Arbeitslosigkeit und zweitbeste Steuer-Transfer-Systeme

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Transkript:

Arbeitslosigkeit und zweitbeste Steuer-Transfer-Systeme Stefan Homburg DISKUSSIONSPAPIER NR. 262 OKTOBER 2002 ISSN 0949 9962 ZUSAMMENFASSUNG: Die analtend oe Arbeitslosigkeit at verstärkt zu Diskussionen gefürt, ob das Steuer-Transfer-System ierfür mitverantwortlic sei. Dabei wurde insbesondere auf die ser oe implizite Grenzbelastung im untersten Einkommensbereic ingewiesen. Als Alternativen wurden eine negative Einkommensteuer, negative Grenzsteuersätze oder Arbeitsverpflictungen für Transferempfänger vorgesclagen. Die Arbeit würdigt diese Instrumente analytisc und zeigt, daß negative Grenzsteuersätze oder Arbeitsverpflictungen nict die erofften Wolfartswirkungen aben. SUMMARY: Persistently ig unemployment rates ave stimulated debates weter or not te tax transfer system may be partly responsible for tis problem. In particular, it as been pointed out tat low earnings are subject to very ig marginal tax rates. Among possible reform options are te negative income tax, negative marginal tax rates, and workfare. Te paper evaluates tese options analytically and sows tat negative marginal tax rates or workfare do not ave te desired impact on welfare. JEL-Classification: H22. Gekürzte Fassung erscienen als: Arbeitslosigkeit und soziale Sicerung. In: Vierteljaresefte zur Wirtscaftsforscung 72 (2003), S. 68 ff

2 1 Einleitung 1 Die analtend oe Arbeitslosigkeit at in den letzten Jaren verstärkt zu Diskussionen gefürt, ob das Steuer-Transfer-System ierfür mitverantwortlic sei. Transfers wie die Sozialilfe oder die Arbeitslosenilfe definieren Ansprucslöne, die mindestens gezalt werden müssen, damit Transferempfänger eine Arbeit aufnemen. Diese Ansprucslöne müssen nict numerisc mit der Sozialilfe übereinstimmen; vielmer können sie abängig von Präferenzen, Anrecnungsbestimmungen und weiteren Faktoren öer oder niedriger liegen. Als allgemeine Regel gilt aber, daß die Ansprucslöne bei steigender Sozialilfe zunemen und damit die Bescäftigung verringern. Einer anderen Sictweise folgend wird Arbeitslosigkeit sclict durc mangelnde Nacfrage nac Arbeitskräften verursact. So einfac liegen die Dinge aber nict, weil die Arbeitsnacfrage eine Funktion der Lonkosten ist. Läßt man die Lonkosten gedanklic gegen Null geen, wird die Arbeitsnacfrage zweifellos unbegrenzt wacsen, vor allem im Bereic der Dienstleistungen. In der sozialen Marktwirtscaft können die Lonkosten aber nict beliebig sinken, weil das Steuer-Transfer-System eben eine Untergrenze einziet. Der resultierende Lonabstand, der nict geboten werden muß, sondern sic im Arbeitsmarkt automatisc einstellt, unterstreict die Bedeutung des eingangs genannten Arguments, wonac die durc Transfers erzeugten Ansprucslöne eine wictige Ursace für die Arbeitslosigkeit insbesondere Niedrigqualifizierter darstellen. Die Spielregel, daß bedürftige Personen staatlice Transfers eralten, ist allgemein akzeptiert und stellt den Kern der Sozialen Marktwirtscaft dar. Es kann daer nict um die Beseitigung dieser Unterstützung geen. Das eigentlice Problem lautet vielmer, wie die miteinander konfligierenden Ziele oe Unterstützung für Arme und niedrige Arbeitslosigkeit bestmöglic in Einklang gebract werden können. Damit ist die Frage nac dem optimalen Steuer-Transfer-System gestellt. Das deutsce System läßt sic bekanntlic wie folgt carakterisieren: Im untersten Einkommensbereic bei der Sozialilfe bzw. Arbeitslosenilfe unterliegen Hinzuverdienste einer Grenzbelastung von rund 100%, wärend die Grenzbelastung mittlerer und öerer Einkommen deutlic unter diesem Wert liegt. Bei einer Grenzbelastung von 100% ist der Anreiz zur Aufname einer Tätigkeit gleic Null. Aus dieser Erkenntnis eraus sind vor allem drei Alternativen zum besteenden System vorgesclagen worden: Negative Einkommensteuer: In der einfacsten Variante, einem Tarif mit konstantem Grenzsteuersatz, eralten alle Personen einen Grundtransfer, wenn sie nict über eigenes Einkommen verfügen, und Hinzuverdienste unterliegen einer eineitlicen Belastung von z. B. 50%. Bei steigendem Arbeitseinkommen scrumpft der Transfer scrittweise bis auf Null und wandelt sic anscließend in eine positive Steuerzalung. Negativer Grenzsteuersatz: Der US-amerikanisce Earned Income Tax Credit (EITC) als bekanntestes Beispiel verstärkt den Anreiz zur Arbeitsaufname, indem niedrige Einkommen mit einem negativen Grenzsteuersatz konfrontiert werden: Bei zunemendem Arbeitseinkommen steigt der Transfer zunäcst. Hierin liegt ein wesentlicer Unterscied 1 Eine früere Fassung dieses Aufsatzes wurde am 16. September 2002 auf der Jarestagung des Sozialpolitiscen Ausscusses im Verein für Socialpolitik vorgetragen. Ic danke den Teilnemern erzlic für zalreice Kommentare, die in die vorliegende Fassung eingegangen sind.

3 zur negativen Einkommensteuer, bei der zwar die Steuerbeträge negativ sein können, die Grenzsteuersätze aber stets positiv sind. Arbeitsverpflictungen: Hierbei sind arbeitsfäige Transferempfänger gealten, in öffentlicen Arbeitsprogrammen mitzuwirken. Wer arbeitsfäig ist und nict mitmact, erält keine staatlice Unterstützung. Diese Arbeit analysiert die drei alternativen Instrumente und vergleict sie mit dem status quo. Metodisc berut der verwendete Ansatz auf der von Mirrlees (1971) initiierten Optimalsteuerteorie. Deren Ergebnisse sind teils tradiert, teils jüngeren Datums, auf jeden Fall oft dunkel und unzugänglic. Die Form der iesigen Darstellung ist daer eine andere; sie versuct, die subtilen und wertvollen Einsicten der Optimalsteuerteorie in möglicst einfacer Art zu vermitteln. Tecnisce Einzeleiten bleiben dabei im Hintergrund; alle erforderlicen Beweise und weitere Literaturangaben finden sic in Homburg (2002a, 2002b). 2 Das Standardmodell Das Standardmodell der Optimalsteuerteorie beandelt die Besteuerung von Arbeitseinkommen; Vermögenseinkommen und intertemporale Entsceidungen bleiben ausgeklammert. Desalb konsumiert jede Person ir gesamtes Nettoeinkommen in der betracteten Periode und bildet keine Ersparnisse. Der Konsum bzw. das Nettoeinkommen wird mit dem Symbol c bezeicnet. Außerdem leistet jede Person l 0 Stunden Erwerbsarbeit monatlic und erzielt bei gegebener Produktivität w, die mit dem Lonsatz übereinstimmt, das (Brutto-) Einkommen y= w l. Weil Produktivität und Lonsatz übereinstimmen, unterliegt dem Modell ein kompetitiver Arbeitsmarkt; kollektive Lonverandlungen bleiben also ausgeklammert. Die Differenz T = y c von Brutto- und Nettoeinkommen entsprict der zu zalenden Steuer. In küner Stilisierung wird das gesamte Steuer-Transfer-System durc einen Steuertarif T(y) repräsentiert, der jedem Einkommen entweder eine positive Steuer im umgangsspraclicen Sinn zuordnet oder eine negative Steuer, also einen Transfer. Die Paare (c, y) aus Konsum und Einkommen bescreiben diese Steuern bzw. Transfers implizit, so daß letztere nict separat aufgefürt werden müssen. Einkommensabängige Steuern treiben bekanntlic einen Keil zwiscen Brutto- und Nettolon und erzeugen einen Anreiz, steuerpflictige Erwerbsarbeit durc steuerfreie Eigenproduktion oder Freizeit im engeren Wortsinn zu ersetzen. Die Teorie berut nict auf der Hypotese, daß Menscen grundsätzlic arbeitssceu seien, sondern berücksictigt, daß sie regelmäßig zwiscen Erwerbsarbeit und Eigenproduktion wälen können. Jede Besteuerung der Erwerbsarbeit verzerrt diese Wal zugunsten der Eigenproduktion. Numeriert man die Personen mit einem Index = 0...H und ordnet sie nac zunemender Produktivität, also in der Form w 0 <w 1 <...w H, dann lautet das Politikziel bei Anname einer üblicen Nutzenfunktion u(c, l): (1) max! u(c, l )f. (c, l ) = 0... H H = 0 Dabei entsprict f dem Anteil der Personen mit Lonsatz w an der Gesamtbevölkerung. Man kann die Zielfunktion utilitaristisc oder gesellscaftsvertraglic interpretieren. Im letzteren Fall bestet das Politikziel darin, den Erwartungsnutzen einer Person zu maximieren, die

