Lektion 3: Sprechaktkompetenz Übersicht über die Lektion 1. Sprechen heißt auch Handeln 2. Typen von Sprachhandlungen 3. Zielkonflikte 4. Direkte und indirekte Sprachhandlungen 5. Kalkulation und Prüfung von Sprachhandlungen Redekompetenz - Lektion 3 1
Sprechen als Handeln Intention = Handlungsabsicht Rhetorik als Rednertheorie (Orator-Theorie): Text besteht nicht nur aus der Verknüpfung von Inhalten. Sondern auch Intentionen: Was will ich mit meiner Rede erreichen? Der Textstruktur liegt ein pragmatisches Gefüge zugrunde. (griech. pragma = Handlung) Sprechen ist immer auch Handeln: Mit einer Äußerung wird eine Intention verfolgt. Beispiele für Sprachhandlungen: Gratulieren, Freude bekunden, Informieren, Appellieren, Beleidigen. Redekompetenz - Lektion 3 2
Der Werkzeugkasten sprachlichen Handelns Sprache ist ein Werkzeug, mit dem Handlungen vollzogen werden. Es gibt nicht eine einzige Form des sprachlichen Handelns. Wie bei der Verwendung eines Werkzeugkasten werden verschiedene Handlungen mit verschiedenen Werkzeugen nacheinander ausgeführt: Es kommt darauf an, die verschiedenen Werkzeuge in der richtigen Reihenfolge und Kombination einzusetzen. Redekompetenz - Lektion 3 3
Bühlers Organonmodell In Bühlers Organonmodell (griech. Organon = Werkzeug) werden drei Funktionsdimensionen des sprachlichen Zeichens erfasst: Der Sprecher gibt etwas von sich preis: expressive Funktion. Beim Zuhörer soll etwas erreicht werden: appellative Funktion. Es wird etwas über eine Sache gesagt: repräsentative (= darstellende) Funktion Redekompetenz - Lektion 3 4
Guten Tag, wir begrüßen Sie zur dritten Lektion. Wir freuen uns, dass Sie bisher dabeigeblieben sind. In dieser dritten Lektion wenden wir uns dem methodischen Schlüsselkonzept des Kurses zu: dem Handeln durch Sprache. Es geht also um die Frage, was Sie mit Ihrer Rede eigentlich wollen. Wenn wir sprechen, vollziehen wir also zugleich damit auch bestimmte Handlungen. Und wir versprechen Ihnen, dass Sie nach dem Durcharbeiten dieser Lektion mehr über diesen Zusammenhang wissen. Bleiben Sie also konzentriert dabei. Begrüßen Freude ausdrücken: expressive Funktion Sagen, um was es in der Lektion geht: repräsentative Funktion Versprechen Aufforderung an den Zuhörer: appellative Funktion Redekompetenz - Lektion 3 5
Typen von Sprechakten 1. Sprecher-Ausdruck: Expressiva 2. Sach-Darstellung: Repräsentativa 3. Hörer-Beeinflussung: Appellativa 4. Wirklichkeit durch Sprechakte schaffen, verändern, regulieren: Regulativa z. B. Ich taufe Dich..., Begrüßen 5. Sprecher kündigt Handlungen an, die er selbst vollziehen wird: Kommissiva - Versprechen Redekompetenz - Lektion 3 6
Zielkonflikte Beispiel: Planung eines Geschäftsberichts (1) Globalziel: den Gesellschaftern den Jahresbericht präsentieren (offenes Ziel) Intention (verdecktes Ziel): die Gesellschafter für eine Kapitalerhöhung weichklopfen Redekompetenz - Lektion 3 7
Zielkonflikte Beispiel: Planung eines Geschäftsberichts (2) Bericht: vor allem Repräsentativa Wohlwollende Stimmung erzeugen mit Expressiva: Die Geschäftsleitung kann mit großer Genugtuung sagen... Handlungsbedarf erzeugen durch Warnungen als Repräsentativa: Bericht über gesamtwirtschaftliche Entwicklung Appellativa: Sorgen Sie vor! Versprechen Kommissiva der Geschäftsführung: Mit uns wird die Firma das schaffen! Mögliche Zielkonflikte: - Eigene Intentionen versus Intentionen der Geschäftsführung - Zukunftsversprechen Wir ziehen den Karren aus dem Dreck! darf nicht den Eindruck erwecken, dass der Karren im Dreck steckt Redekompetenz - Lektion 3 8
Direkte und indirekte Sprechakte Direkte Sprechakte: Sprechakte, die das vollziehen, was sie sagen: Wir erinnern Sie (hiermit) daran! Indirekte Sprechakte: Sprechakte, die an der Oberfläche anders aussehen als ihrer eigentlichen Intention entspricht, z. B. rhetorische Fragen Die Verwendung indirekter Sprechakte ist in einer Sprachkultur regelhaft, z. B. bei der Aufforderung Kannst Du mir mal das Salz reichen? Der Normalfall ist der indirekte Sprechakt. Direkte Sprechakte sind in einer längeren Rede oft in exponierter Stellung: Als Konsequenz schlage ich der Geschäftsleitung vor... Redekompetenz - Lektion 3 9
Kalkulierende Prüfung der Sprachhandlungen Am Ende der Planung einer Rede aus elementaren Sprechakten muss eine Überprüfung stattfinden, wie diese Sprechakte zusammenpassen. Mögliche Fragen sind: Bin ich an dieser Stelle nicht doch etwas zu optimistisch? Steht die Äußerung nicht dem Gesamtziel der Rede entgegen? Bin ich hier zu kritisch? Sollte ich dies oder jenes nicht besser indirekt sagen? Redekompetenz - Lektion 3 10
Zusammenfassung der 1. Ermittlung der Intentionen Planungsschritte (1) Unterscheidung zwischen eigenen partikulären Intentionen (als Redner glänzen, eigene Kompetenz herausstreichen) und globalen (vorgegebenen und verdeckten) Zielen der Rede (Präsentation eines Projekts, Würdigung eines Jubilars) 2. Die Intentionen zueinander in ein Verhältnis bringen Welches sind die zentralen Intentionen? Welche sind nachgeordnet? Redekompetenz - Lektion 3 11
Zusammenfassung der Planungsschritte (2) 3. Intentionen mit Sprachhandlungen korrelieren Wo können Expressiva sinnvoll eingesetzt werden? Kommen in der Rede Versprechen vor? Welche Intentionen werden damit verbunden? Aufgabe des Redners ist es, die verschiedenen Möglichkeiten der Realisierung von Intentionen zu ermitteln und zu beurteilen und auf der Basis einer reflektierten Typologie von sprachlichen Handlungen umzusetzen. Kontrolle Welche Akte sind notwendig, welche sinnvoll, welche auf das Ganze gesehen überflüssig oder schädlich? Was richtet diese Sprechaktsequenz auf das Ganze gesehen an? Redekompetenz - Lektion 3 12
Literaturhinweise Bühler, Karl: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Mit e. Geleitw. Von Friedrich Kainz. Ungekürzter Neudr. D. Ausg. Jena, Fischer 1934. Stuttgart 1999 (= UTB 1159). Harras, Gisela: Handlungssprache und Sprechhandlung. Eine Einführung in die handlungstheoretischen Grundlagen. Berlin. New York 1983 (Sammlung Göschen 222). Meibauer, Jörg: Pragmatik. Eine Einführung. Tübingen 1999 (Stauffenburg Einführungen). Redekompetenz - Lektion 3 13