Altern und Teilhabe Aufgabe und Herausforderung Fachtag Bürgerengagement im Vor- und Umfeld von Pflege Stuttgart-Vaihingen 15.

Ähnliche Dokumente
Selbstorganisation und Empowerment im Alter

Thema / Inhalt allgemeine Leistungsziele spezifische Leistungsziele Lehrmittel: Kapitel Semester

Alter lernt und forscht Emotionen in Geschichte und Literatur. Seniorenstudium - Neue Perspektiven entdecken

Nachbarschaft gestalten Quartiersprojekte der Samariterstiftung. PAULA in Pfullingen mit Partnern im Quartier

Praxiszentrum. Lebensphase Alter / Menschen mit Behinderungen / Sonstige. Iim Wintersemester / Sommersemester 2015.

Die Rahmenrichtlinien für den Kindergarten

Grußwort Marion Reinhardt Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz; Referatsleitung Pflege

Emanzipation und Kontrolle? Zum Verhältnis von Demokratie und Sozialer Arbeit

Älter werden in Münchenstein. Leitbild der Gemeinde Münchenstein

DER ÖGD ALS KOORDINIERENDER AKTEUR? Möglichkeiten und Grenzen bei der Gestaltung kommunaler (Inklusions-) Strategien

Inklusion braucht Rehabilitation Wege zur Teilhabe DvfR, Berlin Oktober. WS 7 Teilhabe, Inklusion, Partizipation alles dasselbe?

Junge Menschen für das Thema Alter interessieren und begeistern Lebenssituation von älteren, hochaltrigen und pflegebedürftigen Menschen verbessern

Kontaktstelle PflegeEngagement Marzahn-Hellersdorf

#ODD16 #OGMNRW 1/5

Informationen für Demenzkranke, Angehörige, Fachkräfte und die breite Öffentlichkeit. Stand:

AKTIV FÜR DAS GUTE ZUSAMMENLEBEN

Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen e. V. Fürstenwall Düsseldorf Postfach Düsseldorf

Gesundheitsförderung im Alter

Die Österreichische Demenzstrategie und ihre Prognose

Eigensinn und Engagement Workshop im Rahmen der Bagfa Jahrestagung 2014 Stephan Würz und Julia Sipreck

Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderung

Thema / Inhalt allgemeine Leistungsziele spezifische Leistungsziele Lehrmittel: Kapitel Semester

Seite 1. Grußwort PSt in Marks

Partner. ...für die Menschen. Leitbild des Caritasverbandes für die Regionen Aachen Stadt und Land e.v. Not sehen und handeln.

Eine Pädagogik der Inklusion

Dr. Christa Preissing Situationsansatz und Bildung für nachhaltige Entwicklung passt das zusammen?

MGEPA. Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar Eine Herausforderung moderner Palliativmedizin

Zukunft Quartier Älter werden im Wohnviertel

INTEGRIERTES KOMMUNALES ENTWICKLUNGSKONZEPT (IKEK) OBER-RAMSTADT

BNE - (Tot-)Schlag-Wort für alles und nichts oder zeitgemäßer Prozess?

V O N : P R O F. D R. D I E R K B O R S T E L F A C H H O C H S C H U L E D O R T M U N D D I E R K. B O R S T E F H - D O R T M U N D.

Einheit in der Vielfalt

FAMILIENZENTREN. Eine niederschwellige Plattformen für Begegnung, Bildung und Vernetzung Tagung, 21. November 2016 Schloss Ebenrain, Sissach

LEITBILD DER JUGENDARBEIT REGENSDORF

Schwäbisch Gmünd 2020

Keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit - 10 Folien zum 10. Geburtstag am

Kinder- und Jugendpolitik in der Schweiz : Fragen, Herausforderungen und Perspektiven

Gerhard Schriegel Mitglied der erweiterten Schulleitung mit dem Aufgabenschwerpunkt Inklusion Edith-Stein

Kommunikations- und Arbeitstagung

Freiwilligenmanagement und Ehrenamtskoordination Chance und Perspektive für die Caritas in NRW?!

