Erfolg des Eilantrags wegen offener Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren - Abschiebungsverbot wegen Pflegebedürftigkeit

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Transkript:

VG Würzburg, Beschluss v. 16.11.2015 W 7 E 15.1080 Titel: Erfolg des Eilantrags wegen offener Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren - Abschiebungsverbot wegen Pflegebedürftigkeit Normenketten: VwGO 123 I AufenthG 25 III 1, 60 VII 1 Schlagworte: Aufenthaltserlaubnis, Ausreise, Abschiebung, Abschiebungsverbot, Pflegebedürftigkeit Tenor I. Dem Antragsgegner werden Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im Verfahren W 7 K 15.748 untersagt. II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt. Gründe I. 1. Die Antragstellerin ist eine am...1933 geborene russische Staatsangehörige. Sie reiste am... 2014 mit einem bis zum 20. Februar 2015 gültigen Schengen-Visum zum Zweck des Besuchs ihres Sohnes in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 18. Februar 2015 stellte sie, begleitet von ihrer Schwiegertochter, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Mit Bescheid vom 21. Juli 2015, dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 22. Juli 2015 zugestellt, lehnte das Landratsamt Würzburg den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1), forderte die Antragstellerin zur Ausreise bis 26. August 2015, sollte aufschiebende Wirkung gegen die Ausreiseverpflichtung eintreten, zum Verlassen des Bundesgebiets innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Bescheides auf (Ziffer 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten freiwilligen Ausreise die Abschiebung nach Russland (gemeint wohl Russische Föderation), hilfsweise in einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat an (Ziffer 3). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach 25 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) abgelehnt werden müsse, weil kein Abschiebungsverbot gemäß 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliege. Insbesondere habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2015 festgestellt, dass die erforderliche medikamentöse Behandlung der Erkrankungen der Antragstellerin (Vorhofflimmern und chronische Niereninsuffizienz) auch in der Russischen Föderation durchgeführt werden könne. Die medizinische Versorgung in Russland sei auf einfachem Niveau, aber ausreichend. Zumindest in den Großstädten seien auch das Wissen und die Behandlungsmöglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen vorhanden. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Erkrankungen der Antragstellerin in der Vergangenheit in Russland nicht adäquat behandelt worden seien. Der Betreuungsbedarf der Antragstellerin könne über ambulante Pflegedienste

gedeckt werden. Erforderlichenfalls könnten zusätzliche Pflegeleistungen eingekauft werden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht, da keine längerfristigen Ausreisehindernisse vorlägen. Das von der Antragstellerin zuletzt vorgelegte privatärztliche Attest erfülle nicht die Mindestanforderungen zum Beweis der Reiseunfähigkeit. Eine Auseinandersetzung mit der Einschätzung des Amtsarztes vom 25. März 2015, dass nur eine befristete Reiseunfähigkeit vorliege, erfolge nicht. Anderen Rechtsgrundlagen, insbesondere 36 Abs. 2 AufenthG, stünden die Einreise mit einem falschen Visum und die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Bescheides vom 21. Juli 2015 Bezug genommen. 2. Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. August 2015, bei Gericht am selben Tag als Telefax eingegangen, Klage erheben (W 7 K 15.748), über die noch nicht entschieden ist. Sie begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß 123 VwGO stellen. Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 mitgeteilt habe, dass bei fehlender Rückmeldung wegen der Ausreisemodalitäten bis zum 9. Oktober 2015 Ausreisevorbereitungen zur Durchsetzung der bestehenden gesetzlichen Ausreiseverpflichtung eingeleitet würden. Hieraus ergebe sich der Anordnungsgrund. Bezüglich des Anordnungsanspruches wird auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen und Befunde Bezug genommen. Der Beurteilung des Bundesamts zum (Nicht)Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG könne nicht gefolgt werden. Die behandelnden Fachärzte hätten festgestellt, dass die Antragstellerin pflegebedürftig sei und ihre Erkrankungen medikamentös behandelt werden müssten, da andernfalls eine Verschlechterung mit Todesfolge drohe. Das Bundesamt gehe davon aus, dass die Antragstellerin zuvor in Russland adäquat behandelt worden sei. Nach der ärztlichen Beurteilung sei die akute Herzerkrankung jedoch während ihres Aufenthalts in Deutschland aufgetreten. Nach der Beurteilung durch das Gesundheitsamt bedürfe die Antragstellerin beim Gehen der Hilfe und weise kognitive Störungen mit örtlicher und zeitlicher Desorientierung auf. Sie benötige bei allen Tätigkeiten des täglichen Lebens Hilfe, so dass ärztliche und pflegerische Betreuung im Heimatland notwendig seien. