Finanzierungsalternativen für die Pflegeausgaben zur Entlastung der Länder- und Gemeindebudgets



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Transkript:

Finanzierungsalternativen für die Pflegeausgaben zur Entlastung der Länder- und Gemeindebudgets Projektbericht Oktober 2006 (korrigierte Version April 2007) Univ.-Prof. DDr. Johann K. Brunner Vanessa Mühlböck Institut für Volkswirtschaftslehre Johannes Kepler Universität Linz Altenberger Straße 69 4040 Linz 1

Inhaltsverzeichnis ZUSAMMENFASSUNG... 4 1 EINLEITUNG... 9 2 PFLEGEVORSORGE IN ÖSTERREICH... 11 2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen... 11 2.1.1 Geldleistungen... 12 2.1.2 Sachleistungen... 13 2.1.2.1 Stationäre Dienste... 13 2.1.2.2 Ambulante Dienste... 19 2.2 Sozialhilfeausgaben in Oberösterreich und deren Deckung... 21 2.2.1 Sozial- und Sozialhilfeausgaben Oberösterreichs und im Vergleich... 21 2.2.2 Einnahmen der Sozialhilfeverbände für stationäre Pflege... 23 3 PROGNOSE DER PFLEGEKOSTEN... 27 3.1 Basisszenario demografischer Effekt... 27 3.2 Szenario mit steigender Lebenserwartung besserer Gesundheitszustand... 30 4 EINE MÖGLICHE PFLEGEVERSICHERUNG... 32 5 PFLEGEFINANZIERUNG IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH... 34 5.1 Deutschland... 34 5.2 Niederlande... 38 5.3 Dänemark... 41 6 PERSPEKTIVEN FÜR DIE FINANZIERUNG DER (STATIONÄREN) PFLEGE44 6.1 Grundsätzliches: Fürsorgeprinzip versus Versicherungsprinzip in der Pflegefinanzierung... 44 6.1.1 Prinzip der Sozialhilfe... 44 6.1.2 Alternative: Prinzip der Versicherung... 45 6.2 Eigenleistungen der Betroffenen zur Finanzierung der Pflege... 47 6.2.1 Heranziehung des Vermögens... 48 6.2.2 Heranziehung des Einkommens... 50 6.2.3 Beiträge der Kinder... 50 6.3 Öffentliche Mittel für die Gemeinden... 51 6.4 Finanzierungsmöglichkeiten für den Staat... 52 6.4.1 Steuerfinanzierung... 53 6.4.2 Eigene Pflegeversicherung... 54 6.5 Pflege durch Angehörige oder im Alten- und Pflegeheim... 55 2

6.6 Weitere Aspekte... 57 6.6.1 Private Pflegeversicherung... 57 6.6.2 Umfassende Neuregelung... 58 7 LITERATUR... 59 7.1 Artikel... 61 7.2 Rechtsvorschriften... 61 7.3 Internet... 62 3

Zusammenfassung Das österreichische System der Pflegevorsorge wird im Wesentlichen durch die mit 1. Juli 1993 in Kraft getretene Neuregelung bestimmt und besteht aus dem Bundespflegegeldgesetz, den neun Landespflegegeldgesetzen und der Pflegevereinbarung zwischen Bund und Ländern. Im Rahmen dieser Pflegevereinbarung übernimmt der Bund die Verantwortung für die Finanzierung des Pflegegeldes für Pensionisten, Rentner und sonstige Personen, die Leistungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften beziehen. Die Länder sind im Gegenzug zur Finanzierung des Pflegegeldes für den auf Bundesebene nicht erfassten Personenkreis und der sozialen Dienste, d. h. der stationären, teilstationären oder ambulanten Pflegedienste, sowie für deren koordinierten Auf- und Ausbau zuständig. Das Pflegegeld ist als ungebundene Geldleistung zur pauschalierten Abdeckung von pflegebedingten Mehrkosten der betroffenen Personen zu verstehen. Die Finanzierung dieser Geldleistung erfolgt durch allgemeine Steuermittel auf Bundes- bzw. Landesebene. Die Gewährung von Sachleistungen, vor allem im Bereich der stationären Pflege, ist wesentlich vom Sozialhilfeprinzip geprägt, d. h. die Kosten dieser Dienste werden zunächst den betroffenen Personen selbst angelastet, wobei die Kostenbeiträge hierfür von Einkommen und Vermögen abhängig sind. Die nicht gedeckten Kosten sind schließlich von den Sozialhilfeträgern letztlich ebenfalls aus allgemeinen Steuermitteln zu tragen, wobei hier die Möglichkeit des anteiligen Kostenregresses besteht. Dabei kommt es zu teils erheblichen Unterschieden zwischen den Ländern, sie manifestieren sich vorwiegend im kostenersatzpflichtigen Personenkreis, dem Ausmaß ihrer Kostenersatzpflicht, den Rückgriffsfristen auf verschenktes Vermögen und die Anerkennung von Vermögensfreibeträgen. Die Deckung der laufenden Ausgaben für Altenwohn- und Pflegeheime durch Einnahmen der Sozialhilfeträger liegt in Oberösterreich nach den in dieser Studie vorgenommenen Untersuchungen bei etwa 57 %, der Rest wird von Land und Gemeinden getragen. Durch die Analyse der Rechnungsabschlüsse von 15 oberösterreichischen Sozialhilfeträgern konnte festgestellt werden, dass deren Einnahmen zu rund 84 % aus Transferzahlungen bestehen, die von Sozialversicherungen überwiesen werden. Diese Transferzahlungen umfassen gesetzliche Pensionen und Bundespflegegelder der pflegebedürftigen Personen, die im Fall 4

der stationären Pflege zu 80 % auf die Heimträger übergehen. Weitere 2,3 % der Einnahmen bestehen aus den Landespflegegeldern und 1,8 % machen Kostenrückerstattungen anderer Sozialhilfeträger aus. Die laufenden Zahlungen von privaten Haushalten, also jene Zahlungen, die aus der Heranziehung von Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Personen und deren Angehörigen stammen, stellen lediglich einen Anteil von ca. 6,8 % der Einnahmen dar, wobei etwa die Hälfte aus der Verwertung von Verlassenschaften zufließt. Einfache Prognoserechnungen unter Heranziehung der demografischen Vorausschau von Statistik Austria zeigen, dass die Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung erwartungsgemäß auch zu höheren öffentlichen Ausgaben für Pflege führen wird. Je nach Annahme über die Entwicklung des Gesundheitszustandes und der personalintensiven Pflegekosten ergibt sich bei Annahme der Altersstruktur des Jahres 2030 ein zwischen 40% und 110% höherer Anteil dieser Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt als im Jahr 2003. Diese Steigerung wird zu einer deutlichen Mehrbelastung der Länder und Gemeinden führen, wenn auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht die Dramatik dieser Entwicklung etwas zu relativieren ist, weil der Pflegesektor innerhalb des gesamten Sozialbereichs nur einen kleineren Ausgabenposten darstellt. Als Anteil am Bruttoinlandsprodukt lagen die öffentlichen Pflegeausgaben im Jahr 2003 bei etwa 1,3%, während etwa die Ausgaben der Kranken- und Pensionsversicherung zusammen nahezu 16% des BIP erreichten. Eine Abschätzung des Beitragssatzes, der notwendig wäre, wollte man die Pflegeausgaben durch eine Sozialversicherung mit gleicher Beitragsgrundlage wie etwa die Krankenversicherung finanzieren, zeigt, dass 1,5% für die Finanzierung des Pflegegeldes und weitere 1,2% für die Finanzierung der Sozialhilfeausgaben erforderlich wären. Demgegenüber belaufen sich alle Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitragssätze zusammen bei ASVG-Versicherten derzeit auf 37,7%. Aus einer Betrachtung der Pflegesysteme in drei ausgewählten europäischen Staaten ist ersichtlich, dass Deutschland tatsächlich eine solche Pflegeversicherung eingerichtet hat. Es gibt aber mit Dänemark als Beispiel auch den Weg einer Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln. Insgesamt zeigt dieser Ländervergleich, dass die Institutionen und Finanzierungslösungen für das Pflegesystem durchaus unterschiedlich sind, so ist in den Niederlanden und in Dänemark, anders als in Österreich und Deutschland, die Pflege in das allgemeine Gesundheitswesen integriert. 5

