Zum Zusammenhang von Wertschätzung, Produzenten- und Arbeitsstolz im Rahmen des Projektes PflegeWert

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Transkript:

Projektgruppe PflegeWert Zum Zusammenhang von Wertschätzung, Produzenten- und Arbeitsstolz im Rahmen des Projektes PflegeWert Diskussionspapier Nr.1 im Rahmen des Projektes PflegeWert 1

Copyright: MA&T GmbH, Würselen, dip e.v. Köln, CBT mbh, Köln Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim, Gemünd Würselen, Köln, Gemünd im Dezember 2009 2

3

Gliederung 1. Einführung...5 2. Stationäre Altenpflege in Deutschland...6 2.1. Situation der Altenpflege in Deutschland...6 2.2. Kunden, Kundenzufriedenheit und Qualitätsmessverfahren in der Altenpflege...9 3. Wertschätzung und Stolz auf die eigene Arbeit...11 3.1. Produzentenstolz bei Facharbeitern in der Industrie...12 3.2. Wertschätzung und Produzentenstolz in der Dienstleistungsarbeit...15 3.3. Wertschätzung und Stolz in der stationären Altenpflege...17 4. Zusammenfassung und Ausblick...26 5. Literatur...27 4

1. Einführung Obwohl der Begriff Wertschätzung im deutschen Sprachraum sehr geläufig ist und auch in der Führungs- und Managementliteratur Verwendung findet, ist er in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in Bezug auf den Arbeitsbereich soziale Dienstleistungen und insbesondere die altenpflegerische Arbeit nicht ausreichend bearbeitet. Hier setzt das Forschungsprojekt Optimierung und Innovation in der Altenpflege durch systematisierte Wertschätzung, kurz PflegeWert benannt, an. Es möchte die Wirkmechanismen von Wertschätzung in der stationären Altenpflege analysieren und Hinweise erarbeiten, ob und wie aus einer Förderung von Wertschätzung nicht nur punktuell positive Emotionen hervorgerufen werden, sondern Stolz auf die Arbeit als Einstellung entstehen kann. Darauf aufbauend sollen Empfehlungen und best-practice-beispiele - auch in Richtung auf weitere Bereiche der sozialen Dienstleistung - entwickelt werden. Das Projekt PflegeWert geht davon aus, dass Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege auf fünf Ebenen erfahrbar ist. Diese fünf Ebenen bilden den Untersuchungs- und Gestaltungsfokus für das Projekt: 1) Erleben von Wertschätzung aus einer fachlich guten und transparenten Arbeit; 2) Erleben von Wertschätzung aus einer guten Kommunikationsbeziehung mit den Kundinnen und Kunden und ihren Angehörigen; 3) Wertschätzung durch Team und Vorgesetzte; 4) Wertschätzung als Bestandteil der Organisationskultur und 5) Wertschätzung durch Gesellschaft und Umwelt. Der hier vorliegende Beitrag stellt als Arbeitspapier Überlegungen aus der aktuellen Startphase des Projekts PflegeWert vor und möchte diese Ausgangsüberlegungen so mit Interessent/inn/en aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden diskutierbar machen. Dabei ist dem Projektteam der unvollendete Charakter und das Entwurfsstadium dieser Überlegungen bewusst. Nach einer kurzen Darlegung der aktuellen Situation der stationären Altenpflege in Deutschland und ihrer Besonderheiten und Herausforderungen (Kpt. 2) soll der Geschichte, der Bedeutung und der inhaltlichen Füllung der beiden Begriffe bzw. Konstrukte Wertschätzung und (Produzenten-) Stolz nachgespürt werden. Hierbei stehen sowohl pflegewissenschaftliche als auch arbeitswissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Argumentationsweisen im Vordergrund, aber auch Überlegungen und Erfahrungen, die nicht direkt einer wissenschaftlichen Tradition oder einer universitären Fachrichtung zuzuordnen sind, werden einbezogen (Kpt. 3). Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung und ein Ausblick auf die kommenden Arbeitsschritte im Projekt PflegeWert (Kpt. 4). 5

2. Stationäre Altenpflege in Deutschland Zu Beginn dieses Beitrags erfolgt eine knappe Beschreibung der stationären Altenpflege in Deutschland, die ja das grundlegende Untersuchungs- und Gestaltungsfeld im Projekt PflegeWert darstellt. 2.1. Situation der Altenpflege in Deutschland Von den gesetzlich als pflegebedürftig eingestuften und unterstützten 2,25 Mio. Personen im Jahr 2007, wurden rund 1,03 Mio. Personen zu Hause ausschließlich durch Angehörige, Nachbarn oder andere Formen einer informellen Unterstützung versorgt. Insgesamt konnten unter Hinzuziehung professioneller ambulanter Dienste ca. 1,54 Mio. Menschen zu Hause versorgt werden. Zeitgleich steigt aber auch der Bedarf an vollstationärer Versorgung von pflege- und hilfebedürftigen Personen. Eine zunehmende Nachfrage drückt sich in dem wachsenden Anteil an pflegebedürftigen Personen, die im vollstationären Bereich versorgt werden (ca. 33%) aus. Korrespondierend stieg die Zahl der Heime zwischen 1999 und 2007 um insgesamt 23,6% an. In ähnlichem Umfang (23,8%) stieg auch die Zahl der verfügbaren Plätze in den vollstationären Einrichtungen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2008). Mit diesem Wachstum und der damit verbundenen zunehmenden Marktbedeutung des Gesundheitssektors geht auch ein Beschäftigungswachstum einher. In der Gesamtheit wurden 2007 im Vergleich zum Jahr 1999 ca. 30% mehr Personen beschäftigt das statistische Bundesamt nennt in dem Pflegebericht 2007 die Zahl von 800 000 Beschäftigten allein in der Altenpflege (574.000 in stationären Pflegeeinrichtungen und 236.000 in ambulanten Pflegediensten) (Statistisches Bundesamt, 2008, S.12). Hierbei sind es vor allem die Pflegefacharbeiter, die einen relevanten Zuwachs erfahren haben. Während Gesundheits- und Krankenpfleger/innen um ca. 30% mehr eingestellt wurden, sind es vor allem die fachexaminierten Altenpflegenden und die Altenpflegehelfer/in, die mit Zuwachsraten von 60% deutlich dominieren (vgl. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2009). In der Gesamt-entwicklung betrachtet ist damit der Trend hin zur professionellen Versorgung eindeutig nachweisbar. Gleichzeitig steigen der Anspruch und die Beanspruchung im Berufsfeld der Pflege. In einer internationalen Vergleichsstudie zur Situation von Pflegekräften zeigte sich, dass in Deutschland der Wunsch nach Berufsausstieg verbunden ist mit dem Ausmaß der Arbeitsdichte, dem Ausmaß an Beeinflussung des Privatlebens durch die Arbeit (dies insbesondere in der stationären Altenpflege, vgl. Hasselhorn u.a. 2009)) und dem Ausmaß an fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf (vgl. Simon u.a. 2005). Pflegepersonal in den Altenheimen in Deutschland gerät unter einen zunehmenden Druck (vgl. dip, 2003/2004). Ursache dafür sind die vielfach erhöhten Anforderungen etwa durch die deutliche Zunahme von altersverwirrten Bewohnern und den Anstieg von medizinisch-pflegerischen Arbeiten durch therapeutische Weiterversorgungen nach frühzeitiger Krankenhausentlassung. Zugleich wachsen die Ansprüche von Bewohnern und ihren Angehörigen an die stationäre Versorgung. Ferner nehmen die Anforderungen administrativer Art durch mehr Bürokratie und neue Qualitätssicherungsmaßnahmen ebenfalls spürbar zu. 6

