Briefing für Personalverantwortliche

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Transkript:

Briefing für Personalverantwortliche Marco Maurer Jörg Salzmann Rechtsanwalt/Associate Rechtsanwalt/Associate T +49 69 7941 1132 T +49 69 7941 1072 mmaurer@mayerbrown.com jsalzmann@mayerbrown.com Q4/2017 7. Dezember 2017 Mayer Brown is a global legal services provider comprising legal practices that are separate entities (the "Mayer Brown Practices"). The Mayer Brown Practices are: Mayer Brown LLP and Mayer Brown Europe-BrusselsLLP, both limited liabilitypartnerships establishedin IllinoisUSA; Mayer Brown International LLP, a limited liabilitypartnership incorporated in England and Wales (authorized and regulated by the Solicitors Regulation Authority and registered in England and Walesnumber OC 303359); Mayer Brown, a SELASestablished in France; Mayer Brown JSM, a Hong Kong partnership and its associated legal practices in Asia; and Tauil & Chequer Advogados, a Brazilianlaw partnership with which Mayer Brown is associated. Mayer Brown Consulting (Singapore) Pte. Ltd and its subsidiary, which are affiliatedwith Mayer Brown, provide customs and trade advisory and consultancy services, not legal services. "Mayer Brown" and the Mayer Brown logo are the trademarks of the Mayer Brown Practices in their respective jurisdictions.

Agenda EU-Arbeitszeitrichtlinie belässt Spielraum hinsichtlich der Lage des wöchentlichen Ruhetags Rechtsprechungsänderung: Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen Zulässigkeit verdeckter Überwachungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis unterhalb der Strafbarkeitsschwelle 2

EU-Arbeitszeitrichtlinie belässt Spielraum hinsichtlich der Lage des wöchentlichen Ruhetags (1/5) Gegenstand der Entscheidung (EuGH, 9.11.2017 C-306/16) Der Entscheidung des EuGH liegt ein portugiesischer Rechtsstreit zugrunde Der klagende Arbeitnehmer war in einem Casino tätig, das mit Ausnahme des 24. Dezembers täglich (Mo-So) geöffnet ist Die Arbeit war in der Vergangenheit so organisiert, dass der Arbeitnehmer manchmal an sieben aufeinanderfolgenden Tagen zur Arbeit eingeteilt war Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses klagte der Arbeitnehmer auf Schadensersatz wegen nicht gewährter Ersatzruhetage 3

EU-Arbeitszeitrichtlinie belässt Spielraum hinsichtlich der Lage des wöchentlichen Ruhetags (2/5) Gegenstand der Entscheidung (EuGH, 9.11.2017 C-306/16) Das Berufungsgericht in Porto legte dem EuGH insgesamt vier Fragen zur Vorabentscheidung vor Die vorgelegten Fragen bezogen sich im Kern auf Art. 5 Abs. 1 der EU- Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG Richtlinie ), der Folgendes regelt: Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden ( ) gewährt wird. Das portugiesische Berufungsgericht fragte hierzu u.a. sinngemäß: Verlangt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie, dass die kontinuierliche Mindestruhezeit spätestens nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt wird oder kann der Arbeitgeber die Lage dieser Ruhezeit in jeder Woche frei auswählen? 4

EU-Arbeitszeitrichtlinie belässt Spielraum hinsichtlich der Lage des wöchentlichen Ruhetags (3/5) Inhalt der Entscheidung (EuGH, 9.11.2017 C-306/16) Nach der Entscheidung des EuGH verlangt Art. 5 der Richtlinie nur, dass die kontinuierliche wöchentliche Mindestruhezeit innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt wird Um die Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers wirksam zu schützen, müssten jedem Arbeitnehmer angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen In Bezug auf die Wahl des Zeitpunkts der kontinuierlichen Mindestruhezeit belasse die Richtlinie aber einen gewissen Spielraum Sie erlaube es etwa, dem betreffenden Arbeitnehmer am Ende eines und am Anfang des darauf folgenden Siebentageszeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu gewähren Somit wäre es nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie also grundsätzlich zulässig, dass ein Arbeitnehmer bis zu 12 aufeinanderfolgende Tage beschäftigt wird 5