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Antragstellerin mit ihrer geringen Rente, wobei sie zur Lebensunterhaltssicherung zusätzlich auf Zuwendungen ihrer Kinder angewiesen sei, sich die erforderlichen Pflegeleistungen erkaufen könne. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter könnten die Kosten hierfür nicht von hier aus tragen bzw. die Pflege persönlich in Russland organisieren. Die Rente der Antragstellerin betrage monatlich umgerechnet ca. 256,00 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 21. Oktober 2015, 29. Oktober 2015, 2. November 2015 und 9. November 2015 sowie das vorgelegte ärztliche Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. S. vom 9. November 2015 Bezug genommen. Die Antragstellerin lässt sinngemäß beantragen, dem Antragsgegner zu untersagen, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren (W 7 K 15.748) aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten und durchzuführen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Er führt im Wesentlichen aus, dass die medizinische und pflegerische Grundversorgung der Bevölkerung in Russland gewährleistet seien. Für Personen mit den entsprechenden altersbedingten Erkrankungen gebe es nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie den aktuellen Erkenntnissen der Rechtsprechung über die deutsche Botschaft angemessene Behandlungsmöglichkeiten, deren Zugang auch für die Antragstellerin möglich sei. Dies zeige sich bereits dadurch, dass sie seit vielen Jahren dort offenbar problemlos gelebt habe. Sie habe keinen Anspruch auf optimale Behandlung, sondern müsse sich grundsätzlich auf den Versorgungsstandard im Heimatland verweisen lassen. Die Erkrankungen der Antragstellerin wie Vorhofflimmern und chronische Niereninsuffizienz sowie weitere altersbedingte

Beschwerden seien sowohl vom Bundesamt als auch zweimal vom Gesundheitsamt der Stadt und des Landkreises Würzburg gewürdigt worden und als in Russland behandelbar bzw. derzeit medikamentös eingestellt attestiert worden. Das zuletzt vorgelegte Attest setze sich nicht mit den Feststellungen des Gesundheitsamts auseinander. Ein Abschiebungshindernis lasse sich nicht feststellen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 22. Oktober 2015 und 11. November 2015 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akten der Verfahren W 7 K 15.748 und W 7 S 15.749 und der beigezogenen Behördenakte verwiesen. II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im Verfahren W 7 K 15.748 zu untersagen, ist zulässig und begründet. 1. Der Antrag nach 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, weil durch den Bescheid vom 21. Juli 2015 kein vorläufiges Bleiberecht i. S. d. 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG beendet worden ist. Denn die Antragstellerin reiste mit einem Schengen-Visum nach 6 Abs. 1 AufenthG in das Bundesgebiet ein ( 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Somit kommt nur eine Sicherungsanordnung ( 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in Betracht (BayVGH, B.v. 5.3.2015-19 CE 14.1137 - juris Rn. 2; B.v. 22.7.2014-10 CS 14.1534, 10 C 14.1535 - juris). 2. Der Antrag ist begründet. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund (2.2.) als auch einen Anordnungsanspruch (2.3.) glaubhaft gemacht. 2.1. Nach 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach, das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen ( 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. 920 Abs. 2 ZPO). 2.2. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da das Landratsamt Würzburg beabsichtigt, den Aufenthalt der Antragstellerin, die eine freiwillige Ausreise ersichtlich ablehnt, zeitnah durch Abschiebung zwangsweise zu beenden. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Schreiben des Landratsamts Würzburg vom 5. Oktober 2015, in welchem die Antragstellerin aufgefordert wurde, bis zum 9. Oktober 2015 mitzuteilen, wann und wo sie die Bundesrepublik freiwillig verlassen werde. Sollte bis dahin keine Rückmeldung zu den Ausreisemodalitäten erfolgen, würden Ausreisevorbereitungen zur Durchsetzung der bestehenden gesetzlichen Ausreiseverpflichtung seitens des Landratsamts eingeleitet. Denn die Duldung der Antragstellerin laufe zum 23. Oktober 2015 ab. 2.3. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch auf Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen glaubhaft gemacht. Zur Bejahung des Anordnungsanspruchs genügt die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen ist und die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfällt. Denn bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind ähnliche Grundsätze wie bei der Aussetzung des sofortigen Vollzugs nach 80 Abs. 5 VwGO anzuwenden (BVerfG, B.v. 13.6.1979-1 BvR 699/77, BVerfGE 51,268/280 ff.; BayVGH, B.v. 5.3.2015-19 CE 14.1137 - juris Rn. 6).