Diese Mehrarbeit muss das Pflegepersonal bei stagnierenden bzw. abnehmenden Ressourcen leisten. Die Fachkraftquote (d.h. das Verhältnis von qualifiziertem Pflegepersonal zu nicht-qualifiziertem Personal), die in den Einrichtungen gesetzlich bestimmt bei 50% liegen muss, wird mitunter bereits unterschritten. Die Folgen sind Prozesse der Arbeitsverdichtung sowie die Zunahme von Überstunden, häufigere und längere Krankheitsausfälle unter dem Personal. (vgl. Pflege-Thermometer 2003). Dies bestätigen auch Zahlen des Deutschen Altenpflege-Monitors 2009. 76 % der Befragten wünschen sich mehr Zeit für die Bewohner. Diese Zeit geht ihnen aufgrund verwaltungstechnischer Aufgaben verloren. 72 % beklagen, dass die vermehrte Bürokratisierung zu Lasten pflegerischer Aufgaben geht. Die Pflegekräfte spüren auch bei ihren Kunden den Wunsch nach mehr Zeit. Die knappe Personaldecke in der Pflege macht sich in den Aussagen zur Fachkräfte- und Krankheitsquote bemerkbar: 66 % sind davon überzeugt, dass der pflegerische und organisatorische Aufwand besser mit einer höheren Fachkraftquote bewältigt werden könne, 60 % beklagen, dass es regelmäßig Engpässe gäbe, wenn Kollegen durch Krankheit oder Urlaub ausfallen. Im DAK-Gesundheitsreport 2007, aber auch weiteren Untersuchungen (vgl. BGW; vgl. Schmidt, Neubach 2006) wurden die Gesundheitsberufe erstmalig als herausragende Gruppe der gesundheitsgefährdeten Berufe geführt. Neben den klassischen Muskel-Skelett-Erkrankungen treten zunehmend auch psychische Störungen auf. Die pflegerische Versorgung in der stationären Altenhilfe ist im Schichtsystem organisiert. Generell weisen Studien darauf hin, dass im Vergleich zu Normal- Arbeitszeit-Beschäftigten, Schichtarbeit dadurch gekennzeichnet ist, mit höheren körperlichen Belastungen und fehlender Unterstützung von Vorgesetzten einher zu gehen sowie fehlende Handlungsspielräume in der Gestaltung der eigenen Arbeit aufzuweisen (vgl. Beermann, 2008). Allerdings führt nicht nur das Schichtsystem dazu, dass Pflegekräfte überlegen, ihren Beruf aufzugeben, sondern auch die Art und Weise der Arbeitsorganisation und der Dienstplangestaltung können die Bindung an eine Einrichtung vermindern (vgl. Oginska u.a., 2005). Gleichwohl gaben 89% der Pflegefachkräfte an, trotz härter werdender Rahmenbedingungen gern in der Altenpflege zu arbeiten und 86 % sind mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden (vgl. Deutscher Altenpflege-Monitor 2009). Eine aktuelle Untersuchung zu Berufsverläufen von Altenpflegekräften in Deutschland ergab, dass eine grundsätzlich hohe Bindung an den Beruf vorzufinden ist. Fachkräfte kehren nach, meist familiär bedingten, Berufsunterbrechungen häufig in den Beruf zurück. Der Wiedereinstieg in den Beruf kann durch mitarbeiterorientiertes Management begleitet und Unterbrechungszeiten verkürzt werden (vgl. Schmid/Larsen, 2009). Allerdings ist bei Pflegenden im europäischen Vergleich der Gedanke, den Beruf aufzugeben, relativ hoch. Hinter Großbritannien und Italien belegt Deutschland einen vorderen Platz (vgl. Hasselhorn u.a., 2005). Der Dienstleistungsbereich der Pflege stellt zudem einen wesentlichen Sektor für Frauenarbeitsplätze dar. Traditionell arbeiten in diesem Feld vor allem weibliche 7

Kräfte. Im Jahr 2007 gab es bei den beschäftigten Altenpflegekräften, die in (voll)stationären Einrichtungen der Altenhilfe arbeiteten, einen Frauenanteil von 82%. Untersuchungen zu Arbeitsbelastungen in der Pflege ergeben, dass Frauen im Vergleich mit Männern einen höheren Anspruch an ihre Arbeit haben und zum Über- Erfüllen von Anforderungen und stärkerer Erschöpfung tendieren (vgl. Hasselhorn u.a., 2005). Des Weiteren sind in der Altenpflege heterogene Teams bezüglich der Berufsqualifizierung üblich. So sind nicht nur unterschiedlich qualifizierte und ausgebildete Pflegefachkräfte (Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege) anzutreffen, sondern auch Angehörige weiterer sozialer Dienstleistungsberufe (Sozialarbeiter /innen, Heilerziehungspfleger/innen etc.), Beschäftigte der Hauswirtschaft (insbes. Reinigung und Küche) sowie Hilfskräfte (inkl. Zivildienstleistenden). Üblich in der stationären Altenpflege sind Hierarchiestufen wie Wohnbereichs-, Gruppen- oder Teamleitungen, Pflegedienstleitungen und Geschäftsführer, Heimleiter/in bzw. Einrichtungsleiter/in. In der Gesamtheit betrachtet sind in der stationären Altenpflege Teamstrukturen vorhanden, die sich wesentlich auf flache Hierarchiestufen und gemeinschaftliche Entscheidungsspielräumen begründen. Pflegende Mitarbeiter/innen, die Art, Inhalt und Abfolge ihrer Arbeitsschritte weitestgehend selbst bestimmen können, sind zufriedener und weisen ein geringeres Erkrankungsrisiko auf (vgl. Simon u.a., 2005). Ebenso wirkt sich der Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsplans in der Altenpflege positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus (Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatbereich). Schmid und Larsen (vgl. 2009) heben hervor, dass unterstützende Arbeitsbedingungen in der Altenpflege positiv auf die Mitarbeiterbindung wirken und durch Qualifizierung der Führungskräfte gefördert werden können. Ergebnisse der Next-Studie zeigen, dass die Zusammenarbeit mit den Pflegedienstleitungen in Deutschland weniger häufig als in anderen Ländern als freundlich eingestuft wird (vgl. Hasselhorn, 2005); häufig beschreiben Mitarbeiter/innen in der Altenpflege durch eine geringe Partizipation eine Minderung ihrer Motivation. Interessant für die Betrachtung der Zusammenhänge und Wirkungsweisen von Wertschätzung und Stolz auf die eigene Arbeit sind, neben der Untersuchung von Belastungen und Rahmenbedingungen, welche positiv wirkenden Faktoren es in der Altenpflege gibt. Klein und Gaugisch (vgl. 2005) betonen in ihrer Aufarbeitung des Stands der Forschung bezüglich Belastungen und Beanspruchungen in der Altenhilfe u.a. mit Verweis auf Zimber und Weyerer (1999), dass die soziale Unterstützung durch die Kolleginnen und Kollegen sowie durch Führungskräfte und ein gutes Betriebsklima zu den wesentlichen Ressourcen gehören, die es den in der Altenhilfe bzw. Altenpflege Beschäftigten ermöglichen, die mit ihrer Arbeit verbundenen Belastungen zu bewältigen. Ähnliches zeigen Braun und Müller für den gesamten Pflegeberuf auf. Einerseits beschreiben Sie, dass 65% der von ihnen befragten Pflegekräfte unter dem beruflichen Zeitdruck leiden. Sie zeigen aber auch positive Faktoren der Pflegearbeit auf. 8

