d) Rentenversicherung und endogene Fertilität In früheren Zeiten sorgten Kinder für ihre alten Eltern ( intrafamiliäre Elternrente ). Beim In-die-Welt-Setzen von Kindern gab es deshalb wichtiges Investitionsmotiv (Dagegen Freude am Kind Konsummotiv ) Im Modell ( Skript 5.5) lässt sich zeigen: Bei intrafamiliärer Elternrente ist Fertilität (Geburtenrate) höher als bei umlagefinanzierter Rentenversicherung. Grund: Im Umlagesystem profitieren Rentner von den Kindern anderer Leute fiskalische Externalität 144
Vorschläge zur Internalisierung: Einbau einer Elternrente-Komponente in das UV-System Kindergeld Beide Ansätze sind im Prinzip äquivalent. Falls Bevölkerungswachstumsrate < Zinssatz, wirken beide Maßnahmen wie erwünscht effizienzerhöhend. e) Das Rentensystem in Deutschland e1) Die gesetzliche Rentenversicherung Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für große Teile der Bevölkerung. (Arbeiter, Angestellte, aber auch freischaffende Publizisten und Künstler) Für Beamte eigenes Versorgungssystem. 145
Selbständige sind nicht im GRV zwangsversichert, haben aber die Möglichkeit zu freiwilliger Mitgliedschaft. Beiträge proportional zum Lohneinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze von zur Zeit 5.200 / Monat (West) und 4.400 / Monat (Ost), Beitragssatz 2005: 19.5 % Bei Mini-Jobs (bis 400 pro Monat) pauschaler GRV-Abgabensatz von 12 % mit jedoch vermindertem Rentenanspruch. Hälftige Aufteilung der Beitragszahlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ( Wer wird effektiv belastet? Überwälzungsproblem). Beiträge reichen zur Finanzierung der Renten nicht aus: In 2003 gab es neben Beitragseinnahmen von 168 MRD einen Bundeszuschuss von 54 MRD. 146
Rente ( Altersruhegeld ) ab Altersgrenze 65 Jahre, bei vorherigen Renteneintritt kommt es zu Abschlägen. Für Rente Mindest-Versicherungzeit ( Wartezeit ) von 5 Jahren erforderlich. Bei Versicherungsdauer zählen auch Ersatz- und Ausfallzeiten zumindest teilweise (Ausbildung, Kindererziehung, ). Die GRV übernimmt auch Hinterbliebenenversorgung und Versorgung von Erwerbsunfähigen. Ursprünglich: (seit Bismarck) war GRV in Deutschland kapitalgedeckt. Seit 1957 (Adenauers Rentenreform) bzw. 1969 nur noch Umlageverfahren mit prinzipieller Beitragsäquivalenz (logischerweise bezogen auf Monatsrente und nicht auf Gesamtrente) 147
Kapital der GRV nur noch die laufend verminderte Schwankungsreserve. Wg. Einfluss der allgemeinen Lohnentwicklung gilt Beitragsäquivalenz nur für einzelne Jahrgänge (Kohorten) Der Zusammenhang zwischen früheren Beiträgen, aktuellen Einnahmen der GRV und aktuellen Renten ist kompliziert. Er wird durch Rentenformel hergestellt. Monatsrente = persönliche Entgeltpunkte x Rentenartfaktor x aktueller Rentenwert Rentenartfaktor beschreibt Einfluss des Rententyps auf Rentenhöhe z. B. Altersrente = 1 Witwenrente = 0.55 Rente wg. tw. Erwerbsminderung = 0.5 148
Persönliche Entgeltpunkte = Summe der Entgeltpunkte x Rentenzugangsfaktor Zugangsfaktor berücksichtigt Zeitpunkt des Renteneintritts. Bei Beginn der Rente vor 65 Abschlag von 3.6 % pro Jahr des vorgezogenen Renteneintritts. Entgeltpunkt (für einen Monat): Quotient aus eigenem beitragspflichtigen Einkommen und Durchschnittseinkommen (in betreffendem Jahr) Wo stand ich relativ in der Einkommenshierarchie. Beachte: Auch Kindererziehung bringt ohne Erwerbstätigkeit Entgeltpunkte: für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes sogar EP = 1! 149
Ähnliches gilt für beitragsfreie Zeiten z.b. wg. Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Schwangerschaft, Krankheit, Aktueller Rentenwert bestimmt sich gemäß folgender Formel. BEt 1 100vH AVAt 1 RVB t 1 RQ t 1 ARt = ARt 1x x x 1 α + 1 BEt 2 100vH AVAt 2 RVBt 2 RQt 2 AR t : aktueller Rentenwert BEt 1 :Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer im vergangenen Kalenderjahr gemäß den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen; BEt 2 : Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer im vorvergangenen Kalenderjahr, unter Berücksichtigung der Veränderung der beitragspflichtigen Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer ohne Beamte einschließlich der Bezieher von Arbeitslosengeld (die Definition weicht damit von BEt 1 ab); AVA : Altersvorsorgeanteil in vh. Er beträgt 0,5 vh in den Jahren 2002 und 2003 und steigt in Schritten von 0,5 Prozentpunkten auf 4,0 vh im Jahr 2010; RVB: Beitragssatz in der Gesetzlichen Rentenversicherung RQ: Rentnerquotient = Äquivalenzrentner/Äquivalenzbeitragszahler (JG 2003 Ziffer 346), α Gewichtungsparameter für die Veränderung des Rentnerquotienten; er beträgt 0,25. 150