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß 25 Abs. 3 i. V. m. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in diesem Sinne hinreichend glaubhaft gemacht. Denn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist insoweit als offen zu betrachten. Nach 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bezogen auf krankheitsbedingte Verschlechterungen des Gesundheitszustands eines Ausländers bei Rückkehr in sein Heimatland muss daher ernsthaft zu befürchten stehen, dass sich sein Gesundheitszustand in seinem Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte. Erforderlich ist, dass die drohende Gesundheitsgefahr von besonderer Intensität ist und die zu erwartende Gesundheitsverschlechterung alsbald nach Rückkehr in den Zielstaat einzutreten droht (vgl. nur BVerwG, U.v. 17.10.2006-1 C 18.05 - und v. 29.10.2002-1 C 1.02 - jeweils juris). Ausgehend hiervon ist jedenfalls offen, ob für die Antragstellerin eine erhebliche konkrete Gefahr i. S. d. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation besteht. Sowohl aus den Attesten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. S. vom 19. Februar 2015, 22. April 2015 und 9. November 2015, dem Attest der Ärztin Dr. med. D. vom 9. Juli 2015, der ärztlichen Stellungnahme des Universitätsklinikums W. vom 18. Februar 2015 sowie den Stellungnahmen des Gesundheitsamts der Stadt und des Landkreises W. vom 25. März 2015 und 31. Juli 2015 ergibt sich, dass die Antragstellerin an Vorhofflimmern und chronischer Niereninsuffizienz Stadium III leidet. Eine medikamentöse Behandlung mit Marcumar nach INR, Metropol und Digimerck minor ist erforderlich. Die Einstellung der Medikamente bedarf einer regelmäßigen engmaschigen, d. h. wöchentlichen Kontrolle, da ihr therapeutischer Bereich sehr eng ist und diese Medikamente bei Fehlanwendungen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen mit möglicher Todesfolge führen können. Daneben wurden altersbedingte psychologische Auffälligkeiten festgestellt, wie vor allem kognitive Störungen mit örtlicher und zeitlicher Desorientierung. Aufgrund der einheitlichen Diagnose bedarf es insoweit keiner Entscheidung darüber, ob die vorgelegten privatärztlichen Atteste den Mindestvoraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses erfüllen. Das Gesundheitsamt der Stadt und des Landkreises Würzburg führte in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2015 abschließend aus, dass die Antragstellerin reisefähig im engeren Sinne sei. Allerdings bedürfe sie aufgrund ihrer körperlichen und psychischen Erkrankungen bei allen Tätigkeiten des täglichen Lebens Hilfe. Eine ärztliche und pflegerische Betreuung im Heimatland sei notwendig. Aus Sicht der Kammer ist derzeit offen, ob die Antragstellerin die danach erforderliche Betreuung im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation erhalten kann. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts vom 15. Oktober 2014 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation ist die medizinische Versorgung auf einfachem Niveau, aber grundsätzlich ausreichend. Zumindest in den Großstädten, wie Moskau und St. Petersburg sind auch das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen vorhanden. Nach Einschätzung westlicher NGOs ist das Hauptproblem weniger die technische oder finanzielle Ausstattung, sondern ein gravierender Ärztemangel. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf klinische Behandlung ausgerichtet ist und gleichzeitig Allgemeinmediziner fehlen. Außerdem ist das Gesundheitssystem strukturell unterfinanziert. Russische Bürger haben ein Recht auf kostenfreie medizinische Grundversorgung, doch in der Praxis werden nahezu alle Gesundheitsdienstleistungen erst nach verdeckter privater Zuzahlung geleistet. Nach Angaben des Zentrums für soziale Politik der Russischen Wirtschaftsakademie erhält rund die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung keine medizinische Versorgung, da diese Menschen keine Zeit für Warteschlangen in den formell kostenlosen medizinischen Einrichtungen haben. Die Versorgung mit Medikamenten ist zumindest in den Großstädten gut, aber nicht

