Mechanik der Kontinua Guido Schmitz,

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Transkript:

Mechanik der Kontinua Guido Schmitz, 8.0.0 Nachdem wir uns in der vorangehenden Vorlesung mit Fluiden im uhezustand befasst haben, soll nun die Bewegung fluider Medien studiert werden. 3. Hydrodynamik Die an bewegten Flüssigkeiten erkennbaren Phänomene sind ausserordentlich vielfältig und nur durch schwierige, nichtlineare Differentialgleichungen zu beschreiben. ir nähern uns der Thematik zunächst für den Sezialfall der idealen Fluide, die durch die beiden idealisierten Annahmen definiert seien: a Fluid inkomressibel (Dichte ρconst b Bewegungen sind reibungsfrei ( Viskosität 0. ährend a in vielen Fällen eine recht gute Näherung darstellt, Ist b nur als eine Verständnishilfe akzetabel. Viele beobachteten Strömungseigenschaften werden erst durch den Einfluss der eibung erklärbar. 3. Ideale Fluide Versuch: Strömungsrohr mit lokaler Verengung. Beobachtung: An der Verengungsstelle zeigt ein einfaches Steigrohr einen geringeren Druck als an den benachbarten Stellen. Erklärung: Materiefluss durch Querschnitt A und A während der Zeit t: V A v t V Av t Kontinuität (Volumenerhaltung V V V A v A v v > v d.h. in der Zeit t muss V von v auf v beschleunigt werden. Dazu ist eine kinetische Energie von kin Vρ ( v v erforderlich. Diese zusätzliche kinetische Energie muss durch Druckarbeit zwischen und aufgebracht werden. Druckarbeit bei A und A :

Energiebilanz: kin A v t V ( V ( + Vρ( v v 0 Umordung der Terme führt uns auf die wichtige Bernoulli-Gleichung, die viele V A v t V + 0 + ρ ρ g v + v const (3. Phänomene der Hydro- und Aerodynamik erklärt: Die Drücke und werden als statische Drücke, die Terme ½ ρv als Staudrücke bezeichnet. Beide Drücke zusammen ergeben den Gesamtdruck, der entlang der Stromlinien konstant ist. An Stellen hoher Flussgeschwindigkeit ist also der statische Druck niedrig und umgekehrt. Die Bernoulli-Gleichung ist eine sezielle Form der Energiebilanz. Sielen Volumenkräft, etwa die Gravitation (Schweredruck, Ka.., eine olle, so kann Gl. 3. entsrechend ergänzt werden: + ρ ρ v + gh const (3. 3... Anwendungen: Kraft auf eine einseitig mit Geschwindigkeit v umströmte Platte. Der Druck an der Oberseite der Platte ist kleiner als an der Unterseite, also ergibt sich ein dynamischer Auftrieb von: F A( o F u u Aρv o ρv (3.3 Diese Kraft ist Grundlage für den Auftrieb von Flugzeugen. Das Tragflächenrofil sorgt für höhere Strömungsgeschwindigkeit an der Oberseite der Tragfläche. Modellversuche in der Vorlesung: Tischtennisball lässt sich nicht aus Trichter blasen, Ball wird gegen Schwerkraft in Strömung gehalten, Tonerzeugung in Zungeninstrumenten. Der Bernoullieffekt ist Grundlage von den in der Abbildung gezeigten Geräten, die auf dem Sog einer Strömung basieren.

3..3. Statischer Druck und Gesamtdruck lassen sich in einem Prandlschen Staurohr getrennt messen und so zur Bestimmung der Geschwindigkeit der Strömung einsetzen. An der vorderen Eintrittsöffnung des Staurohrs ist die Geschwindigkeit des Mediums Null. Also wird der Gesamtdruck gemessen, während an der seitlichen Öffnung das Strömungsfeld raktisch nicht beeinflusst wird. Es wird also der statische Druck gemessen. Es folgt für die Geschwindigkeit des Fluids: g v stat g ρ ρv stat (3.4 3.. eale Fluide Bereits in dem ohrströmungsversuch zur Bernoulli-Gleichung fiel auf, dass der Druck in den Steigrohren stromabwärts kontinuierlich abnimmt. Offensichtlich ist aufgrund von eibungseffekten zur Aufrechterhaltung der Strömung eine Druckdifferenz erforderlich, so dass wir in Analogie zum elektrischen Strom formulieren können:

