Basiswissen für Nichtjuristen Vergaberecht 12 Lektionen Auszüge aus den Lehrheften vhw-fernlehrgang
Lektion 3 Gliederung 3 Lektion 3 Grundstrukturen des öffentlichen Wettbewerbsrechts Gliederung I. Rechtlicher Rahmen für öffentliche Unternehmen... 5 1. Unionsrecht... 5 a) Öffentliche Unternehmen im Binnenmarkt... 5 b) Das Wettbewerbsregime für öffentliche Unternehmen... 6 aa) Das Wettbewerbsbeschränkungsverbot des Art. 106 Abs. 1 AEUV... 7 bb) Sicherstellung gemeinwirtschaftlicher Dienste im Binnenmarkt nach Art. 106 Abs. 2 AEUV... 7 cc) Überwachung durch Kommission, Art. 106 Abs. 3 AEUV... 9 2. Verfassungsrecht... 10 a) Grundrechtsberechtigung öffentlicher Unternehmen... 10 b) Grundrechtsbetroffenheit Dritter... 11 c) Konkurrenten- und Rechtsschutz... 12 aa) Grundrechtliche Abwehransprüche... 12 bb) Lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche... 13 cc) Verwaltungsrechtliche Unterlassungsansprüche... 14 II. Zulässigkeit und Grenzen von Privatisierungen... 15 1. Materielle Privatisierung... 15 2. Formelle Privatisierung... 18 3. Funktionelle Privatisierung... 18
4 Lektion 3 Gliederung III. Rechtliche Determinanten für Beihilfen... 20 1. Das Beihilfeverfahren nach Art. 108 AEUV... 20 2. Gesetzesvorbehalt... 21 3. Subventionsrechtsverhältnisse... 22 4. Rückabwicklung... 22 IV. Strukturen des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe... 23 1. Europarechtliche Vorgaben für das Beschaffungswesen... 23 a) Oberschwellenvergabe... 24 b) Unterschwellenvergabe... 26 2. Verfassungsrechtlicher Rahmen... 28 3. Einfachgesetzliche Ausgestaltung... 29 a) Rechtsentwicklung... 29 b) Aktueller Rechtszustand... 31 aa) Kartellvergaberecht... 31 bb) Sonstiges Vergaberecht... 32 cc) Die Beschaffung als privatrechtlicher und als haushaltsrechtlicher Vorgang. 32 dd) Die Bedeutung des kommunalen Wirtschaftsrechts... 33 V. Selbstkontrollaufgaben... 34 VI. Antworten zu den Selbstkontrollaufgaben... 35 VII. Einsendeaufgaben... 39
30 Lektion 7 Vergaberechtsreform 2014/2016 2. Vergaberechtsreform 2014/2016 Das Rechtsinstitut der Inhouse-Vergabe war bis zur Reform 2016 nicht gesetzlich und nicht europarechtlich geregelt. Vielmehr handelte es sich um eine ausgehend von der Auslegung der maßgeblichen Rechtsnormen entwickelte Figur, die ihre Konkretisierung vor allem durch die nationale und europäische Rechtsprechung erhielt. Die EU-Vergaberichtlinien waren schon immer dahin gehend auszulegen, dass Inhouse-Vergaben nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fallen. Das europäische Recht will keine Entscheidung darüber treffen, ob öffentliche Stellen ihren Bedarf durch Auftragsvergabe oder mit eigenen Mitteln decken. Insbesondere in Staaten, die wie Deutschland föderal organisiert sind und über eine ausgeprägte kommunale Selbstverwaltung verfügen, besteht ein Bedürfnis, zwischen öffentlichen Stellen zusammenzuarbeiten, sodass diese Zusammenarbeit ihrerseits immer von einem vergabepflichtigen Vorgang abzugrenzen sein wird. Gerade die interkommunale Zusammenarbeit, beispielsweise in Form von Zweckverbänden, gemeinsamen Kommunalanstalten oder in Privatrechtsform wie einer GmbH, gerät insofern unter Rechtfertigungsdruck. Dienstleistungszentren, Shared-Service-Center und andere gemeinsame Leistungserbringung sind von der Beauftragung einer anderen Gebietskörperschaft mit der Vornahme von Dienstleistungen abzugrenzen. Verschärft wird die Situation durch den Trend, an derartigen Einrichtungen auch private Rechtsträger zu beteiligen (ÖPP). Im Zuge der Reform 2014 wurde in Art. 12 RL 2014/24/EU (weitgehend gleichlautend: Art. 17 RL 2014/23/EU für Konzessionen) eine neue Bereichsausnahme geschaffen. Diese hat der deutsche Gesetzgeber in 108 GWB übernommen. Im Wesentlichen wurden zuvor in der europäischen und deutschen Rechtsprechung anerkannte Grundsätze kodifiziert, zum Teil zugunsten staatlicher Stellen erweitert. Einer Regelung zugeführt wurden auch Sonderkonstellationen, bei denen die sog. Teckalbzw. Inhouse-Kriterien nur bedingt anwendbar sind (bspw. die umgekehrt vertikale Quasi-Inhouse-Vergabe); zudem werden einzelne Aspekte konkretisiert (bspw. die Anforderungen an eine gemeinsame Beherrschung und die Methode zur Berechnung der wesentlichen Tätigkeit für den kontrollierenden Auftraggeber).