Aus der Beobachtung dieser Daten und Fakten sowie aus allgemeinen ökonomischen Überlegungen lassen sich folgende Schlüsse für die Finanzierung der Pflegeausgaben ziehen: 1. In einer grundsätzlichen Perspektive erscheint ein schrittweises Abgehen vom derzeit dominierenden Sozialhilfeprinzip in Richtung Versicherungsprinzip angebracht. Das bedeutet im Wesentlichen: keine so weit gehende Orientierung an der Bedürftigkeit der Betroffenen, sondern die generelle Vermeidung übergroßer Belastungen. Das Risiko pflegebedürftig zu werden weist große Ähnlichkeit mit den Risiken alt o- der krank zu werden auf. Diese werden in modernen Sozialstaaten durch die Pensionsund die Krankenversicherung übernommen, unabhängig von der Bedürftigkeit. Es erscheint konsequent, diesen Versicherungsschutz auf den Pflegefall auszudehnen. Das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit tritt zufällig verteilt bei verschiedenen Menschen auf. Bei lang dauernder und hoher Pflegebedürftigkeit entsteht eine sehr hohe Belastung. Es ist ökonomisch effizient, dagegen eine Versicherung einzurichten. (Diese hohe Belastung kann von Angehörigen getragen werden, indem sie informelle Pflege ü- bernehmen, was aber bei heutigen Familien-, Wohn- und Berufsverhältnissen geforderte Mobilität oft nicht möglich ist. Dann entstehen hohe finanzielle Kosten durch stationäre Betreuung. Eine Versicherung würde diese Belastung durch einen Ausgleich zwischen Betroffenen und nicht Betroffenen deutlich verringern). 2. Aus dieser grundsätzlichen Perspektive folgt vor allem, dass Eigenleistungen der Betroffenen eine geringere Rolle spielen sollten. Das betrifft in erster Linie die Heranziehung des Vermögens, die nach den Überlegungen in 1. problematisch erscheint. Sie kann wie erwähnt ein sehr großes Ausmaß annehmen, was einen Versicherungsschutz sinnvoll macht. Ein erster Schritt wäre die Festlegung einer absoluten o- der prozentuellen Obergrenze. Es trifft letztlich gerade Personen mit Kindern, wenn das Vermögen durch die Pflegefinanzierung beansprucht wird und nicht vererbt werden kann: sie hatten Vermögen eben vermutlich mit der Absicht akkumuliert, ihren Kindern eine Erbschaft zu hinterlassen. Personen ohne Kinder haben dafür ein geringeres Motiv. Statt eine besondere Abgabe für Kinderlose zur Pflegefinanzierung einzuführen wie manchmal gefordert wäre es daher besser, eine Belastung für Personen mit Kindern abzuschaffen. 6

Wegen des befristeten Rückgriffs entstehen entsprechende Ausweichreaktionen. Eine Heranziehung des Vermögens erfolgt nur, wenn eine Schenkung/Vererbung nicht früh genug erfolgt. Zwang zur Vermögensweitergabe. Es stammen derzeit nur ca. 6,8 % der Einnahmen der Altenwohn- und Pflegeheime von privaten Haushalten und davon nur ein Teil aus der Verwertung von Vermögen (andere Teile gehen aus der Heranziehung sonstiger Einkommen zurück, abgesehen von der gesetzlichen Pension). Eine Erhöhung dieser Einnahmen müsste massiv sein, um eine spürbare Finanzierungsquelle zu eröffnen. Ähnliche Überlegungen gelten für die Heranziehung von Kindern zum Kostenersatz. 3. Die benötigten zusätzlichen Mittel der Gemeinden müssten daher aus anderen Quellen kommen. Betrachtet man die derzeitigen Einnahmen der Heime, so machen davon Pensionen und Pflegegelder von Personen in stationärer Pflege ca. 84% aus. Wenn das gesamte Pflegegeld an die Heimträger fließt (kein vom Bund einbehaltener Anteil, keine Verwendung als Taschengeld der Betroffenen), würden deren Einnahmen nach einer groben Schätzung um ca. 10% steigen. Denkbar wäre auch eine stärkere Heranziehung der Pensionen von Personen in höheren Pflege- und/oder Einkommensstufen, gewissermaßen als Ausgleich für den Verzicht auf die Heranziehung von Vermögen (die verteilungsmäßige Balance bliebe in etwa gewahrt). Erhöhung des Pflegegeldes in jenen Stufen, ab denen stationäre Pflege in Anspruch genommen werden kann. Das wäre eine allgemeine Maßnahme mit dem Vorteil, dass die Wahlfreiheit der Betroffenen betreffend die Art der Pflege davon unbeeinflusst bleibt. Sie käme aber nur zum Teil den Sozialhilfeverbänden zugute. Auch über den Finanzausgleich könnten mehr allgemeine Steuermittel an die Gemeinden zur Finanzierung der Pflegeausgaben gehen. Dabei erhebt sich die Frage, nach welchem Schlüssel die Mittel zugeteilt werden, vermutlich gäbe es keine direkte Verknüpfung mit den Pflegeausgaben. 4. Die Einrichtung einer eigenen Pflegeversicherung innerhalb der Sozialversicherung würde zwar dem oben angesprochenen Versicherungsgedanken am deutlichsten entsprechen, aber manches spricht für die Beibehaltung der Steuerfinanzierung. Als Nachteil der Sozialversicherungsregelung käme es zu einer Erhöhung der Lohn- (neben-)kosten, außerdem wäre die Einhebungsbasis im Vergleich zu einer Steuerfinanzierung der Pflegeausgaben geringer. Bei einer Steuerfinanzierung liegt als eine 7

Möglichkeit die Einhebung von mehr Mitteln aus der Erbschaftssteuer, die direkt die Vermögensweitergabe betrifft, nahe. Auch die Grundsteuer als eine Form der Gemeindefinanzierung käme in Frage. Gegen die Einrichtung einer eigenen Pflegeversicherung spricht auch, dass sie zu einer weiteren Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Pensionisten (zusätzlich zur in Österreich schon stark ausgebauten und nach dem Umlageverfahren organisierten Pensionsversicherung) führen würde. Bei einer Steuerfinanzierung werden auch die Pensionisten herangezogen. Ein Vorteil der Sozialversicherungslösung könnte eine bessere Einbindung in die Krankenversicherung sein. Insgesamt erscheint diese Lösung nur sinnvoll, wenn tatsächlich eine größere Reform angestrebt wird. 5. Bei allen Maßnahmen ist zu beachten, dass derzeit etwa 80% der Pflege in informeller Weise durch Angehörige geleistet wird. Eine verringerte Heranziehung der Vermögen der Pflegebedürftigen könnte einen Anreiz zu stärkerer Beanspruchung der stationären Pflege bedeuten. Eine Quantifizierung dieses Effekts ist schwer möglich. Allerdings ist, wie schon erwähnt, das Ausmaß dieser Heranziehung ohnehin gering, wofür auch die zur Verfügung stehenden Ausweichreaktionen (frühzeitige Vermögensweitergabe) verantwortlich sein dürften. Am bedeutendsten für die Entscheidung zwischen informeller Pflege zu Hause und stationärer Pflege dürften familiäre Bindungen und die Möglichkeiten aufgrund der Wohn- und Berufssituation sein. Zur Förderung der informellen Pflege sollten Maßnahmen getroffen werden, die der Unterstützung pflegender Angehöriger dienen. Dazu gibt es neben dem weiteren Ausbau mobiler Dienste eine Reihe anderer Möglichkeiten, die von besserer Beratung bis zu sozialrechtlicher Absicherung reichen. 8