Der Abwechslungsreichtum (88%) und auch die Teamunterstützung (68%) spielen bei den positiven beruflichen Ressourcen eine wichtige Rolle. (vgl. Braun, Müller, 2005). Ergebnisse einer breit angelegten aktuellen Studie im Auftrag der Initiative neue Qualität der Arbeit (vgl. 2007) bezüglich Anforderungen der Beschäftigten an gute Arbeit zeigen auf, dass sich Mitarbeiter/innen vor allem ein sicheres Einkommen wünschen. Wichtige weitere Anforderungen, um Arbeit als gut zu empfinden und zufrieden zu sein sind Arbeit soll Spaß machen (Platz 3), Behandlung als Mensch durch Vorgesetzte (Platz 4), Förderung der Kollegialität (Platz 6), Arbeit soll als sinnvoll empfunden werden (Platz 8) und Auf Arbeit stolz sein können (Platz 9). Diese Kategorien sind von Interesse für das Projekt PflegeWert, Abschließend lässt sich festhalten, dass vielfach eine gute Bindung der Altenpflegekräfte an ihre Einrichtungen zu beobachten ist (vgl. Simon u.a. 2005). 2.2. Kunden, Kundenzufriedenheit und Qualitätsmessverfahren in der Altenpflege Die Kunden der Altenpflege sind überwiegend alte Menschen, die entweder zu Hause oder im Heim gepflegt und betreut werden. Dabei ist besonders zu beachten, dass in den letzten Jahren der Anteil chronisch Erkrankter, demenziell sowie altersdepressiv veränderter Personen wächst. Erhebungen in vollstationären Einrichtungen zeigen, dass mittlerweile mit einem Anteil von ca. 60% gerechnet werden kann (vgl. Weidner/Isfort, 2004). Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf zunehmend schwieriger werdende direkte Rückmeldungen an die Pflegenden durch die Bewohner/innen sowie auf konkrete Rückmeldungen zur Qualität der geleisteten pflegerischen Arbeit. Jenseits verbaler Ausdrucksformen müssen bei den dementsprechenden Klient/innen auf vielfältige emotionale und nonverbale Signale geachtet werden, um deren Zufriedenheit einschätzen zu können. Daneben nehmen in vielen Fällen die Angehörigen ebenso einen besonderen Kundenstatus ein. Sie sind die Vertreter der Bedürftigen und transportieren ihrerseits Vorstellungen über die Qualität der Pflege, die nicht in jedem Falle deckungsgleich mit den Vorstellungen der Verantwortlichen in den Heimen und denen der Pflegebedürftigen sein müssen. Als Kunden im erweiterten Sinne können darüber hinaus auch die Vertreter/innen von Kostenträgern (Sozialamt, Pflege- und Krankenkassen, MDK etc.) identifiziert werden. Sie prüfen im Rahmen der gesetzlichen Aufsichtspflicht die Einrichtungen und geben ihrerseits direkte Rückmeldungen zur festgestellten Qualität der Versorgung und der damit in Verbindung stehenden Prozesse und eingesetzten Verfahren (wie z.b. der Pflegeplanung und -dokumentation). Es kann davon ausgegangen werden, dass im stationären Versorgungsbereich, wie für den ambulanten Bereich und die Krankenhäuser (vgl. Pflege-Thermometer 2007), ein bedeutsamer Zusammenhang aus Pflegekapazität, d.h. Zahl, Qualifikation und Motivation von einsetzbarem Pflegepersonal, und Pflegeergebnis im Sinne von Pflegequalität und Patientensicherheit anzunehmen ist. 9

In der aktuellen internationalen Literatur (vgl. Scott-Cawiezell/Vogelsmeier, 2006; vgl. Bostick u.a., 2006; vgl. Castle/Engberg, 2006) zeigen sich deutliche Hinweise, dass sich Arbeitsbedingungen und Personalausstattung von stationären Altenpflegeeinrichtungen nicht nur auf die Berufszufriedenheit des Personals, sondern darüber hinaus direkt auf die Versorgungsqualität, die Effizienz der Versorgung sowie auf die Bewohnersicherheit auswirken. Gemessen werden hier Indikatoren wie Kosten, Anzahl von Stürzen, Anzahl von Druckulzerationen und weitere Qualitätsindikatoren. Generell werden in aktuell verwendeten Modellen zur Messung pflegerischer Arbeitsbelastung (Nursing Workload) Elemente wie Arbeitsumgebung und Unterstützung durch Pflegemanagement als integraler Bestandteil aufgenommen. (vgl. Aiken u.a., 2004). Kundenzufriedenheit in der stationären Altenpflege hängt demnach auch mit der Versorgungsqualität und also auch mit der Sicherheit der Bewohner/innen (Verhindern von Verletzungen, Sturzprophylaxen etc.) zusammen. Zukünftig werden vollstationäre Einrichtungen auf der Basis eines neuen Prüfkatalogs (Pflege-Transparenzvereinbarung stationär, PTVS, 2008) mit zusammenfassenden Schulnoten bewertet, die in der Einrichtung entsprechend ausgewiesen werden müssen. In der Ende 2008 in Kraft getretenen Pflege-Transparenzvereinbarung sind dies die folgenden fünf Bereiche: 1. Pflege und medizinische Versorgung 2. Umgang mit demenzkranken Bewohnern 3. Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung 4. Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene 5. Befragung der Bewohner Mitarbeiter/innen der Wohnbereiche und in der Betreuung und Hauswirtschaft haben nicht in allen diesen Bereichen eine gleich große Einflussmöglichkeit. Gleichwohl ergeben die Indikatoren in der Gesamtheit eine Bewertung mit nur einer Note. Die Mitarbeiter/innen sind somit nicht unmittelbar in allen Bereichen für die von außen festgestellte und bewertete Qualität der Versorgung verantwortlich, was die Rückmeldeprozesse komplizierter erscheinen lässt. Es lässt sich aus den Kriterien, die Berücksichtigung finden, ableiten, dass sich bei bestehender guter pflegerischer Qualität der Versorgung nicht automatisch gute Bewertungen ergeben müssen. Irritationen zu Fragen der Qualität und der damit verbundenen Wertschätzung altenpflegerischer Arbeit sind zu erwarten. Die beschriebene Heterogenität der stationären Altenpflege sowie die aktuellen Entwicklungen in der altenpflegerischen Arbeit sind bei der Beforschung von Wertschätzung der pflegerischen Arbeit und Stolz auf die eigene pflegerische Arbeit aufzugreifen und zu beachten. 10

