POLITIKBRIEF. Investitionsstau an Uniklinika: Überforderte Länder entlasten. Finanzkraft der Länder reicht nicht aus 7,8%



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0 2012 POLITIKBRIEF Argumente und Lösungen der deutschen Uniklinika INHALT Investitionsstau an Uniklinika: 1 Überforderte Länder entlasten Fallzahlsteigerung: Alterung und Fortschritt sind Hauptursachen an Uniklinika Hygieniker-Mangel: 4 Weiterbildung ausbauen Protonen und Schwerionen: 5 Hightech-Medizin gegen Krebs Daten, Fakten, Ansprechpartner Investitionsstau an Uniklinika: Überforderte Länder entlasten Deutschlands Universitätsklinika bieten weltweit anerkannte Spitzenmedizin, Forschung und Lehre. Permanente Infrastrukturinvestitionen in Millionenhöhe gehen damit einher. Zuständig für die entsprechende Finanzierung sind seit der Föderalismusreform Ende 200 ausschließlich die Bundesländer eine strukturelle Überforderung. Massive Investitionslücken tun sich auf. Finanzkraft der Länder reicht nicht aus Während die Krankenkassen die laufenden Kosten der Patientenversorgung übernehmen, sind für die Investitionsfinanzierung an Uniklinika die Bundesländer verantwortlich. Doch angesichts ihrer angespannten Haushaltssituation kommt die überwiegende Zahl der Länder dieser Verpflichtung nur sehr unzureichend nach. Die Fördermittel für Uniklinika gehen kontinuierlich zurück. Gab der Bund bis zum Wegfall des Hochschulbauförderungsgesetzes in 2007 für jeden Euro, den die Länder in die Uniklinika investiert hatten, einen weiteren Euro dazu, fehlt dieser starke Investitionsanreiz nun. Folge: Mittlerweile besteht an jeder dritten Universitätsklinik ein Investitionsstau von über 100 Millionen Euro. Hochleistungen ohne ausreichende Investitionsquote?* Uniklinika bieten Spitzenmedizin der Extraklasse. Hohe Investitionen sind hierfür eine wesentliche Voraussetzung. Umso dramatischer ist die niedrige Investitionsquote. Investitionsquote in Prozent 15 12 9 0 7,8% aktuell! 12% notwendig *Anteil der Investitionsausgaben am Umsatz 15% Universitätsklinika Universitätsklinika Vergleichswert freie Wirtschaft Quelle: VUD Trendumfrage 2011 1

POLITIKBRIEF 0 2012 Schuldenbremse wird zur Investitionsbremse Das duale Finanzierungssystem, in dem die Krankenkassen für die laufenden Betriebskosten und die Länder für die Investitionen aufkommen, steht unter Druck. Mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sind die Länder gesetzlich dazu angehalten, ihre Haushaltsdefizite zu reduzieren. Ab 2020 dürfen sie gar keine neuen Kredite aufnehmen. Sie werden deshalb künftig noch weniger in der Lage sein, die notwendigen Investitionen für Uniklinika aufzubringen. Investitionsstau verschärft sich Anzahl der deutschen Uniklinika, die in den letzten Jahren nicht ausreichend investieren konnten. Anzahl betroffener Universitätsklinika 2 2011 2015 Investitionsstau 100 bis 500 Mio. Euro Investitionsstau 500 bis 1 000 Mio. Euro Quelle: VUD Trendumfrage 2011 17 Handlungsmöglichkeiten der Uniklinika sind begrenzt Die Möglichkeiten der Uniklinika, auf eine unzureichende Investitionsfinanzierung zu reagieren, sind bereits ausgeschöpft oder nicht dauerhaft tragfähig: Kompensation durch Eigenmittel: Um die größten Missstände zu beheben, mussten die Universitätsklinika notwendige Investitionen in der Vergangenheit selbst finanzieren. Inzwischen sind ihre Rücklagen weitgehend aufgezehrt. Neue Eigenmittel können kaum generiert werden, weil im DRG-System keine Gewinne in ausreichender Höhe erwirtschaftet werden. Kreditaufnahme: Die Aufnahme von Krediten durch die Kliniken kann auch nur eine Notlösung sein. Erstens treiben die Zinsen die Investitionskosten in die Höhe. Zweitens belasten Tilgung und Abschreibungen die Klinikbudgets. Privatisierung: Der Verkauf von Uniklinika an private Kapitalgeber ist ebenfalls keine dauerhafte Alternative. Zusätzlich zu den Abschreibungen müsste das Klinikum dann auch die Renditeerwartungen der privaten Kapitalgeber erfüllen. Der Finanzierungsbedarf läge dadurch deutlich höher als bei der staatlichen