4 inter einem Scleier der Ungewißeit entsceidet und die Modellzusammenänge kennt, aber nict weiß, welcen Lonsatz sie nac Lüftung des Scleiers aben wird. Diese Interpretation entsprict Rawls (1971) Justice as Fairness und vermeidet Parteiname zugunsten einer Bevölkerungsgruppe. Arme wollen oe Transfers eralten und Reice wenig Steuern zalen, wärend ein Mensc, der seine künftige Position nict kennt, unparteiisc urteilt. Im Gegensatz zum Utilitarismus kommt die gesellscaftsvertraglice Interpretation one interpersonelle Nutzenvergleice aus. Der Preis ierfür bestet darin, daß das soziale Optimum nict eindeutig definiert ist, wenn versciedene Personen inter dem Scleier der Ungewißeit versciedene Erwartungsnutzenfunktionen aben, weil sie sic zum Beispiel im Grad irer Risikoaversion untersceiden. Sofern aber alle überaupt risikoavers sind, lassen sic allgemeine Eigenscaften optimaler Steuertarife bescreiben. Dies ist der ier bescrittene Weg; die Funktion u(c, l) sei im folgenden also streng konkav. Die Maximierung der Zielfunktion (1) erfolgt unter der Nebenbedingung, daß das Steueraufkommen abzüglic der Transfers zur Finanzierung gegebener Pro-Kopf-Ausgaben für öffentlice Güter, g, ausreict. Demnac lautet die Ressourcenbescränkung bzw. staatlice Budgetbescränkung: (2) ( y c )f g. H = 0 Bis zu dieser Stelle andelt es sic um ein leict lösbares erstbestes Optimierungsproblem. Die entsceidende Anname der Optimalsteuerteorie bestet nun darin, daß der Staat die inärenten Fäigkeiten der Menscen, die in den Lonsätzen w zum Ausdruck kommen, und ire Arbeitszeiten nict unmittelbar beobacten kann. Der Fiskus kann zwar feststellen, welces Einkommen y= w l jemand verdient, aber nict, wie art er ierfür arbeitet. Bei der Tätigkeit von Außendienstmitarbeitern, Politikern oder Professoren ist das klar; in anderen Fällen gewinnt die Anname an Überzeugungskraft, wenn man bedenkt, daß auc Aus- und Fortbildung, unbezalte Überstunden etc. ökonomisc zur Arbeitszeit geören. Aus der unvollständigen Information bezüglic der Fäigkeiten entstet ein Problem, das selbst der Volksmund unter der Bezeicnung Leistungsprinzip kennt: Wenn jemand ein öeres Einkommen erwirtscaften soll als jemand anderer, dann muß im dies durc einen öeren Konsum entgolten werden, weil er seine Fäigkeiten sonst verbergen würde. In der Prosa der Optimalsteuerteorie at der Staat bei der Maximierung desalb folgende Selbstselektionsbedingungen (oder Anreizkompatibilitätsbedingungen) zu beacten: (3) u(c k, l k ) u(c, y /w k ) für alle k und. Hiernac muß eine Person k, wenn sie ire Fäigkeiten offenbart, mindestens so gut gestellt sein, wie wenn sie eine andere Person imitiert. Imitieren bedeutet, daß die Person k den Konsum und das Einkommen der Person wält. Ist etwa w k doppelt so groß wie w, dann arbeitet Person k alb so viel wie Person und erzielt dasselbe Einkommen. Der Staat kann dies nict verindern, weil er annamegemäß nur das Einkommen und den Konsum zu beobacten vermag. Zusammengefaßt lautet das zweitbeste Optimierungsproblem: Maximiere die Zielfunktion (1) bei Einaltung der Budgetbescränkung (2) und der Selbstselektionsbedingungen (3).

5 Lösungen der Optimierungsaufgabe sind Güterbündel (c, l ) bzw. ierzu äquivalente Paare (c, y ) für alle Personen = 0...H. Aus diesen ergibt sic der zweitbeste Steuertarif, indem man die Steuern bzw. Transfers nac dem Muster T(y )=y c aus den realisierten Bruttound Nettoeinkommen berecnet und geeignete Zwiscenwerte an den Stellen y y auffüllt. 3 Ergebnisse Matematisc ist das oben bescriebene Optimierungsproblem alles andere als einfac, weil es ser viele Nebenbedingungen entält und diese keine konvexe Menge definieren. Mit dem üblicen Kun-Tucker-Ansatz kommt man nict weit. Gleicwol liefert die Teorie einige ser einleuctende Ergebnisse, wenn Konsum ein Bruttosubstitut für Freizeit und die Freizeit nictinferior ist 2. Mit diesen beiden tecniscen Annamen werden merkwürdige und uninteressante Anomalien ausgesclossen. Bei Bruttosubstitutionalität des Konsums aben produktivere Personen im Zweitbestoptimum einen öeren Konsum und ein öeres Einkommen; die Größen c und y nemen mit wacsendem Index bzw. mit wacsender Produktivität w zu. Insofern signalisiert ein oes Einkommen eine oe Produktivität, und der Staat, sofern er eigentlic von ocproduktiven zu niedrigproduktiven Personen umverteilen will, kann dieses Signal nutzen, um mittels des Steuer-Transfer-Systems von oen Einkommen zu niedrigen Einkommen umzuverteilen. Satz 1: Im Zweitbestoptimum sind die abwärts benacbarten Selbstselektionsbedingungen bindend und alle anderen Selbstselektionsbedingungen automatisc erfüllt, es gilt (4) u(c, l ) = u(c 1, y 1 /w ) für alle > 0. Im Zweitbestoptimum ist somit jede Person indifferent zwiscen dem ir zugedacten Paar (c, y ) und dem Paar (c 1, y 1 ) ires linken Nacbarn. Weil die Personen nac aufsteigender Produktivität geordnet sind, ist der linke Nacbar die Person mit der näcst niedrigen Produktivität. Durc die Gleicungen (4) sind alle Nutzenniveaus miteinander verkettet; desalb sprict man in diesem Zusammenang von der Ketteneigenscaft des Optimums. Man beacte, daß eine Person im Optimum nict denselben Nutzen wie ir linker Nacbar at, sondern einen öeren, denn ir Nutzenniveau beträgt u(c 1, y 1 /w ), das des linken Nacbarn u(c 1, y 1 /w 1 ). Wegen w >w 1 ist das erstgenannte Niveau bei positivem Einkommen öer, die produktivere Person also besser gestellt. Dies ist eine unvermeidlice Folge irer Imitationsmöglickeiten. In Verbindung mit dem monotonen Wacstum von Konsum und Einkommen impliziert die Ketteneigenscaft, daß alle Selbstselektionsbedingungen, also auc die nict benacbarten und die aufwärts gericteten, erfüllt sind. Die ökonomisce Intuition des Satzes 1 lautet wie folgt. Bei angenommener Risikoaversion (und nictinferiorer Freizeit) erfordert die Erwartungsnutzenmaximierung eine rect starke Umverteilung von oben nac unten. Die Selbstselektionsbedingungen wirken dabei als Umverteilungsbremse. Folglic verteilt ein zweitbestes Steuer-Transfer-System bis an die Grenze 2 Bruttosubstitutionalität des Konsums bedeutet, daß in Abweseneit von Steuern der gewünscte Konsum wäcst, wenn der Lonsatz (als Preis der Freizeit) zunimmt. Eine inverse Arbeitsangebotskurve wird ierdurc nict ausgesclossen. Nictinferiorität der Freizeit bedeutet, daß die gewünscte Freizeit bei exogener Einkommenseröung nict abnimmt.