3. Wertschätzung und Stolz auf die eigene Arbeit Das Projekt PflegeWert möchte die Wirkmechanismen von Wertschätzung in der stationären Altenpflege analysieren und Hinweise erarbeiten, ob und wie aus einer Förderung von Wertschätzung nicht nur punktuell positive Emotionen hervorgerufen werden, sondern Stolz auf die Arbeit als Einstellung entstehen kann. Damit knüpft das Projekt auch an Überlegungen an, wie Produzentenstolz in der produzierenden Industrie entsteht und ob und wie die dort beschriebenen Wirkmechanismen auf soziale Dienstleistungen wie die Altenpflege übertragen werden können (vgl. BMBF, 2007, S. 4). Wertschätzung als Alltagsbegriff ist oft verbunden mit Respekt, Achtung, Wohlwollen und Anerkennung und drückt sich aus in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit, und Freundlichkeit. Wertschätzung kann ich gegenüber mir selbst empfinden, aber auch anderen gegenüber ausdrücken. Nicht nur empfangene sondern auch gegebene Wertschätzung erhöht das Selbstwertgefühl. Im Projekt PflegeWert gehen wir davon aus, dass der Umgang mit Wertschätzung in einem Unternehmen oder in einer sozialen Einrichtung beeinflussbar und entwickelbar ist. Wir wissen aber auch, dass Menschen mit hohem Selbstwert öfter eine wertschätzende Haltung anderen gegenüber haben und auch von anderen oft wertgeschätzt werden. Dieses Selbstwertgefühl ist jedoch nicht nur von der Arbeit sondern von vielen Faktoren auch aus den privaten Lebenszusammenhängen der Menschen abhängig (vgl. u.a. Antonovsky, Franke, 1997). Obwohl diese Einschränkung bekannt ist, orientiert das Projekt PflegeWert auf die Aspekte von Selbst- und Fremd- Wertschätzung, die in Arbeitszusammenhängen auftreten und beeinflussbar sind. Grundsätzlich verfolgen wir in PflegeWert den Gedanken, dass hohe Wertschätzung zu Stolz führt, wobei wir zur Zeit noch um den richtigen Begriff ringen: Arbeitsstolz, Berufsstolz, Dienstleistungsstolz oder Produzentenstolz in der Pflege sind dabei diskussionswürdige Begriffe. Stolz wird in der Literatur oft als ein in Verhalten und Haltung eines Menschen sich ausdrückendes Selbstwertgefühl verstanden. Stolz ist die Wahrnehmung der eigenen Tüchtigkeit, der großen Zufriedenheit mit sich selbst. Es ist die subjektive Gewissheit, etwas Besonderes oder Anerkennenswertes geleistet zu haben und daran mitzuwirken. Stolz führt zu einer Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls und drückt sich solange die Anerkennung der Leistung Allgemeingültigkeit besitzt auch positiv auf Ausdrucks- und Körperreaktion und die Wahrnehmung durch andere aus (vgl. Holodynski, 2004). Stolz auf eigene Leistungen wird nur dann positiv verstanden ( gesunder Stolz, vgl. Horney, 2007), wenn die Leistung als Wert für die Gemeinschaft allgemein gesellschaftlich anerkannt wird. Es wird angenommen, dass Stolz - ebenso wie bei Ärger, Ekel, Furcht, Traurigkeit, Überraschung und Freude, eine elementare Emotion ist. Inwieweit Wertschätzung zu Stolz führen kann und wie sich ein solcher Stolz evtl. positiv für Beschäftigte und Unternehmen auswirkt ohne in eine negative Hybris ü- bersteigert zu werden, sind Forschungsfragen im Projekt PflegeWert. 11

Ein erster Zugang zur Beschäftigung mit dieser Problematik ist in Anknüpfung an die Ausschreibung Dienstleistungsqualität durch professionelle Arbeit (BMBF, 2007) in einer Analyse der Begrifflichkeit Produzentenstolz in der Produktionsfacharbeit gegeben, die wir im folgenden Kapitel 3.1 dieses Textes aufnehmen. Im anschließenden Kapitel 3.2 wird der Frage nachgegangen, was die Konstrukte der Wertschätzung und des Stolzes auf die eigene Arbeit für den sozialen Dienstleistungsbereich der altenpflegerischen Arbeit bedeuten könnten. 3.1. Produzentenstolz bei Facharbeitern in der Industrie Bezogen auf die Produktion ist es common sense, dass Produzentenstolz existiert und mit zum Erfolg deutscher facharbeitsgestützter Produktionsbetriebe des 20.en und 21.en Jahrhunderts beigetragen hat und weiter beiträgt. Bezogen auf die Dienstleistungs-Facharbeit wird dieses Konstrukt und dieser Begriff in jüngster Zeit zunehmend diskutiert (vgl. z.b. AK DL der FES, 2005, S.5 ). So weist Gouthier in seinem Vortrag vor dem AK Dienstleistungen der Friedrich Ebert Stiftung 2005 darauf hin, dass Produzentenstolz eine als angenehm empfundene Emotion bzw. ein positiv wahrgenommenes Gefühl eines Produzenten (im Weiteren eines Mitarbeiters) darstellt (Gouthier, 2005, S. 12, in Anlehnung an Lewis 2000). Er führt im folgenden weiter aus, dass Produzentenstolz als emotionales Resultat eines Bewertungsprozesses angesehen werden kann, bei dem eine selbstproduzierte Arbeitsleistung die eigenen Erwartungen an selbige erfüllt bzw. über erfüllt, d.h. als Erfolg gewertet wird. Damit entstehe ein positives Gefühl des eigenen Wertes (Selbstwertgefühl) (Gouthier, 2005, a.a.o., in Anlehnung an Fischer/Tangney 1995; Harter 1985; Küpers/Weibler 2005; Schützwohl 1993). In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konstrukt Produzentenstolz und der kognitionspsychologischen Debatte um Selbstwirksamkeit gibt (White, 159, Bandura, 2000) Blickt man in der Literatur weiter zurück, dann bezieht sich Gouthier u.a. auf die amerikanische Management-Forschung und das Konzept des Positive Organizational Scholarship (POS)(vgl. Peterson, C., Park, N.,2006). Ringlstetter u.a. verweisen im einleitenden Kapitel ihres Buches zum Positiven Management 2006 darauf, dass die Bewegung POS beachtliche Aufmerksamkeit gewonnen hat (Harvard Business Review Breakthrough Idea 2004) und versucht, innovative und interdisziplinäre Zugänge zu positiven Phänomenen zu gewinnen. POS wiederum knüpft an der Positiven Psychologie von Martin Seligman u.a. an. Seligman zielt mit seinen Untersuchungen auf das optimale menschliche Funktionieren, hat aber primär das individuelle Glück im Fokus und ist erst sekundär an Fragestellungen interessiert, die seine Forschungen in Organisationszusammenhänge stellt (Seligman, 2002). Wenn Ringlstetter u.a. ihr Konzept eines Positiven Managements aus der amerikanischen POS-Literatur ableiten, dann liegt der Fokus nicht darauf, Management für Mitarbeiter/innen und Gesellschaft positiv wirken zu lassen, sondern primär zielt das Positive Management darauf ab, positive Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Mitarbeiter/innen und positive organisationale Phänomene aus Sicht der Unternehmensführungen steuer- und nutzbar zu machen (Ringlstetter u.a., 2006, S. 6.). 12