1 Einleitung Die Ausgaben für die Pflege der älteren Menschen nehmen einen immer größeren Anteil der öffentlichen Budgets in Anspruch. Derzeit sind nahezu 25% der verfügbaren Mittel der oberösterreichischen Gemeinden zur Finanzierung der Alten- und Pflegeheime sowie der mobilen Pflege an die Sozialhilfeverbände abzuführen, während es vor 10 Jahren etwa 15% waren. Auch innerhalb des Sozialbudgets des Landes Oberösterreich nehmen diese Ausgaben mehr als die Hälfte in Anspruch. Wegen der zu erwartenden Alterung der Bevölkerung, d. h. des steigenden Anteils der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung, ist eine weiter zunehmende Beanspruchung der Budgets zu befürchten. Zwar wird mit der Zunahme der Lebenserwartung vermutlich auch die Zahl der in Gesundheit (genauer: ohne Pflegebedürftigkeit) verbrachten Lebensjahre ansteigen und wird möglicherweise der Kostenanstieg durch Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in der Pflegeerbringung teilweise begrenzt werden können, trotzdem werden die Finanzierungserfordernisse in Zukunft zunehmen. Je nach Annahme über die Gesundheitsentwicklung sagen Prognosen eine Erhöhung der Pflegekosten relativ zum Bruttoinlandsprodukt um mehr als die Hälfte voraus. Für Oberösterreich etwa sehen aktuelle Bedarfsabschätzungen eine Zunahme des Personals in Pflegeheimen um etwa 50% bis 2015 vor. Angesichts solcher Erwartungen hat diese Studie das Ziel, mögliche Finanzierungsalternativen für den Pflegebereich zu erörtern und ihre Eigenschaften zu untersuchen. Das Schwergewicht wird auf den stationären Sektor gelegt, der den überwiegenden Teil der Sozialhilfeausgaben verursacht. Im Vordergrund steht die grundlegende Frage, wie das Verhältnis zwischen kollektivem Schutz, das heißt Kostenübernahme durch die öffentliche Hand und eigenen Leistungen der Pflegebedürftigen sowie ihrer Angehörigen ausgestaltet wird. Weitere wichtige Aspekte betreffen die Verteilung der Lasten, sowohl innerhalb einer Generation als auch zwischen den Generationen, sowie die mit allen öffentlichen Maßnahmen verbundenen Anreizeffekte auf das Verhalten der Betroffenen. Letztere berühren in erster Linie die Balance zwischen formeller und informeller, familiärer Pflege. Die vorliegende Studie befasst sich im folgenden Kapitel zwei mit einer Darstellung der rechtlichen Grundlagen für die Finanzierung der Pflegeleistungen sowie der Höhe und De- 9

ckung der Ausgaben. Dabei sind insbesondere Recherchen in den Rechnungsabschlüssen einiger Sozialhilfeverbände eingearbeitet. Die im Kapitel drei präsentierten Prognoserechnungen sollen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene einen Eindruck von den in Zukunft erforderlichen Ausgaben aufgrund der Änderungen der demografischen Struktur vermitteln. Im Kapitel vier wird der Versuch unternommen, den notwendigen Beitragssatz für eine eventuell im Rahmen der Sozialversicherung einzurichtende Pflegeversicherung abzuschätzen. Nach einem Überblick über die Ausgestaltung der Pflegesysteme in ausgewählten europäischen Staaten (Kapitel fünf) werden schließlich in Kapitel sechs eine Reihe von Schlussfolgerungen für die weitere Finanzierung der Pflegeausgaben gezogen. Leitgedanke ist dabei, dass auch im Pflegesystem ähnlich wie etwa im Gesundheitssystem der Versicherungsgedanke stärkeres Gewicht bekommen sollte. Allerdings bedingt dies nicht unbedingt die Einrichtung einer eigenen Pflegeversicherung, angesichts der schon bestehenden der Steuerfinanzierung des Pflegegeldes ist auch deren Weiterentwicklung nahe liegend. 10

2 Pflegevorsorge in Österreich 2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen Das österreichische System der Pflegevorsorge wird im Wesentlichen durch die seit 1. Juli 1993 in Kraft getretene Neuregelung bestimmt und besteht aus dem Bundespflegegeldgesetz, den neun Landespflegegeldgesetzen und der Pflegevereinbarung zwischen Bund und Ländern. Im Rahmen dieser Pflegevereinbarung übernimmt der Bund die Verantwortung für die Finanzierung der Geldleistungen, welche in Form des nachfolgend erläuterten Pflegegeldes gewährt werden, für Pensionisten, Rentner und sonstige Personen, die Leistungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften beziehen. Die Länder sind im Gegenzug für die Finanzierung des Pflegegeldes für den auf Bundesebene nicht erfassten Personenkreis, und der sozialen Dienste, d. h. der stationären, teilstationären oder ambulanten Pflegedienste, sowie für deren koordinierten Auf- und Ausbau zuständig. 1 Da die Landespflegegelder nach den gleichen Grundsätzen und in gleicher Höhe wie das Bundespflegegeldgesetz gewährt werden, ist bezüglich der Geldleistungen eine bundesweit einheitliche Regelung, auch betreffend deren Finanzierung, vorhanden. Durch die Kompetenzübertragung der Sachleistungen, d. h. der sozialen Dienste, auf die einzelnen Länder, kommt es in diesem Bereich jedoch zu teils erheblichen länderspezifischen Unterschieden in der Finanzierung dieser Leistungen, welche darüber hinaus auch von der Art des sozialen Dienstes abhängig ist. 2 Somit kann eine Darstellung der Finanzierung des Systems der Pflegevorsorge nicht für Österreich im gesamten stattfinden, sondern es sind hierbei auch die länderspezifischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Aus diesem Grund soll im nachfolgenden Abschnitt die Finanzierung der Pflegeleistungen im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Bundesländern erläutert werden, wobei auch eine Unterteilung nach Art der Leistung stattfindet. 1 Vgl. BMSG (2005) S. 7, Österle/Hammer (2004) S. 92f 2 Vgl. Österle/Hammer (2004) S. 92f 11