Segel Setzen 2014 Die Rolle der SpDis im Sozialraum 20./ Hannover

Ethik der Achtsamkeit. l éthique. du care. Ethics of care. Zorgethiek

Lokale Allianz für Menschen mit Demenz in Wandsbek

Wie wollen Menschen mit Behinderung wohnen? Zusammenwirken von Sozialraum und Menschen mit Behinderung Empfehlungen aus der Berliner Kundenstudie

Evangelische Seelsorge für Menschen im Alter und in Pflegeeinrichtungen

Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote (NBEA) 1. für die Zielgruppe Menschen mit Unterstützungsbedarf

Zugänge zur Selbsthilfe schaffen In-Gang-Setzer als Bestandteil des bürgerschaftlichen Engagements zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen

Alter und Behinderung aus Sicht des Sozialministeriums des Landes Nordrhein- Westfalen

Jugendverbandsarbeit mit jungen Geflüchteten

Caritas im Wandel Gemeinschaft in Solidarität

Indikatorensystem Interreg Deutschland-Danmark Entwurf: Stand Dezember 2014

Belastung in der Pflege Selbsthilfe entlastet

Selbsthilfe und EX-IN Ehrenamt versus bezahlte Tätigkeit Konkurrenz oder Ergänzung?

Engagement im ländlichen Raum

Mein Vater soll in den eigenen vier Wänden betreut werden. Wer kann uns unterstützen?

Leitbild In Leichter Sprache

Gesund älter werden in Deutschland

Inklusion Eine Herausforderung für die WfbM?

Der Weg zu einer demenzfreundlichen Gesellschaft. Ein Projekt der Schweizerischen Alzheimervereinigung Dr. phil. Stefanie Becker

Poverty Reduction Strategies (PRS)

Fragebogen Zusammenarbeit von Eltern und Lehrer/innen (für Lehrer/innen)

Inklusion bedeutet Vielfalt!

Berliner Erklärung Pflege von morgen braucht eine starke Gemeinschaft

Lernen für das Leben - Akademie 2. Lebenshälfte in Brandenburg

Ressourcen und Risiken für Selbstbestimmung trotz Pflegebedarf im ländlichen Raum - Ergebnisse des Projektes Nachbarschaft

Sich auf den Weg machen und Inklusion erleben

DEMENZ PERSPEKTIVEN. April 2015 Dr. Bettina Ugolini

Die Versorgung psychisch belasteter Flüchtlinge

Leitsatz: Ein Kind ist kein Gefäß das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will (Francois Rabelais Humanist, Arzt, Mönch)

Sozialraumorientierung ein geeignetes Paradigma für die Caritas Österreich? Fachgespräch in Salzburg, ifz,

Individuen Interessen. Interaktion

Formen der Lebensgestaltung im Alter

selbstbestimmt leben geborgen sein - alles aus einer Hand

Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern. Private Pflegepflichtversicherung

Leitbild Pflegeheim Carolinum

Workshop: Prävention von Gewalt gegen behinderte Menschen als Herausforderung für kommunale Behindertenpolitik

Caritas im Bistum Augsburg

Caritas. in 7 Sätzen. Leitbild des. Caritasverbandes Moers-Xanten e.v.

Wertewandel Werteverfall: Zur Position des alternden Menschen in der heutigen Gesellschaft

Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung

Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Kooperationen zwischen Stiftungen und Kommunen im Bereich der Flüchtlingshilfe

Bildung im Alter als Beitrag zur Sicherung der Teilhabenchancen älterer Menschen Dr. in Elisabeth Hechl BMASK, Abt. V/A/6

Manifest. für eine. Muslimische Akademie in Deutschland

Potenziale für Partizipation Demografischer Wandel als Gestaltungsaufgabe für die Kommunen

Leitbild der Jugendarbeit Bödeli

Herzlich Willkommen zur 2. (offenen) Sitzung der der BBE-Arbeitsgruppe Zivilgesellschaftsforschung