6 des Möglicen um, und genau diese Grenze wird durc (4) bescrieben. Reduzierte man den Konsum der Person ausgeend von der Indifferenz weiter, würde sie ire Fäigkeiten verbergen und sic als unproduktiver ausgeben. Sozialpolitisc gewendet entält die Ketteneigenscaft eine wictige und oft überseene Botscaft: Bei jeder Maßname zugunsten der Ärmeren bestet die Gefar, daß produktivere Personen, die ursprünglic oe Steuern zalten, ire Position verlassen und sic als unproduktiv ausgeben. Dies kostet Steueraufkommen und kann die bescriebene Maßname objektiv verunmöglicen. Relevant wird dieser Gesictspunkt vor allem bei der Beurteilung von Teilzeitarbeit. Einer vorökonomiscen Sictweise zufolge ist das gesamte Arbeitsvolumen exogen vorgegeben und durc Teilzeitarbeit oder Vermeidung von Überstunden geeignet auf die Arbeitsucenden zu verteilen. Diese Sict stellt das Grundproblem der Volkswirtscaftslere das in der Knappeit von Gütern bestet natürlic auf den Kopf. Die Arbeitslosen werden ja nict bemitleidet, weil sie nict arbeiten, sondern weil sie zu wenig Güter bzw. Einkommen aben. Erielte jeder Transferempfänger z. B. 10.000 Euro pro Monat, weil Güter nict knapp sind, würde das Scicksal der Arbeitslosigkeit sicer als erträglic angeseen. Im Licte der Teorie stellt Teilzeitarbeit desalb keine sozialpolitisce Cance dar, sondern eer eine Bedroung des Sozialsystems. Wenn nämlic produktive Personen auf Teilzeitstellen wecseln (was inen durc das Teilzeit- und Befristungsgesetz leict gemact wird, sie können sogar den für Vollzeitstellen gedacten Lonsatz mitnemen), bedeutet dies einen vergleicsweise oen Verlust an Steueraufkommen, der unter der Herrscaft der staatlicen Budgetrestriktion Einscnitte ins soziale Netz erforderlic mact. Klüger ist es im allgemeinen, produktive Mitglieder der Gesellscaft durc geeignete Anreize zur Wal möglicst langer Arbeitszeiten zu bewegen und die entsteenden oen Steuereinnamen zur Finanzierung auskömmlicer Transfers zu verwenden. Ein zweites wictiges Ergebnis der Optimalsteuerteorie beziet sic auf die Grenzsteuersätze. In einem diskreten Modell wie dem ier verwandten gibt es zwei möglice Definitionen des Grenzsteuersatzes, nämlic u (c, l ) T(y ) T(y (5) T' (y ) = 1+ bzw. m = 1 u (c, l )w y y c 1 l. Der lokale Grenzsteuersatz T (y ) bescreibt die Abweicung der Grenzrate der Substitution (das ist der Ausdruck u l /u c ) vom Lonsatz w ; er verscwindet offensictlic, wenn diese beiden Größen übereinstimmen. Ist der lokale Grenzsteuersatz positiv, dann bleibt die Grenzrate der Substitution inter dem Lonsatz zurück. Unter Anreizgesictspunkten ist dies die relevante Definition 3. Der diskrete Grenzsteuersatz m gibt demgegenüber die zusätzlice Steuerbelastung beim Aufstieg in eine öere Einkommensklasse an; er ist unter Verteilungsgesictspunkten die relevante Größe. Über die Vorzeicen dieser Grenzsteuersätze liefert die Teorie eindeutige Aussagen. Satz 2: Im Zweitbestoptimum sind alle lokalen und alle diskreten Grenzsteuersätze (sofern definiert) positiv, jedoc ist T (y H ) gleic Null. ) 3 Man kann zeigen, daß der Tarif an den Stellen y > 0 ( < H) keine Ableitung besitzt. Dort ist das Symbol T ' als Linksableitung zu versteen.

