Klausur zur Veranstaltung. "Sozialstaat " Prof. Dr. Hans-Werner Sinn 29. Juli 2008, Uhr. Name:... Vorname:... Matrikelnummer:...

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Transkript:

Klausur zur Veranstaltung "Sozialstaat " Prof. Dr. Hans-Werner Sinn 29. Juli 2008, 16.30-18.30 Uhr Name:... Vorname:... Matrikelnummer:... Semester:... Es sind alle Aufgaben zu bearbeiten! Bearbeitungszeit: 120 Minuten Stichwortartige Argumentation, gestützt durch Formeln und/oder Grafiken! Auf exakte Beschriftung der Grafiken ist zu achten! Aufgabe 1 2 3 4 5 6 Σ Note max. Punkte 35 15 25 20 5 20 120 Punkte 1

Aufgabe 1: Rentenversicherung (35 Punkte) Bitte argumentieren Sie kurz und stichwortartig. Wenn Sie Ihre Argumente analytisch untermauern, gehen Sie bitte von den Ihnen bekannten Zusammenhängen aus und unterstellen Sie die jeweiligen Ihnen bekannten Annahmen. a) Erläutern Sie kurz die Ursprünge der Rentenversicherung in Deutschland. Wie wurde die Systemfrage gelöst? (2 Punkte) b) Erklären Sie den fundamentalen Unterschied zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren. Warum wäre für eine Rente in gleicher Höhe ein geringerer Beitrag am Kapitalmarkt als im Umlagesystem ausreichend? (6 Punkte) c) Vor welchen Problemen steht die Rentenversicherung in Deutschland heute? Würde sich ein Umstieg auf ein Kapitaldeckungsverfahren lohnen? (8 Punkte) d) Erörtern Sie, wie man gedanklich vorgehen muss, um den Wert eines Einwanderers für die Rentenversicherung zu berechnen. Könnte stärkere Zuwanderung nach Deutschland die Probleme in der Rentenversicherung lösen? (10 Punkte) e) Erläutern Sie anhand des Modells von Fenge und Meier (2005), wie die Einführung eines Kinderfaktors die positive fiskalische Externalität von Kindern im Rentensystem internalisieren kann. Gehen Sie dabei insbesondere darauf ein, warum dieser Kinderfaktor im Modell optimalerweise kleiner als 1 ist und auf welcher zentralen Annahme dieses Ergebnis beruht. (5 Punkte) f) Nehmen Sie kurz zu folgender Aussage Stellung: Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentnerdemokratie: Die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern. (Roman Herzog) Beziehen Sie sich dabei auf das Modell von Sinn und Übelmesser (2002). (4 Punkte) 2

Aufgabe 2: Globalisierung und Faktorpreisausgleich (15 Punkte) a) Stellen sie in einer geeigneten Grafik/Abbildung 1 die Effekte der Migration von Arbeitskräften zwischen - und europa dar. Abstrahieren sie dabei von Kapitalmobilität. In der Ausgangssituation sei das Gleichgewicht in Punkt A. Wie verändert sich das BIP der beiden Regionen? Wie bewerten Sie die Situation aus Effizienz und Verteilungsgesichtspunkten? (8 Punkte) w w f L ( K ) f L ( K ) w 0 A w 0 L L Abbildung 1 b) Gehen Sie nun davon aus, dass in europa ein Mindestlohn, in Höhe eingeführt wird. Vergleichen Sie Effizienz- und Verteilungswirkungen zur Situation ohne Mindestlohn. Wie verändert sich das Arbeitsmarktgleichgewicht wenn statt des Mindestlohns ein Lohnersatzeinkommen in Höhe w 0 eingeführt wird, welches jedoch nur an europäische Staatsbürger gezahlt wird. (6 Punkte) w 0 3

Aufgabe 3: Rentensysteme im Solow-Swan Modell (25 Punkte) a) Leiten Sie die interne Rendite eines Rentensystems das nach dem Umlageverfahren aufgebaut ist her. Erläutern Sie intuitiv die Wirkung der Determinanten der Rendite. (8 Punkte) b) Welche Aussage lässt sich über den Zusammenhang zwischen Kapitalmarktzins und interner Rendite des Umlageverfahrens treffen? Argumentieren Sie grafisch anhand des Solow-Swan Modells. Was versteht man unter dynamisch-effizienten und dynamisch-ineffizienten Wachstumsgleichgewichten? (17 Punkte) Aufgabe 4: Krankenversicherung (20 Punkte) a) Nennen Sie drei Gründe, die für eine Pflichtversicherung sprechen. (3 Punkte) Unterstellen Sie einen Krankenversicherungsmarkt, in dem es zwei unterschiedlichen Typen von Risiken gibt: g (gute Risiken) und s (schlechte Risiken). Diese seien dadurch gekennzeichnet, dass der Erwartungsschaden der guten Risiken geringer ist als der Erwartungsschaden der schlechten Risiken. Der Staat möchte beide Risikotypen versichern und weder Gewinne noch Verluste machen. Der Staat sei risikoneutral. b) Kann die staatliche Krankenversicherung eine faire Versicherung für beide Risikogruppen anbieten? (2 Punkte) c) Illustrieren Sie den Fall der Zwangsvollversicherung durch den Staat in einer geeigneten Grafik für den Fall, dass die Versicherung die individuellen Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten nicht beobachten kann. (5 Punkte) d) Welchen Deckungsgrad würden die beiden Risikogruppen wählen, wenn sie wählen dürften? Stützen Sie Ihre Argumentation grafisch. (Sie können gerne Ihre Zeichnung aus Teilaufgabe c) nutzen.) (5 Punkte) e) Erläutern Sie kurz die Interpretation der Indifferenzkurven im μ -σ - Diagramm. Wie bildet man den Grad der Risikoaversion ab? (3 Punkte) f) Ist eine Zwangsvollversicherung durch den Staat (wie in Teilaufgabe b)) eine effiziente Lösung? (2 Punkte) 4