Investitionsfinanzierung. So muss am privatisierten Uniklinikum Gießen-Marburg ein jährlicher Überschuss in Höhe von 40 Millionen Euro erzielt werden, um die Investitionen für den errichteten Neubau zu erwirtschaften. Reform der Investitionsfinanzierung endlich anpacken Für die Universitätsklinika sind dauerhafte Investitionen in Höhe von mindestens zwölf Prozent des Umsatzes erforderlich, um Spitzenmedizin zu gewährleisten. Dieses Ziel ist erreichbar: Für die Infrastruktur im Bereich der Krankenversorgung muss den Krankenkassen die alleinige Finanzierungsverantwortung übertragen werden. Zudem muss sich im Bereich von Forschung und Lehre neben den Ländern künftig auch der Bund wieder an der Investitionsfinanzierung beteiligen. Nachdem der Entwurf der Bundesbildungsministerin für eine entsprechende Grundgesetzänderung im Bundesrat gescheitert ist, müssen Bund und Länder sich jetzt an einen Tisch setzen, um einen Kompromiss zu finden. Die von SPD und Grünen geführten Bundesländer lehnen einen Wiedereinstieg des Bundes ab, weil ihnen eine reine Kostenbeteiligung für die Wissenschaft ohne Einbeziehung des Schulwesens nicht weit genug geht. Die Universitätsklinika drängen angesichts ihrer angespannten Finanzierungslage auf eine schnelle Überwindung dieser festgefahrenen Positionen. Vielfältige Investitionen notwendig Die Bereiche, in denen Universitäts klinika investieren, sind vielfältig und reichen von Baumaßnahmen über Betriebstechnik, Medizintechnik bis hin zur IT-Infrastruktur. Beispiele: Hightech-Operationssäle, Kälteanlagen, Kernspintomographen, ECMO-Geräte zur intensivmedizinischen Unterstützung der Atemfunktion der Patienten oder Hochleistungsrechner zur Verwaltung elektronischer Patientenakten. 2

POLITIKBRIEF 0 2012 Fallzahlsteigerung: Alterung und Fortschritt sind Hauptursachen an Uniklinika Zunehmend ältere Patienten Patienten über 9 Jahre machen aktuell an deutschen Uniklinika 27,5 Prozent aus, die Zahlen steigen: 500000 400000 00000 200000 100000 8700 482200 0 2007 2011 Patienten > 9 Jahre Gastbeitrag von Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Herzzentrum Göttingen, Georg- August-Universität Göttingen Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen behauptet in einem aktuellen Gutachten, dass die Krankenhausleistungen primär aus wirtschaftlichen Gründen zugenommen hätten eine Irreführung. Schmalspur-Studie Das Auftragsgutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung ignoriert wesentliche Einflussfaktoren auf die Mengensteigerungen im Krankenhaus. Zwei Beispiele: Fortschritt: Dank des medizinisch-technischen Fortschritts können die Ärzte neue Diagnose- und Behandlungsleistungen nutzen. Die Folge ist, dass Erkrankungen früher erkannt und Patienten behandelt werden, denen vormals nicht geholfen werden konnte. Auch die Bundesregierung kommt in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion zu dem Schluss, dass dies unstrittig der wichtigste Erklärungsfaktor für Mengensteigerungen ist. Ausbau von Versorgungskapazitäten: Zur Schließung von Lücken in der stationären Versorgung wurden punktuell Krankenhauskapazitäten auf- beziehungsweise ausgebaut. Damit einher ging ein Anstieg der Fallzahlen, so vor einigen Jahren in der Neurochirurgie in Baden-Württemberg. Außerdem fehlt dem Gutachten die nötige Tiefenschärfe: Anstelle von einzelnen Krankheiten werden lediglich sehr grobe Krankheitsgruppen betrachtet. Zudem unterscheidet die Studie nicht zwischen Spezialkrankenhäusern, die sich auf bestimmte, planbare Leistungen fokussieren, und Versorgungskrankenhäusern, die die Maximalversorgung sicherstellen müssen. Eine präzise Ursachenanalyse ist so nicht möglich. Entwicklung ist ein Segen des Fortschritts In der Herz-Kreislauf-Medizin (Kardiologie, Herzchirurgie) sind durch den Einsatz innovativer Technologien neue, schonende Therapien möglich. Die Implantation einer neuen Aorten - klappe über einen Leisten-Katheter (Transcatheter Aortic Valve Implantation, TAVI) gestattet mittlerweile die Behandlung von Patienten, bei denen konventionelle Medikamententherapien versagten oder opera tive Ein- Differenzierung statt Generalverdacht Steigt man auf der Suche nach den Ursachen für Mengensteigerungen tiefer in die vorhandenen Daten ein, ergibt sich für die Universitätsklinika ein klares Bild. Hier wurden in den vergangenen Jahren deutlich mehr ältere Patienten behandelt. Im Jahre 2011 versorgten die Uniklinika etwa 1 500 Patienten mehr als noch 2007. 