7 Hinsictlic der diskreten Grenzsteuersätze ist dieses Ergebnis klar. Es besagt, daß die gewünscte Umverteilung von oben nac unten durc die Selbstselektionsbedingungen zwar gebremst, aber nict verunmöglict oder gar ins Gegenteil verkert wird. Daer zalen Personen mit öeren Einkommen mer Steuern. Komplizierter liegen die Dinge beim lokalen Grenzsteuersatz, doc bildet das Verständnis dieses Resultats den Sclüssel zu den Anreizeffekten zweitbester Besteuerung. Nac Satz 2 ist der Grenzsteuersatz auf das öcste Einkommen y H gleic Null. Diese Tarifeigenscaft, die gängige Gerectigkeitsideen auf den Kopf zu stellen sceint, aber ja gerade aus einem Umverteilungsziel ergeleitet wurde, at folgenden Grund: Angenommen, die Person H werde mit einem positiven Grenzsteuersatz konfrontiert. Aus der Mikroteorie ist bekannt, daß ein positiver Grenzsteuersatz den Nutzen des Zensiten stärker senkt als eine unverzerrende Steuer, die dasselbe Aufkommen erbringt. Ersetzt man das verzerrende Tarifsegment an der Stelle y H durc ein Tarifsegment mit Grenzsteuersatz Null, aber gleicer Steuerlast, wird Person H desalb besser gestellt. Weil zugleic niemand anderer sclecter gestellt wird, nimmt der Nutzen von Person H und damit auc der Wert der Zielfunktion (1) bei Einaltung der Budgetbescränkung zu. Also kann ein positiver Grenzsteuersatz auf das öcste Einkommen nict optimal sein. Für alle anderen Personen mit positiven Einkommen verlangt der zweitbeste Steuertarif ingegen einen positiven Grenzsteuersatz, und es fragt sic warum. Matematisc läßt sic zeigen, daß ein positiver Grenzsteuersatz auf das Einkommen y 1 den recten Nacbarn, sofern dieser den 1 imitiert, stärker trifft als den 1 selbst und den recten Nacbarn somit von einer Imitation abält. Wegen der Ketteneigenscaft sind positive Grenzsteuersätze ein wertvolles Instrument, das ocproduktive Personen abscreckt, sic als niedrigproduktiv auszugeben. Der Staat nimmt die entsteenden Verzerrungen bewußt in Kauf, weil positive Grenzsteuersätze eine stärkere Umverteilung erlauben und diese sozial wünscenswert ist. Hier scließt sic der Kreis zum vorigen Argument: Weil die Person H keinen recten Nacbarn at, sollte ire Entsceidung unverzerrt bleiben. Freilic ist der verscwindende Grenzsteuersatz auf das öcste Einkommen unpraktikabel, wenn der Staat dieses Einkommen a priori nict kennt, und jedenfalls von untergeordneter Bedeutung, weil ein positiver Grenzsteuersatz auf das öcste Einkommen nur eine relativ kleine Personengruppe betrifft. Insofern kommt diesem Resultat keine große praktisce Bedeutung zu. Insgesamt stützt die Teorie das Konzept der negativen Einkommensteuer, wärend negative Grenzsteuersätze keine Begründung finden: Ein negativer diskreter Grenzsteuersatz at die falsce Verteilungswirkung, weil er von unten nac oben umverteilt, ein negativer lokaler Grenzsteuersatz die falsce Anreizwirkung, weil er die Entsceidung der betroffenen Person verzerrt und außerdem eine Imitation durc produktivere Personen geradezu erausfordert. Weil nämlic, wie oben argumentiert, positive Grenzsteuersätze die produktiveren Personen von einer Imitation abalten, gilt für negative Grenzsteuersätze genau das Gegenteil. Ob Grenzsteuersätze von 100% am unteren Ende der Einkommensverteilung optimal sind, läßt sic ingegen nict leict beurteilen. Ein Grenzsteuersatz von 100% bewirkt im Modell zwar, daß die jeweils öere Einkommensklasse unbesetzt bleibt, weil niemand die Müe zusätzlicer Arbeit auf sic nimmt, wenn dies nict durc öeren Konsum entgolten wird, doc können Tarifabscnitte zwiscen den realisierten Einkommen, in denen der Grenzsteuer-

8 satz 100% beträgt, nict ausgesclossen werden. Das folgende Simulationsergebnis ist ierbei lerreic. Tab. 1 berut auf der Nutzenfunktion u(c, l) = [c (500 l)] 0,4, einer maximalen Arbeitszeit von 500 Stunden pro Monat, einem unterstellten Pro-Kopf-Steueraufkommen von 300 Euro im Monat und der Anname, daß die in der ersten Spalte dargestellten Lonsätze gleicverteilt sind. Die Tabelle zeigt den zweitbesten Steuertarif, carakterisiert durc Steuerbeträge und Grenzsteuersätze, und die zugeörigen Netto- und Bruttoeinkommen. Person 0, deren Lonsatz Null beträgt, die also gewissermaßen erwerbsunfäig ist, at kein Einkommen und finanziert iren monatlicen Konsum von 644 Euro durc einen Transfer in gleicer Höe. Dasselbe gilt für Person 1, die Arbeitseinkommen verdienen könnte, weil sic ir Lonsatz auf 2 Euro pro Stunde beläuft, dies aber nict tut. Die beiden folgenden Personen eralten geringere Transfers, wärend alle übrigen Steuern zalen. Den Umstand, daß Personen untersciedlicer Produktivität im Optimum identisce Paare von Konsum und Einkommen eralten ier die Personen 0 und 1 bezeicnet man in der Literatur als Ballung (buncing). Im vorliegenden Fall berut die Ballung auf der informationellen Anname, daß der Staat nict zwiscen Erwerbsunfäigen (w = 0) und anderen Arbeitslosen (w > 0 und y= 0) zu untersceiden vermag. w c y T T ' m 0 644 0-644 2 644 0-644 4 785 360-425 52% 61% 6 1.056 1.037-19 46% 60% 8 1.383 1.738 355 39% 53% 10 1.772 2.454 682 30% 46% 12 2.227 3.178 951 21% 37% 14 2.753 3.909 1.156 11% 28% 16 3.356 4.644 1.288 0% 18% Tab. 1: Zweitbestes Steuer-Transfer-System. Erstaunlic ist nun, daß eine Ballung beim Einkommen Null in der Tat optimal sein kann. Die gesamte angewandte Literatur bezweifelt dies implizit und würde Person 1 zur Arbeitsaufname veranlassen wollen. Solce Forderungen sind insbesondere bei Steuerzalern populär, die sic iervon eine geringere Belastung versprecen. Warum ist die in der Tabelle dargestellte Arbeitslosigkeit der Person 1 optimal? Zur Beantwortung dieser Frage sei ein tecniscer Sacveralt vorausgescickt, der sic unmittelbar aus der Anname der Bruttosubstitutionalität des Konsums ergibt und das wictigste Hilfsmittel bei der Lösung solcer Optimierungsprobleme darstellt. Agentenmonotonie: Sei Person indifferent zwiscen den Paaren (c, y) und (c +ε, y+ δ) mit ε, δ > 0. Dann ziet jede Person mit Lonsatz w > w das letztere Paar strikt vor.

9 Man beacte ierbei, daß jede Person einen oen Konsum vorziet, aber ein oes Einkommen sceut, weil sic das Einkommen proportional zur Arbeitszeit verält. Die Agentenmonotonie besagt nun, daß ocproduktive Personen zu Paaren mit relativ viel Konsum und Einkommen tendieren. Dies liegt daran, daß sie ein gegebenes Einkommen mit vergleicsweise geringer Anstrengung erzielen können. Zurückkerend zur obigen Tabelle sei nun untersuct, wie man die dort dargestellte Arbeitslosigkeit verringern könnte. Damit Person 1 eine Arbeit aufnimmt und gleic gut gestellt bleibt (weil sie sic sonst als Person 0 ausgeben würde), muß ir ein öerer Konsum angeboten werden, also insgesamt ein Paar (c, y), das mer Konsum und Einkommen entält als das in der Tabelle dargestellte Paar (644, 0). Gesciet dies, dann wird Person 2, die aufgrund der Ketteneigenscaft indifferent war zwiscen irem Paar und dem Paar (644, 0), das neu konstruierte Paar wegen Agentenmonotonie strikt gegenüber irem eigenen vorzieen und Person 1 imitieren. Damit nimmt Person 2 einen öeren Transfer in Anspruc, was die staatlice Budgetbescränkung verletzt. Also sclägt dieser Versuc zur Verringerung der Arbeitslosigkeit fel. Es ist zwar objektiv möglic, Person 1 aus der Armutsfalle zu befreien, aber nur um den Preis, daß alle Personen 2, 3,..., deren Nutzen miteinander verkettet sind, bessergestellt werden und Person 0 einen entsprecend niedrigeren Transfer erält. Die in der Zielfunktion (1) zum Ausdruck kommende etisce Position läßt eine solce Politik aber nict zu, weil sie das Wolergeen der sclectestgestellten Person stark gewictet. Akzeptiert man die Zielfunktion als Grundlage der Politik, kann die Inkaufname einer gewissen Arbeitslosigkeit also zweitbest sein, und in diesem Fall ist nicts gegen einen Tarif einzuwenden, der im Bereic unteralb des Einkommens 360, also des kleinsten realisierten Einkommens, einen Grenzsteuersatz von 100% aufweist 4. Die beispielaft dargestellte Ballung am unteren Ende der Einkommensverteilung ist übrigens kein patologiscer Sonderfall, sondern tritt bei Simulationsrecnungen regelmäßig auf. Ein weiteres bemerkenswertes Carakteristikum des in Tab. 1 dargestellten Steuertarifs bestet darin, daß dieser zwar progressiv im Sinne eines steigenden Durcscnittsteuersatzes ist, die lokalen und diskreten Grenzsteuersätze aber fallen. So nimmt beispielsweise der lokale Grenzsteuersatz sein Maximum von 52% beim Einkommen 360 an und sinkt ernac monoton bis auf Null. Der fallende Grenzsteuersatz ist ebenfalls kein ungewönlices, sondern ein typisces Ergebnis, allerdings kein wasserdictes, weil sein Veralten von der Nutzenfunktion und insbesondere von der unterstellten Verteilung der Lonsätze abängt. Regelmäßig weist der optimale Steuertarif dort geringere Grenzbelastungen auf, wo die Lonreaktion elastisc und die Anzal der Personen groß ist; er begrenzt mitin die aggregierte Zusatzlast der Besteuerung. Zusammengefaßt sind negative Grenzsteuersätze ein verfeltes Instrument. Auc im unteren Einkommensbereic sollten die Grenzsteuersätze positiv und unter Umständen rect oc sein, weil sie zwar Verzerrungen erzeugen, aber auc ocproduktive Personen davon abal- 4 Dies gilt auc, wenn man die Zielfunktion (1) durc Rawls difference principle ersetzt, also durc die Forderung, allein den Nutzen der sclectestgestellten Person zu maximieren, oder wenn man irgendeine Zielfunktion verwendet, die Umverteilung von oben nac unten verlangt. Insofern sind die Ergebnisse rect robust.