EU-Arbeitszeitrichtlinie belässt Spielraum hinsichtlich der Lage des wöchentlichen Ruhetags (4/5) Einordnung der Entscheidung (EuGH, 9.11.2017 C-306/16) Die Richtlinie stellt nur Mindestnormen für den Schutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung auf. Die nationalen Rechtsvorschriften können einen weitergehenden Schutz vorsehen Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem sonntäglichen Beschäftigungsverbot in 9 Abs. 1 ArbZG die Mindestvorgabe der Richtlinie erfüllt Dass hierdurch die Lage des Ruhetages fest vorgegeben ist, dürfte den europarechtlichen Vorgaben als arbeitnehmergünstigere Regelung nicht entgegenstehen 6

EU-Arbeitszeitrichtlinie belässt Spielraum hinsichtlich der Lage des wöchentlichen Ruhetags (5/5) Einordnung der Entscheidung (EuGH, 9.11.2017 C-306/16) Für die Ausnahmefälle erlaubter Sonntagsarbeit sieht 11 Abs. 3 ArbZG vor, dass ein Ersatzruhetag innerhalb von 2 Wochen zu gewähren ist Bei strikter Anwendung dieser Regelung könnte ein Arbeitnehmer sogar mehr als 12 aufeinanderfolgende Arbeitstage beschäftigt werden Art. 16 a) der Richtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Möglichkeit, für die wöchentlich einzuhaltende Ruhezeit einen Bezugszeitraum von bis zu 14 Tagen vorzusehen Zur Auslegung und den Grenzen von Art. 16 a) der Richtlinie musste der EuGH in dem vorliegenden Verfahren jedoch nicht Stellung beziehen 7

Rechtsprechungsänderung: Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers (1/4) Kontext der Entscheidung: 106 Gewerbeordnung: Leistungspflichten wie Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung werden im Arbeitsvertrag üblicherweise allgemein umschrieben Der Arbeitgeber kann die Leistungspflichten durch sein Weisungsrecht im Rahmen des 106 GewO einseitig konkretisieren Grenzen: Regelungen in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen und Gesetzen Billiges Ermessen, d.h. Abwägung der Interessen im Einzelfall Über die Billigkeit oder Unbilligkeit von Weisungen entscheidet das Arbeitsgericht Problem: Darf der Arbeitnehmer die Befolgung unbilliger Weisungen verweigern oder darf er sich nicht über sie hinwegsetzen und muss das Arbeitsgericht anrufen? 8

Rechtsprechungsänderung: Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers (2/4) Sachverhalt der Entscheidung (BAG, 14.6.2017 10 AZR 330/16 (A)) Der Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber zuletzt als Immobilienkaufmann in Dortmund beschäftigt Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers enthielt eine Klausel, wonach der Arbeitgeber berechtigt war, den Arbeitsort des Arbeitnehmers zu ändern Die Zusammenarbeit des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber und seinen Kollegen am Standort Dortmund war aufgrund diverser Vorwürfe gestört Der Arbeitgeber wies den Arbeitnehmer an, zunächst für sechseinhalb Monate am Standort Berlin seine Arbeit zu verrichten Der Arbeitnehmer kam der Weisung nicht nach und wurde in der Folge zweimal abgemahnt und schließlich fristlos gekündigt Der Arbeitnehmer begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Unbilligkeit der Weisung 9

Rechtsprechungsänderung: Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers (3/4) Inhalt der Entscheidung (BAG, 14.6.2017 10 AZR 330/16 (A)) Arbeitnehmer müssen Weisungen, die nicht billigem Ermessen i.s.v. 106 GewO entsprechen, nicht - auch nicht vorläufig - befolgen, selbst wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Arbeitsgerichte vorliegt Arbeitgeber können das Risiko unbilliger Weisungen nicht auf Arbeitnehmer abwälzen Die Rechtsfolgen einer unbilligen Weisung sind gesetzlich nicht geregelt Die Pflicht zur Befolgung unbilliger Weisungen müsste gesetzlich geregelt sein Aus den allgemeinen Grundsätzen der Billigkeitskontrolle ergibt sich keine Verpflichtung zur Befolgung unbilliger Weisungen Sinn und Zweck des Weisungsrechts sprechen gegen die Befolgung unbilliger Weisungen 10

