Wechselwirkungen zwischen Förderung und Vergabe von Barbara Meißner, Hauptreferentin des Deutschen Städtetages Fach-Symposium Vergabe 2016+ am 30.09.2015 in Köln Seite 1
Gliederung I. Allgemeines II. III. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 1. Rechtsgrundlagen 2. Rechtsfolgen 3. Schwerwiegende Vergabefehler 4. Empfehlungen Beihilfe- und Vergaberecht Drei Problemkreise 1. Berücksichtigung von Subventionen in einem Vergabeverfahren 2. Erteilung eines öffentlichen Auftrags als Beihilfetatbestand 3. Berücksichtigung vergabefremder Aspekte als staatliche Beihilfe Seite 2
I. Allgemeines Zwischen dem Zuwendungs-, Beihilfen- und dem Vergaberecht besteht eine Wechselwirkung Beihilfenrecht kann gegenüber Vergaberecht und Zuwendungsrecht als übergeordnetes Thema angesehen werden. Es gilt sowohl eine Reihe von Querverbindungen als auch Unterschiede Unterschiedliche Betroffenheit der öffentlichen AG - Zuwendungsrecht verpflichtet Auftragsgeber zur Anwendung des Vergaberechts und macht ihn dadurch zum öag - Beihilfenrecht grds. neben dem Vergaberecht anwendbar öag und AN sind Adressaten Seite 3
II. Zuwendungs- und Vergaberecht 1. Rechtsgrundlagen Zuwendungsrecht Zuwendungsbescheid Auflagen AN Best-P (Allg. NB für Zuwendungen zur Projektförderung) AN Best-I (Allg. NB für Zuwendungen zur institutionellen Förderung) AN Best-G - (Allg. NB für Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften) weitere Regelungen Vergaberecht Gesetzliche Regelungen Oberschwellenbereich GWB VgV VOB/A-EG VOL/A-EG VOF Unterschwellenbereich VOB/A VOL/A Gem. Haushaltsrecht ( 25 GemHVO, Vergabegrundsätze) Seite 4
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 1. Rechtsgrundlagen Anwendbare Vorschriften des GWB Nach 98 Nr. 5 GWB sind öffentliche Auftraggeber: Natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter 98 Nr. 2 GWB fallen, in den Fällen, In denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Auslobungsverfahren von Stellen, die unter Nummern 1 bis 3 fallen, Mittel enthalten, Mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 vom Hundert finanziert werden. Seite 5
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 1. Rechtsgrundlagen EuGH, Urteil vom 26.09.2013 C-1 15/12 Auch Steuererleichterungen sind in 50%-Grenze einzurechnen. Begriff der Subvention (Finanzierung) bezieht sich auf das Bauwerk und nicht (juristische) Personen. Die genannten Einrichtungen müssen von der Zwecksetzung nicht auf einen kollektiven (öffentlichen) Bedarf ausgerichtet sein. Der Anwendungsbedarf ist auch nicht auf den herkömmlichen Bedarf öffentlicher Körperschaften beschränkt. Fazit: Neben Förderrecht ist stets auch die direkte Anwendung des Vergaberechts zu prüfen, insbesondere nach 98 Nr. 5 GWB. Dann gilt z.b. der gesamte Rechtsschutz des GWB. Seite 6
II. Zuwendungs- und Vergaberecht 1. Rechtsgrundlagen Ziff. 3.1 AN Best-G: Bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks sind die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten. Vergabegrundsätze: (RdErl. V. 06.12.2012): GWB TVgG (Hinweis) Unterschwellenberech: VOB soll VOL empfohlen VOF nicht vorgeschrieben Ziff. 3.1 AN Best-P Zuwendung > 100.000,00 VOB, VOL Verpflichtungen des Zuwendungsempfängers, dass aufgrund des 98 GWB und der VgV die Abschnitte 2 ff. der VOB/A bzw. VOL/A oder die VOF anzuwenden oder andere Vergabebestimmungen einzuhalten sind, bleiben unberührt. Seite 7