10 ten, sic als niedrigproduktiv auszugeben und entsprecend weniger Steuern zu zalen. Darüber inaus kann eine gewisse Arbeitslosigkeit durcaus zweitbest sein, und ist dies der Fall, dann scaden selbst Grenzsteuersätze von 100% im untersten Einkommensbereic nict. 4 Zur Bedeutung von Partizipationsentsceidungen Das zentrale Ergebnis der Optimalsteuerteorie, nämlic die positiven Grenzsteuersätze, wurde bereits früzeitig von Diamond (1980) in Frage gestellt. Seine Arbeit blieb lange unbeactet, bis Saez (2002) sie popularisierte. Beide Autoren beaupten, daß im unteren Einkommensbereic möglicerweise negative Grenzsteuersätze zweitbest sind, wenn man unterstellt, daß die Personen ir Arbeitsangebot nict kontinuierlic variieren, sondern nur eine binäre Arbeitsangebotsentsceidung (Partizipationsentsceidung) treffen können. Im biser betracteten Standardmodell wält jede Person ein Arbeitsangebot zwiscen Null und 500 Stunden monatlic, wobei 500 Stunden das pysisce Maximum darstellen. Variationen des Arbeitsangebots erfolgen individualvertraglic, durc Anname von Zusatzjobs, Teilzeitarbeit, Überstunden oder durc Aus- und Fortbildung außeralb der eigentlicen Berufstätigkeit. Der Ansatz von Diamond und Saez berut demgegenüber auf der Anname, daß die Personen aufgrund institutioneller Hemmnisse nur zwiscen Arbeitslosigkeit und einer exogen vorgegebenen Arbeitszeit wälen können. Diese geringfügige Änderung vereinfact das Modell drastisc. Die Zielfunktion (1) und die staatlice Budgetbescränkung (2) bleiben unverändert, doc nemen die Selbstselektionsbedingungen nunmer folgende Form an: (6) u(c k, l k ) u(c, 0) für alle k und. Demnac muß jeder Arbeitende mindestens das Nutzenniveau eines Arbeitslosen erreicen, und alle Arbeitslosen müssen denselben Nutzen aben. Weil jede Person nur Vollzeit oder gar nict arbeiten kann, vermögen sic Personen versciedener Produktivität nict untereinander zu imitieren; ire einzig verbleibende Imitationsmöglickeit bestet darin, sic als vollständig erwerbsunfäig auszugeben und kein Einkommen zu erzielen. In diesem Zusammenang wird die biser belanglose Anname w 0 =0 wictig. Erzielten nämlic alle Personen einen positiven Lonsatz, gäbe es überaupt keine Imitationsmöglickeiten, und der Staat könnte einen erstbesten Steuertarif implementieren. Die neue Optimierungsaufgabe lautet nun: Maximiere (1) unter den Nebenbedingungen (2) und (6). Bei einem exogenen Arbeitsangebot von l Stunden monatlic aben ire Lösungen eine ser einface Struktur. Man beacte, daß es bei binären Arbeitsangebotsentsceidungen nur auf den diskreten Grenzsteuersatz ankommt. Weil kleine Änderungen des Arbeitsangebots per Anname ausgesclossen sind, verliert der lokale Grenzsteuersatz seine Anreizfunktion und ist eine ökonomisc irrelevante Größe. Satz 3: Im Zweitbestoptimum eralten alle Arbeitslosen den Konsum c 0, alle Arbeitenden den Konsum c>c 0, und alle Personen aben denselben Nutzen: (7) u( c, l) = u(c 0, 0).

11 Diese Bedingung stellt ein Analogon zur Ketteneigenscaft dar. Ire Begründung ist offensictlic: Eine arbeitende Person darf nict sclecter gestellt sein als ein Arbeitsloser, weil sie ire Fäigkeiten sonst verbergen würde. Sie darf im Optimum aber auc nict besser gestellt sein, weil das Steuersystem andernfalls ein wenig stärker von oben nac unten umverteilen könnte, one daß die Gefar einer Imitation bestünde. Desalb sind im Optimum alle Personen gleic gut gestellt. Das Zweitbestoptimum weist folgende Struktur auf: Es gibt einen Index > 0 mit der Eigenscaft, daß alle Personen < arbeitslos sind und alle Personen arbeiten. Oberalb der Stelle ist der diskrete Grenzsteuersatz gleic 100%, weil alle Arbeitenden denselben Konsum c eralten, ir Einkommen y = w l aber mit steigender Produktivität zunimmt. Eine Grenzbesteuerung von 100% ist in diesem Modell unscädlic, weil sic die Arbeitenden nict gegenseitig imitieren können. Unteralb der Stelle verscwinden die Einkommen, so daß der diskrete Grenzsteuersatz nict definiert ist. Somit verbleibt allein die Frage, ob der Grenzsteuersatz auf das kleinste realisierte Einkommen möglicerweise negativ wird. Satz 4: Der diskrete Grenzsteuersatz auf das kleinste realisierte Einkommen ist nict negativ. Dieses wictige Ergebnis besagt, daß das Ergebnis des Standardmodells unverändert bleibt, wenn man die Anname eines kontinuierlic wälbaren Arbeitsangebots durc die Anname einer binären Arbeitsangebotsentsceidung ersetzt. Statt ierfür eine formale Begründung zu geben, sei diese Einsict anand eines Beispiels illustriert, das die ökonomiscen Zusammenänge verdeutlict. Das Beispiel berut auf der im vorigen Abscnitt unterstellten Nutzenfunktion, einem Pro-Kopf-Steueraufkommen von 100 und der exogen vorgegebenen Arbeitszeit l = 250 Stunden pro Monat. w c l y T m 0 1.056 0 0-1.056 -- 4 2.111 250 1.000-1.111-6% 8 2.111 250 2.000-111 100% 12 2.111 250 3.000 889 100% 16 2.111 250 4.000 1.889 100% Tab. 2: Negativer Grenzsteuersatz. Tab. 2 zeigt eine Ökonomie mit fünf Personen, die mit Ausname der erwerbsunfäigen Person 0 alle arbeiten. Unter dieser Voraussetzung ist der in der letzten Spalte aufgefürte Grenzsteuersatz auf das kleinste Einkommen negativ; er beträgt -6%. Der negative Grenzsteuersatz at die Aufgabe, Person 1 in ein Arbeitsverältnis zu locken. Damit dies gelingt, muß der zusätzlice Konsum, den sie im Vergleic zu Person 0 erält, ir Einkommen übersteigen; es gilt 2.111 1.056 > 1.000. Anders ausgedrückt wäcst das Nettoeinkommen zunäcst rascer als das Bruttoeinkommen; dies entsprict einer negativen Grenzbelastung. Der Grenzsteuersatz am unteren Ende der Einkommensverteilung ist ier also negativ, die dargestellte Situation aber nur ein eingescränktes Optimum, welces unter der Anname

