Verbände zwischen Korporatismus und Pluralismus

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Transkript:

Politik Daniel Jesche Verbände zwischen Korporatismus und Pluralismus Studienarbeit

Daniel Jesche Hochschule Bremen Internationaler Studiengang Politikmanagement Sommersemester 2005 Verbände zwischen Korporatismus und Pluralismus Gliederung 1. Einleitung Seite 2 2. Was sind Verbände Seite 3 3. Verbandsforschung im Wandel Seite 4 4. Vergleich zwischen Pluralismus und Korporatismus Seite 6 4.1 Gemeinwohlorientierung bei Pluralismus und Korporatismus Seite 8 4 Literaturverzeichnis Seite 10 1

1. Einleitung Ziel dieser Arbeit ist es, darzustellen, worin der Paradigmenwechsel in der Verbandsforschung beim Wechsel von Pluralismus zu Korporatismus liegt und welche Implikationen dies aus gemeinwohlorientierter Perspektive mit sich bringt. Zuvor soll eine Einführung in den Sachverhalt der organisierten Interessenvertretung und der ihnen zugeschnittenen Forschung erfolgen. Verbände und ihr Verhältnis zum Staat stellen bis heute ein Thema von besonderem Interesse dar. Ihren vorläufigen Höhepunkt erlangte die Beschäftigung mit dieser Thematik unter anderem durch Philippe Schmitter und Gerhard Lehmbruch in der Korporatismusdebatte der siebziger und achtziger Jahre, gefolgt von einem leichten Rückgang der Publikationen, welcher nunmehr seit 1986 in ein stetiges Wachstum der verbandsbezogenen Literatur umgeschwenkt ist. 1 Dank dieses stark gestiegenen Problembewusstseins gestaltet es sich relativ leicht, an aktuelle Literatur zur Rolle der Verbände zu gelangen. Jedoch beschäftigte sich die Interessengruppen-Literatur im Zeitraum von 1946 bis 1995 nicht gleichmäßig mit einzelnen Interessengruppen und einzelnen Aspekten, wie etwa der internen Willensbildung, sondern bevorzugte etwa zur Hälfte einen allgemeinen Analyseschwerpunkt und bezog sich dabei zu fast 90 Prozent auf das Gesamtspektrum, oder ein Teilspektrum, hier vor allem Gewerkschaften und Unternehmerverbände. Literatur zu einzelnen Gruppen, sowie jene mit einem Analyseschwerpunkt auf die interne Willensbildung, das Kräftefeld, oder das Selbstverständnis der Verbände ist in dem genannten Zeitraum äußerst selten angefertigt worden. 2 1 Vgl. Czada, Roland,S.37-64,S.39, Konjunkturen des Korporatisms in: Streeck, Wolfgang (Hrsg.), PVS - Staat und Verbände, 1994. 2 Vgl. Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, 1997, S.19 2

2. Was sind Verbände? Der Terminus Verband ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Interessenorganisation, im anglo-amerikanischen pressure group. Unter ihn lassen sich drei Gruppen subsumieren: Zunächst sind damit all jene frei gebildeten Organisationen gemeint, die primär zum Zweck der äußeren Interessenvertretung ihrer Mitglieder gebildet wurden. Des Weiteren umfasst der Begriff öffentliche Institutionen, wie z.b. Kammern, die sich durch eine Zwangsmitgliedschaft auszeichnen. Zuletzt gelten auch Bürgerinitiativen und soziale Bewegungen als Verbände. 3 Das Feld der Interessenorganisationen ist also relativ breit gestreut. Was aber sind überhaupt Interessen? Inglehart unterscheidet zwischen materialistischen und postmaterialistischen Interessen. Zu ersteren gehören vor allem physische und ökonomische Sicherheit, zu letzteren vor allem Ästhetik, Ideen und Rechte, sowie Zugehörigkeitsinteressen. Klages zeigt, dass diese beiden Pole als ökonomische Dimension zusammengefasst und im Gegenspiel mit nichtökonomischen Interessen, die entweder libertär, oder autoritäre Ausprägungen annehmen können, zu einem klareren Blickfeld führen. 4 Nun stellt sich die Frage, warum einige Interessen in einer Gesellschaft zur Bildung von Interessenorganisationen führen, andere hingegen keine organisierte Form annehmen. Eine These könnte lauten, dass all jene Interessen, die von einem bedeutendem Teil der Gesellschaft geteilt werden und in ihrem Wesensgehalt nur durch Schaffung verbindlicher Regeln durch die Politik erfüllt werden können, für die Entstehung von festen Strukturen, also Verbänden prädestiniert sind. Auch gilt es, die implizite Prämisse in Frage zu stellen, nach der Verbände lediglich Interessenvertreter darstellen und keine Rückwirkung auf die Interessen ihrer Mitglieder haben. 3 Vgl. Rudzio, Wolfgang. Das politische System der BRD, 6. Aufl., S.72 4 Vgl. Sebaldt, Martin, Organisierter Pluralismus, 1997, S.44/45 3