72 Prozent dieser Patienten waren älter als 9 Jahre. Mit dem Alter der Patienten ist auch die Komplexität der Behandlungen angestiegen eine Folge von medizinischtechnischen Innovationen. Den Großteil der Leistungszuwächse gab es deshalb in Bereichen, in denen dieser Fortschritt besonders ausgeprägt war. In der Debatte über mögliche Ansätze zur Steuerung stationärer Leistungen dürfen die Krankenhäuser nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Notwendig sind differenzierte Untersuchungen, keine interessen geleiteten Auftragsgutachten. griffe aufgrund eines zu hohen Risikos unmöglich waren. Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die Aortenstenose sind typische Leiden des hohen Lebensalters und nehmen aufgrund der demografischen Entwicklung weiter zu. Die innovative Universitätsmedizin bietet der steigenden Anzahl von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz erstmalig eine reale Chance auf eine dramatische Verbesserung ihrer Lebensqualität. Allein an der Universitätsmedizin Göttingen wurden in 2010 und 2011 insgesamt 20 Patienten mit der TAVI-Methode behandelt.

POLITIKBRIEF 0 2012 Höherer Hygieniker- Bedarf im Zuge des Infektionsschutzgesetzes Das 2011 geänderte Infektionsschutzgesetz (IfSG) schreibt für Kliniken mit über 400 Betten die Beschäftigung eines hauptamtlichen Krankenhaushygienikers vor. Folge ist ein deutlich gestiegener Facharztbedarf. Die Finanzierung der Weiterbildung der Fachärzte wurde dabei gesetzlich nicht geregelt. Niederlande machen es vor Im Nachbarland stehen überproportional viele Krankenhaushygieniker zur Verfügung. Ein Grund ist die steuerfinanzierte Weiterbildung. Fachärzte für Krankenhaushygiene Niederlande 1,5pro 100 000 Einwohner 2,0 Deutschland pro Krankenhaus 0,7 pro 100 000 Einwohner 0, pro Krankenhaus Hygieniker-Mangel: Weiterbildung ausbauen Die deutschen Krankenhäuser suchen händeringend nach Hygiene- Fachärzten. Der Mangel wird durch die Abwanderung der Spezialisten in pharmazeutische Unternehmen verschärft. Ergeb nis: Dem Bedarf an insgesamt über 800 Krankenhaushygienikern stehen aktuell nur etwa 400 entsprechend qualifizierte Fachärzte gegenüber, die noch dazu für weitere Aufgaben neben dem Hygienemanagement gebraucht werden. Höchste Zeit, die Weiterbildung der Hygiene-Experten auszubauen. Uniklinika sichern die Weiterbildung Die Uniklinika bilden 80 bis 90 Prozent der Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin beziehungsweise Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie in Deutschland weiter. Denn nur dort ist die entsprechende Infrastruktur durch spezielle Mikrobiologie- und Hygieneabteilungen, große Diagnostiklabors und ausbildendes Fachpersonal sichergestellt. Zudem können an Uniklinika Infektionsüberwachung und -prävention in besonderer Weise geübt und weiterentwickelt werden. Weiterbildung als wirtschaftlicher Nachteil Die Universitätsklinika erbringen durch die Weiterbildung dieser Fachärzte für das gesamte Gesundheitswesen eine unersetzliche Leistung. Allerdings: Für die Häuser gehen damit zusätzliche Kosten in erheblichem Ausmaß einher, da die ärztliche Weiterbildung wie auch in den anderen medizinischen Disziplinen nicht eigenständig finanziert wird. Deshalb haben gerade die Universitätsklinika, die sich in der Weiterbildung engagieren, einen wirtschaftlichen Nachteil eine paradoxe Situation. Nachwuchs an Hygiene-Fachärzten finanziell fördern Der Mangel an Hygiene-Fachärzten zeigt: Ohne ausreichende Finanzierung können Uniklinika ihre Sicherstellungsfunktion für das Gesundheitssystem nicht ausreichend wahrnehmen. Notwendig ist deshalb eine