12 berecnet wurde, daß Person 1 arbeitet. Hebt man diese unbegründete Voraussetzung auf, ergibt sic das in Tab. 3 dargestellte Zweitbestoptimum. w c l y T m 0 1.062 0 0-1.062 -- 4 1.062 0 0-1.062 -- 8 2.125 250 2.000-125 47% 12 2.125 250 3.000 875 100% 16 2.125 250 4.000 1.875 100% Tab. 3: Zweitbestoptimum bei Partizipationsentsceidung. Im Zweitbestoptimum ist Person 1 arbeitslos und der Grenzsteuersatz am unteren Ende der Einkommensverteilung positiv, wie in Satz 4 beauptet. Verglicen mit der in Tab. 2 abgebildeten Situation wurde eine Pareto-Verbesserung erreict, die man mit bloßem Auge erkennen kann: Person 0 erält einen öeren Konsum als zuvor (1.062 statt 1.056) und at damit einen öeren Nutzen, und weil laut (6) alle Nutzen übereinstimmen, sind auc die übrigen Personen bessergestellt. Um zu versteen, warum ein negativer Grenzsteuersatz ineffizient ist, betracte man Tab. 3 und überlege, wie die dortige Allokation verbessert werden könnte. Weil die Personen mit den Nummern 2 bis 4 arbeiten und Person 0 keinen Beitrag zum Sozialprodukt liefern kann, stört allein die Arbeitslosigkeit der Person 1, die, wenn sie arbeitete, ein Einkommen von 1.000 erzielen würde. Um sie zur Arbeitsaufname zu bewegen, muß ir Konsum von 1.062 auf 2.111 angeoben werden, wie Tab. 2 zeigt. Der zusätzlice Konsum der Person 1 übersteigt damit iren Beitrag zum Sozialprodukt und erzwingt wegen des ursprünglic ausgeglicenen Staatsbudgets Steuereröungen und eine Senkung des Transfers an Person 0. Hierdurc werden alle Bewoner der Modellökonomie sclecter gestellt, was nict sinnvoll sein kann. Eine etwaige Hoffnung der Steuerzaler, daß die Minderung der Arbeitslosigkeit Steuersenkungen erlaubt, erweist sic als Illusion. Zusammengefaßt ist ein negativer Grenzsteuersatz nac Art des amerikaniscen EITC auc dann ineffizient, wenn im Standardmodell das kontinuierlic veränderbare Arbeitsangebot ersetzt wird durc bloß binäre Arbeitsangebotsentsceidungen. Binäre Arbeitsangebotsentsceidungen sind darüber inaus ein etwas artifizielles Konstrukt und aben die unrealistisce Implikation, daß alle Grenzsteuersätze oberalb des kleinsten realisierten Einkommens 100% betragen. Die Ergebnisse von Saez beruen, anders als der Autor denkt, nict auf der Partizipationsentsceidung, sondern auf weiteren Modifikationen des Standardmodells, insbesondere darauf, daß sic die Personen insictlic Produktivität und Präferenzen untersceiden und daß ire Nutzen in der Zielfunktion (1) zusätzlic gewictet werden. Nemen die Gewicte mit steigender Produktivität zu, dann will das Steuersystem möglicerweise von unten nac oben umverteilen, wobei negative Grenzsteuersätze optimal werden. Die normative Grundlage einer solcen Gewictung ist unklar; immerin kann der Grenzsteuersatz in Saez Modell selbst bei kontinuierlic veränderbarem Arbeitsangebot, also unter der Anname des Standardmodells, negativ sein. Scon allein diese Beobactung zeigt, daß es auf die Partizipati-

13 onsentsceidung nict eigentlic ankommt; diese ist ein künstlic ocgespielter red erring. 5 Arbeitsverpflictungen Sollten Empfänger von Sozialilfe oder Arbeitslosenilfe zur Arbeit verpflictet werden? Diese Frage wird unter der Überscrift Workfare versus Welfare vor allem in der amerikaniscen Literatur breit diskutiert 5. Sie läßt sic folgendermaßen motivieren: Fundamental für die Gestaltung des Steuer-Transfer-Systems ist dessen Anzeizkompatibilität. Weil der Staat die inärenten Fäigkeiten der Menscen nict beobacten kann, muß er im allgemeinen in Kauf nemen, daß sic produktive Personen als unproduktiv ausgeben, um Transfers zu eralten. Die Neigung zu einer solcen Imitation dürfte geringer sein, so die Überlegung, wenn Transferempfänger öffentlice Arbeiten zu verricten aben. Verstet man das Argument rect, dann läuft eine Arbeitsverpflictung den Interessen der Ärmsten nict unbedingt zuwider. Sie werden zwar in direkter Wirkung zunäcst sclecter gestellt, weil sic ire Freizeit vermindert, doc könnte dies dadurc aufgewogen werden, daß produktivere Personen auf eine Imitation und den Empfang von Transfers verzicten. Die eingesparten Transferausgaben und die öeren Steuereinnamen ermöglicen sodann die Finanzierung öerer Pro-Kopf-Transfers, und wenn dieser indirekte Effekt den Freizeitverlust überwiegt, dann ist das Instrument der Arbeitsverpflictung im wolverstandenen Interesse der Armen. Das iermit angesprocene Problem aben insbesondere Besley und Coate (1995) eingeend untersuct. Ir Modell untersceidet sic vom obigen in wesentlicen Punkten. Erstens werden ser einscränkende Annamen über die Präferenzen und die Produktivitätsverteilung gemact, insbesondere ist die Nutzenfunktion quasi-linear. Zweitens und wictiger ist das Modell von Besley und Coate kein gesclossenes allgemeines Gleicgewictsmodell, in dem die Belange der Transferempfänger und der Steuerzaler gegeneinander abgewogen werden. Vielmer betracten die Autoren nur eine bedürftige Teilgruppe der Gesellscaft. Die Mitglieder dieser Teilgruppe sollen einen gewissen Mindestlebensstandard aben, der entweder in Konsumeineiten oder in Nutzeneineiten gemessen wird, und das Ziel der Optimierung bestet darin, die Kosten des Wolfartsprogramms zu minimieren. Der Staat setzt ierbei keine moralisce Norm durc, sondern fungiert gewissermaßen als Agent der im Hintergrund bleibenden Steuerzaler, die ire Belastung minimieren wollen. Besley und Coate (1995, 193) rectfertigen diese Anname mit der größeren politiscen Mact der Steuerzaler im Vergleic zu den Transferempfängern. Sie gelangen zum Ergebnis, daß workfare, also ein System mit Arbeitsverpflictung, nur dann optimal sein kann, wenn die Steuerzaler den Armen einen gewissen Mindestkonsum belassen wollen. Sollen die Armen ingegen einen gewissen Mindestnutzen aben, sind Arbeitsverpflictungen nict optimal. Zu änlicen Ergebnissen kommt Cuff (2000) anand eines Modells mit drei Personen, die sic in irer Arbeitsneigung und in irer Produktivität untersceiden. 5 Eine früe teoretisce Arbeit zum Tema stammt von Cambers (1989), der den Begriff workfare jedoc in einem anderen Sinn verwendet. Cambers meint iermit Situationen, in denen alle Arbeitsfäigen arbeiten, wärend er Ballungen beim Einkommen Null als welfare bezeicnet.

