5 IX: Beteiligung an einer Schlägerei ( 231)

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Transkript:

5 IX: Beteiligung an einer Schlägerei ( 231) 1. Struktur: abstraktes Gefährdungsdelikt mit obj. Bedingung der Strafbarkeit 2. Tatbestand (Abs. 1 Halbs. 1) a) Schlägerei ist eine mit gegenseitigen Körperverletzungen verbundene Auseinandersetzung, an der mindestens drei Personen aktiv mitwirken. b) Ein von mehreren verübter Angriff ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen. c) Beteiligt ist, wer in gegen andere gerichteter Weise an der Schlägerei oder dem Angriff teilnimmt; nicht zwingend Täter oder Teilnehmer im Sinne der 25 ff. d) Vorsatz ist hinsichtlich der Beteiligung erforderlich. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld (Abs. 2) Der nach Abs. 1 Beteiligte muss zu irgendeinem Zeitpunkt rechtswidrig und schuldhaft an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen sein. KK 051

5 IX: Beteiligung an einer Schlägerei ( 231) 4. Objektive Strafbarkeitsbedingung (Abs. 1 Halbs. 2) a) Tod eines Menschen (nicht zwingend eines Beteiligten) oder eine schwere Körperverletzung. b) Schlägerei oder den Angriff verursacht Tod oder schwere Körperverletzung. Bezugspunkt für die Kausalität ist also die Schlägerei oder der Angriff, nicht die jeweiligen Handlungen der Beteiligten. c) str., ob es der objektiven Zurechnung dann aber zwischen Schlägerei bzw. Angriff und der Folge bedarf. d) ha: unerheblich, wann sich jemand an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt hat. teilweise: Diejenigen Fälle auszunehmen, in denen sich jemand erst nach Eintritt des Todes oder der schweren Körperverletzung beteiligt. e) kein Vorsatz hinsichtlich der Verursachung des Todes oder der schweren Körperverletzung erforderlich. f) Ist ein Beteiligter zugleich der schwer Verletzte, so ist er dennoch aus 231 strafbar; vgl. aber 60. KK 052

5 X: fahrlässige Körperverletzung, Einwilligung Die fahrlässige Körperverletzung, 229 StGB: Sie unterscheidet sich lediglich im subjektiven Bereich von 223 StGB. Besonders schwere Fälle und Folgen sind lediglich auf der Strafzumessungsebene zu berücksichtigen. Rechtfertigungsprobleme: die Einwilligung des Verletzten, 228 StGB Diese ist unwirksam, wenn die Tat (nicht die Einwilligung) gegen die guten Sitten verstößt. Bedeutsam: Gewicht des tatbestandlichen Rechtsgutsangriffs und Umfang der (drohenden) Verletzung; Abgrenzung zwischen einer straflosen Teilnahme an einer Selbstgefährdung des Opfers und einer einverständlichen Fremdgefährdung, bei der 228 StGB anwendbar ist; vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 325; OLG Nürnberg NJW 2003, 454 Einverständliche Fremdgefährdung bei 229: Fahrlässige Körperverletzungen (erst recht) einwilligungsfähig; daher 228 (zurückhaltend) anwendbar. Einverständliche Fremdgefährdung bei 222: möglich, weil sich 216 nur auf den tatbestandlichen Erfolg, nicht die gefährdende Behandlung bezieht (str.). KK 053

5 X: 229, Konkurrenzen Konkurrenzen Verhältnis von 211 ff. und Körperverletzungsdelikten Einheitstheorie (hm): In jeder Tötung ist als notwendiges Durchgangsstadium eine Körperverletzung und folglich auch in jedem Tötungsvorsatz ein Körperverletzungsvorsatz enthalten. Konsequenz: Vollendete Tötung verdrängt vollendete Körperverletzung; zwischen versuchtem Totschlag und vollendeter Körperverletzung besteht Idealkonkurrenz (Klarstellungsfunktion), BGHSt 44, 196. Bei strafbefreiendem Rücktritt vom Tötungsversuch wird der Täter aus den 223 ff. bestraft. aber: Sperrwirkung des milderen Gesetzes beachten; keine Anwendung von 226 neben den 216, 22 (24). KK 054