Dieser betriebswirtschaftlichen Orientierung Produzentenstolz als für Unternehmensleitungen nutzbar zu machendes Phänomen stehen arbeitswissenschaftliche Grundlagen und Erfahrungen, aber auch politischen Aussagen z.b. von verdi u.a. entgegen, bei denen Produzentenstolz erst einmal eine Reaktion von Beschäftigten auf eigene Leistungen oder Leistungen des Unternehmens ist, die es im Sinne der Mitarbeiter/innen zu fördern gilt. Wenn in der Arbeitswissenschaft z.b. gefordert wird, dass Arbeit ausführbar, schädigungslos, beeinträchtigungsfrei und persönlichkeitsförderlich (Hacker, 1986, Hacker u.a. 1982) sein soll, dann liegt die Prämisse zu Grunde, dass das Ziel arbeitswissenschaftlich fundierter Gestaltungsbemühungen erst einmal Gesundheit und Wohlbefinden, ja sogar Persönlichkeitsförderlichkeit für den/die Mitarbeiter/innen sein soll und nicht primär Gestaltung im Sinne der Interessen der Unternehmensführungen. Folgt man allerdings den Ausführungen verschiedener Autoren (Katzenbach, 2003, Arnet u.a., 2002) dann sind diese Ziele nicht gegeneinander gerichtet, sondern Mitarbeiter- und Unternehmensinteressen können bei der Förderung von Produzentenstolz durchaus übereinstimmen. Allerdings ist aus der Debatte um Wertschöpfung und Wertschätzung und aus verschiedenen Projekten zur betrieblichen Vertrauenskultur bekannt, dass ein instrumenteller Umgang mit den Emotionen der Beschäftigten zwar kurzfristig Wertschöpfung und Produktivität erhöhen kann, mittel- und langfristig aber wenig erfolgreich ist (Cernavin, 2007, Reick u.a. 2007, Frevel, 2009). Wenn von Produzentenstolz bei Facharbeitern in der Industrie gesprochen wird, beziehen sich die entsprechenden Forschungsergebnisse i.d.r. auf den Typ Facharbeiter, der nach der Lehre in seinem mittleren bis großen Ausbildungsbetrieb geblieben ist und sich in diesem wachsenden Unternehmen eine sichere Position erarbeitet hat. Im Unternehmen und im Arbeitsprozess selbst ziehen erfahrene Facharbeiter in der produzierenden Industrie ihr Selbstbewusstsein zuerst aus ihrer individuellen Arbeit, also dem Erzielen guter Arbeitsergebnisse z.b. mit ihrer Maschine, dann aus der Wertschätzung durch die Kollegen (und Vorgesetzten) und schließlich aus der Bedeutung ihrer Arbeit für das Unternehmen (Fuchs-Frohnhofen, 1994: S. 15). Hilfreich für die Entstehung von Produzentenstolz ist darüber hinaus die Herstellung eines identifikationsfähigen Endprodukts (PKW, z.b. Opel, Daimler,,Traktor, z.b. Deutz, John-Deere,, Waschmittel, z.b. Dalli, Henkel,, Werkzeugmaschine, z.b. Gildemeister, Trumpf,, ) oder die Einbettung der eigenen Produkte in eine als sinnvoll eingeschätzte Wertschöpfungskette (z.b. in der chemischen Grundstoffindustrie). Neben der eigenen Einschätzung des Produktes spielt natürlich die Anerkennung, die das Produkt und das Unternehmen in der Gesellschaft hatte, ebenfalls eine wichtige Rolle für den Produzentenstolz. So sind in der produzierenden Industrie 4 Einflussebenen auf die Entstehung von Produzentenstolz zu beobachten: - Stolz durch die positive Bewertung des Produktes oder Arbeitsergebnisses durch den/die Mitarbeiter/in selbst - Stolz auf Grund einer positiven sozialen Bewertung von Produkt und Arbeitsleistung durch Kollegen, Führungskräfte, Unternehmen 13

- Stolz durch die positive Bewertung von Teil- oder Endprodukt durch Kunden und Gesellschaft - Stolz durch eine multifaktoriell positive Bewertung des Unternehmens, bei dem der/die Mitarbeiter/in arbeitet und als dessen (wichtiges) Element er sich fühlt. Diese 4 Einflusswege sind in Bild 2 dargestellt. Erbrachte Arbeitsleistung Einbettung des Teilprodukts ein Gesamt-/Endprodukt (Teil) Produkt Bewertung des Arbeitserzeugnisses durch den Mitarbeiter selbst Bewertung durch Kunden/ Gesellschaft Soziale Bewertung durch Kollegen / Unternehmer Soziale Erwartungen Eigene Erwartungen Im positiven Falle multifaktorielle gesellschaftliche Bewertung des Unternehmens (guter Arbeitgeber, innovatives Unternehmen, coole Werbung, ) Im positiven Falle Produzentenstolz Bild 2: Einflusswege für Produzentenstolz bei Facharbeitern in der produzierenden Industrie Stolz auf das Produkt und das Unternehmen, in dem man arbeitete das eigene Unternehmen konnte in vielen erfolgreichen Unternehmen des 20. Jahrhunderts leicht entstehen. Aussagen wie Ich bin Opelaner (vgl. Schirmbeck, 1988) oder Die Anilin (BASF = Badische Anilin und Sodafabrik) ist eine gute Firma (Abelshauser, W. 2002) stehen für diesen Stolz. Eine wachsende Wirtschaft mit erfolgreichen Unternehmen, stabilen Arbeitsplätzen und in der Öffentlichkeit positiv bewerteten Produkten unterstützt natürlich die Entstehung von Produzentenstolz. Die Zerschlagung von Unternehmen in selbständige Einheiten, die z.b. verschiedenen Besitzern gehören, ein negatives Image des Managements in der Öffentlichkeit, Entlassungen oder Probleme der Kunden mit dem Produkt schädigen den Produzentenstolz. Insofern wird aufmerksam zu beobachten sein, wie sich das Konstrukt Produzentenstolz in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise weiter entwickelt. 14

3.2. Wertschätzung und Produzentenstolz in der Dienstleistungsarbeit Wurde im vorherigen Kapitel dem Konstrukt Produzentenstolz in der produzierenden Industrie nachgespürt, soll nun die Übertragung des Konzeptes Produzentenstolz in der Dienstleistungsarbeit thematisiert werden. Auch hier gilt analog zur Produktionsarbeit: Arbeitnehmer, die stolz auf ihre geleistete Arbeit, ihre Arbeitsgruppe und ihr Unternehmen sind, setzen sich an ihrem Arbeitsplatz engagierter ein, sind kreativer und weisen ein erhöhtes Wohlbefinden auf (vgl. Gouthier 2006, S. 93; Verbeke et al. 2004). Im Gegensatz zu der Arbeit in Handwerk und Industrie zeichnet sich die Dienstleistungsarbeit durch Immaterialität aus. Das bedeutet, dass das Produkt, an dem sich der Produzentenstolz in der Produktion sichtbar (wie sieht es aus?) und messbar (wie schnell, leistungsstark, sicher etc. funktioniert mein Produkt) materialisiert, in der Dienstleistung oft wenig greifbar und schnell vergänglich ist. Meine Dienstleistung wird z.b. in der Pflege im Moment des Leistens zur Vergangenheit zurück bleiben oft nur Erinnerungen bei mir und evtl. bei dem Bewohner, den ich gerade gepflegt habe, der aber vielfach schnell vergisst. Dies erschwert das Entstehen von Stolz auf die geleistete Arbeit. Außerdem sind die Qualitäts- und Wertmaßstäbe für Dienstleistungsarbeit oft nicht klar definiert. Ein weiteres Merkmal, das die Dienstleistungsarbeit von handwerklicher und industrieller Arbeit unterscheidet, ist ein externer Faktor, der im Erstellungsprozess der Dienstleistung eine zentrale Rolle spielt: der Kunde. Denn beispielsweise ist der Bewohner in der Pflege nicht nur Kunde und passiver Empfänger einer Dienstleistung, sondern er wirkt aktiv an ihrer Entstehung mit. Demnach ist der Kunde bei der Dienstleistung oft viel näher am Facharbeiter und könnte ihm eigentlich noch besser als der Kunde der Produktion eine direkte Rückmeldung zu der Dienstleistung geben. In der Pflege und in vielen sozialen Berufen jedoch ist der Kunde wegen seiner Abhängigkeit, seiner systemischen Verknüpfung und seinen psychisch emotionalen Problemen - von sich aus oftmals wenig geneigt oder wenig in der Lage, direkt eine Rückmeldung zu einer Dienstleistung zu geben oft kommt es hier auf die Beobachtungs- und Reflektionsgabe des Dienstleisters an, um den positiven Effekt der Dienstleistung beim Kunden zu erkennen. Produzentenstolz im Dienstleistungsbereich kann sich also prinzipiell aus einer guten Interaktionsarbeit in Verbindung mit positiver Rückmeldung des Kunden ergeben (vgl. Stauss 1998; Gabriel et al. 2005; Stauss 2001), diese Rückmeldefähigkeit des Kunden aber zu eindimensional in betriebliche Wertschätzungskonzepte zu integrieren, wäre gerade in sozialen Berufen unpassend. Wie bereits zum Stolz von Facharbeitern in der Industrie ausgeführt, kann Stolz entstehen, wenn die eigene Leistung die Erwartungen, die das Individuum an diese Leistung stellt, erfüllt oder übertrifft und das Individuum das positive Ergebnis als Resultat seiner Fähigkeiten oder Anstrengungen versteht. Wenn ein Individuum sich stark mit seinem arbeitgebenden Unternehmen oder seinem Arbeitsteam identifiziert, kann es auch Stolz für die Leistungen des Unternehmens und des Teams empfinden (vgl. Gouthier 2006, S.95, 96). 15