14 Nacfolgend wird das Instrument der Arbeitsverpflictung in den Modellramen der vorigen Abscnitte eingebettet. Dies ist im Ansatz einfac: Wärend der Staat den Personen biser Paare (c, y) anbot, offeriert er nun Tripel (c, y, v) aus Konsum c, Einkommen y und einer Verpflictung, v Stunden monatlic in einem öffentlicen Arbeitsprogramm mitzuwirken. Im Optimum werden solce Arbeitsverpflictungen wol vorrangig Transferempfänger treffen, weil es wenig sinnvoll ersceint, ocproduktive Steuerzaler derartig zu beelligen. Trotzdem sei dieses Instrument zunäcst ganz allgemein zugelassen; die Analyse muß dann zeigen, in welcen Fällen positive Arbeitsverpflictungen und in welcen Fällen Randlösungen v = 0 optimal sind. Die im öffentlicen Programm verbracte Arbeitszeit sei vom Staat beobactbar und erbringe, der Literatur folgend, keinen Output. Empirisc ist dies gar nict so unplausibel (Gueron 1990). Zwar werden die Programmteilnemer im allgemeinen etwas Nützlices tun, doc sind die Kosten für ire Ausstattung und die Verwaltungskosten gegenzurecnen. Die öffentlicen Arbeitsprogramme dienen also nict dem Zweck, einen Staatssektor zu scaffen, der mit dem Marktsektor konkurriert, sondern sie sollen einen Beitrag zur Lösung der oben bescriebenen Anreizprobleme liefern. Weil die Arbeitsverpflictungen nur die Nutzenniveaus berüren, nict die Outputniveaus, lautet das Optimierungsproblem jetzt: (8) max! (c, l,v ) = 0...H mit i) ii) H = 0 H = 0 (y k u(c, l u(c, l k c )f + v )f g, k + v ) u(c,y w k + v ) für alle k,. Dies ist ein dreidimensionales Selbstselektionsproblem, weil die Arbeitsverpflictungen als zusätzlices Instrument neben den Konsum und das Einkommen treten. Mattews und Moore (1987) aben gezeigt, daß solce Optimierungsaufgaben scwierig und bisweilen unlösbar sind, weil sie nict notwendig die sogenannte single crossing property des zweidimensionalen Modells besitzen (diese bedeutet, daß sic die weiter unten abgebildeten Nutzenkurven nur einmal scneiden). Ein Griff in die matematisce Trickkiste ilft weiter: Anstelle des Problems (8) sei zunäcst ein vereinfactes Problem gelöst, das sic ergibt, indem man die Nebenbedingungen ii) durc die abwärts benacbarten Selbstselektionsbedingungen ersetzt und alle übrigen Selbstselektionsbedingungen vorerst ignoriert. Gelingt es zu zeigen, daß Lösungen des vereinfacten Problems allen Selbstselektionsbedingungen genügen, sind zugleic die Lösungen des ursprünglicen Problems gefunden. Den Weg zur Beantwortung der Frage, ob öffentlice Arbeitsprogramme sinnvoll sind, weist die folgende Eigenscaft, die in Ermangelung eines besseren Begriffs Agentenmonotonie II genannt sei. Sie berut auf einer Anname über die Präferenzen, die in der Optimalsteuerteorie biser keine Rolle spielte, aber ab jetzt unterstellt sei, nämlic Nictinferiorität des Konsums. Eine solce Forderung ist kaum einscränkend, weil c ein aggregiertes Konsumgut repräsentiert. Bei steigendem Einkommen mögen die Menscen zwar von einzelnen Gütern ( Kartoffeln ) weniger nacfragen, aber es ersceint öcst unplausibel, daß sie den Konsum insgesamt reduzieren und das öere Einkommen (sowie die ersparten Konsumausgaben) ausscließlic zur Eröung der Freizeit verwenden.

15 Agentenmonotonie II: Sei Person indifferent zwiscen den Tripeln (c, y, v) und (c + ε, y,v+δ) mit ε, δ > 0. Dann ziet jede Person mit Lonsatz w > w das letztere Paar vor. Beweis: Bei gegebenem Einkommen definiert die Gleicung u(c, y/w + v) =ū eine implizite Funktion c(v) mit der Steigung c (v)= u l /u c ; dies ist die Grenzrate der Substitution. Man betracte die Ableitung des Nutzens nac dem Lonsatz, u w (c, y/w + v) = u l (c, y/w + v) y/w 2. Differenziert man diese Ableitung bei konstantem Nutzen und Einkommen sowie bei entsprecend angepaßtem Konsum nac v, ergibt sic durc Einsetzen der Grenzrate der Substitution duw(c(v), y w + v) u y y (9) = u c u = (u uc uc u ) 0 2 2 dv l l u + ll l l ll. c w w Der Ausdruck (u l /u c u cl u ll ) ist bei nictinferiorem Konsum scwac positiv. Also nimmt die Steigung der in Abb. 1 dargestellten Nutzenkurven bei wacsender Arbeitsverpflictung scwac zu, woraus unmittelbar die Beauptung folgt. u (c+ε, y, v+δ) (c, y, v) w w +1 w Abb. 1: Wirkung einer Arbeitsverpflictung. Abb. 1 zeigt zwei sogenannte Nutzenkurven, die angeben, welcen Nutzen u eine Person mit Lonsatz w bei gegebenem Konsum und Einkommen und gegebener Arbeitsverpflictung erreict. Weil die Gesamtarbeitszeit bei zunemendem Lonsatz und konstantem Einkommen sinkt, at jede Nutzenkurve eine positive Steigung. Der Kurvenscnittpunkt an der Stelle w entsprict der Voraussetzung, daß Person indifferent zwiscen den dargestellten Tripeln ist; sie at in beiden Fällen denselben Nutzen. Laut (9) verläuft die Nutzenkurve, die zum Tripel mit der öeren Arbeitsverpflictung geört, im Scnittpunkt steiler. Hieraus ergibt sic unmittelbar, daß jede Person mit öerer Produktivität, etwa die Person +1, das Tripel mit der öeren Arbeitsverpflictung vorziet, in der Abbildung sogar strikt. Ökonomisc ist dieser Sacveralt leict zu erklären. Bei gegebenem Einkommen y> 0 aben produktivere Personen kürzere Gesamtarbeitszeiten, denn die Gesamtarbeitszeit y/w + v fällt offensictlic mit wacsendem Lonsatz. Bei kürzerer Gesamtarbeitszeit ist die Grenzrate zwiscen Konsum und Arbeit kleiner; folglic benötigen produktivere Personen weniger zusätzlicen Konsum, um eine gewisse Zuname der Arbeitsverpflictung auszugleicen. Eralten sie aber, wie ier, denselben zusätzlicen Konsum wie Person, dann werden sie besser gestellt. Entsceidend für dieses Ergebnis ist die Abname der Grenzrate der Substitution bei unverändertem Konsum und sinkender Arbeitszeit.