Aufgabe 5: Lohnersatz vs. Lohnzuschuss auf dem Arbeitsmarkt (5 Punkte) a) Auf dem Arbeitsmarkt soll ein politisch motivierter Mindestlohn ( _ w ) umgesetzt werden. Vergleichen Sie die Wirkungen eines Lohnersatzsystems mit dem eines Lohnzuschusssystems anhand eines einfachen Arbeitsmarktdiagramms. Gehen Sie davon aus, dass das Arbeitsangebot vollkommen unelastisch ist. Welches System kommt den Staat kostengünstiger? Wovon hängt dies ab? (5 Punkte) Kurzfragen zu verschiedenen Themen (20 Punkte) Bei Fragen mit Auswahlmöglichkeit erhalten Sie für eine richtige Kennzeichnung 1 Punkt, für eine nicht gekennzeichnete Aussage 0 Punkte und für eine falsch gekennzeichnete Aussage wird Ihnen 1 Punkt abgezogen. Auch wenn keinerlei Sozialleistungen durch den Staat bereitgestellt würden, käme es zu einer umverteilenden Wirkung durch die steuerfinanzierte öffentliche Infrastruktur. Das Statistische Bundesamt definiert Armut als ein Einkommen unterhalb von 50% des durchschnittlichen Einkommens Um den Wohlfahrtsstaat vor dem internationalen Systemwettbewerb zu schützen sollte das Inklusionsprinzip eingeführt werden. Unter Negative Income Taxation versteht man, dass der Staat eine flat-rate Steuer auf alle Einkommen erhebt. Wahr Falsch 5

Abbildung 2 In Abbildung 2 würde der Haushalt ohne Sozialstaat den Punkt B wählen. Ein wohlfahrtserhöhender Effekt des Sozialstaates besteht darin, dass bei gegebenem Erwartungswert des Einkommens das individuelle Risiko gemildert wird. In Abbildung 2 wird der Haushalt bei Existenz des Sozialstaates optimalerweise Punkt C wähle In Abbildung 2 sollte der Haushalt bei Existenz des Sozialstaates optimalerweise Punkt C wählen. Der Mackenroth-These ist zuzustimmen, denn sie sagt aus, dass jeglicher Sozialaufwand aus dem laufenden Volkseinkommen finanziert wird. Individuen sind bereit, maximal eine Versicherungsprämie zu zahlen, die dem Erwartungsschaden plus der Differenz aus Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent entspricht. Aufgrund von ex post Moral Hazard sollte für Rehabilitationsleistungen mit einer preisunelastischen Nachfrage eine höhere Selbstbeteiligung eingeführt werden. Wahr Falsch Selbstversicherung ist nie der Fremdversicherung vorzuziehen. Lohnersatzleistungen stellen eine Immigrationsprämie für Niedrigeinkommensbezieher dar. 6

Unter einer Pareto-Verbesserung nach Kaldor-Hicks versteht man eine Veränderung, bei der die Bessergestellten um genauso viel besser gestellt werden, wie die Schlechtergestellten schlechter gestellt werden. Die Rentenversicherung ist vor allem eine Versicherung gegen Kinderlosigkeit und Langlebigkeit. Würden die Renten auf dem heutigen Niveau eingefroren, würden sich die Beitragssätze bis zum Jahr 2035 fast verdoppeln, d. h. ein Beitragszahler müsste fast 2 Rentner ernähren. Die Einführung der Riester-Rente hat zur Glättung des Belastungspfades durch die implizite Staatsschuld geführt. Der durchschnittliche HartzIV/ALGII/Sozialhilfe-Satz liegt über der Armutsgrenze. Die Rentenversicherung genügt nicht dem Äquivalenzprinzip. Humankapitalakkumulation kann die interne Rendite des Umlageverfahrens über das Lohnsummenwachstum positiv beeinflussen. 7