II. Zuwendungs- und Vergaberecht 1. Rechtsgrundlagen Anwendbare Vorschriften VOB/A-EG, VOL/A-EG, VOF AN Best-P Pflicht zur Anwendung von VOL/A-EG, VOL/B-EG aufgrund GWB bleibt unberührt, nicht: VOF Hinweis ist deklaratorisch AN Best-G nach Vergabegrundsätzen gelten Vorschriften des GWB Anwendung soweit vergaberechtlich geboten; Hinweis ist konstitutiv Seite 6
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 2. Rechtsfolgen Grundlagen Bewilligung einer Förderung/Subvention durch Zuwendungsbescheid als begünstigender Verwaltungsakt Zuwendungsbescheid ist Rechtsgrundlage für Auszahlung der Zuwendung und ihren Verbleib beim Zuwendungsempfänger Folge: Will die Behörde die Zuwendung nachträglich zurückfordern, muss der Zuwendungsbescheid vor oder gleichzeitig mit Rückforderung entfallen. Möglichkeiten der Rücknahme / des Widerrufs über 48, 49 VwVfG Seite 9
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 2. Rechtsfolgen Voraussetzungen des Widerrufs des Zuwendungsbescheides gemäß 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG Mit dem Bescheid wurde eine Geldleistung gewährt und Der Bescheid war mit einer Auflage verbunden und Der Begünstigte hat diese Auflage nicht erfüllt. Widerruf steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde 28 Abs. 1 VwVfG macht vorherige Anhörung des Betroffenen durch die Behörde erforderlich Seite 10
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 2. Rechtsfolgen Beachte: Verstoß gegen Auflagen hat zur Folge, dass die Bewilligungsbehörde im Rahmen des ihr eingeräumten (Widerrufs-)Ermessens bei Schweren Vergabeverstößen den Zuwendungsbescheid ganz oder teilweise, auch mit Wirkung für die Vergangenheit, widerrufen kann Allen sonstigen Vergabeverstößen die feststellbaren vermeidbaren Mehrausgaben wegen Nullbehandlung oder fehlerhafter Anwendung der Vergabegrundsätze durch Widerruf des Anwendungsbescheids in entsprechender Höhe aus der Förderung herausnehmen kann Seite 11
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 3. Schwerwiegende Vergabefehler Typische schwerwiegende Vergabefehler o Fehler im Rahmen der Vergabeverordnung - Unzutreffende Bestimmung von Beschaffungsbedarf, Auftragsart und Auftragswert Unzureichende Bedarfsermittlung Fehlerhafte Kostenschätzung Fehlerhafte Einstufung als selbständiger Auftrag (statt unselbständigen Teilauftrags/Loses) Nicht ausreichend belastbare Gründe für Abweichen vom Offenen Verfahren Festlegung unklarer, unzumutbarer oder sachlich nicht gerechtfertigter Anforderungen an die Eignung und deren Nachweis. Seite 12
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 3. Schwerwiegende Vergabefehler o Fehler der Leistungsbeschreibung Unklare/fehlerhafte Leistungsbeschreibung Leistung ist nicht eindeutig und vollständig beschrieben; Widersprüche im Text bzw. zwischen Text und Zeichnungen ausreichend? Bei Bauvergaben: funktionale Leistungsbeschreibung ohne ausreichende Begründung Übertragung eines ungewöhnlichen, unzumutbaren Wagnisses (Baugrund, Kampfmittel?) Unzulässige oder fehlerhafte Ausschreibung von Bedarfspositionen Keine sachliche Rechtfertigung für Bedarfspositionen Bedarfspositionen mit unrealistischem Vordersatz Keine Rechtfertigung oder fehlerhafte Ausschreibung von Alternativpositionen (s. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.2011 VII Verg 58/10) Seite 13