Bei persönlich-interaktiven Dienstleistungen, zu denen auch die Pflegeberufe gehören, spielt die Kundenbeteiligung eine wichtige Rolle, da die Dienstleistung direkt am Kunden und mit dem Kunden erbracht wird (Gouthier 2006, S.100). Daher gewinnen neben einer fachlichen Kompetenz vor allem Emotional- und Sozialkompetenz an Bedeutung und stellen spezielle Quellen zum Aufbau von Produzentenstolz von Dienstleistern dar (vgl. Gouthier 2006, S.100). Produzentenstolz von Dienstleistern beruht vor allem auf der Qualität von Prozessen und Interaktionen (vgl. Holtgrewe 2003, S.72). Aus genannten Gründen ist es aber gerade in sozialen Berufen gefährlich, wenn die eigene Tätigkeit vom Dienstleister nur dann als erfolgreich wahrgenommen wird, wenn der Kunde die Dienstleistung direkt und ausdrücklich positiv beurteilt. Die oftmals propagierten Kenngrößen wie Kundennutzen und Kundenzufriedenheit (vgl. Gouthier 2006, S. 100) sind zwar auch hier prinzipiell geeignet, sie müssen aber über einen längeren Zeitraum betrachtet und vor dem Hintergrund fachlicher Reflektionsfähigkeit gefiltert werden. Zusätzlich zu den Kundenerwartungen zeichnet sich die Dienstleistungsarbeit außerdem durch die Erwartungen des Mitarbeiters und der Organisation aus. Treten Erwartungsdifferenzen bzw. konflikte auf, z.b. wenn der Kunde an einer umfassenden Betreuung interessiert ist während das Unternehmen von seinen Mitarbeiter/innenn eine effiziente Auftragsabwicklung erwartet, erschwert dies den Aufbau von Produzentenstolz (vgl. vom Holtz 1998). Bei der Herausbildung von Produzentenstolz auf Organisationsebene spielen vor allem Ereignisse, die den Unternehmenserfolg widerspiegeln, eine wichtige Rolle (vgl. Arnett et al. 2002, S. 91; vgl. Göggelmann/Hauser 2004, S.29ff.). Dies können monetäre Erfolgsindikatoren wie die Veröffentlichung von erfolgreichen Unternehmenszahlen oder Leistungsfaktoren, wie eine gute Personalführung sein (vgl. Gouthier 2006, S. 101; vgl. Millonig 2003, S. 184). Auch Unternehmenswerte und ethik, ein positives Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit sowie eine hohe Kundenorientierung als Unternehmensgrundsatz fördern den Aufbau von Produzentenstolz (vgl. Göggelmann/Hauser 2004, S. 29ff; vgl. Gouthier 2006, S. 102). Stolz auf die Leistungen des eigenen Teams entsteht, wenn das Team positive Ergebnisse erzielt, wenn der Dienstleister ein positives Teamklima erlebt und wenn er professionalisierte Arbeitsprozesse im Team wahrnimmt (vgl. Gouthier 2006, S. 102). Bezüglich der Quellen des Produzentenstolzes auf der Individualebene lassen sich potenzial-, prozess- und ergebnisorientierte Quellen unterscheiden. Zu den potenzialorientierten Stolzquellen zählen das Erreichen einer höheren Position im Unternehmen, das Erwerben von Qualifikationsabschlüssen oder die Wahrnehmung der eigenen Bedeutung im Unternehmen. Eine erfolgreich ausgeführte Dienstleistung, z.b. eine positive Interaktion mit einem Kunden, ist eine prozessorientierte Quelle des Produzentenstolzes. Resultate eines gelungenen Arbeitsprozesses wie Kundenzufriedenheit oder best. durch die Dienstleistung erzielte positive Kundeneigenschaften ( schöner Haarschnitt, gut geschienter Arm etc.) lösen auf ergebnisorientierter Ebene Produzentenstolz beim Dienstleister aus (vgl. Gouthier 2006, S. 102; gl. Verbeke et al. 2004, S. 395; vgl. Vom Holtz 1998, S. 154ff.). 16

Insgesamt zeigen sich die Wirkungszusammenhänge des Themas Produzentenstolz bei der Dienstleistungsarbeit also vergleichbar mit der Produktionsarbeit, es gibt aber wichtige Unterschiede, die bei allen Ableitungen aus diesem Konstrukt zu beachten sind (Bild 3). Eigene Erwartungen und Ziele Vermutete oder geäußerte Erwartungen des Kunden-/Klienten Soziale Erwartungen, Team, Vorgesetzter, Angehöriger,,. Gesellschaft Bewertung durch den Kunden Erbringung einer Arbeitsbzw. Dienstleistung Ergebnis Bewertung von Dienstleistung und Ergebnis durch den/die Mitarbeiter/in Einbettung der einzelnen Dienstleistung in die Leistung der Organisation/Einrichtung Soziale Bewertung durch Team, Vorgesetzter, Angehöriger Im positiven Falle Im positiven Falle multifaktorielle gesellschaftliche Bewertung des Unternehmens (guter Arbeitgeber, innovatives Unternehmen, coole Werbung, ) Produzentenstolz Bild 3: Wirkzusammenhänge Produzentenstolz Dienstleistungsarbeit 3.3. Wertschätzung und Stolz in der stationären Altenpflege In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion werden die Begriffe Wertschätzung und Stolz, wie oben angeführt, zurzeit häufig in Bezug auf Dienstleistungsberufe betrachtet. Hierbei wird zunehmend deutlich, dass dies auch in Bezug auf soziale Dienstleistung und damit auch für die Arbeit in der Altenpflege vonnöten ist. Dieser Forderung und der Frage, was dies für das Arbeiten in der stationären Altenpflege bedeuten könnte, wird im Folgenden nachgegangen. Erleben von Stolz in der altenpflegerischen Arbeit Im Zusammenhang zu den vorangegangenen Ausführungen lässt sich für das Entstehen von Stolz auf die eigene pflegerische Arbeit folgendes übertragen: Wenn ein/e Mitarbeiter/in in der stationären Altenpflege bspw. einer Bewohnerin / einem Bewohner Essen anreicht, dann orientiert sie ihr/sein Verhalten an bestimmten Erwartungen: 17