Empowerment und Teilhabe als Wegweiser zeitgemäßer Behindertenarbeit Internationale Erfahrungen

Inhalt: 1 Bildung Runder Tisch Leitbild, Ziele und Aufgaben. 3 Zusammensetzung. 4 Einberufung des Runden Tisches 50+

Jugendverbandsarbeit mit jungen Geflüchteten

Demografischer Wandel Chancen und Möglichkeiten für kleinere Städte und Gemeinden

Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf (Demenz) Fachtag Wohngemeinschaften. am in Erfurt

Leitbild der Elbe-Werkstätten GmbH und der PIER Service & Consulting GmbH. Mit Menschen erfolgreich

Ehrenamtskoordination

2 Was sind Theorien? Über Theorien Güte von Theorien Theorien über soziale Beziehungen im Alter... 40

Zukunftsmodelle Gemeindepsychiatrie im Netzwerk Modell EX-IN Bremen. Jörg Utschakowski Psychiatriereferent

Auf zu neuen Ufern? Funktion und Wandel von Geschlechterleitbildern in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Alterspolitik was geht das die Gemeinde an?

Herzlich Willkommen. BürgerBündnis München Gründungsveranstaltung Wir stellen Fragen und reden mit!

Transkript:

Altern und Teilhabe Aufgabe und Herausforderung Fachtag Bürgerengagement im Vor- und Umfeld von Pflege Stuttgart-Vaihingen 15. Juni 2015 Univ.-Prof. Dr. Hermann Brandenburg Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar Dekan der Pflegewissenschaftlichen Fakultät Lehrstuhl für Gerontologische Pflege www.pthv.de

Wo liegt Vallendar? Vallendar bei Koblenz Quelle: http://www.orte-indeutschland.de/bundeslaender-karte.html

Philosophisch-Theologische Hochschule Theologische Fakultät und Pflegewissenschaftliche Fakultät

Gliederung I. Teilhabe - was ist das? II. Was für Potentiale enthält BesT? III. Welche Bedeutung hat BesT für die eigene Person und für andere? IV. Perspektiven für BesT

I. Teilhabe was ist das eigentlich?

Vorbemerkungen Teilhabe ist ein weiter, ungenauer und umstrittener Begriff Ich verstehe darunter die Beteiligung, Mitwirkung und Einflussnahme von Menschen in persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Angelegenheiten Bürgerschaftliches Engagement im Vor- und Umfeld der Pflege ist eine Form der Teilhabe

BesT Bürgerengagement sichert Teilhabe Lebensqualität von älteren Menschen und ihren Familien kann gefördert werden und zwar in einem sehr umfassenden Sinne (sozial, psychisch, wohnräumlich etc.) Beitrag zu einem guten Altern

BesT Bürgerengagement sichert Teilhabe Die Gestaltung einer wohnortnahen Infrastruktur an 15 Standorten ist sehr wichtig, um möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen häuslichen Umgebung führen zu können Beitrag zu einer vernetzten Infrastruktur

BesT Bürgerengagement sichert Teilhabe Die Projekte leisten einen Beitrag zur Inklusion und wenden sich damit kritisch gegen jede Form der Ausgrenzung des Alters Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft, die das Alter(n) wertschätzt

Drei verschiedene Sichtweisen auf Teilhabe Kritisches Verständnis: Teilhabe als Empowerment. Hier geht es um Autonomie, Selbstbestimmung, Emanzipation Affirmatives Verständnis: Teilhabe als Selbstbindung und Integration in die Gemeinschaft Liberales Verständnis: Teilhabe als aktives Projekt ( erfolgreiches Altern ) und Kostenersparnis

II. Was für Potentiale enthält BesT?

Ein neues Demokratieverständnis Repräsentative Demokratie (Vertretung durch gewählte Abgeordnete) Deliberative Demokratie (stärkere Beteiligung der Bürger Diskurs, Mitwirkung, Kritik)