Lektion 7 Beherrschung 31 3. Voraussetzungen der zulässigen Inhouse-Vergabe Erste Kriterien für die Beurteilung der Ausschreibungspflicht einer gemeinsamen kommunalen Aufgabenerfüllung hat der EuGH mit der Grundsatzentscheidung in der Rechtssache Teckal bereits im Jahr 1999 geschaffen. Das Vorliegen einer (vergaberechtsfreien) Inhouse-Vergabe sollte demnach auf Grundlage von zwei Kriterien geprüft werden: eine Ausschreibungspflicht entfällt, wenn eine Gebietskörperschaft zwar mit einer rechtlich von ihr verschiedenen juristischen Person eine Vereinbarung über die Erbringung von Leistungen schließt, aber über diese Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen (Kontrollkriterium). Zugleich muss die kontrollierte Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen für den Anteilseigner erbringen (Wesentlichkeitskriterium). Art. 12 Abs. 1 RL 2014/24/EU und Art. 108 Abs. 1 GWB greifen diese Kriterien auf. Die nach dem Teckal-Urteil aufgeworfene Frage, inwiefern das Kontrollkriterium auch bei der Beteiligung privater Dritter an interkommunalen Kooperationen erfüllt sein könnte, hat der EuGH in der Rechtssache Stadt Hall e in eindeutiger Weise beantwortet: Jede auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, schließt eine ausschreibungsfreie Vergabe aus. Dieser Grundsatz wird nunmehr in Art. 12 Abs. 1 lit. c) RL 2014/24/EU bzw. Art. 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB aufgenommen, zugleich aber geringfügig eingeschränkt. Künftig wären bei Beachtung des Erfordernisses der Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle folgende Beteiligungen möglich: private Beteiligungen auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers, private Kapitalbeteiligungen auf nachgelagerten Ebenen des Auftragnehmers, private Beteiligungen ohne Kapitalbeteiligung (z. B. persönliche Mitgliedschaften) und private Minderheitsbeteiligungen, die gesetzlich vorgesehen sind (z. B. Private in Zweckverbänden nach 2 Abs. 2 Satz 2 GkZ SH). a) Beherrschung Das Merkmal Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle wird vom EuGH so ausgelegt, dass der Auftraggeber unter Berücksichtigung aller Rechtsvorschriften und maßgeblicher Umstände sowohl auf die strate-
Lektion 9 Bekanntgabe bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte 19 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV kann dies in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen geschehen (sog. konstruktive Beschreibung) oder durch Beschreibung der zu lösenden Aufgabe (sog. funktionale Beschreibung). In beiden Fällen ist die Beschreibung so genau wie möglich vorzunehmen, so dass sie ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermittelt und hinreichend vergleichbare Angebote erwarten lässt, die dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen. Eine weitere Möglichkeit ist nach 31 Abs. 2 VgV eine Beschreibung unter Bezugnahme auf bestimmte Normen. Dabei ist die dort vorgegebene Normenhierarchie einzuhalten. Schließlich sieht 31 Abs. 2 Nr. 3 VgV eine Kombination von konstruktiver und funktionaler und solcher mit Verweis auf Normen vor. Die Leistungsbeschreibung ist Bestandteil der Vergabeunterlagen ( 121 Abs. 3 VgV). Unter Vergabeunterlagen versteht man alle Unterlagen, die die Bieter oder Bewerber vom Auftraggeber zum Vergabeverfahren erhalten. Diese enthalten alle für das Vergabeverfahren erforderlichen Einzelheiten. Nach 2 EU Abs. 8 VOB/A darf der Auftraggeber das Ausschreibungsverfahren erst beginnen, wenn alle Vergabeunterlagen fertiggestellt sind. Es muss eine sog. Ausschreibungsreife vorliegen. Die Vergabeunterlagen bestehen in der Regel aus dem Anschreiben, ggf. den Bewerbungsbedingungen (in der VOB/A Teilnahmebedingungen) und den Vertragsunterlagen, die sich wiederum aus Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen zusammensetzen. 2. Bekanntgabe bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte Da dem oben beschriebenen Wettbewerbsgrundsatz nur dann Rechnung getragen wird, wenn möglichst viele Unternehmen von der Ausschreibung erfahren, sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, beabsichtigte Auftragsvergaben bzw. Wettbewerbe vorher bekannt zu machen (es sei denn, es handelt sich um ein Verhandlungsverfahren ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb). Allgemein gilt, dass bei der Bekanntgabe stets auf den Sinn und Zweck der Wettbewerbsermöglichung zu achten ist.
