DNotI Deutsches Notarinstitut Dokumentnummer: 14149 letzte Aktualisierung: 24.04.2003 EGBGB Art. 25, 26; BGB 2265 ff. Australien: Erbstatut; gemeinschaftliches Testament I. Sachverhalt Ehegatten, die jeweils sowohl die deutsche wie die australische Staatsangehörigkeit besitzen (Doppelstaatler), wollen durch gemeinschaftliches Testament vor einem Notar in Deutschland letztwillig zu verfügen. Die Ehegatten haben längere Zeit in Australien gelebt und derzeit ihren Wohnsitz in Deutschland. Eine Rückkehr nach Australien ist nicht ausgeschlossen. Die Ehegatten besitzen unbewegliches und bewegliches Vermögen sowohl in Deutschland als auch in Australien. II. Frage Was ist bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments (Berliner Testament) zu beachten? III. Zur Rechtslage 1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht a) Erbstatut aus deutscher Sicht Gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers. Gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB geht bei auch-deutschen Mehrstaatern die deutsche Staatsangehörigkeit vor, so dass für die Zwecke des Art. 25 Abs. 1 EGBGB ausschließlich auf die deutsche Staatsangehörigkeit abzustellen ist. Mithin findet für die Eheleute grundsätzlich deutsches Erbrecht Anwendung. Allerdings ist gem. Art. 3 Abs. 3 EGBGB eine Durchbrechung des Gesamtstatuts durch ein Einzelstatut zu beachten. Soweit daher Nachlassgegenstände aus der Sicht einer nicht berufenen Rechtsordnung Sondervorschriften unterliegen, wird ein solches Einzelstatut auch vom deutschen IPR akzeptiert. Demgemäß ist zu prüfen, inwieweit das im vorliegenden Falle aus deutscher Sicht nicht berufene australische Recht bestimmte Nachlassgegenstände einer besonderen Behandlung unterstellt und dem zufolge das deutsche Erbstatut als Gesamtstatut durchbrochen wird. Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: dnoti@dnoti.de Internet: http://www.dnoti.de mr pool Gutachten/14149.doc
Seite 2 b) Erbstatut aus Sicht des australischen Rechts Die australische Föderation besteht aus sechs Einzelstaaten und einem Bundesdistrikt. Von diesen verfügt jeder über ein eigenes materielles Erbrecht und ein eigenes internationales Erbrecht. Aufgrund des gemeinsamen historischen Wurzeln fußt jedoch das Erbrecht wie auch das internationale Erbrecht der sechs Einzelstaaten und des Bundesdistrikts auf dem englischen common law, so dass es zumindest in Grundzügen weitgehend übereinstimmt (vgl. Staudinger/Dörner, Neubearb. 2000, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 56). Nach den dort geltenden kollisionsrechtlichen Grundsätzen wird die Erbfolge des beweglichen Nachlasses (movables) und des unbeweglichen Nachlasses (immovables) getrennt angeknüpft (Nachlassspaltung). Während die Erbfolge des unbeweglichen Nachlasses dem jeweiligen Belegenheitsrecht unterstellt wird (Sykes/Pryles, Australian Private International Law, 3. Aufl., Melbourne 1991, S. 772), wird die Erbfolge in den beweglichen Nachlass dem Recht am letzten domicile des Erblassers unterstellt (Sykes/Pryles, a. a. O., S. 736). Der Begriff des domicile ist dabei nicht gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts. Vielmehr ist damit die Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimmten Rechtsgebiet gemeint. Dabei erwirbt eine Person ihr domicile zunächst durch Geburt. Dieses domicile of origin ist das domicile des Vaters bei Geburt, bei unehelichen Kindern das der Mutter (s. Nygh, Conflict of Laws in Australia, 5. Aufl., Sydney 1991, S. 177). Volljährige Personen können das domicile auch verlegen. Für die Begründung eines derartigen domicile of choice ist erforderlich, dass sich der propositus in einem Land rechtmäßig aufhält und dabei die Absicht hegt, in diesem Land für eine unbestimmte Zeit zu bleiben (with the intention of remaining in that country indefinitely; Nygh, a. a. O., S. 181). Während nach traditioneller common-law-rechtsprechung keine bestimmte Absicht vorliegen darf, den neuen Aufenthaltsort in Zukunft wieder zu verlassen, ist es nach neuerer Rspr. unschädlich, dass eine Person den Hintergedanken hegt, später bei besserer Gelegenheit wieder wegzuziehen. Allerdings wird es weiterhin als Hindernis für die Begründung eines domicile of choice angesehen, wenn eine bestimmte Absicht besteht, später wieder in die ursprüngliche Heimat zurückzukehren, selbst wenn der Aufenthalt relativ lang und der Zeitpunkt für die Rückkehr noch unbestimmt ist (vgl. die