I (3.5 ( elektrischerstrom : I U Die olle der Sannung im elektrischen Fall übernimmt im Falle der Fluidströmung die Druckdifferenz zwischen Eingang und Ausgang des ohrabschnitts. Die Analogie zwischen den Fluid- und Elektronen-Strömen ist sehr weitgehend. So lassen sich etwa die Gesetze für Serien und Parallelschaltung und die Kirchhoffschen egeln direkt auf Fluidströmungen übertragen. Im Folgenden soll der Strömungswiderstand mit der Geometrie des ohres und den Materialeigenschaften des strömenden Fluids korreliert werden: 3.. Viskosität Zwischen zwei mit der elativgeschwindigkeit v x aufeinander abgleitenden Platten (Scherbewegung in einem Abstand y befinde sich ein Fluid. Es zeigt sich exerimentell, dass sich innerhalb des Fluids ein linear mit y variierendes Geschwindigkeitsrofil einstellt, da die Fluidschichten in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Platten fest an diesen haften. Um die Abgleitgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten, benötigt man eine Kraft, deren Abhängigkeit von den exerimentellen Parametern durch die folgende Gleichung beschrieben wird: F vx vx τ η η A y y (3.6 welche den sogenannten Viskositätskoeffizienten definiert. eibungskräfte in einem Fluid treten also immer dann auf, wenn die Flussgeschwindigkeit einer lateralen Variation unterliegt. Der Viskositätskoeffizient beschreibt die Zähigkeit des Fluids. Je größer, umso grösser die eibungsverluste der Strömung. (Einheit: [ ]Pa s, früher auch Poise, Pas 0 Poise. Flüssigkeit T/ C / mpa s Blut 37 4,0 Glyzerin 0 0000 0 40 60 8 Motoröl 30 00 asser 0,8 0,0 60 0,65 Luft 0 0,08

Beisielhafte erte für den Viskositätskoeffizienten sind in der Tabelle zusammengestellt. Für Flüssigkeiten zeigt eine starke Temeraturabhängigkeit, was etwa bei der Auswahl von Schmiermitteln entscheidend wird. 3.. Viskose ohrströmung ir betrachten die Strömung durch ein ohr (Öffnungweite, Länge l. Zur Aufrechterhaltung der Strömung ist zwischen Eingang und Ausgang des ohres eine Druckdifferenz erforderlich. Da die Flüssigkeit in unmittelbarer Nachbarschaft zur ohrwand an dieser haftet, erwarten wir ein radiales Geschwindigkeitsrofil mit maximaler Strömungsgeschwindigkeit im Zentrum des ohres. Zur Berechnung des Strömungsrofils denken wir uns einen kleineren Zylinder mit adius r aus dem Fluid ausgeschnitten. Dieser Zylinder erfährt aufgrund der Druckdifferenz eine Kraft πr Und gleichzeitig aufgrund der viskosen eibung an seiner Mantelfläche eine eibungskraft F vx F πrl η r Ist das Geschwindigkeitsrofil stationär, so muss die die resultierende Kraft verschwinden: F + F vx r v( r 0 dv 0 r lη x vx( r ( 4lη r r dr lη (3.7 Das Strömungsrofil hat also eine arabolische Form. Der Gesamtfluss durch einen Querschnitt des ohres ergibt sich durch Integration: I 0 4lη ( 8ηl r v( r πr dr 0 4 r πr dr (3.8

Die Strömung ist zur 4. Potenz vom adius abhängig! Eine Änderung der Öffnungweite von ohren etwa bei der gefürchteten Arterienverkalkung hat also drastische Auswirkungen. Dieses Flussgesetz für die laminare ohrströmung wird als Gesetz von Hagen-Poiseuille oder auch als Ohmsches Gesetz für ohrströmungen bezeichnet. Denn ein Vergleich von Gl. 3.5 und 3.8 zeigt für den Strömungswiderstand: 8ηl 4 3..3. Messung der Viskosität (siehe Bild Für das Kugelfallviskosimeter ist der eibungswiderstand einer in einem Fluid mit der Geschwindigkeit v fallenden Kugel interessant. Um diesen abzuleiten, muss das Strömungsfeld in der Nachbarschaft der Kugel berechnet werden (schwierig. Eine einfache Abschätzung nehmen wir wie folgt vor: Da das Fluid an der Kugel haftet gibt es nach aussen einen Geschwindigkeitsabfall etwa auf einer Distanz die dem Kugelradius entsricht dv dr An der Oberfläche der Kugel greift also eine Kraft an von v r v 4πr η r F Die exakte Berechnung wurde erstamals von Stokes durchgeführt. Es ergibt sich F 6πvrη (3.9 Neben der Anwendung in einem Kugelfallviskosimeter wird Gl. 3.9 wichtig bei der Trennung verschiedener Schwebeteilchen durch Sedimentation im Gravitionsfeld oder in einer Zentrifuge. Modellversuch in der Vorlesung: Bei gleicher Dichte fällt die grössere Kugel deutlich schneller als die kleinere. Quantitativ ergibt sich eine quadratische Abhängigkeit vom adius.

3..4 Nicht-newtonsches viskoses Verhalten Exerimentell zeigt sich, dass der Viskositätskoeffizient für viele Materialien nicht eine einfache Konstante darstellt. Vielfach ist er von der Scherrate abhängig, in einigen Fällen auch von der Dauer der Fliessbewegung, d.h. die Vorgeschichte des Materials wird bedeutsam aufgrund von elaxationsrozessen im Ínneren des Fluids. Die unterschiedlichen Fliesseigenschaften werden wie folgt bezeichnet: const. Newtonsche Flüssigkeit nimmt mit Scherrate zu Dilatante Flüssigkeit nimmt mit Scherrate ab Strukturviskose Flüssigkeit nimmt mit Dauer des Fliessens zu heoektische Flüssigkeit nimmt mit Dauer des Fliessens ab Thixotroe Flüssigkeit Ein bekanntes thixotroes Material ist etwa Ton (Er wird mit zunehmender Verformung geschmeidig Viele moderne Farben werden thixotro eingestellt: Sie sind beim Streichen flüssig und werden dann sehr schnell wieder troffest