Rechtsprechungsänderung: Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen des Arbeitgebers (4/4) Konsequenzen für die Praxis (BAG, 14.6.2017 10 AZR 330/16 (A)) Arbeitnehmer können nicht gekündigt werden, wenn sie einer unbilligen Weisung nicht nachkommen Arbeitnehmer geraten nicht in Annahmeverzug, wenn sie einer unbilligen Weisung nicht nachkommen Arbeitgeber muss Klage auf Feststellung der Billigkeit der Weisung erheben Beweislastverteilung: Arbeitgeber muss die Billigkeit der Weisung beweisen Risiko der Unbilligkeit der Weisung liegt beim Arbeitgeber Verlust an Rechtssicherheit für Arbeitgeber Weisungen vor Ausspruch sorgfältig prüfen und dokumentieren Ausspruch einer Änderungskündigung 11

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen (1/5) Sachverhalt der Entscheidung (BAG, 26.10.2017 6 AZR 158/16) Der Arbeitnehmer wurde vom Arbeitgeber seit 2009 unbefristet als Speditionskaufmann beschäftigt Der ursprüngliche Anstellungsvertrag sah eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden und ein Monatsentgelt in Höhe von 1.400,- brutto vor; zusätzlich war eine Provision von 600,- brutto im Monat möglich Die Kündigungsfrist betrug vier Wochen zum Monatsende Im Jahr 2012 wurde in einer Zusatzvereinbarung u.a. vereinbart, dass sich das Bruttogehalt des Arbeitnehmers auf 2.400,- zzgl. einer möglichen Provision von 400,- monatlich erhöht die Kündigungsfrist im Hinblick auf die außerordentliche Gehaltserhöhung für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängert wird bei vertragswidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe in Höhe von 2 Monatsgehältern fällig ist 12

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen (2/5) Sachverhalt der Entscheidung (BAG, 26.10.2017 6 AZR 158/16) Am 27.12.2014 erklärte der Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und fristgerecht zum 31.01.2015 zu kündigen Der Arbeitgeber klagte vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.01.2015 hinaus fortbesteht Die in der Zusatzvereinbarung vorgesehene Vereinbarung einer 3-jährigen Kündigungsfrist begründete der Arbeitgeber damit, dass der Arbeitnehmer selbst den Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit geäußert habe und aufgrund der Übernahme zusätzlicher Führungsverantwortung, die der Anlass für die Gehaltserhöhung gewesen sei, auch der Arbeitgeber wegen des künftigen Umgangs mit betriebssensiblen Daten den Erhalt des Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte Dauer sichergestellt wissen wollte 13

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen (3/5) Inhalt der Entscheidung (BAG, 26.10.2017 6 AZR 158/16) Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage des Arbeitgebers ab Die in der Zusatzvereinbarung vereinbarte Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende sei unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die wesentlich länger sei als die (vierwöchige!) gesetzliche Regelfrist des 622 Abs. 1 BGB, sei für jeden Einzelfall im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen, ob die berufliche Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers unangemessen beschränkt wurde Im vorliegenden Fall habe das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler eine unausgewogene Vertragsgestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht 14

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen (4/5) Inhalt der Entscheidung (BAG, 26.10.2017 6 AZR 158/16) Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber bei der Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Arbeitnehmers durchzusetzen versucht, ohne einen angemessenen Ausgleich zu gewähren Das an sich schützenswerte Interesse des Arbeitgebers, Personalsuche und Einarbeitung des Nachfolgers durch eine längere Kündigungsfrist zu gewährleisten, sei bei einer dreijährigen Kündigungsfrist übersichert Für die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sei nicht die verlängerte Kündigungsfrist, sondern ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot das geeignete Mittel des Arbeitgebers Da Vakanzen auf gewöhnlichen Arbeitsplätzen in aller Regel kurzfristig besetzt würden, wirke sich die lange Kündigungsfrist nachteilig auf die beruflichen Entwicklungschancen des Arbeitnehmers aus 15

Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen (5/5) Inhalt der Entscheidung (BAG, 26.10.2017 6 AZR 158/16) Die in der Zusatzvereinbarung geregelte erhebliche Gehaltserhöhung könne die Nachteile aus der langen Kündigungsfrist nicht angemessen ausgleichen; angesichts des mehr als bescheidenen Ausgangsgehalts ergebe sich insgesamt allenfalls eine angemessene Vergütung Auch die Tatsache, dass gemäß 15 Abs. 4 TzBfG sogar eine vertragliche Bindung von bis zu 5 Jahren und 6 Monaten ohne Möglichkeit einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung zulässig sein kann, stehe einer abweichenden Bewertung im Rahmen der AGB-Kontrolle nicht entgegen Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung des BAG - zu der bislang nur die Pressemitteilung vorliegt - überrascht und erhöht die Rechtsunsicherheit bei der Vereinbarung längerer Kündigungsfristen Es bleibt zu hoffen, dass sich aus den Entscheidungsgründen zumindest Leitlinien für eine rechtssichere Vertragsgestaltung ableiten lassen 16

Zulässigkeit verdeckter Überwachungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis unterhalb der Strafbarkeitsschwelle (1/3) Sachverhalt der Entscheidung (BAG, 29.6.2017 2 AZR 597/16) Der Arbeitgeber ist ein Hersteller von Stanzwerkzeugen und Stanzformen Der Arbeitnehmer ist bei dem Arbeitgeber im Stanzformenbau beschäftigt Im November 2013 gründen die Söhne des Arbeitnehmers die M-GmbH Unternehmensgegenstand der M-GmbH ist die Herstellung von Stanzformen 2014 ist der Arbeitnehmer mehrfach und 2015 durchgehend arbeitsunfähig Am 29. Mai 2015 erhält der Arbeitgeber Hinweise auf eine Tätigkeit des Arbeitnehmers für die M-GmbH während der Arbeitsunfähigkeit Ein vom Arbeitgeber eingeschalteter Detektiv bestätigt am 3. Juni 2015 die Tätigkeit des Arbeitnehmers für die M-GmbH während der Arbeitsunfähigkeit Nach Anhörung des Arbeitnehmers am 8. Juni 2015 kündigt der Arbeitgeber diesen mit Schreiben vom 11. Juni 2015 fristlos 17

Zulässigkeit verdeckter Überwachungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis unterhalb der Strafbarkeitsschwelle (2/3) Inhalt der Entscheidung (BAG, 29.6.2017 2 AZR 597/16) Eine verdeckte Überwachungsmaßnahme zur Aufdeckung eines auf konkreten Tatsachen gegründeten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann nach 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG ( 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG neu) zulässig sein Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein (Verhältnismäßigkeit): Die Maßnahme ist geeignet, wenn sie die Erreichung des Zwecks kausal bewirkt oder zumindest fördert Die Maßnahme ist erforderlich, wenn kein milderes Mittel gleicher Eignung zur Verfügung steht Die Maßnahme ist angemessen, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt 18

Zulässigkeit verdeckter Überwachungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis unterhalb der Strafbarkeitsschwelle (3/3) Konsequenzen für die Praxis (BAG, 29.6.2017 2 AZR 597/16) Vorliegen von konkreten den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung begründenden Tatsachen Umfassende Dokumentation der Verdachtsgründe (Verdächtigenkreis, Schaden, Verdachtsmomente) Verhältnismäßigkeitsprüfung (geeignet, erforderlich und angemessen), insb.: Weniger einschneidende, aber gleich wirksame Mittel wurden erfolglos ausgeschöpft Die Maßnahme stellt das einzig verbleibende Mittel zur Aufklärung der Verdachtsmomente dar Umfassende Gesamtabwägung der Intensität des Eingriffs und des Gewichts der ihn rechtfertigenden Gründe 19

Ihre Ansprechpartner Marco Maurer Rechtsanwalt/Associate, Frankfurt am Main +49 69 7941 1132 mmaurer@mayerbrown.com Jörg Salzmann Rechtsanwalt/Associate, Frankfurt am Main +49 69 7941 1072 jsalzmann@mayerbrown.com Vielen Dank! 20