eigenständige Finanzierung der Weiterbildung. Ein positives Beispiel sind die Niederlande: Hier steht seit 2007 ein Extrafonds für die Weiterbildung von Ärzten zur Verfügung. Anders als in Deutschland müssen die Uniklinika dort die Weiterbildung angehender Hygieniker nicht mehr intern subventionieren. Gastbeitrag von Prof. Dr. Franz Daschner, emeritierter Direktor des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Freiburg. Kein anderer Mediziner hat in Deutschland mehr Ärzte zu Hygiene-Experten weitergebildet. Schädlicher Rationalisierungsdruck Jetzt rächt sich, dass einige Medizinische Fakultäten in Deutschland die Hygienelehrstühle wegen der immer schwierigeren wirtschaftlichen Situation wegrationalisieren mussten. Jede Uniklinik braucht ausgewiesene Hygienespezialisten mit einer Weiterbildungsermächtigung zum Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin. Wichtig wäre zusätzlich, die Weiterbildung zum Facharzt zu straffen. Fünf Jahre sind viel zu lang: Drei Jahre Weiterbildung genügen, um eine leitende Funktion als Krankenhaushygieniker übernehmen zu können. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene sollte nicht nur den Fachärztemangel bejammern, sondern in den eigenen Reihen mehr Fachärzte weiterbilden und sich bei Gesundheits- und Wissenschaftspolitikern dafür einsetzen, dass dafür endlich vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden. 4

POLITIKBRIEF 0 2011 Protonen und Schwerionen: Hightech-Medizin gegen Krebs In Deutschland erkranken pro Jahr fast eine halbe Million Menschen an Krebs. Neue Therapieformen wie die Protonen- und Schwerionentherapien ermöglichen effektivere Bestrahlungen und somit geringere Nebenwirkungen. Gastbeitrag von Professor Dr. Dr. Jürgen Debus, Ärztlicher Direktor des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrums HIT Die Ionenstrahltherapie ist mittlerweile technisch sehr ausgereift. In intensiven medizinphysikalischen und strahlenbiologischen Untersuchungen konnte die Überlegenheit gegenüber konventionellen Verfahren bei bestimmten Indikationen gezeigt werden. Der klinische Stellenwert des Verfahrens soll in der Universitätsmedizin mit enger Anbindung an ein Comprehensive Cancer Center erarbeitet werden. Das HIT hat es sich zum Ziel gesetzt, die individuell richtige Ionenstrahlentherapie für den einzelnen Krebspatienten in klinischen Untersuchungen wissenschaftlich zu ermitteln. Derzeit laufen klinische Studien, bei denen die Wirkung von Schwerionen und Protonen auf häufige Tumoren wie Prostata- und Leberkrebs überprüft wird. Bei einigen seltenen Tumoren ist die Schwerionentherapie bereits heute die Therapie der Wahl. Hohes Potenzial Mehr als 0 Prozent der Krebspatienten werden mit einer Photonen- beziehungsweise Röntgenstrahl-Therapie behandelt. Diese Strahlentherapie wurde in den letzten Jahren weiter verbessert. Die Uniklinika halten die technischen Möglichkeiten auf dem neuesten Stand und bieten ihren Patienten sämtliche mit dieser Technologie möglichen Therapien an. Für sensible Körperregionen ist die herkömmliche Strahlentherapie aber häufig zu riskant, da auch gesundes Gewebe mitbestrahlt und geschädigt wird. Zudem sind tiefer im Gewebe gelegene Tumoren schlechter oder gar nicht zu erreichen. Anders bei der Protonen- und Schwerionentherapie: Die Teilchen sind punktgenau auf den Tumor gerichtet, wo sie das Maximum ihrer Energie entladen. Somit sind höhere Strahlendosen und bessere Behandlungserfolge mit weniger Nebenwirkungen in speziellen klinischen Situationen möglich. Der Nutzen der Protonen- und Schwerionentherapie wurde bislang vor allen bei seltenen Tumoren nachgewiesen. Die neue Technologie wird derzeit beispielsweise zur Behandlung von Tumoren in der Nähe des Gehirns oder des Rückenmarks, bei Augentumoren sowie Speicheldrüsenkarzinomen eingesetzt. Bei häufiger auftretenden Tumoren besteht dagegen noch erheblicher Forschungsbedarf. Vergleichende Untersuchungen zu den bestehenden Therapie alternativen sind weiterhin erforderlich. Klinika tragen wirtschaftliches Risiko Mit