16 c c y/w +1 y/w l Abb. 2: Nictinferiorität des Konsums und Agentenmonotonie II. Abb. 2 illustriert den Sacveralt am Beispiel einer Allokation one Arbeitsverpflictungen. Imitiert Person +1 die Person, erält sie denselben Konsum und eine geringere Arbeitszeit; ire Grenzrate der Substitution zwiscen Konsum und Arbeit ist daer kleiner. Bei Einfürung einer Arbeitsverpflictung und einer Eröung des Konsums, die zusammengenommen den Nutzen der Person unverändert lassen, wird der Imitator +1 bessergestellt, weil er wegen der kleineren Grenzrate der Substitution nur eine geringere Konsumeröung benötigt, um die zusätzlice Arbeitszeit auszugleicen. Insofern eröt eine Arbeitsverpflictung die Neigung ocproduktiver Personen, ire Fäigkeiten zu verbergen, und läuft dem Umverteilungsziel zuwider. Abb. 2 zeigt zugleic durc die skizzierte Parallelversciebung der Budgetgeraden, daß der Konsum bei einer exogenen Einkommenseröung zunimmt. Nictinferiorität des Konsums impliziert daer die Agentenmonotonie II. Satz 5: Arbeitsverpflictungen sind kein sinnvolles Instrument: In jedem Zweitbestoptimum, das der Anname c 0 > 0 genügt 6, gilt v = 0 für alle. Beweis: Sei entgegen der Beauptung eine Allokation mit c > 0 und v >0 Lösung des vereinfacten Problems. Dann existieren Zalen ε, δ > 0 so daß Person indifferent ist zwiscen den Tripeln (c, y, v ) und (c ε, y, v δ). Weil das ursprünglice Tripel nac Voraussetzung die abwärts benacbarte Selbstselektionsbedingung erfüllt und das neue Tripel weniger Konsum und eine geringere Arbeitsverpflictung entält, genügt es wegen Agentenmonotonie II ebenfalls der abwärts benacbarten Selbstselektionsbedingung. Somit wird weder Person, die so gut gestellt ist wie zuvor, noc Person +1 ire Fäigkeiten verbergen. Gleiczeitig erbringt das neue Tripel einen Outputüberscuß, weil der aggregierte Konsum sinkt. Bei geeigneter Verteilung dieses Outputüberscusses nimmt der Wert der Zielfunktion zu. Also kann die ursprünglice Allokation keine Lösung des vereinfacten Problems sein. Lösungen des vereinfacten Problems seen also keine Arbeitsverpflictungen vor. Sie besitzen die Ketteneigenscaft u(c, l +v ) = u(c 1, y 1 /w +v 1 ) mit v, v 1 = 0 für alle > 0, so daß wie im Standardmodell alle Selbstselektionsbedingungen erfüllt sind. Arbeitsverpflictungen ätten iren Platz in einem optimalen Steuer-Transfer-System, wenn sie eine sinnvolle Anreizfunktion erfüllten, genauer: wenn sie ocproduktive Personen davon abielten, niedrigproduktive zu imitieren. Gerade das ist aber nict der Fall; ganz im Gegen- 6 Die Anname c 0 > 0 verlangt, daß die sclectestgestellte Person im Optimum überaupt konsumiert. Ist dies nict der Fall, funktioniert der Beweis nict, weil der Konsum nict negativ werden darf. Andernfalls at jede Personen einen positiven Konsum, weil der Konsum mit steigender Produktivität zunimmt.

17 teil scmerzt die Arbeitsverpflictung den Hocproduktiven weniger als den Niedrigproduktiven und stellt kein geeignetes Abscreckungsinstrument dar. Weil der Anreizeffekt in die falsce Rictung get, verbleibt bei der Bilanzierung allein die im öffentlicen Arbeitsprogramm verbracte Zeit eine reine Vergeudung, die nict nur den Transferempfängern scadet, sondern auc den Steuerzalern, die dies mitfinanzieren. Die besagte Vergeudung berut auf der Voraussetzung, daß Arbeiten in öffentlicen Programmen nac Abzug der Ausrüstungs- und Verwaltungskosten keinen Beitrag zum Sozialprodukt liefern. Sei statt dessen angenommen, solce Arbeiten ätten eine positive Produktivität π 7. In diesem Fall fürt der im Beweis des Satzes 5 verwendete Scaczug zu einer Konsumminderung von ε und einer Outputminderung von πδ. Der Beweis ält, wenn die Konsumminderung die Outputminderung übersteigt, wenn also ε > πδ bzw. π < ε /δ gilt, weil in diesem Fall ein Outputüberscuß entstet, der geeignet verteilt werden kann. Weil ε/δ näerungsweise der Grenzrate der Substitution entsprict, sind Arbeitsverpflictungen also auc dann kein sinnvolles Instrument, wenn die Produktivität im öffentlicen Arbeitsprogramm unter der Grenzrate der Substitution liegt. Bei Arbeitslosen kommt es auf das Verältnis von Produktivität im Arbeitsprogramm und Grenzrate der Substitution an, bei Arbeitenden auf das Verältnis von Produktivität im Arbeitsprogramm und Nettolon, weil letzterer stets mit der Grenzrate der Substitution übereinstimmt. Übersteigt die Produktivität im Arbeitsprogramm die genannten Werte, bedeutet dies freilic nict unbedingt, daß Arbeitsverpflictungen optimal sind; denn weiterin geen von inen die falscen Anreizeffekte aus. Eine positive Produktivität im öffentlicen Arbeitsprogramm ist nur notwendig, aber nict inreicend für die Optimalität von Arbeitsverpflictungen, wärend Arbeitsverpflictungen bei verscwindender oder gar negativer Produktivität niemals optimal sein können. Dies begründet starke Zweifel am Sinn solcer Maßnamen. 6 Sclußfolgerungen Im diesem Beitrag wurde das Problem der Arbeitslosigkeit aus Sict der Optimalsteuerteorie betractet. Der Tenor mag eigenwillig oder gar provokant ersceinen, läuft er doc darauf inaus, daß es besser sein kann, eine gewisse Arbeitslosigkeit in Kauf zu nemen, als sie durc vordergründig clevere Instrumente wie negative Grenzsteuersätze oder Arbeitsverpflictungen zu bekämpfen. Die Ergebnisse waren aber nict speziellen oder abwegigen Annamen gesculdet. Ganz im Gegenteil leiden die öffentlice Diskussion und manc angewandte Forscung an einer Problembetractung, die einfac zu kurz greift, indem sie bloß nac Anreizen für die Arbeitslosen fragt und die zu erwartenden Veraltensänderungen der Steuerzaler ignoriert. Desalb sei die wictigste Einsict der allgemeinen Gleicgewictsanalyse noc einmal ervorgeoben: Jede Maßname, die den Nutzen biseriger Transferempfänger eröt, kostet erst einmal Geld und lockt darüber inaus mancen Steuerzaler an, der seinen Abgaben legal ausweicen will. Die dabei entsteenden Mindereinnamen des Staates erfordern unter Umständen 7 Weil die Produktivität π keinen Index trägt, sind die Personen im öffentlicen Arbeitsprogramm gleic produktiv. Diese Anname kann gelockert werden, sofern sicergestellt ist, daß die Produktivität im Arbeitsprogramm keinen Rückscluß auf die Produktivität im Markt erlaubt.