2.1.1 Geldleistungen Das Pflegegeld wurde im Rahmen der Pflegevorsorgeneuregelung als ungebundene Geldleistung zur pauschalierten Abdeckung der pflegebedingten Mehraufwendungen der betroffenen Personen eingeführt. Um den individuellen Pflegebedürfnissen gerecht zu werden, gibt es 7 Pflegegeldstufen, wobei die Einstufung der pflegebedürftigen Person vom Ausmaß der Pflegebedürftigkeit, welches durch ein ärztliches Gutachten festgestellt wird, abhängig ist. Voraussetzung für die Gewährung ist ein ständiger Pflegebedarf von mindestens 50 Stunden monatlich, welcher voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern wird. Darüber hinaus wird ein ständiger Aufenthalt in Österreich vorausgesetzt. 3 Die Zuerkennung dieser Geldleistung basiert auf den Regelungen des Bundes- oder der Landespflegegeldgesetze. Diese Vorschriften unterscheiden sich, wie erwähnt, einzig durch den erfassten Personenkreis: Das Bundespflegegeld wird Rentnern, Pensionisten und sonstigen Personen, die Leistungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften beziehen, gewährt, wohingegen die Landespflegegeldgesetze allen übrigen Personen ein Pflegegeld nach gleichen Grundsätzen und in gleicher Höhe sichern. 4 Die Auszahlung des Pflegegeldes ist unabhängig von Einkommen, Vermögen und Ursache der Pflegebedürftigkeit 5 und erfolgt an die pflegebedürftige Person selbst. Lediglich im Falle eines Aufenthaltes in einem Alten- oder Pflegeheim geht das Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten, aber maximal bis 80 % des gewährten Pflegegeldes direkt an den Kostenträger über. Bei einem Aufenthalt in einer Krankenanstalt ruht für diesen Zeitraum das Pflegegeld zur Gänze, sofern ein Sozialversicherungsträger die dadurch entstehenden Kosten trägt. 6 Die Finanzierung des Pflegegeldes erfolgt über das allgemeine Bundes- bzw. Länderbudget, in Abhängigkeit von der Zuordnung der betroffenen Person zum Bundes- bzw. Landespflegegeldgesetz. Allerdings ist hierbei zu erwähnen, dass mit der Einführung des Pflegegeldes gleichzeitig die Krankenversicherungsbeiträge erhöht wurden: 0,4 %-Punkte für Arbeitnehmer und Arbeitgeber 0,8 %-Punkte für Bauern und Selbständige 0,5 %-Punkte für Pensionisten 3 Vgl. BMSG (2005), S. 7f, S. 10 4 Vgl. BMSG (2005) S. 7, S. 10 5 Vgl. BMSG (2005) S. 8 6 Vgl. Österle/Hammer (2004) S. 60, BMSG (2005) S. 10 12

Die erhöhten Beiträge zur Krankenversicherung dienten der Reduktion der Überweisungen der Pensionsversicherungsanstalten an die Krankenversicherung der Pensionisten und in weiterer Folge der Verringerung des durch den Bund zu deckenden Abgangs der Pensionsversicherungsanstalten. Die dadurch eingesparten allgemeinen Steuermittel des Bundes dienen der Finanzierung des Pflegegeldes gemäß dem Bundespflegegeldgesetz. 7 2.1.2 Sachleistungen Sachleistungen in Form von sozialen Diensten an die pflegebedürftigen Personen liegen in der Verantwortung der Länder, welche auch aufgrund der Pflegevereinbarung zu deren Auf- und Ausbau verpflichtet sind. Die Kosten dieser Dienste werden zum Teil von den betroffenen Personen selbst getragen, wobei die Kostenbeiträge hierfür von Einkommen und Vermögen abhängig sind. Die nicht gedeckten Kosten sind letztendlich von den Sozialhilfeträgern abzudecken, womit die Finanzierung der sozialen Dienste im Allgemeinen auf dem Sozialhilfeprinzip basiert. In diesem Sinn besteht auch die Möglichkeit, die Sozialhilfeausgaben der Länder und Gemeinden, welche wiederum durch allgemeine Steuergelder finanziert werden, anteilig auf dem Regressweg wieder einzubringen oder von anderen kostenersatzpflichtigen Personen einzufordern. 8 Da es jedoch im Bereich der Sozialhilfe teils erhebliche Unterschieden zwischen den Bundesländern gibt, welche sich durch die Variationen der Leistungsansprüche und Kostenersatzregelungen manifestieren 9, ist auch das Ausmaß der privaten Finanzierung von Sachleistungen zur Pflege von ältern Menschen bundesweit uneinheitlich. Die länderspezifischen Unterschiede bezüglich der Finanzierungsgebarung von sozialen Diensten werden in den folgenden Abschnitten dargestellt, wobei eine Unterteilung in stationäre und sonstige Dienste stattfindet, da deren Finanzierungsstrukturen unterschiedlich gestaltet sind. 2.1.2.1 Stationäre Dienste Besonders stark ausgeprägt ist das Sozialhilfeprinzip für stationäre soziale Dienste, d. h. Pflege in Alten- oder Pflegeheimen, denn deren Finanzierung erfolgt zunächst aus dem privaten Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Personen. Nicht gedeckte Kosten werden 7 Vgl. BMSG (2005), S. 10 8 Vgl. BMSG (2005) S. 12; Österle/Hammer (2004) S. 93 9 Vgl. http://bmsg.cms.apa.at/cms/site/detail.htm?channel=ch0346&doc=cms1068451351234, Zugriff am 21. August 06 13

von den zuständigen Sozialhilfeträgern übernommen 10, wobei trotz der zum Teil divergierenden Sozialhilfegesetze in den einzelnen Ländern grundsätzlich Kostenersatzpflichten für folgende Personen vorgesehen sind 11 : Erben In allen neun Bundesländern ist die gesetzliche Rahmenbedingung geschaffen, dass die Nachlassnehmer der verstorbenen pflegebedürftigen Person die Kosten der Sozialhilfe zu ersetzen haben, da die Verpflichtung zum Kostenersatz für die geleisteten Sozialausgaben gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass übergeht. Die Erben sind somit bis zum Wert des Nachlasses zum Kostenersatz verpflichtet. 12 Diese Regelung haben alle neun Sozialhilfegesetze gemein, doch die Verjährungsfristen diesbezüglich divergieren zwischen den Länden und reichen von drei bis 10 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe gewährt wurde 13 (Vgl. Abbildung 1). Darüber hinaus weisen die Sozialhilfegesetze von Kärnten, Salzburg, Vorarlberg, dem Burgenland und der Steiermark die Regelung auf, dass, falls es sich bei den Erben um Eltern, Kinder oder den Ehegatten der pflegebedürftigen Person handelt, die Kostenersatzpflicht nur gilt, sofern die Existenz der Erben nicht gefährdet wird. 14 Formatie Nicht Fett Formatie Nicht Fett, Grammati Gelöscht Unterhaltspflichtige Personen Auch ist in allen Ländern eine Ersatzpflicht jener Personen vorgesehen, die der hilfebedürftigen Person gegenüber zur Unterhaltsleistung verpflichtet sind. Dabei wird allgemein die gesetzliche Unterhaltspflicht nach dem Familienrecht verstanden, welche in weiterer Folge den Rahmen der Ersatzpflicht bildet und innerhalb dessen unterhaltspflichtige Personen zur Kostentragung herangezogen werden können. Allerdings sind in beinahen allen Sozialhilfegesetzen Einschränkungen bezüglich des kostenersatzpflichtigen Personenkreises zu finden. So können beispielsweise Enkelkinder nirgends, mit Ausnahme von Vorarlberg, zum Kostenersatz herangezogen werden. Sofern Kinder von hilfebedürftigen Personen betroffen sind, so sind diese in den meisten Bundesländern grundsätzlich zum Ersatz der Sozialhilfeaufwendungen verpflichtet. Dies gilt jedoch nicht für Wien und Salzburg, und auch in Oberösterreich wird von der Kostenersatzpflicht der Kinder für ihre Eltern Abstand genommen, sofern Sozialhilfe für einen stationären Aufenthalt oder nach der Vollendung des 60. Lebensjahrs ge- 10 Vgl. Österle/Hammer (2004) S. 93 11 Vgl. Pfeil (2001) S. 293 12 Vgl. Pfeil (2001) S. 311 13 Vgl. Pfeil (2001) S. 338 14 Vgl. Kammer für Arbeiter und Angestellte (2001) S. 285 14