Es handelt sich um Fortschreibungsformel, bei der es auf die Entwicklung folgender Größen ankommt Durchschnittlicher Bruttolohn Rentenbeiträge, wodurch ein Nettolohnbezug der Rente hergestellt wird. Schrittweise Erhöhung von AVA ( Riester- Treppe ) dient der Berücksichtigung privater 151
Altersvorsorgeaufwendungen. Sie wirkt rentenmindernd. Nachhaltigkeitsfaktor, der die Rentenhöhe vom Verhältnis der Zahl der Beitragszahler zur Zahl der Rentner abhängig macht. Berücksichtigung der demografischen Entwicklung (niedrige Geburtenrate, höhere Lebenserwartung) Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Durch Nachhaltigkeitsfaktor (seit 2005): faktisch Rente nach Kassenlage. Allerdings ist (nominale) Rentenkürzung per Gesetz ausgeschlossen. Damit verfolgtes Ziel: Beitragssatzstabilität (22 % bis 2030) Der Faktor α = 0.25 ist willkürlich gewählt. 152
Beliebige Manipulierbarkeit von α vermindert Planungssicherheit in Bezug auf eigene spätere Rente. Trick beim Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz : Durch unscheinbare Ergänzung der ursprünglichen Formel führte man tiefgreifende Änderung ( Paradigmenwechsel ) herbei, die langfristig gravierende Auswirkungen auf Rentenhöhe hat. Partizipation der Rentner an Lohnentwicklung nicht mehr gegeben. Allerdings gibt es Niveausicherungsklausel: Rentenniveau vor Steuern darf bis 2030 nicht unter 43 % des Bruttoeinkommens fallen. 153
Zu beachten allerdings: Übergang zu nachgelagerter Besteuerung wird Anstieg der Nettorenten zusätzlich dämpfen. Versuch eines gewissen Ausgleiches durch kapitalgedeckte Zusatzsatzversicherung. c2) Riester-Rente (bzw. Rürup Rente) als neue E- lemente im deutschen Rentensystem Unterschied zur herkömmlichen GRV: Kapitaldeckung und Freiwilligkeit Jedoch staatliche Förderung durch Zuschüsse oder Sonderausgabenabzug bei Einkommensteuer. 154
Dabei ist für die Altersvorsorgeprodukte aber Erfüllung bestimmter Kriterien nötig, so v.a. erst Auszahlung ab Beginn der Zahlungen aus GRV bzw. 60. Lebensjahr (Ziel: Vermeidung einer schädlichen Verwendung ) keine einmalige Auszahlung, sondern in Form monatlicher Leibrentenzahlungen. Ziele dabei: Abgrenzung von normalem Sparen. Die Förderung für kinderreiche und einkommensschwachen Familien ist besonders hoch. Im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes einige Änderungen an Riester-Rente: Reduktion der Zertifizierungskriterien 155
Auszahlung (auf einen Schlag) von 30 % des Kapitals möglich. Unisex-Tarife (besonders umstritten) Bislang bei Riester-Rente Akzeptanz-Probleme Bis 2004 nur ca. 4,5 Mio. Verträge Quantitativ viel bedeutsamer: Betriebliche Altersversorgung Auch diese wird seit 2002 verstärkt gefördert. f) Einige grundsätzliche Überlegungen zur Rentenreform Vorschläge zum teilweisen Umstieg von UV zu KDV ist wichtiges Thema bei Rentenreform weltweit. Vgl. auch aktuelle Diskussion in USA. Einige Argumente für Wechsel sind hinfällig: 156
Pareto Verbesserung Siehe theoretische Analyse Hohe Renditen am Kapitalmarkt. Gründe für vielfach geringe Akzeptanz des KDV reichen aber tiefer: Kern der meisten KDV-Konzepte ist Privatisierung (eines Teils) der Altersvorsorge Konsequenz: Versicherte sind stärker mit Kapitalmarktrisiken konfrontiert. Unsicherheitsgefühl, weil Ansprüche auf staatliche Versorgung reduziert sind. 157
Worauf gründet sich eigentlich diese Erwartung in staatlich garantierte Risikoabsicherung?? Kritisch werden auch hohe Vertriebs- und Werbekosten bei privaten KDV-Versicherungen gesehen. Auch bestehen Zweifel an der höheren Stabilität des KDV bei Inflation und negativer demografischer Entwicklung: Kapitalstock wirft ohne Faktor Arbeit keine Erträge ab, zukünftige Generationen müssen auch KDV-Verträge einlösen. Ausweg nur: längere Lebensarbeitszeit! Politisches Risiko auch bei KDV-Verträgen etwa durch Gefahr einer höheren Zinsbesteuerung. 158
Wichtige Argumente pro KDV bleiben: Risikostreuung Möglichkeit zum Kapitalexport und Nutzung von Arbeitskraft im Ausland für eigene Altersversorgung. 159