einzelnen Nachweise bei Nygh, a. a. O., S. 181). Hinsichtlich des beweglichen Vermögens der Eheleute kommt es für die Bestimmung des anwendbaren Erbrechts aus australischer Sicht damit auf das domicile der Ehegatten an. Soweit sich dieses in Deutschland befindet, verweist australisches Recht auf hiesiges Recht. Zu einer Rückverweisung des deutschen Rechts kommt es wegen der vorrangigen deutschen Staatsangehörigkeit nicht, so dass hinsichtlich des beweglichen Nachlasses deutsches Erbrecht berufen wäre. Hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens bestimmt sich das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht aus Sicht des australischen IPR nach dem jeweiligen Lageort des Grundbesitzes; soweit sich dieser in Deutschland befindet, kommt daher deutsches Erbrecht, soweit der Grundbesitz in Australien liegt, kommt daher das Erbrecht des jeweiligen australischen Einzelstaats zur Anwendung. Da im australischen Recht die Anknüpfung eines gesonderten Errichtungsstatuts für letztwillige Verfügungen unbekannt ist, wird sich die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung aus dortiger Sicht nach dem effektiven, also dem nach den Umstän-
Seite 3 den zum Zeitpunkt des Todes bestimmten Erbstatut beurteilen (zum Errichtungsstatut aus deutscher Sicht gem. Art. 26 Abs. 5 EGBGB vgl. noch unten). c) Vorrangiges Einzelstatut hinsichtlich des in Australien belegenen Grundbesitzes Lediglich bei der vom australischen IPR angeordneten Anknüpfung des Erbstatuts hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens handelt es sich um ein vorrangiges Einzelstatut im Sinne von Art. 3 Abs. 3 EGBGB. Soweit dem zufolge australisches Erbrecht hinsichtlich des in Australien belegenen Grundbesitzes zur Anwendung gelangt, wird auch aus der Sicht des deutschen IPR das deutsche Gesamterbstatut im Sinne von Art. 25 Abs. 1 EGBGB durchbrochen und dieser Nachlass dem aus t- ralischen Sonderstatut unterstellt. Letztlich findet damit deutsches Erbrecht insoweit Anwendung, als es sich nicht um in Australien belegenen Grundbesitz handelt; für letzteren bildet das australische Recht (genauer: das Recht des Einzelstaates am jeweiligen Lageort des Grundbesitzes) das maßgebliche Erbstatut. 2. Zur Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments a) Wirksamkeit aus deutscher Sicht Aus deutscher Sicht unterliegen die Wirksamkeit und die Bindungswirkung einer letztwilligen Verfügung gem. Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB dem Recht, das nach den Umständen zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre (hypothetisches Erbstatut, Errichtungsstatut; vgl. Palandt/Heldrich, 62. Aufl., Art. 26 EGBGB Rn. 7). Nach dem oben in 1. Gesagten ist als Errichtungsstatut das deutsche Recht insoweit berufen, als es nicht den in Australien befindlichen Grundbesitz der Ehegatten betrifft. Für den gesamten beweglichen Nachlass der Eheleute sowie für den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlass richtet sich also die Zulässigkeit und die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments nach deutschem Recht. Lediglich hinsichtlich des in Australien belegenen unbeweglichen Vermögens wären also die Vorschriften des australischen Rechts von Bedeutung. b) Zur Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments nach australischem Recht Wie bereits dargestellt, existiert in Australien kein einheitliches Erbrecht. Vielmehr verfügt jeder der einzelnen Einzelstaaten bzw. Bundesdistrikte über eine eigene gesetzliche Regelung. Da sämtliche Regelungen jedoch auf dem englischen common law basieren, stimmen diese zumindest in den Grundzügen weitgehend überein. Dabei ergibt sich für die Zulässigkeit und Bindungswirkung eines Erbvertrags oder gemeinschaftlichen Testamentes folgendes: Ein Erbvertrag i. S. d. deutschen Rechts ist in den australischen Jurisdiktionen nicht bekannt. Insbesondere gibt es auch keine erbrechtliche Bindung i. S. d. deutschen Rechts. Zulässig ist jedoch, dass sich Personen in einem gemeinschaftlichen Testament (joint will) ggf. gegenseitig bedenken (joint and mutual will). Dies wurde auch für Personen gelten, die nicht miteinander verheiratet sind. Parallel können sich die Verfügenden durch eine schuldvertraglich qualifizierte Vereinbarung verpflichten, die getroffenen Verfügungen bzw. bestimmte der getroffenen Verfügungen nicht wieder abzuändern oder zu widerrufen. Eine derartige Vereinbarung begründet im Fall eines Verstoßes Schadens-