währt wird. Ehegatten sind in allen Bundesländern im Rahmen ihrer nach dem Ehegesetz bestimmten Unterhaltspflicht zum Kostenersatz verpflichtet. 15 (Vgl. Abbildung 1) Sonstige Personen Darüber hinaus sind in allen Bundesländern Rückgriffe auf Schenkungen möglich. Dies ist zwar lediglich in Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, der Steiermark und im Burgenland gesetzlich geregelt (Vgl. OÖ Sozialhilfegesetz 48, NÖ Sozialhilfegesetz 41, Salzburger Sozialhilfegesetz 44a, Steiermärkisches Sozialhilfegesetz 28a und burgenländisches Sozialhilfegesetz $ 46), doch finden sich in den übrigen Sozialhilfegesetzen entsprechende Regelungen, die Personen ersatzpflichtig machen, denen gegenüber die hilfebedürftige Person sonstige Rechtsansprüche hat. Diese umfassen auch Naturalansprüche, die durch einen Übergabevertrag entstanden sind. 16 Aus diesen Vorschriften sind somit auch in den anderen Bundesländern Kostenersatzpflichten jener Personen, die Vermögen ohne entsprechende Gegenleistung vom Hilfeempfänger erhielten, abzuleiten. In den fünf Ländern, in denen sich explizite Regelungen bezüglich der Kostenersatzpflicht von Geschenknehmern finden lassen, wird jedoch auch ein Schenkungsfreibetrag definiert. Dieser variiert von 2.467,-- in Niederösterreich bis 5.322,-- in Oberösterreich. Im Allgemeinen sind die Geschenknehmer nur bis zur Höhe des Geschenkwertes kostenersatzpflichtig und es wird, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, eine zeitliche Nähe zwischen der Schenkung und der Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt. Dies wird durch die kurzen Rückgriffsfristen deutlich, welche zwischen 2 und 5 Jahren (Vgl. Abbildung 1) liegen. Für Vorarlberg und Tirol gilt in diesem Zusammenhang eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab Schenkung. 17 Formatie Nicht Fett Formatie Nicht Fett, Grammati Gelöscht Neben den ähnlich definierten Kostenersatzpflichten einzelner Personenkreise weisen die neun Sozialhilfegesetze auch einen weitgehend einheitlichen Einkommens- und Vermögensbegriff auf. So wird das Ausmaß der Sozialhilfe in allen Bundesländern vom tatsächlich verfügbaren Einkommen und dem gesamten verwertbaren Vermögen abhängig gemacht. 18 Sofern das Einkommen der pflegebedürftigen Person betroffen ist, geht dieses im Falle eines stationären Aufenthalts zur Gänze auf den Träger der Sozialhilfe über. Allerdings sind vom Gesetzgeber Taschengelder für die pflegebedürftigen Personen vorgesehen. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz sieht beispielsweise für Pensionisten in stationären Einrichtungen 15 Vgl. Pfeil (2001) S. 312ff 16 Vgl. Pfeil (2001) S. 17 Vgl. Fries (2005) 18 Vgl. Pfeil (2001) S. 147f 15

ein Taschengeld in der Höhe von 20 % der Nettopension vor. Die Sonderzahlungen (der 13. und 14. Monatsbezug) der Pension verbleiben ebenfalls der pflegebedürftigen Person. Die verbleibenden 80% gehen schließlich direkt auf den Sozialhilfeträger zur Kostendeckung ü- ber. 19 Bezieht die in einer stationären Einrichtung untergebrachte Person zusätzlich Pflegegeld, unabhängig davon, ob es sich hierbei um das Bundes- oder Landespflegegeld handelt, so wird hiervon ein Taschengeld in der Höhe von 10 % der Pflegestufe 3, d. h. 42,20, gewährt. Dem Sozialhilfeträger gebührt das tatsächlich gewährte Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten, aber maximal 80%. 20 Die Differenz zwischen dem gewährten Pflegegeld und dem ausbezahlten Taschengeld dient der Finanzierung von allgemeinen sozialen Fonds für ganz Österreich. 21 Darüber hinaus sind alle übrigen Einkommensarten der pflegebedürftigen Person zur Gänze an den Sozialhilfeträger abzuführen. Existiert kein eigenes Einkommen seitens der pflegebedürftigen Person, so sind die Kosten der stationären Pflege zur Gänze von der Sozialhilfe zu tragen. Des Weiteren ist in diesem Fall den Hilfeempfängern ein Taschengeld zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse seitens der Sozialhilfeträger zu gewähren. Die Höhe dieser Taschengelder ist für die einzelnen Bundesländer verschieden und liegt zwischen 42,20 in Oberösterreich und 138,-- in Salzburg pro Monat (vgl. Abbildung 1). Reicht das Einkommen der betroffenen Person zur Deckung der Kosten für stationäre Pflege nicht aus, so findet auch eine Finanzierung der Heimkosten mittels des Vermögens statt, sofern dieses verwertbar ist. 22 Dies ist ebenfalls in allen neun Sozialhilfegesetzen einheitlich definiert und es wird generell von keinem geschützten Vermögen ausgegangen. Vorarlberg macht hiervon eine Ausnahme und definiert als einziges Bundesland ein kleines Eigenheim oder eine Eigentumswohnung als geschütztes Vermögen, sofern dieses dem Ehepartner oder einem Kind als Unterkunft dient und nach dem Tod des Hilfeempfängers noch Kinder vorhanden sind und der festgesetzte Kostenersatz für die Sozialhilfeausgaben geleistet wird. 23 Dieses ist in weiterer Folge auch von einer grundbücherlichen Sicherstellung als Bedingung für die Gewährung von Sozialhilfe ausgenommen. In allen anderen Ländern sind solche Vermögenswerte als Schonvermögen deklariert und die Gewährung von Sozialhilfe kann demnach von der Sicherstellung dieses Vermögens abhängig gemacht werden, 24 wodurch im Falle einer späteren Verwertbarkeit die Kosten der Sozialhilfe rückwirkend gedeckt werden kön- Formatie Nicht Fett Formatie Nicht Fett, Grammati Gelöscht 19 Vgl. ASVG 324 Abs. 3 20 Vgl. BPGG 1993 13 Abs. 1 Z. 5 21 Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt Wien 22 Vgl. Pfeil (2001), S. 166 23 Vgl. Fries (2005), Vorarlberger Sozialhilfeverordnung 8 Abs. 1 lit. c 24 Vgl. Pfeil (2001) s. 167 16

nen. Eine weitere Relativierung der Heranziehung von Vermögen zur Deckung der Kosten zur Sozialhilfe findet in allen Ländern durch die Gewährung von Vermögensfreibeträgen statt. Diese reichen von 2.200,-- im Burgenland bis 7.300,-- in Oberösterreich (siehe Abbildung 1). 25 Formatie Nicht Fett Formatie Nicht Fett, Grammati Gelöscht 25 Vgl. Fries (2005) 17