kostenfrei. Neben russischen Produkten sind gegen entsprechende Bezahlung auch viele importierte Medikamente erhältlich. Nach dem Länderinformationsblatt Russische Föderation vom Juni 2014 des Bundesamts, der Internationalen Organisation für Migration und zirf.eu ist die Gesundheitsversorgung in Russland schwierig. Die staatliche Finanzierung ist unzureichend und beträgt nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit nur etwa die Hälfte der benötigten Finanzmittel. Etwa achtzig Prozent der staatlichen Gesundheitseinrichtungen werden über regionale und/oder städtische Budgets finanziert, die aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen meist nicht in der Lage sind, die medizinische Versorgung auf hohem Niveau anzusiedeln. Häufig fehlen medizinische Apparate und die Einrichtungen leiden unter Personalmangel, da die durchschnittliche Stellenbesetzung bei nur etwa sechzig Prozent liegt. Die Qualität der kostenlos gewährten medizinischen Versorgung nimmt infolgedessen stetig ab. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen. Die kostenlose Versorgung soll die Bereiche der Notfallhilfe, ambulanten Versorgung und Vorsorgemedikamente, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zuhause und in Polikliniken sowie die Behandlung im Krankenhaus abdecken. Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist. Die durchschnittliche Altersrente betrug nach dem genannten Bericht am 1. April 2014 11.600 RUB in ganz Russland. Das Bundesamt führte in seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2015 u. a. aus, dass es nach Auskunft der Botschaft Moskau an das Bundesamt vom 16. Juli 2012 im Rahmen der staatlichen Fürsorge Pflegeeinrichtungen sowie auch Pflegedienste für Schwerbehinderte und Personen, die sich aufgrund ihrer Behinderung oder ihres Alters nicht bzw. nicht mehr selbstständig versorgen können, gebe. Die Antragstellerin lebte vor ihrer Ausreise zuletzt in Barnaul, der Hauptstadt der russischen Region A. im Süden Westsibiriens mit 612.401 Einwohnern (https://de.w.../wiki/b.). Nach ihren Angaben löste sie ihren Wohnsitz dort vor ihrer Ausreise nach Deutschland auf. Ihr einziger Sohn lebt in Deutschland, in Russland lebende Verwandte sind nicht bekannt. Sie bezieht ausweislich eines Kontoauszuges für den Zeitraum vom 26. März 2015 bis 26. Juli 2015 eine monatliche Rente in Höhe von 18.027,27 RUB. Damit ist ihre Rente zwar überdurchschnittlich, befindet sich aber auf niedrigem Niveau. Anders, als das Bundesamt in seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2015 ausführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit wohl adäquat behandelt worden sei und auch ihr Herzleiden dort behandelt werden könne. Denn die Herzerkrankung wurde erstmals während ihres Aufenthalts im Universitätsklinikum W. vom 12. Februar 2015 bis 18. Februar 2015 festgestellt. Auf eine hinreichende Behandelbarkeit in Russland lassen sich daher keine Rückschlüsse aus dem Leben der Antragstellerin dort ziehen. Zudem ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang sie in Russland der medizinischen Behandlung bedurft hat bzw. sie diese in Anspruch nehmen konnte und auch tatsächlich genommen hat. Das Bundesamt führte auch aus, dass nach Aktenlage möglicherweise keine zu einer Betreuung fähigen Familienangehörigen in Russland am Wohnort der Antragstellerin zur Verfügung stünden, sie dort aber wohl eine wie auch immer geartete Hilfe erhalten habe oder entsprechende Hilfe im Falle einer Rückkehr erhalten könne. Die Aussagen zur Verfügbarkeit einer wie auch immer gearteten Hilfe sind allerdings rein spekulativ. Es gilt daher im Hauptsacheverfahren zu klären, ob hinreichende ärztliche und pflegerische Betreuungsmöglichkeiten an ihrem letzten Wohnort gegeben sind und sie (finanziellen) Zugang zu diesen hat. Dabei ist weiter zu klären, über welche Einkünfte bzw. welches Vermögen die Antragstellerin verfügt, und ob ggf. ihr Pflegebedarf über ihren in Deutschland lebenden Sohn sichergestellt werden kann. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung basiert auf 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.