1. Orientierung an den eigenen Erwartungen und Zielen bzgl. der pflegerischen Tätigkeit o das sind Erwartungen an die pflegefachliche Qualität o und Erwartungen persönlicher Art an die Durchführungsqualität der Tätigkeit 2. Orientierung an den Erwartungen oder Anforderungen der Bewohnerin / des Bewohners o diese können verbal geäußert werden o oder durch nonverbale oder erfahrungsgemäße Einschätzung kommuniziert bzw. vermutet werden 3. Orientierung an den Erwartungen des Teams und der Vorgesetzten o diese können tatsächlich geäußert werden (mündlich oder schriftlich) o oder sie werden aus Reaktionen und Erfahrungen der Vergangenheit interpretiert, z.b. aufmunternde und lobende Äußerungen oder negative Äußerungen und Blicke Ist die pflegerische Tätigkeit abgeschlossen, so liegt ein Ergebnis vor. Die/Der zu pflegende Bewohner/in hat ihre/seine Nahrung aufgenommen und ist zufrieden oder war nicht in der Lage die Nahrung aufzunehmen bzw. hat die Nahrungsaufnahme verweigert und ist nun hungrig und unzufrieden. Eine innerliche Bewertung der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters über ihre/seine geleistete Arbeit und des Ergebnisses dieser Tätigkeit erfolgt durch das Abgleichen der oben genannten Erwartungen mit dem erlebten Ergebnis bei der/dem Bewohner/in. Hierbei vergleicht die/der Pflegende die vorher angenommenen und bedachten Erwartungen mit den anschließend wahrgenommenen Bewertungen (die eigenen, die des Bewohners, des Teams, des Vorgesetzten etc.). Die beste Bewertung der geleisteten Arbeit wird gegeben, wenn die Erwartungen mit dem Ergebnis übereinstimmen. Es erfolgt eine positive innere Bewertung. Diese positive innere Bewertung, also die eigene Wertschätzung der eigenen Arbeitsleistung, ist eine Voraussetzung für die Entwicklung und das Empfingen von Stolz. Bevor allerdings der Produzentenstolz als eine positive Emotion oder weitergehend als positive Einstellung entwickelt bzw. empfunden werden kann, bezieht die/der Mitarbeiter/in ihre/seine Beurteilung innerlich noch auf zwei weitere Bewertungsebenen der Beurteilung: Organisationale und gesellschaftliche Anforderungen werden in Beziehung zu der eigenen Bewertung gesetzt. Bezogen auf diese beiden Bewertungsebenen fragt die/der Mitarbeiter/in sich innerlich: Habe ich das Gefühl, in einer Einrichtung zu arbeiten, die insgesamt gute Arbeit entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen und Wünsche der Bewohner/innen und seiner Angehörigen erbringt? 18

Nehme ich in meinem sozialen Umfeld (anhand der Darstellung in den Medien, privaten Gespräche oder Erlebnisberichten) wahr, das meine Einrichtung und mein Beruf gut angesehen ist? Wenn auch diese beiden Abfragen positiv beantwortet werden, wenn also auch auf diesen Ebenen Wertschätzung vorhanden ist, dann ist es möglich, Stolz als stabiles Grundgefühl (Einstellung) zu entwickeln und auch offensiv nach außen zu tragen. Voraussetzung für den Stolz auf die eigene Arbeit ist der oben beschriebene Wirkungs- und Bewertungszusammenhang. Dabei ist das Entwickeln und das Wahrnehmen von Stolz ein positives Gefühl auf Seiten der Mitarbeiter/innen. Auf Seiten der Bewohner/innen, des Arbeitgebers sowie der Kolleginnen und Kollegen existiert die Möglichkeit, diese Entwicklung positiv durch wertschätzende Maßnahmen zu beeinflussen. Werden die Leistungen der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters auf keiner Ebene Wert geschätzt, so wird es auch und trotz positiver Selbstbewertung schwierig für die/den Mitarbeiter/in, ihren/sein Stolz zu empfinden oder Stolz nach Außen zu tragen. Anhand dieses Beispiels lässt sich erkennen, dass gesunder Stolz über die eigene altenpflegerische Leistung entstehen kann, wenn ein Abgleich mit Erwartungen und Leistungen auf mehreren Ebenen (individuellen, beruflich-professionellen und gesellschaftlichen) positiv verläuft also auf diesen Ebenen Wertschätzung erfahren wird. Im Folgenden werden diese unterschiedlichen Ebenen der Betrachtung und Bewertungen näher beschrieben. Förderung von Stolz auf pflegerische Arbeit für verschiedene Ebenen der Wertschätzung Folgt man der vorangegangenen Logik über das Entstehen von Stolz auf die eigene Arbeit als positiver Emotion, die bei andauernder Bestätigung zu einer Einstellung werden kann, dann stellt sich die Frage, wie in der Pflege dazu beigetragen werden kann, dass diese Emotion gefördert werden kann. In der Pflege findet die eigentliche Wertschöpfung in einer professionellen Arbeitsund Kommunikationsbeziehung der Pflegekraft mit den Bewohner/innen statt. Die Rahmenbedingungen für diese direkte Arbeit mit den Kunden werden durch das Team, die Organisation und die Gesellschaft gestaltet. Wertschätzung wird einerseits von konkreten Personen ausgesprochen, andererseits werden sie durch Wertzuschreibungen in der Organisationskultur und der Gesellschaft vermittelt. Diese Ebenen der Wertschätzung stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind in Beziehung zueinander zu sehen. Sie können nicht gänzlich voneinander getrennt betrachtet und bewertet werden. Die folgende Abbildung stellt die Ebenen der Wertschätzung, für die pflegerische Arbeit schematisch dar: 19

Pflegekraft Gesellschaft + Umwelt Organisation Team Kommunikationsbeziehung Patient/in / Bewohner/in fachliche Beziehung Bild 4: Wertschätzungsebenen im System Altenpflege Ableitend können aktiv Maßnahmen auf diesen verschieden Ebenen erfolgen. Für die pflegerische Arbeit ergibt dies folgende Handlungsmöglichkeiten: a) (Selbst-)Bewertung guter Arbeit b) Rückmeldungen von Bewohner/in und Angehörigen c) Rückmeldungen durch das Team und die/den direkte/n Vorgesetzte/n d) Feedback und die Unterstützung der Pflegekräfte durch die Organisation e) Förderung der gesellschaftlichen Diskussionen und entsprechende Rückmeldung an die Pflegekräfte Im Folgenden werden diese Ebenen in Bezug auf die (alten)pflegerische Arbeit näher behandelt, indem die Handlungsmöglichkeiten und die in ihnen aufzufindende Besonderheiten dargelegt werden. a) (Selbst-)Bewertung guter Arbeit Dies umfasst erlebte Wertschätzung auf der Basis einer fachlich professionellen und transparenten Arbeit, welche sich in der fachlichen und sozio-emotionalen Beziehung zwischen der Pflegekraft und der/dem Bewohner/in widerspiegelt. Im Projekt PflegeWert wird diskutiert, wie eine Selbst-Wertschätzung aus einer fachlich guten Pflegearbeit angeregt werden kann. Mögliche Hilfsmittel hierbei können evtl. sein: Unterstützungssysteme für eine Reflektion und Orientierung der eigenen Arbeit wie QM-Systeme, Beschreibungen eines professionellen Pflegeprozesses o- der passende Assessmentinstrumente. Hierbei gilt allerdings zu beachten, dass Pflege eine Dienstleistung im uno-acto- Prinzip ist, in der die Erbringung der pflegerischen Leistung und der Empfang der 20