Abbildung 1: Übersicht der Sozialhilferegelungen der Bundesländer Wien NÖ Bgld OÖ Stmk Ktn Sbg Tir Vlbg Ersatzplicht des Ehegatten 2) 30% 33 bis 40 % 33 bis 40 % 33 bis 40 % 33 bis 40 % 33 bis 40 % 33 bis 40 % 33% 40% Ersatzpflicht der Kinder 2) Keine 5 bis 15 % 10 bis 25 % Keine 4 bis 16 % 10 bis 16 % Keine 11% 28% Ersatzpflicht der Enkelkinder 2) Keine Keine Keine Keine Keine Keine Keine Keine 28% Vermögensfreibeträge 3.000,-- 4.934,-- 2.200,-- 7.300,-- 2.500,-- 2.500,-- 4.140,-- 4.000,-- 4.000,-- Sicherstellung Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja, außer bei kleinem Eigenheim Hilfeempfänger 3 3 3 3 3 3 3 3 10 Verjährungsfristen Unterhaltspflichtige Personen 10 3 3 3 3 3 3 3 3 Erben 10 5 5 3 3 3 3 3 3 Rückgriff auf Schenkung 3 Jahre vor Hilfeleistung 5 Jahre vor, während und 3 Jahre nach Hilfeleistung 5 Jahre vor Hilfeleistung, während und 3 Jahre nach Hilfeleistung 5 Jahre vor, während und 3 Jahre nach Hilfeleistung 3 Jahre vor, während und 3 Jahre nach Hilfeleistung 2 Jahre vor Hilfeleistung 5 Jahre vor, während und 5 Jahre nach Hilfeleistung 30 Jahre ab Schenkung 30 Jahre ab Schenkung Schenkungsfreibetrag 1) 2.467,-- 2.000,-- 5.322,-- 2.495,-- 1) 4.140,-- 1) 1) Taschengeld bei stationärem Aufenthalt 84,-- monatlich, 14 mal jährlich 1) 63,60 monatlich, Juni und Dezember in 2facher Höhe 42,20 max 99,80 monatlich, Juni und November in 2facher Höhe 79,-- monatlich, Juni und Dezember in 2facher Höhe 138,-- monatlich, März, Juni, September und Dezember in eineinhalbfacher Höhe. 96,70 monatlich 84,40, April und September in 2facher Höhe Kostenbeiträge für ambulante Dienste 0,-- bis 16,86. Mindestkosten- Beitrag ihv 5,23 für Pflegegeldbezieher 11,56 vom Einkommen und 5,45 vom Pflegegeld. Gilt für alle Dienste 14,-- bis 24,80, abhängig von der Art des Dienstes 0,77 bis 19,31 vom Einkommen und 3,63 vom Pflegegeld. Gilt für alle Dienste 1) 1) 2,5 3% der Bemessungsgrundlage. 6,-- zusätzl. vom Pflegegeld 1) 1) Quelle: Eigene Darstellung, Fried (2005), Pfeil (2001), Nö Richtsatzverordnung 1, Sbg Richtsatzverordnung 1 Anmerkungen: Verjährungsfristen gelten nicht im Falle einer Grundbücherlichen Sicherstellung. 1) keine oder unpräzise gesetzlichen Regelungen vorhanden 2) Prozentsätze beziehen sich auf eine gesetzlich definierte Bemessungsgrundlage, welche im Wesentlichen dem Einkommen entspricht. Von der Gesamtheit aller Einkünfte sind Lebenshaltungskosten abzugsfähig. Die genaue Bestimmung der Bemessungsgrundlage ist uneinheitlich zwischen den Bundesländern. 18

2.1.2.2 Ambulante Dienste Im ambulanten Bereich ist die Finanzierung anders ausgestaltet, obwohl dieselben Träger eingebunden sind. Es ist hierbei eine nicht dermaßen starke Ausprägung des Sozialhilfeprinzips wie bei den stationären Diensten anzutreffen. Grundsätzlich basiert die Finanzierung der ambulanten Dienste auf einer Mischung von Eigenmitteln derjenigen, die Leistungen in Anspruch nehmen, sowie Mitteln der Sozialhilfeträger. Die Kostenbeiträge der pflegebedürftigen Personen orientieren sich hierbei am Einkommen (inklusive Pflegegeld) und sind faktisch als einkommensorientierte Selbstbeteiligung gestaltet. 26 Diese Eigenleistungsbeiträge sind analog zu den Regressmöglichkeiten und den Taschengeldregelungen ebenfalls höchst unterschiedlich zwischen den einzelnen Bundesländern, wie nachfolgende Darstellung zeigt: Wien: In Wien haben pflegebedürftige Personen für Heimhilfen einen sozial abgestuften Kostenbeitrag bis maximal 16,86 pro Einsatzstunde zu leisten. Für Pflegegeldbezieher gilt ein Mindestbeitrag von 5,23, wobei die Differenz zum Höchstbeitrag vom verfügbaren Einkommen berechnet wird. Bei Nichtpflegegeldbeziehern wird die Eigenleistung bis zur Höchstgrenze zur Gänze vom Einkommen erhoben. Der zumutbare Kostenbeitrag orientiert sich hierbei am Einkommen der pflegebedürftigen Person und ihrer unterhaltspflichtigen Angehörigen. Die Hauskrankenpflege ist nicht in das Kostenbeitragssystem miteinbezogen und es finden Ersatzleistungen seitens der Sozialversicherungsträger statt. 27 Niederösterreich: Für pflegebedürftige Personen in Niederösterreich fällt ein einheitlicher Kostenbeitrag ihv 11,56 pro Einsatzstunde, unabhängig von der Art des mobilen sozialen Dienstes, an. Dieser erhöht sich um 5,45 bei Bezug eines Pflegegeldes. 28 Burgenland: Auch das burgenländische Sozialhilfesystem sieht fixe Kostenbeiträge für mobile soziale Dienste vor, doch deren Höhe ist von der Art des Dienstes abhängig: Diplompflege: 24,80 Pflegehilfe: 19,70 Heimhilfe: 14,20 26 Vgl. Österle/Hammer (2004), S. 93 27 Vgl. BMSG (2004) S. 125, Wiener Sozialhilfegesetz 22 Abs. 3 28 Vgl. BMSG (2004) S. 77 19

Ein zusätzlicher Beitrag bei Bezug eines Pflegegeldes fällt nicht an. 29 Oberösterreich: Der Kostenbeitrag zu mobilen sozialen Diensten ist sowohl vom Gesamtbetrag der Einkünfte der/des Hilfebedürftigen sowie seines/r Ehegatten/in oder Lebensgefährten/in als auch vom Bezug eines Pflegegeldes abhängig. Je nach Höhe des Einkommens ergibt sich eine Eigenleistung von 0,77 bis 19,31 pro Einsatzstunde, welche sich bei Bezug eines Pflegegeldes um 3,93 pro Stunde erhöht. Das Ausmaß des Kostenbeitrages ist unabhängig von der Art des sozialen Dienstes. 30 Salzburg: In Salzburg ergibt sich die Eigenleistung der pflegebedürftigen Personen zu den mobilen sozialen Diensten in Abhängigkeit von der Bemessungsgrundlage, welche durch das monatliche Haushaltseinkommen, also auch das Einkommen des Ehegatten und der im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Kinder bestimmt wird. Vom Haushaltseinkommen sind allgemeine Aufwendungen ihv 70 % des Sozialhilferichtsatzes, der Wohnungsaufwand, Heizkosten und Aufwendungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abzuziehen, wodurch sich die sozialhilferechtliche Bemessungsgrundlage ergibt. Liegt sie unter 218 sind 2,5 % und bei einer Bemessungsgrundlage von über 218 sind 3 % dieses Betrages als Kostenbeitrag pro Einsatzstunde zu leisten. Die Eigenleistung erhöht sich um 6 bei Bezug eines Pflegegeldes. Die Höchstgrenze der Eigenleistung beträgt 25,45 pro Einsatzstunde und darf monatlich maximal der Höhe der Bemessungsgrundlage bzw. bei Pflegegeldbezug maximal der Höhe der monatlichen pflegebezogenen Geldleistung entsprechen. 31 Für die übrigen Bundesländer sind nur unpräzise und für Vorarlberg sogar keine gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des privaten Kostenbeitrages zu den ambulanten sozialen Diensten vorhanden. Die Sozialhilfegesetze von Kärnten, Tirol und der Steiermark schreiben lediglich zumutbare Kostenbeiträge vor, wobei diese meist von der Einkommens- und Vermögenssituation der pflegebedürftigen Person und deren unterhaltspflichtigen Angehörigen abhängig sind (Vgl. Steiermärkisches Sozialhilfegesetz 16 Abs. 4, Kärntner Sozialhilfegesetz 28 und Tiroler Grundsicherungsgesetz 3 Abs. 2). 29 Vgl. BMSG (2004) S. 68 30 Vgl. BMSG (2004) S. 84f, Oberösterreichische Sozialhilfeverordnung 6 31 Vgl. Simsa (2004) S. 229, Salzburger Soziale Dienste Verordnung 11 20