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 3. Schwerwiegende Vergabefehler o o Verstoß gegen den Grundsatz einer produktneutralen Ausschreibung Vorgabe von Fabrikat/Hersteller etc. mit Zusatz oder gleichwertig, obwohl Anforderungen allgemein verständlich beschrieben werden können (vgl. u.a. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.10.2009 VII Verg 9/09) wenn bei Verwendung von Leitfabrikaten für den Fall einer alternativen Fabrikatsangabe bereits mit dem Angebot Gleichwertigkeitsnachweise eingereicht werden müssen (nach OLG Düsseldorf, Beschluss v. 23.03.2010 VII Verg 61/09, unzulässige mittelbare Bevorzugung des Leitfabrikats) Vorgabe bestimmter Fabrikate/Hersteller etc. (ausdr. oder durch konkrete Anforderung), ohne dass dies durch sachliche auftragsbezogene gründe gerechtfertigt ist (siehe zur Zulässigkeit einer Vorgabe insbesondere OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06.2012 VII Verg 7/10) Gesamtlosvergabe statt Aufteilung in Fach- und Teillose (TU-/GU- Vergaben?) Seite 14
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 3. Schwerwiegende Vergabefehler o Angebots-/Bewerbungsphase Unzureichende/zu späte Beantwortung von Bewerber-/Bieterfragen Zu kurze Angebots-/Bewerbungsfrist Unzureichende Beschreibung des Auftragsgegenstandes sowie der Anforderungen an den Eignungsnachweis in der Bekanntmachung Bei beschränkter Ausschreibung/freihändiger Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb: Bewerberauswahl anhand sachwidriger Kriterien (Ortsansässigkeit); keine Rotation Seite 15
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 3. Schwerwiegende Vergabefehler o Angebots-/Bewerbungsphase (Fortsetzung) Fehler bei der Angebotsöffnung, insbesondere unterbliebene/fehlerhafte Kennzeichnung der Angebote Fehler bei der Angebotsprüfung (Nichtberücksichtigung zwingender/fakultativer Ausschlussgründe) Fehler im Rahmen der Eignungsprüfung, z.b. Nichtbeachtung aufgestellter Mindestanforderungen, Verzicht auf geforderte Eignungsnachweise, Überschreitung des Beurteilungsspielraums Unzulässige Nachverhandlungen (siehe hierzu OVG Münster, Urteil v. 22.02.2005 15 A 1065/04, NZBau 2006, 64, 66: Die Bewertung eines derartigen Verstoßes gegen die Bestimmungen der VOB als schwer ist nicht zu beanstanden, weil das Verbot von Nachverhandlungen zu den Grundsätzen des Vergaberechts zählt. Seite 16
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 4. Empfehlungen Dokumentation s. z.b. 20 VOB/A Das Vergabeverfahren ist zeitnah so zu dokumentieren, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden. Diese Dokumentation muss mindestens enthalten... Seite 17
II. Zuwendungsrecht und Vergaberecht 4. Empfehlungen Kontakt mit Bewilligungsbehörde OVG Münster, 08.01.2013, 4 A 149/12: Im Übrigen hätte es der Klägerin oblegen, sich bei bestehenden Unklarheiten gegebenenfalls bei der Beklagten nach dem Umfang ihrer Verpflichtungen zu erkundigen. Beachte: Bei Unklarheiten sollte der Zuwendungsempfänger zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten Rücksprache mit der Bewilligungsbehörde halten Seite 18
III. Beihilfe- und Vergaberecht Drei Problemkreise: 1. Berücksichtigung von Subventionen in einem Vergabeverfahren 2. Erteilung eines öffentlichen Auftrags als Beihilfetatbestand 3. Berücksichtigung vergabefremder Aspekte als staatliche Beihilfe Seite 19
III. Beihilfe- und Vergaberecht 1. Berücksichtigung von Subventionen in einem Vergabeverfahren Beteiligung subventionierter Bieter an Vergabeverfahren grds. zulässig EuGH-Urteil in der Rechtssache ARGE Gewässerschutz C94/99 v. 07.12.2000 Beihilfen an Auftragnehmer führen nicht ohne weiteres zu Fehler in Vergabeverfahren, da kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das gilt auch dann, wenn subventionierter Bieter unter dem Marktpreis anbietet Seite 20
