Arbeits- und Tarifrecht - Fall 2; Schwierigkeitsgrad:



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Arbeits- und Tarifrecht - Fall 2; Schwierigkeitsgrad: Bearbeitungszeit: 180 Minuten Zu I Nr. 1: Die Vertragsfreiheit umfasst zum einen die Abschlussfreiheit. Jeder ist frei in der Entscheidung, ob und mit wem er einen (Arbeits-) Vertrag schließt. Weiterhin umfasst sie die Inhaltsfreiheit; die grundsätzliche Freiheit der inhaltlichen Gestaltung des Vertrages. Wegen der typischen Unterlegenheit des Arbeitnehmers ist jedoch die inhaltliche Gestaltungsfreiheit durch zwingend vorrangige Gesetze, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen eingeschränkt. Letztlich wohnt ihr die Formfreiheit inne. Grundsätzlich ist das Eingehen des Arbeitsverhältnisses formfrei. Zu I Nr. 2: Wenn aufgrund eines nichtigen Arbeitsvertrages - Bsp.: 105 BGB (Geschäftsunfähigkeit), 107 BGB (beschränkte Geschäftsfähigkeit), 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot), 138 BGB (Sittenwidrigkeit und Wucher), 177 BGB (mangelnde Vertretungsmacht), sowie 125 BGB (Formmangel) - rechtlich zulässige Arbeit geleistet wurde, so ist die geleistete Arbeit nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auch entsprechend zu entlohnen. Dies geschieht in gleicher Weise, als wenn dem Arbeitsverhältnis ein rechtmäßig zustande gekommener Arbeitsvertrag zugrunde gelegen hätte. Mit dem Begriff des faktischen Arbeitsverhältnisses ist also gemeint, dass zwar kein gültiger Arbeitsvertrag vorhanden ist, dass aber tatsächlich (faktisch) ein Arbeitsverhältnis existiert.

Zu I Nr. 3: Ein Arbeitskampf darf nur zur Erreichung der eigenen tariflich regelbaren Ziele geführt werden. Rechtswidrig ist deshalb z. B. ein Streik zur Durchsetzung von Forderungen an staatliche Stellen. Somit wäre der Streik in diesem Falle rechtswidrig, da die Gewerkschaft keine Möglichkeit hat, das Kündigungsschutzgesetz im Rahmen von Tarifverhandlungen zu ändern. Zu II: Die rechtswirksame Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist in den 620 ff. BGB geregelt. Zu II Nr. 1: Voraussetzung hierfür ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis (hier zwischen M und B). Ein solches Arbeitsverhältnis könnte aufgrund eines wirksam abgeschlossenen Arbeitsvertrages gem. 611 BGB bestehen. Nach der Vertragstheorie kommt ein wirksamer (Arbeits-) Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen [Antrag ( 145 BGB) und Annahme ( 146 ff BGB)] zustande. Aus dem vorliegenden Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, wem die Willenserklärung in Form des Antrages i. S. d. 145 BGB bzw. die der Annahme i. S. d. 146 ff BGB zuzuordnen ist. Dies ist letztlich aber unschädlich, da der Sachverhalt von einer Beschäftigung des B spricht. Ein wirksamer Arbeitsvertrag i. S. d. 611 BGB kann damit zulässigerweise unterstellt werden. Damit ist B der Status eines Arbeitnehmers und M des eines Arbeitgebers zuzuordnen. Zu II Nr. 2: Die Beendigung eines wirksamen Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nach 622 BGB bedarf damit einer