2.2 Sozialhilfeausgaben in Oberösterreich und deren Deckung Ein quantitativer Vergleich der Sozialausgaben und einnahmen zwischen den Bundesländern ist aufgrund der Heterogenität der Finanzierungsströme im Bereich der Altenpflege sowie der unterschiedlichen Abgrenzungen und Zurechnungsformen innerhalb der einzelnen Länder mit Vorsicht zu interpretieren. Eine solche Gegenüberstellung dient im Folgenden lediglich dazu, ein ungefähres Bild der Position Oberösterreichs bezüglich der Ausgaben für soziale Dienste und die Deckung durch Einnahmen innerhalb der Bundesländer zu bekommen. In weiterer Folge wird anhand der Untersuchung der Finanzierungsstruktur der oberösterreichischen Sozialhilfeträger versucht, die Relevanz einzelner Einnahmequellen zur Finanzierung von pflegebezogenen Sozialhilfeaufwendungen zu ermitteln. Dabei soll speziell die Bedeutung der privaten Kostenbeiträge und ersätze, wie sie im Sozialhilfegesetz vorgesehen sind, analysiert werden. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu erwähnen, dass eine genaue Aufschlüsselung der Zahlungsströme von privaten Haushalten kaum durchführbar ist, da in den einzelnen Rechnungsabschlüssen der Sozialhilfeträger keine hinreichend genaue Unterteilung vorgenommen wird. 2.2.1 Sozial- und Sozialhilfeausgaben Oberösterreichs und im Vergleich Abbildung 2: Sozialhilfeausgaben des Landes Oberösterreich im Jahr 2003 Sozialausgaben des Landes Oberösterreich 2003 14% 26% 41% 10% 3% 6% Allgemeine Sozialhilfe Altenwohn- und Pflegeheime Soziale Dienste Behindertenhilfe Landespflegegeld Sonstige Sozialhilfe Quelle: Eigene Darstellung, Statistik Austria 21

Im Jahr 2003 betrugen die Sozialausgaben in Oberösterreich 456,5 Millionen Euro. 190,6 Mio. Euro, also 41 Prozent, gingen hiervon in die Finanzierung von Alten- und Pflegeheimen und weitere 62,3 Mio Euro (14 Prozent) bzw. 43,4 Mio. Euro (10 Prozent) wurden für Soziale Dienste und Pflegegelder gemäß dem Oberösterreichischen Landespflegegeldgesetz aufgewendet. Diese Dominanz der Sozialausgaben für Alten- und Pflegeheime ist jedoch kein o- berösterreichisches Phänomen, sondern zeigt sich auch in allen anderen Bundesländern, wobei Oberösterreich diesbezüglich über dem bundesweiten Durchschnitt liegt, wie Abbildung 3 erkennen lässt. Abbildung 3: Sozialausgaben nach Art und Bundesland in 2003 in Prozent der Gesamtausgaben Ausgaben nach Art und Bundesland 45,00% 40,00% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% 41,76% 13,64% 9,51% 35,95% 10,41% 10,21% Salzburg Österreich Oberösterreich Niederösterreich Burgenland Steiermark Vorarlberg Tirol Wien Kärnten Altenwohn- und Pflegeheime Soziale Dienste Landespflegegeld Quelle: Eigene Darstellung, Statistik Austria Demnach liegt Oberösterreich beim Sozialausgabenanteil für stationäre Pflegeinrichtungen über dem Österreich weiten Durchschnitt, wobei zu beachten ist, dass für Kärnten die betrachtete Ausgabenposition nicht berichtet wurde, wodurch der österreichische Durchschnitt nach unten verzerrt wird. Bei der Betrachtung der Pro-Kopf-Sozialausgaben für den Bereich der Alten- und Pflegeheime zeigt sich, dass Oberösterreich nach Wien, gemeinsam mit Tirol, einen Spitzenplatz aufweist (vgl. Abbildung 4). 22

Abbildung 4: Pro-Kopf Sozialausgaben im Jahr 2003 nach Art und Bundesland Pro-Kopf Sozialausgaben 200,00 180,00 160,00 140,00 120,00 100,00 80,00 60,00 40,00 20,00 0,00 137,43 44,90 31,31 120,23 34,82 34,16 Salzburg Oberösterreich Niederösterreich Burgenland Steiermark Vorarlberg Tirol Wien Kärnten Österreich Altenwohn- und Pflegeheime Soziale Dienste Landespflegegeld Quelle: Eigene Darstellung, Statistik Austria 2.2.2 Einnahmen der Sozialhilfeverbände für stationäre Pflege Betrachtet man nun im Gegenzug die Einnahmenseite der Sozialhilfeträger, so kann festgestellt werden, dass in Oberösterreich im Jahr 2003 die Deckung von Sozialhilfeaufwendungen im Pflegebereich, also von Ausgaben für Alten- und Pflegeheime und soziale Dienste, bei. 59 % lag. 32 In den diesen Werten zugrunde liegenden Einnahmen sind jedoch auch sonstige Einnahmen enthalten, die nicht aus der Leistungserbringung gegenüber der stationär gepflegten Person stammen, wie bspw. Kostenbeiträge für Essen auf Rädern. Auch inkludiert sind Heimentgelte von Selbstzahlern, d. h. jene Personen, die aufgrund hinreichenden Einkommens und Vermögens keine Sozialhilfe zur Finanzierung des Heimplatzes in Anspruch nehmen. Be- 32 Berechnung anhand der Daten aus Pratscher (2003). 23

trachtet man ausschließlich den wegen eines stationären Pflegebedarfs sozialhilfebedürftigen Personenkreis und Einnahmen, die direkt der Pflegeleistung zuzurechnen sind, so liegt dafür die Kostendeckungsquote bei ca. 57 %, wenn man die Ergebnisse der Analyse der Rechnungsabschlüsse der Sozialhilfeverbände heranzieht. 33 Eine solche Analyse zeigt auch, dass sich diese Einnahmen aus den Pflegegeldern (Bundesund Landespflegegelder), den Pensionen, Sozialentschädigungen, Kostenersätzen anderer Sozialhilfeträger für die Unterbringung in eigenen Anstalten und auch privaten Kostenersätzen zusammensetzen. Mit 84,4 % machen die Einnahmen von Sozialversicherungsträgern, welche aus den Bundespflegegeldern und den gesetzlichen Pensionen bestehen 34, den größten Anteil aus. Weitere 4,7 Prozent stammen von den Bundessozialämtern für Renten, die aus der Sozialentschädigung stammen (bspw. Kriegsopferpensionen). 2,3 % werden im Durchschnitt durch die Landespflegegelder eingenommen und mit 1,8 % machen Kostenrückerstattungen anderer Sozialhilfeverbände einen ebenfalls geringen Anteil der Sozialhilfeeinnahmen aus (Vgl. Abbildung 5). Von besonderem Interesse sind nun die Zahlungen von privaten Haushalten. Die Pensionen, Renten und Pflegegelder sind zwar in gewisser Weise auch privater Natur, doch werden diese Zahlungsströme vom Sozialhilfeverband direkt mit den Sozialversicherungsträgern bzw. dem Bund oder Land verrechnet und sie stammen aus gesetzlich fixierten Leistungsansprüchen der pflegebedürftigen Personen an öffentliche Institutionen. Im Gegensatz dazu betreffen die unmittelbaren laufenden Zahlungen von privaten Haushalten jene Zahlungen an die Sozialhilfeverbände, die aus der Heranziehung von privaten Einkommen und Vermögen der betroffenen Personen entstehen. Sie umfassen daher alle Vermögensverwertungen, d. h. die nachträglich zumutbare Verwertung von Vermögensgegenständen 35 bzw. die Verwertung von nachträglich bekannt gewordenen Vermögen, Rückgriffe auf Schenkungen und die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber den Nachlassnehmern ehemaliger Heimbewohner. Auch in dieser Position enthalten sind private Einkünfte wie Leibrenten, Kapitaleinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Unterhaltsleistungen der Angehörigen der hilfebedürftigen 33 Dieser Wert ist niedriger als der von der Sozialabteilung des Landes OÖ berechnete Wert von über 70 % für die Deckung der laufenden Kosten durch die Einnahmen. Grund dafür könnte eine divergierende Abgrenzung sowie die in dieser Studie nicht einbezogene Situation der Statutarstädte sein. 34 Für die Auszahlung des Bundespflegegeldes ist jene Institution zuständig, die für die Auszahlung der Grundleistung, im Allgemeinen die Pension, verantwortlich ist. (Vgl. Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, 2. 9. 2006) 35 Dies ist der Fall, wenn die Verwertung keine soziale Härte mehr darstellt, bspw. weil Ehepartner oder Kinder des Sozialhilfeempfängers verstorben oder aus der Immobilie verzogen sind. 24