III. Beihilfe- und Vergaberecht 1. Berücksichtigung von Subventionen in einem Vergabeverfahren Ausschluss subventionierter Bieter vom Vergabeverfahren im Einzelfall EuGH unterscheidet zwischen rechtmäßiger und rechtswidriger Beihilfe Rechtmäßige Beihilfe Legalisierungsfunktion Notifizierung / Rechtmäßigkeit = Kein Ausschluss! Rechtswidrige Beihilfe = Kein Ausschluss per se! Aber: Leistungsfähigkeit des subventionierten Bieters fraglich Seite 21
III. Beihilfe- und Vergaberecht 2. Erteilung eines öffentlichen Auftrags als Beihilfetatbestand Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verkaufsvorgängen, die in der Regel keinen Beschaffungsvorgang darstellen, bei denen aber durchaus unter bestimmten Voraussetzungen ein Vergabeverfahren zur Vermeidung eines Beihilfetatbestands durchzuführen ist (s. Grundstücksverkäufe) Beschaffungsvorgängen, die dem Vergaberecht unterliegen und die Einhaltung der Regelungen zur Vermeidung des Beihilfetatbestands erforderlich sind (Grundstücksverkäufe, Beschaffung von Dienstleistungen, Freiberufliche Leistungen) Seite 22
III. Beihilfe- und Vergaberecht 2. Erteilung eines öffentlichen Auftrags als Beihilfetatbestand Verkaufsvorgänge Hier stellen sich in der kommunalen Praxis häufig beihilfenrechtliche Probleme Bei zu niedrigem Kaufpreis können übergangene Interessenten geltend machen, dass in Höhe der Differenz zwischen Kauf- und Marktpreis eine staatliche Beihilfe an Unternehmen vorliegt (Tatbestand der Überkompensation) Seite 23
III. Beihilfe- und Vergaberecht 2. Erteilung eines öffentlichen Auftrags als Beihilfetatbestand Verkaufsvorgänge Beispiel Grundstücksverkäufe Leitfaden der EU-Kommission vom 10.07.1997 C 97/ C 209/03 gibt Hinweise zur beihilfenrechtlichen Gestaltung derartiger Verkäufe - Zwei Möglichkeiten: - Bieterverfahren oder - Sachverständigengutachten Seite 24
III. Beihilfe- und Vergaberecht 2. Erteilung eines öffentlichen Auftrags als Beihilfetatbestand Beschaffungsvorgänge Bei Beschaffungsvorgängen sind die für das Vergaberecht vorgeschriebenen Regeln zu beachten Strittig, inwiefern Inhouse-Geschäfte Beihilfetatbestand auslösen Ansonsten auf jeden Fall das strukturierte Bieterverfahren (z.b. bei Beauftragung von Leistungen, die in den Bereich der Freiberuflichen Leistungen fallen und unterhalb der Schwellenwerte des EU-Vergaberechts liegen) Seite 25
III. Beihilfe- und Vergaberecht 3. Berücksichtigung vergabefremder Kriterien als staatliche Beihilfe Lange Jahre umstritten, ob die Berücksichtigung vergabefremder Kriterien eine Beihilfe darstellen kann Kriterien waren nach Auffassung der Politik und öffentlicher Auftraggeber förderungswürdig, boten aber die Befürchtung der Erhöhung der Preise sowie der instrumentalisierten Unternehmensförderung Diese Auffassung scheint nicht mehr aufrechterhalten zu sein! Seite 26
III. Beihilfe- und Vergaberecht 3. Berücksichtigung vergabefremder Kriterien als staatliche Beihilfe EuGH hat schon lange anerkannt, dass nicht jedes Vergabekriterium, das Auftraggeber festlegt, um das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln, notwendigerweise rein wirtschaftlicher Art sein muss ( s. u.a. Concordia Bus Finland C 533/99 vom 17.09.2002) Regelung im nat. Recht in 97 Abs.4 S.2 GWB - Alter Meinungsstreit bleibt bestehen - M.E. kein Verstoß Seite 27
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Barbara Meißner Hauptreferentin Deutscher Städtetag Hauptgeschäftsstelle Köln Gereonstraße 18-32 50670 Köln Tel. : 0221-3771 276 Mobil : 0172-4006 328 Fax : 0221-3771 7609 mailto :barbara.meissner@staedtetag.de www.staedtetag.de Seite 28