(Beendigungs-) Kündigung i. S. d. 626 BGB (außerordentliche Kündigung, a. o. K.) durch Kündigungserklärung. Diese liegt lt. Sachverhalt in Form der Kündigungserklärung vom 23.04.2012 vor. Zu II Nr. 3: Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende, bedingungsfeindliche, schriftformbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft beendet werden soll. Fraglich könnte jedoch sein, ob die Kündigung des 23.04.2012 die an eine ordnungsgemäße und damit wirksame Kündigungserklärung gestellten Voraussetzungen erfüllt. Als Willenserklärung muss der Kündigende eine Äußerung abgegeben haben, die auf die Beendigung es Arbeitsverhältnisses abzielt. Die Kündigungserklärung muss deshalb deutlich und klar auf den Beendigungswillen schließen lassen. M hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er das Arbeitsverhältnis mit B beenden will. Weiterhin darf die Kündigungserklärung (mit Ausnahme der Änderungskündigung) nicht an Bedingungen geknüpft sein (Bedingungsfeindlichkeit). Der vorliegende Fall lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass M an die (Beendigungs-) Kündigung des B Bedingungen geknüpft hat. Weiterhin hat die Kündigung der in 623 BGB vorgeschriebenen Form (= Schriftform) zu genügen. Ausweislich des Sachverhaltes hat A mit Schreiben des 23.04.2012 und damit formgerecht gekündigt. Die Kündigung muss, will sie Rechtswirkung erzielen, dem Empfänger zugehen ( 130 BGB). Die Kündigung ist B am 23.04.2012 durch Aushändigung zugegangen.

Die Kündigung ist eine rechtsgestaltende Willenserklärung, d. h., sie beendet das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang für die Zukunft; eine rückwirkende Kündigung ist damit ausgeschlossen. Die F zugegangene Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis für die Zukunft (mit sofortiger Wirkung). Die Kündigung könnte aber mangels sachlicher Rechtfertigung unwirksam sein. Grundsätzlich gilt auch im Arbeitsrecht der Grundsatz der Kündigungsfreiheit ( 620 Abs. 2 BGB). Ob sich aus einzelarbeitsvertraglichen Bestimmungen oder Tarifvertrag die Notwendigkeit einer Kündigungsbegründung ergeben könnte, kann dahingestellt bleiben. Zum einen lässt der Sachverhalt weder Rückschlüsse darauf zu, dass ein Tarifvertrag Anwendung findet, noch ob im Einzelarbeitsvertrag die Notwendigkeit einer Kündigungsbegründung vereinbart worden ist. Zum anderen enthält die Kündigungserklärung unabhängig davon bereits eine Kündigungsbegründung. Zu II Nr. 4: Allerdings muss für die wirksame Aussprache einer a. o. K. im Sinne des 626 Abs. 1 BGB ein sog. wichtiger Grund vorliegen. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einer näheren Definition bedarf: Es muss sich um eine schwere oder gravierende Verletzung vertraglicher Pflichten oder massive Verstöße gegen die betriebliche Ordnung oder den Betriebsfrieden handeln. Laut Sachverhalt hatte B am 16.04.2012 eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Arbeitskollegen A. Der tätliche Angriff auf einen Arbeitskollegen oder den Arbeitgeber ist eine schwerwiegende Verletzung vertraglicher Nebenpflichten; es besteht ein berechtigtes Interesse, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird.

Eine schwere bzw. gravierende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des B liegt damit vor, so dass das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes i. S. d. 626 Abs. 1 BGB vorliegend erfüllt ist. Darüber hinaus bedarf es der Abwägung, ob die Interessen des AG diejenigen des AN überwiegen, ihn noch bis zum Auslauf einer ordentlichen Kündigung weiter zu beschäftigen: Hier wird die Abwägung zu Lasten B ausgehen müssen, da er seit seiner Beschäftigung seit dem 01.02.1999 Jahre im Arbeitsvertrag so schwerwiegend versagt hat, dass sine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist schon alleine aus fürsorgerischen Gründen des M gegenüber seinen weiteren Beschäftigten ausscheidet und M somit nicht zugemutet werden kann. Gem. 626 Abs. 2 kann eine a. o. K. jedoch nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Kündigungsberechtigt ist im vorliegenden Fall M als Arbeitgeber. Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat M hat von dem Vorfall am 16.04.2012 positive Kenntnis erlangt. Der Lauf dieser 2-Wochen-Frist beginnt damit gemäß 187 Absatz 1 BGB am 17.04.2012 und endet gemäß 188 Abs. 2 BGB am 30.04.2012. M hat die Kündigung gegenüber B am 23.04.2012 und damit innerhalb der nach 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beachtenden Frist ausgesprochen. Eine verhaltensbedingte Kündigung verlangt im Allgemeinen eine vorherige Abmahnung. Dies folgt aus dem Grundsatz des ultima-ratio-prinzips der Kündigung. Entbehrlich ist sie u. a. dann, wenn eine Verhaltenskor-