1. Geschütztes Rechtsgut: (potenzielle) Fortbewegungsfreiheit (Fortbewegungswillensbildungsfreiheit und Fortbewegungswillensbetätigungsfreiheit), nicht die allgemeine Handlungsfreiheit. 2. Grundtatbestand: Tatobjekt: jeder Mensch; doch muss dieser grundsätzlich und aktuell die Fähigkeit und Möglichkeit besitzen, sich fortbewegen zu können und wollen (scheidet bei Säuglingen aus). KK 055

Bei Schlafenden und Bewusstlosen streitig, ebenso die Frage, ob die Freiheitsberaubung bemerkt werden muss: a) Aktualitätstheorie: Eine vollendete Freiheitsberaubung liegt erst in dem Moment vor, in dem sich das Opfer tatsächlich fortbewegen will (RG, teilw. Lit.). Das Opfer muss sich bewusst sein, dass es seinen Aufenthaltsort nicht verlassen kann. b) Potenzialitätstheorie: Eine vollendete Freiheitsberaubung ist auch gegeben, wenn sich das Opfer gar nicht fortbewegen will bzw. seine Lage gar nicht bemerkt (Rspr. und Teile der Literatur). c) Aktualisierbarkeitstheorie: Eine vollendete Freiheitsberaubung liegt vor, wenn das Opfer seinen potenziell vorhandenen Fortbewegungswillen jederzeit aktualisieren könnte, selbst wenn es die Lage nicht bemerkt hat. KK 056

Tathandlung: a) Einsperren: Das Festhalten in einem umschlossenen Raum durch äußere Vorrichtungen, so dass der Betroffene objektiv daran gehindert ist, den Raum zu verlassen (Spezialfall der Freiheitsberaubung). b) Auf andere Weise der Freiheit berauben: Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit eines Menschen (durch Gewalt, List oder Drohung), so dass diesem, sei es auch nur vorübergehend, die Möglichkeit genommen wird, seinen Aufenthaltsort frei zu verlassen. Beraubt ist das Opfer seiner Fortbewegungsfreiheit, wenn diese Freiheit völlig aufgehoben (Fesselung ans Bett) oder auch nur beeinträchtigt ist (Einsperrung in einem großen Gebäudekomplex). Das Aussperren ist tatbestandlich nicht erfasst. Eine Freiheitsberaubung ist durch Unterlassen begehbar. KK 057

3. Spezialprobleme: a) Eine bestimmte Dauer ist nicht erforderlich, unerhebliche Beeinträchtigungen scheiden aus; RG: Vaterunser". b) Die Einwilligung des Opfers wirkt als tatbestandsausschließendes Einverständnis; umstritten ist, inwieweit Willensmängel des Opfers das Einverständnis unwirksam machen. c) Qualifikationen: Bei 239 III, IV handelt es sich um erfolgsqualifizierte Delikte (streitig bei 239 III Nr. 1) 18. d) Konkurrenzen: Gesetzeseinheit, wenn die Freiheitsberaubung notwendiger Bestandteil oder regelmäßige Begleiterscheinung einer anderen Straftat ist. Kommt ihr innerhalb des deliktischen Geschehens Eigenbedeutung zu: Tateinheit. Soll zu mehr als der bloßen Duldung einer Freiheitsberaubung genötigt werden, Tateinheit zwischen 240 und 239. KK 058

4. Rechtsprechung: BGHSt 14, 314 - Amanda (Freiheitsberaubung bei mangelndem Fortbewegungswillen); BGHSt 32, 183 - Erzieher (potenzielle persönliche Fortbewegungsfreiheit); BGH NJW 1993, 1807 - Arbeitsstelle (Drohung mit einem empfindlichen Übel); BGHSt 19, 382 - (Entführungsopfer erleidet tödliche Verletzungen bei dem Versuch, sich zu befreien). 5. Literatur: Geppert/Bartl, Probleme der Freiheitsberaubung, insbesondere zum Schutzgut des 239 StGB, Jura 1985, 221; Park/Schwarz, Die Freiheitsberaubung ( 239 StGB), Jura 1995, 294; Hillenkamp, 40 Probleme aus dem Strafrecht BT, 6. Problem. KK 059