pflegerischen Leistung zusammenfallen. Die Pflegetätigkeit wird dabei täglich neu zwischen den Bewohner/innen und den Pflegenden ausgehandelt und unterliegt damit sowohl hinsichtlich der Entstehungsbedingungen als auch der eigentlichen Leistungserbringung unkalkulierbaren Schwankungen (vgl. Dorenkamp, 1998). Gleiches gilt auch für die Möglichkeit zur Begutachtung der Qualität der erbrachten pflegefachlichen Arbeit. Diese kann teilweise von Personen, die im Prozess der Erbringung nicht direkt beteiligt oder beobachtend tätig waren, nicht immer nachträglich nachvollzogen und tatsächlich bewertet werden. Eine weitere Besonderheit in der Wertschätzung der pflegefachlichen Arbeit besteht in einer spezifischen Form der Unsichtbarkeit der erzielten Ergebnisse. Es ist pflegefachlich anspruchsvoll, potenzielle Gefährdungen einer/eines Bewohnerin/Bewohners zu verhindern; da die Ergebnisse dieser Arbeit aber in dem Ausbleiben von Komplikationen bestehen, sind sie damit nur mittelbar erfassbar. Probleme in der wissenschaftlichen Stabilisierung der zur Risikoeinschätzung verwendeten Einschätzungsinstrumente (vgl. Kottner, 2008) erschweren eine direkte und unikausale Darstellung der pflegefachlichen Ergebnisse beim Einsatz prophylaktischer Maßnahmen. Weiterhin untrennbar verbunden mit der Qualität pflegerischen Arbeit sind zudem wertgebundene und wünschenswerte Verhaltensweisen wie zugewandtes Verhalten und offene Kommunikation. Diese lassen sich aber nicht direkt über die Erfassung von quantitativ erbrachten Leistungen abbilden. Um entsprechende Dimensionen der Pflegefachlichkeit sichtbar zu machen, sollten Reflexion- und Selbstbewertungsprozesse der eigenen pflegerischen Arbeit, wie bspw. Fallbesprechungen eine zentrale Rolle spielen. b) Rückmeldungen von Bewohner/in und Angehörigen Hierbei steht wertschätzendes Verhalten in der Arbeits- und Kommunikationsbeziehung zwischen der Pflegekraft und der/dem Bewohner/in sowie seinen Angehörigen im Mittelpunkt. Die Rückmeldung der Bewohner/innen und ihrer/seiner Angehörigen stellt eine direkte Quelle für die Einschätzung der Güte der geleisteten pflegerischen und betreuerischen Arbeit dar. Fällt die Beurteilung über die Güte der Versorgung positiv aus, kann dies als direkte Wertschätzung aufgefasst werden. In der Pflege ergeben sich allerdings Probleme aus der Tatsache, dass die direkte Kommunikation oft nicht mehr alleine durch verbale Kommunikation möglich ist. Bspw. die Zunahme an demenzerkrankten Bewohner/innen bzw. Pflegebedürftigen verlangt nach sensibleren Methoden der Wahrnehmung. Ein entsprechend vertieftes Verständnis für das Verhalten und die Reaktionsweisen der Klient/innen ist notwendig. Darüber hinaus benötigen Pflegekräfte für die Stabilisierung der Kommunikationsbeziehungen zu pflegebedürftigen Bewohner/innen Zugangsmöglichkeiten, die stärker emotionale Bindungen erlauben und helfen entsprechende Erfolge einzuschätzen. Zu diesen umfassenden Methoden zählen z.b. die Basale Stimulation (vgl. Bienstein, Fröhlich, 2003), Snoezelen (vgl. Löding, 2004) sowie das Konzept der Validation (vgl. Feil, 2007). Zudem haben in den letzten Jahren zahlreiche Verfahren in den Einrichtungen Einzug gehalten, die diese besondere Perspektive auf die Bewohner/innen einnehmen und Ergebnisse zu messen versuchen. Zu nennen ist beispielhaft die Überprüfung des Wohlbefindens demenzieller Klient/innen auf Ba- 21

sis eines umfassenden qualitativen Untersuchungsinstrumentes, dem Dementia Care Mapping (vgl. Innes/Müller-Hergl, 2004). Wertschätzung wird transportiert, indem mit der Anwendung der Konzepte es leichter wird die Beziehung zu den pflegebedürftigen Bewohner/innen einzuschätzen. Eine weitere Problematik in der pflegerischen Arbeit ergibt sich hinsichtlich der Frage nach der ausschließlichen Güte der Beurteilung der Qualität und der damit verbundenen ausgedrückten Wertschätzung durch die/den Klienten. Beschrieben wurde bereits, dass die Klient/innen als heterogen zu betrachten sind. Angehörige vertreten ggf. eine andere Meinung und äußern bei anderen Punkten Wertschätzung als die Bewohner/in dies selbst tun oder aber Mitarbeiter/innen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Beispielsweise kann eine fachlich sinnvolle Mobilisation eines Bewohners bei diesem auf Unverständnis stoßen, weil dies nicht seinem Bedürfnis entspricht. Hieraus ergibt sich ein Spannungsfeld, das eng mit der Fachlichkeit und der Wertschätzung über transparente Pflegearbeit korrespondiert. Daher muss der Dialog über diese Spannungsfelder mit den Mitarbeiter/innen geführt werden, damit nicht einseitig nur eine Dimension als eine heranzuziehende Wertschätzungskategorie betrachtet wird. c) Rückmeldungen durch das Team und die/den direkte/n Vorgesetzte/n In der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen zum Team und zu den direkten Vorgesetzten liegt die Möglichkeit für wertschätzendes Verhalten, indem beobachtete pflegerische Tätigkeiten und eine damit verbundene Bewertung an Kolleginnen und Kollegen bzw. Mitarbeiter/innen rückgekoppelt werden. Soziale Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen bzw. Führungskräfte und ein gutes Betriebsklima stellen wichtige Ressourcen zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen der Pflege dar (vgl. Klein, Gaugisch, 2005). Damit sie wirkungsvoll eingesetzt werden können, müssen sie regelmäßig und systematisch erfolgen. Der Erfolg von wertschätzenden Äußerungen ist davon abhängig, wie eingeübt und systematisch Verfahren zur gegenseitigen, wertschätzenden aber auch kritischen Würdigung von Arbeitsprozessen verwandt werden. Wertschätzung kann in der pflegerischen Arbeit also geäußert werden, indem die Güte der pflegerischen Arbeit anerkannt wird und indem innerkollegiale Rückmeldungen erfolgen. Dies kann sich bspw. auch in der Häufigkeit von Anfragen anderer Wohnbereiche bemerkbar machen. Ebenso kann auch die Besonderheit der Expertise einer/eines Mitarbeiterin/Mitarbeiters zu eine veränderten Aufgabenstellung und einer veränderten Funktion führen. Dies kann als Ausdruck der Wertschätzung im Team oder über Vorgesetzte gemeint bzw. verstanden werden. Für die systematische Betrachtung dieser Ebene muss geklärt sein, wer als Mitglied des Teams betrachtet wird und inwieweit die Integration von Mitarbeiter/innen anderer Arbeitsbereiche, z.b. Hauswirtschaftskräfte, Küche, Beschäftigungstherapeuten gelingt. Von Interesse ist, welche Maßnahmen der Wertschätzung Anwendung und Resonanz finden und wie diese Maßnahmen zu gestalten sind, damit sie wertschätzenden Charakter entfalten können. 22