigkeitssätze, Konsistenz des Auswahlaxioms und der Kontinuumshypothese mit den Axiomen der Mengenlehre Kurt Gödel (1906 1978) Quelle: Wikipedia Gödels 1. Unvollständigkeitssatz Jedes konsistente formale System, dass genug Aussagen über natürliche Zahlen ermöglicht ist unvollständig, d.h. es gibt wahre Aussagen, die in der Sprache des Systems ausdrückbar aber nicht beweisbar sind. 8 / 16

Gödelnummer Betrachte nur TM mit Σ = {0, 1}: M = (Z, {0, 1}, Γ, δ, z 0 ) wobei OBdA Z {z 0, z 1, z 2,...}, Γ {a 0, a 1, a 2,...} (Mengen {z 0, z 1, z 2,... } und {a 0, a 1, a 2,... } fest vorgegeben) Elemente von Z und Γ sind genau die in δ vorkommenden z i bzw. a j. Jedem Übergang in δ (z i, a j ) (z i, a j, X s ) (wobei X 0 = L, X 1 = R, X 2 = N) wird der Code code r = 0 i 10 j 10 i 10 j 10 s zugeordnet code 1,..., code n seien alle derartigen Codes. Dann ist c(m) = 111code 1 11code 2 11 code n 111 die Gödelnummer von M. (Beachte: c(m) Binärzahl.) 9 / 16

Universelle Turing-Maschine Satz 8.2 Es gibt eine Turing-Maschine M u über Σ = {0, 1} mit Eingabe: TM-Code und Eingabewort c(m)w Verhalten: M u verhält sich wie M auf Eingabe w Man nennt M u die universelle Turing-Maschine. Bemerkungen: es gibt auch ein universelles WHILE-Program (für Eingaben über Σ = {, }; eine Art TM-Simulator) dieses Programm liefert dann den Beweis von Satz 8.1. Sätze 7.6 und 8.1 liefern: eine Funktion ist Turing-berechenbar genau dann wenn sie WHILE-berechenbar ist. 10 / 16

Eine unberechenbare Funktion 11 / 16

Fleißige Biber Betrachte die Funktion β : N N mit β(0) = 0 β(n) = größte Zahl k, die eine TM mit n Zuständen auf ein leeres Band schreiben und danach halten kann TM beginnt mit leerem Band, schreibt k und hält am Ende Solche TM heißen fleißige Biber. Einige (Schranken für) Werte von β(n): n 1 2 3 4 5 6 β(n) 1 4 6 13 4098 > 3,514 10 18276 Satz 8.3 (Tibor Radó, 1962) Die Busy-Beaver-Funktion β ist nicht Turing-berechenbar. 12 / 16

Eine unberechenbare Funktion 13 / 16

Church sche These Entwicklung der Berechenbarkeitstheorie: Andere Ansätze zur Formalisierung des Berechenbarkeitsbegriffs wurden untersucht (einschließlich Chomsky-Grammatiken und RAM) alle diese Ansätze haben sich als gleichwertig erwiesen Rechfertigung für: Church sche These (auch Church-Turing-These) Die Klasse der intuitiv berechenbaren Funktionen stimmt mit der Klasse der Turing-berechenbaren Funktionen überein. deshalb spricht man daher meist nur von berechenbaren statt von Turing-berechenbaren, WHILE-berechenbaren, µ-rekursiven,... (usw.) Funktionen Fazit: Berechenbarkeit durch Turing-Maschinen umfasst alle algorithmischen Berechnungsmöglichkeiten 14 / 16

Konsequenz Was ist zu tun, wenn gezeigt werden soll, dass eine Funktion f berechenbar ist? Wir konstruieren (je nachdem, was für die Aufgabe am geeignetsten ist) eine Turing-Maschine, die f berechnet, oder ein WHILE-Programm, das f berechnet, oder eine µ-rekursive-funktion für f. Aus der Turing-Berechenbarkeit, der WHILE-Berechenbarkeit oder der µ-rekursivität von f folgt dann die Berechenbarkeit von f. 15 / 16

Zusammenfassung 1 Lernziele 2 Universelle Turingmaschine 3 Eine unberechenbare Funktion 4 Church sche These 5 Zusammenfassung 16 / 16