Fokus auf Nutzerorientierung In Großbritannien stärkerer Einbezug der Nutzer bei der Entwicklung von sozialen Diensten auch im Bereich der Demenz ( Hearing the Voice of Dementia )

Kompetenzen im Blick Nutzung der Ressourcen und Potentiale der alten Menschen ( aktives und erfolgreiches Altern )

III. Welche Bedeutung hat BesT für die eigene Person und für andere?

Individuelle Ebene Es gibt Grenzen des Konzepts des aktiven Alterns, aber die gerontologische Forschung hat unmissverständlich auf die positive Beziehung zwischen Aktivität, Stimmung und körperlich-seelischer Gesundheit hingewiesen

Gesellschaftliche Ebene Im Sinne einer humanen Gesellschaft ist es sehr wichtig, dass aktive Solidarität geübt wird und alte und pflegebedürftige Personen sich als Gebende und Nehmende wahrnehmen

Aktivität Individuelle Produktivität und gesellschaftliche Teilhabe Welcher Anteil an Personen, Die mit 70-105 Jahren aktiv sind, waren es auch schon früher? Sport treiben 79,9% 51,6% Tanzen 83,3% 13,8% Ausflüge machen 81,6% 50,6% Besuch kultureller Ereignisse 92,8% 43,4% Künstlerische Aktivitäten 80.0% 20,3% Hobbys 59,2% 64,7% Reisen 66,1% 56,0% Ehrenamtliche Tätigkeiten 20,0% 14,1% Politische Aktivitäten 35,5% 18,6% (Quelle: Maas & Staudinger 1996) Die schon mit 25 Jahren aktiv waren, sind es immer noch?

Auf den Punkt gebracht: Bei der Kritik am Aktivitätskonzept darf das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden Die Sorge um die Schwächsten ist ein substantieller Bestandteil einer humanen Gesellschaft Gesellschaftliche Partizipation, Teilhabe und Mitwirklung beginnen schon im jungen Erwachsenalter (oder nicht!) Die einfachste (und schwierigste Form) der Förderung von Produktivität und Partizipation im Alter liegt in einer stärkeren Altersdurchmischung in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen

IV. Perspektiven für BesT

Die Chance für die bürgerschaftlich Engagierten Entwicklung eines eigenen Standpunkts und Korrektiv gegen die Dominanz professioneller Perspektiven

Die Grenzen der Profis (und der Experten) Reflexion der professionellen Eigenlogik (Kooperation und Zusammenarbeit) Expertensicht ist nur eine Perspektive

Die lernende Organisation Wichtig ist ein Konzept und eine Struktur für die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen allen Engagierten Der Einsatz von bürgerschaftlich Engagierten als billige Arbeitskräfte ist ein Missbrauch! Es bedarf institutioneller und qualifikatorischer Unterstützung und Begleitung (z.b. Supervision)

Die Politik Ermöglichungsstrukturen für Teilhabe, Mitwirkung und Partizipation im Alter auch von alten Menschen in sozial benachteiligten Lebenslagen Was ist eigentlich die Strategie im flexiblen Kapitalismus (der Arbeitskraftunternehmer zur Kostenersparnis oder die Nutzung der Potentiale um seiner selbst willen?) Und wie ernst gemeint ist eigentlich das Thema Bürgergesellschaft auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit?

Die Gesellschaft Einsicht in die Notwendigkeit, dass Altern, Demenz und Gebrechlichkeit keine inferioren Ausdrucksformen menschlichen Lebens sind, sondern als Wiederspiegelung der Verletzlichkeit der menschlichen Natur angesehen werden müssen (Kruse) Eine Kultur des Alterns

Lucas Cranach der Ältere (1472-1553): Der Jungbrunnen Quelle: http://www.kunstkopie.de/a/lucas-cranach/derjungbrunnen.html (Abruf v. 26.11.2011)

Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 21. Oktober 2012

Am Ende Es geht um das Finden der richtigen Mitte (Aristoteles) und um eine faire Kooperation (Rawls) aller Beteiligten

Herzlichen Dank