20 Lektion 9 Auftragsbekanntmachung Dies gilt vor allem auch deshalb, da die Vorschriften zur Bekanntmachung bieterschützenden Charakter haben. a) Vorinformation Bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte können öffentliche Auftraggeber eine Vorinformation veröffentlichen, wenn sie von der Möglichkeit einer Fristverkürzung Gebrauch machen wollen. Hierbei handelt es sich um eine unverbindliche Bekanntmachung, die der eigentlichen Auftragsbekanntmachung vorgelagert ist und in der die wesentlichen Merkmale einer beabsichtigten Auftragsvergabe enthalten sind. Durch eine Vorinformation sollen die Chancen von ausländischen Unternehmen erhöht werden, da durch eine längere Vorlaufzeit bspw. mögliche Sprachbarrieren ausgeglichen werden können. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, eine Vorinformation zu veröffentlichen. Erfolgt eine Vorinformation kann bei offenen Verfahren eine Verkürzung auf 15 Tage, im nichtoffenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren auf zehn Tage erfolgen ( 38 Abs. 2 VgV, 10a EU Abs. 2, 10b EU Abs. 3, 10c EU Abs. 1 VOB/A). b) Auftragsbekanntmachung Die Auftragsbekanntmachung ist in 37 VgV bzw. in 12 EU Abs. 4 VOB/A geregelt. Bei Bekanntgaben oberhalb der Schwellenwerte sind standardisierte, von der EU im Wege einer Verordnung vorgegebene Bekanntmachungsmuster zu verwenden. Im Unterschwellenbereich ist es den Auftraggebern dagegen selbst überlassen, wie sie die Veröffentlichungstexte gestalten (zu den Mindestanforderungen vgl. 12 VOL/A und 12 VOB/A). Die Veröffentlichungsmuster der EU können unter www.simap.europa.eu abgerufen werden. Die Muster können direkt am PC ausgefüllt und über das System der EU online eingereicht werden. Über den konkreten Umfang des Veröffentlichungstextes entscheidet die jeweilige Vergabestelle. Oftmals empfiehlt es sich, über die geforderten Mindestangaben hinaus noch weitere Informationen aufzunehmen. Nach altem Recht war die Bekanntmachung unverzüglich schriftlich, per Telefax oder per E-Mail an das Amt für amtliche Veröffentlichungen oder online über das Internetportal der EU zu übermitteln. Nunmehr darf eine
Lektion 11 Selbstkontrollaufgaben 29 IV. Selbstkontrollaufgaben 1. Wo sind die möglichen Zuschlagskriterien aufgelistet? 2. Dürfen Eignungs- und Zuschlagskriterien vermischt werden? 3. Was versteht man unter dem Zuschlag? 4. Was versteht man unter einer de-facto-vergabe? Was sind deren Folgen?
30 Lektion 11 Antworten zu den Selbstkontrollaufgaben V. Antworten zu den Selbstkontrollaufgaben Antwort zu 1.: Die möglichen Zuschlagskriterien sind in 58 Abs. 2 VgV, 52 SektVO, 16d EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A aufgelistet. Antwort zu 2.: Nein, zwischen Eignungskriterien und Zuschlagskriterien sowie der Prüfung dieser Kriterien ist jeweils streng zu trennen. Eignungs- und Zuschlagswertung sind zwei unterschiedliche Wertungsvorgänge. Eine Vermischung stellt einen schwerwiegenden, die Aufhebung einer Ausschreibung rechtfertigenden Grund dar. Zudem dürfen Eignungskriterien nicht als Zuschlagskriterien verwendet werden. Antwort zu 3.: Der Zuschlag ist die Willenserklärung der Vergabestelle, mit dem Bieter einen Vertrag über die Erbringung einer Leistung schließen zu wollen. Der Zuschlag stellt damit den Abschluss des Vergabeverfahrens dar. Antwort zu 4.: Eine de-facto-vergabe liegt vor, wenn eine Ausschreibung gänzlich unterlassen wurde. Nach 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist ein Vertrag von Anfang an unwirksam, wenn der Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag unzulässigerweise unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt wurde.