Person, die zur Pflegefinanzierung herangezogen werden. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich, machen diese laufenden Zahlungen von privaten Haushalten insgesamt mit 6,8 % 36 nur einen relativ geringen Finanzierungsanteil bei den Einnahmen der Sozialversicherungsträger aus. 37 Abbildung 5: Anteil der Einnahmen der Sozialhilfeträger nach Herkunft Einnahmen der Sozialhilfeträger 84.4% Private Haushalte 2.0% 6.8% 3.4% 4.7% 2.3% 1.8% 1.4% Bundessozialämter Landespflegegeld Kostenrückerstattungen Sozialversicherung laufende Einkünfte Verlassenschaften sonstige private Haushalte Quelle: Eigene Darstellung, eigene Berechnung anhand der Rechnungsabschlüsse des Jahres 2005 der Sozialhilfeverbände. Anmerkung: Es sind jene Einnahmen zusammengestellt, die aus der Pflegeleistungserbringung der Sozialhilfeträger stammen und auf die pflegebedürftigen Personen bezogen sind. Eine genaue Aufgliederung dieser Position ist durch die Analyse von Rechnungsabschlüssen nicht möglich, wenngleich festgestellt werden kann, dass Schenkungsrückgriffe (aufgrund der kurzen Verjährungsfristen) und die Vereinnahmung von Unterhaltsleistungen von geringer Relevanz sind. Es ist davon auszugehen, dass rund ein Fünftel der von privaten Haushalten zufließenden Einnahmen für Sozialhilfeausgaben für Alten- und Pflegeheime aus laufenden Einkünften der pflegebedürftigen Person, wie bspw. Unterhaltsleistungen von Angehörigen oder Leibrenten, besteht. Weitere 50 Prozent dieser Einnahmen stammen, wie aus der Aus- 36 Dieser Durchschnittswert ist durch zwei besonders hohe Einzelwerte beeinflusst. Lässt man diese beiden weg, so ergibt sich für die übrigen ein Durchschnittswert von 5,7 % der Einnahmen. 37 Anzumerken ist, dass in diesen Zahlen keine Beiträge von so genannten Selbstzahlern (das sind stationär untergebrachte pflegebedürftige Personen, die den Aufenthalt selbst - ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe - bezahlen) enthalten sind. Zum Teil erfolgt diese Selbstzahlung nur vorübergehend bis zum Verstreichen der Frist, um Rückgriffe auf verschenktes Vermögen zu vermeiden, ist also auch als Folge des Rückgriffrechts auf Schenkungen anzusehen. 25

wertung der Rechnungsabschlüsse der SHV Steyr-Land und Freistadt ersichtlich wird, aus der Verwertung von Verlassenschaften. Der verleibende Teil dieser Einnahmen, also etwa ein Drittel, besteht zum Großteil aus den Veräußerungserlösen nachträglich bekannt gewordenen Vermögens im Eigentum der pflegebedürftigen Person. Schenkungsrückgriffe scheinen lediglich einen marginalen Anteil der Einnahmen auszumachen (vgl. Abbildung 5). Anhand dieser Darstellung wird ersichtlich, dass die derzeitige Finanzierung der Ausgaben für Pflege einerseits stark durch Sozialversicherungsleistungen in Form von durch die Heimträger einbehaltenen Pensionen und Pflegegelder geprägt ist und andererseits müssen, wie eingangs angemerkt, zur Finanzierung des großen durch diese Einnahmen nicht gedeckten Ausgabenteils beträchtliche allgemeine Steuermittel von Land und Gemeinden aufgewendet werden. 26

3 Prognose der Pflegekosten Im Jahr 2003 betrugen die Aufwendungen für das Bundespflegegeld 1.470,60 Mio. Euro. Zu diesem kamen Pflegegeldzahlungen aufgrund der Landespflegegeldgesetze i.h.v. 277,27 Mio. Euro und Sozialhilfeaufwendungen für soziale Dienste im Ausmaß von 1.258,65 Mio. Euro. Demnach betrugen die Sozialausgaben für Pflege in Summe 3.006,52 Mio. Euro, was 1,32 % des BIP des Jahres 2003 entspricht. 38 Allerdings ist zu beachten, dass für das Burgenland keine Daten der Sozialhilfeaufwendungen für ambulante Dienste und für Kärnten keine zu den Ausgaben für stationäre Dienste vorhanden sind. In Anlehnung an die Studie von Streissler (2004) ist daher die Sozialausgabenquote für Pflege auf 1,39 % des BIP für das Jahr 2003 zu erhöhen. Der erwähnten Studie ist darüber hinaus die Prognose zu entnehmen, dass sich die formellen Kosten der Pflege bis 2030 mehr als verdoppeln werden. Diese Kosten umfassen sowohl Ausgaben für soziale Dienste auf Ebene der Gemeinden, als auch die gesamten Pflegegeldzahlungen aufgrund bundes- und landesgesetzlicher Vorschriften. Im Rahmen dieses Kapitels wird nun ebenfalls eine Prognose der Kostenentwicklung vorgenommen, in vereinfachter Form und zum Teil getrennt nach Pflegegeld- und Sozialhilfeausgaben, wobei für die Prognose das Jahr 2003 als Basisjahr herangezogen wird. Es wurden hierfür Daten von Statistik Austria und aus der Studie von Streissler (2004) verwendet. Die Kostenvorausschau wird für zwei mögliche Entwicklungen der Pflegebedürftigkeit durchgeführt. Zu Beginn wird das Basisszenario erläutert, gefolgt von der Darstellung des Szenarios mit steigender Lebenserwartung und besserem Gesundheitszustand. 3.1 Basisszenario demografischer Effekt Es wird explizit die Annahme getroffen, dass die Pflegestruktur, d. h. die Aufteilung in die stationäre und ambulante Pflege über die Jahre konstant bleibt und dass der demografische Effekt, der bewirkt, dass die Altersgruppe der über 60-Jährigen eine Zunahme in Relation zur übrigen Bevölkerung erfährt, zu einem Kostenwachstum führt. Zur Abschätzung dieses Kostenwachstums wird eine konstante Pflegeinzidenz, d. h. ein konstanter Anteil der pflegebe- 38 Daten von Statistik Austria. 27