rektur nicht erwartet werden kann oder eine an sich mögliche Verhaltensänderung für die Zukunft nicht zu erwarten ist. In diesen Fällen läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens sicher kannte und bei denen die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, mit der Billigung des Arbeitgebers also nicht gerechnet werden kann. B hatte bereits am 02.03.2012 A im Verlaufe einer Diskussion durch bewusstes Schupsen tätlich angegriffen. Warum dieser Sachverhalt nicht bereits damals zur a. o. K. des B führte, sondern nur durch eine Abmahnung geahndet werden sollte, kann dahingestellt bleiben. Eine Billigung des Verhaltens von B durch M war damit auf jeden Fall nicht verbunden, wie auch die lt. SV beabsichtigte Abmahnung des B für diesen Vorfall zeigt. Zu II Nr. 5: Ausweislich des Sachverhaltes existiert im Betrieb des M ein Betriebsrat. Gem. 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist dieser vor jeder Kündigung zu hören. Die Kündigung des 23.04.2012 wäre nach 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, wenn der im Betrieb des K bestehende Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden wäre. Lt. Sachverhalt wurde der Betriebsrat von M am 16.04.2012 über die beabsichtigte a. o. K. des B ordnungsgemäß informiert. Der Betriebsrat hatte damit gem. 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die Möglichkeit, seine Bedenken gegen die a. o. K. des B unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Ausweislich des Sachverhaltes hat sich der Betriebsrat gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des B bis zum 23.04.2012 (Aushändigung der Kündigung) überhaupt nicht geäußert. Die ihm zustehende Frist hat er damit weit überschritten.

Zu II Nr. 6: B könnte allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) grds. dann für sich in Anspruch nehmen, wenn in seinem Fall der erste Abschnitt des KSchG überhaupt Anwendung findet. Dies ist dann gegeben, wenn zum einen der Ablauf der Wartezeit nach 1 Abs. 1 KSchG, zum anderen der betriebliche Geltungsbereiches gem. 23 Abs. 1 KSchG erfüllt sind. Nach 1 Abs. 1 KSchG genießt ein Arbeitnehmer erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Wartezeit diesen gesetzlichen Schutz, d.h., im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate bestanden haben. B ist lt. Sachverhalt seit dem 01.02.1999 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei M beschäftigt und wurde am 23.04.2012 gekündigt. Der Zeitraum des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 01.02.1999 und dem 23.04.2012 umfasst mehr als 6 Monate. Die Voraussetzungen des 1 Abs. 1 KSchG werden damit von B erfüllt. Nach 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelten die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz abhängig von der Anzahl der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ( Schwellenwert ).Im Betrieb des A errechnet sich zum Zeitpunkt der Kündigung des F am 16.03.2012 nach 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG folgende Mitarbeitzahl: 30 Vollzeitkräfte mit = 30 x 1,00 = 30,00 Da zum 23.04.2012 im Betrieb des M die Grenze von regelmäßig mehr als 10 beschäftigten Mitarbeitern überschritten ist, ist der betriebliche Geltungsbereich des KSchG damit (auch) für B erfüllt. Allerdings ergibt sich daraus für B keine gesteigerte Schutzposition, da gem. 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Vorschriften über das Recht zur a. o. K. durch das KSchG nicht berührt werden.

Zu II Nr. 7: Wie auch schon bereits ausgeführt, ist das vorherige Aussprechen einer Abmahnung in gleicher Sache im Falle einer a. o. K. entbehrlich. Die nach der ständigen Rechtsprechung zum Arbeitsrecht i. V. m. 1 Abs. 1 KSchG vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung grds. geforderte Abmahnung des Arbeitnehmers aufgrund gleichgelagerter Pflichtverletzung findet ausweislich der Regelung des 13 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Der Kündigung vom 23.04.2012 war damit keine Abmahnung in gleicher Sache voranzustellen. B wurde wirksam gekündigt.