dem Aufbau der Protonen- und Schwerionentherapie gehen wirtschaftliche Risiken einher. Allein der Bau einer Anlage kostet 100 bis 150 Millionen Euro. Hinzu kommen erhebliche Betriebskosten. Krankenkassen bezahlen die Bestrahlungen auf Dauer nur, wenn der überzeugende Nachweis eines therapeutischen Zusatznutzens gelingt. Zudem befindet sich die hochkomplexe neue Technologie noch in der Forschungs- und Erprobungsphase. Das macht verlässliche Planungen und Kalkulationen schwierig. So wurde auch am Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) die Zahl der Patienten pro Jahr zunächst zurückhaltend eingeschätzt. Erst jetzt, drei Jahre nach Eröffnung des HIT, kann sicher geplant werden. Irmtraut Gürkan, Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg: Die Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen zielen auf eine Kosten deckung ab und müssen nach Beendigung der Inbetriebnahmephase auf Basis der aktualisierten Kosten- und Leistungsdaten fortgeführt werden. Uniklinika übernehmen gesellschaftliche Aufgabe Angesichts der zahlreichen offenen Fragen und hohen Kosten gilt es, Pro tonenund Schwerionentherapien zunächst an wenigen Uniklinika in Deutschland sowie interna tional zu erforschen. Sie tragen die Verantwortung, Chancen und Grenzen dieser vielversprechenden Behandlungsoption aufzuzeigen. Neben Heidelberg werden weitere Protonentherapie-Anlagen an den Uniklinika in Dresden und Essen in Betrieb gehen. 5

POLITIKBRIEF 0 2012 Daten, Fakten, Ansprechpartner Ansprechpartner Die 2 deutschen Uniklinika mit ihren 175 000 Mitarbeitern vereinen Forschung, Lehre und Krankenversorgung. Ihre Stimme im politischen Prozess ist der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Rüdiger Strehl Generalsekretär Telefon: 00 940517-0 E-Mail: strehl@uniklinika.de Rückgrat des Gesundheitssystems Deutschlandweit gibt es über 2 000 Krankenhäuser. Darunter sind 2 Uni klinika, an denen die gesamte Bandbreite der medizinischen Disziplinen angeboten wird. Sie nehmen pro Jahr 1,7 Millionen Patienten stationär auf und damit etwa jeden zehnten. Forschung für Spitzenmedizin von morgen Deutschlands Uniklinika und Medizinische Fakultäten leisten international anerkannte Forschung und bilden alle Ärzte hierzulande aus. Bei einem Gesamtumsatz von 17,5 Milliarden Euro pro Jahr entfallen allein auf diese Aufgaben 4, Milliarden Euro. Die 100 größten Arbeitgeber im Gesundheitswesen 11% Andere 8% Pflege-/ Altenheime 1% Pharmaunternehmen 15% Versicherer Umsatz nach Segmenten 8,2% 1,4 Mrd. D 7,%* 1, Mrd. D 18,2%,2 Mrd. D,%* 11, Mrd. D 28% Uniklinika 25% Andere Krankenhäuser Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Stationäre Krankenversorgung Forschung und Lehre Ambulante Krankenversorgung Drittmittelforschung * Entsprechend Kostendaten Quelle: Statistisches Bundesamt (2010), eigene Berechnungen Ralf Heyder Referent Politik und Gremienarbeit Telefon: 00 940517-22 E-Mail: heyder@uniklinika.de Erste Adresse für Schwerstkranke Uniklinika sind oft Hoffnungsträger für Menschen mit schwersten oder seltenen Erkrankungen. Entsprechend hoch ist der durchschnittliche ökonomische Aufwand pro Patient, der mittels des sogenannten Case Mix Index (CMI) abgebildet wird. Mittlerer CMI 1,52 1,5 1,1 1,0 0,5 0,0 Quelle: Eigene Erhebung; InEK, 2010 Uniklinika Krankenhäuser insgesamt Herausgeber Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD) Alt-Moabit 9 10559 Berlin Verantwortlich Ralf Heyder Agentur GDE GmbH, Bonn, www.gde.de; Jens Köster, Berlin Redaktionsschluss 2. Oktober 2012 Fokus auf Ausbildung An Deutschlands Uniklinika und Medizinischen Fakultäten schließen jährlich rund 10000 Mediziner ihr Studium ab. Dieser Wert wird im OECD-Ländervergleich nur von den USA übertroffen. 95 Prozent der Studienanfänger der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften legen erfolgreich das Examen ab im Fächervergleich der höchste Wert. Medizinabsolventen je 100000 Einwohner pro Jahr 12 9 12,5 11, 9, 0 Quelle: OECD 2009,5,0 5,9 Deutschland Italien Großbritannien USA Frankreich Japan