Seite 4 ersatzansprüche, die dann der andere bzw. ein begünstigter Dritter klageweise geltend machen kann. Im Effekt wird dieser dabei wirtschaftlich so gestellt, als ob die Klausel nicht widerrufen worden wäre (vgl. Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Australien, Grdz. D II Rn. 123). Soweit von den Ehegatten eine möglichst weitreichende Bindung auch hinsichtlich des in Australien befindlichen (unbewegliches) Vermögens angestrebt wird, kann eine entsprechende Vereinbarung auch im Rahmen der letztwilligen Verfügung (etwa im Anschluss an die testamentarischen Verfügungen) aufgenommen werden. Ein entsprechender Formulierungsvorschlag von Nieder (in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 6, 5. Aufl. 2003, Muster XVI.30, S. 1054 f. = Bd. 4, Hlbd. 2, 4. Aufl. 1998, S. 975 f.) für die Beteiligung englischer Staatsangehöriger könnte, angepasst an die australischen Verhältnisse, wie folgt lauten: Soweit das Recht einer oder mehrerer der australischen Einzelstaaten bzw. der Territorien Anwendung findet, verpflichten sich die Verfügenden gegenseitig schuldrechtlich, soweit die Bin dungswirkung dieses gemeinschaftlichen Testaments nach deutschem Recht reicht, die letzt willigen Verfügungen weder aufzuheben noch abzuändern. c) Besonderheiten des Erbrechts nach common law Bei der Formulierung des gemeinschaftlichen Testaments wären noch folgende Besonderheiten zu beachten: Zunächst kennt das englische common law wie auch das in Australien geltende Erbrecht keine Erbeinsetzungen i. S. d. deutschen Rechts. Vielmehr gibt es ausschließlich in Form von Vermächtnissen gehaltene Zuwendungen. Dabei sind jedoch nicht allein Zuwendungen von bestimmten Gegenständen (specific legacy) möglich, sondern auch allgemeine Zuwendungen, die den gesamten Nachlass oder eine bestimmte Quote des ge samten Nachlasses bzw. den nach Erfüllung von Einzelvermächtnissen verbleibenden Restnachlass (residuary estate) umfassen. Zur Vermeidung von Übersetzungs- und Auslegungsproblemen in Australien könnte man daher überlegen, eine Erbeinsetzung dadurch zu erläutern, dass ausdrücklich bestimmt wird, dass damit die Zuwendung des gesamten, nach Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten, Steuerschulden und Erfüllung von Einzelvermächtnissen verbleibenden Restnachlasses gemeint ist. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass nicht die erbrechtlich begünstigten Personen, sondern ein sog. personal representative damit beauftragt wird, die Nachlassabwicklung vorzunehmen. Dieser wird grundsätzlich auch zunächst dinglicher Inhaber der Nachlassrechte. Fehlen Verfügungen des Erblassers, wird regelmäßig ein naher Angehöriger des Erblassers vom zuständigen Nachlassgericht zum administrator ernannt. Diese Folge kann dadurch vermieden werden, indem im Testament ausdrücklich ein executor als Nachlassvollstrecker ernannt wird (s. Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, a. a. O., Rn. 130). Um Missverständnisse im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht auszuschließen, könnte klargestellt werden, dass der executor lediglich die Aufgabe haben soll, die Verteilung des Nachlasses im Rahmen eines australischen Nachlassverfahrens durchzuführen.
Seite 5 Aufgrund der Besonderheiten des australischen Erbrechts, aber auch der Schwierigkeiten, die sich bei einem vor dem Hintergrund des deutschen Rechts verfassten gemeinschaftlichen Testaments mit dem australischen Nachlassverfahren ergeben könnten, mag es sich für die beiden Testatoren empfehlen, anlässlich eines Aufenthalts in Australien die Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments zu wiederholen, wobei insbesondere den Besonderheiten des dortigen Rechts Rechnung getragen werden kann. 3. Zur Formwirksamkeit Für die Formwirksamkeit gilt aus deutscher wie auch aus australischer Sicht das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 (Abdruck bei Palandt/Heldrich, a. a. O., Anh. zu Art. 26 EGBGB Rn. 1, welches gem. Art. 4 des Übereinkommens explizit auch für gemeinschaftliche Testamente Anwendung findet. Gem. Art. 1 Abs. 1a des Übereinkommens (entspricht Art. 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB) genügt dabei die Einhaltung der Formvorschriften des Rechts am Errichtungsort. Die notarielle Beurkundung eines gemeinschaftlichen Testaments führt damit sowohl aus deutscher wie auch aus australischer Sicht zur Formwirksamkeit der Verfügungen.